Ausgabe 30 - Geographisches Institut der Universität Heidelberg
Ausgabe 30 - Geographisches Institut der Universität Heidelberg
Ausgabe 30 - Geographisches Institut der Universität Heidelberg
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<strong>Ausgabe</strong> <strong>30</strong><br />
Zeitschrift von und für Studenten/innen<br />
des Geographischen <strong>Institut</strong>s <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
Große Exkursion Chile | Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Walldorf<br />
Abschiedsinterview mit Prof. Bubenzer | PH Ökolab<br />
Laserscanning Forschungsgruppe | Gasboom USA | uvm.
COLUMBUS-TITELBILD:<br />
„Chile - Abendlicher Blick über<br />
die Trauben und Weinfel<strong>der</strong>“<br />
von Katrin Asdonk<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
02 DER COLUMBUS JUBELT - <strong>30</strong> AUSGABEN!<br />
Der Columbus feiert mit dieser <strong>Ausgabe</strong> sein <strong>30</strong>stes Jubiläum. Grund<br />
genug um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beleuchten.<br />
03 GROSSE EXKURSION CHILE<br />
Eine Gruppe unerschrockener Studenten folgten Herrn Glücklers Ruf<br />
nach Chile und fanden heraus wie interessant Wirtschaftsgeographie<br />
doch sein kann.<br />
06 INTERVIEW MIT HERRN BUBENZER<br />
Kurz bevor Herr Bubenzer uns nun in Richtung Köln verlässt, haben<br />
wir ihn für ein Interview gewinnen können. Was er über <strong>Heidelberg</strong><br />
und das <strong>Institut</strong> denkt, erfahrt ihr hier!<br />
09 FORSCHUNGSGRUPPE LASERSCANNING<br />
Die LiDAR Research Group präsentiert sich und zeigt anhand einiger<br />
Projekte, wie vielfältig ihre Forschungsarbeit ist.<br />
14 ÖKOLAB DER PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULE<br />
Im Stillen hat sich die Idee eines hochschuleigenen Ökolabors von <strong>der</strong><br />
bloßen Theorie in eine reale Einrichtung verwandelt.<br />
18 MASTER OF GOVERNANCE OF RISK AND RESOURCES<br />
Im <strong>Heidelberg</strong> Center für Lateinamerika (HCLA) in Santiago de<br />
Chile wurde dieser neue Masterstudiengang eingeführt. Welche Möglichkeiten<br />
bietet er? Vielleicht würde er dich sogar ansprechen?!<br />
21 STUDENTENPROTESTE IN CHILE<br />
Der chilenische Doktorand Pablo Pulgar berichtet über die Prosteste,<br />
welche seit einiger Zeit in seinem Land herrschen.<br />
25 ISOLATION & EVOLUTION AUF DEM ROHSTOFFMARKT<br />
Auch heute gibt es noch isolierte Märkte, trotz sinken<strong>der</strong> Transportkosten<br />
und fortschreiten<strong>der</strong> Globalisierung. Umso faszinieren<strong>der</strong> ist<br />
dort eine Evolution in <strong>der</strong> Technologie, die Angebot und Nachfrage<br />
aus den Fugen hebt.<br />
27 WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG WALLDORF<br />
Das Feld <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung ist eines, in dem Geographen an<br />
sich gute Chancen haben. Doch was genau kommt dort auf einen zu?<br />
32 KRIEG WOHIN BIST DU VERSCHWUNDEN?<br />
Lukas Rey schreibt in seinem Leserbrief über den Krieg und ob er verschwunden<br />
ist o<strong>der</strong> sich nur unter an<strong>der</strong>em Decknamen verschanzt.<br />
33 Neuigkeiten / Impressum<br />
01<br />
Inhaltsverzeichnis 01<br />
03-2012 | COLUMBUS
Mittlerweile ist es ziemlich<br />
genau sieben Jahre<br />
her, als <strong>der</strong> Columbus<br />
das Licht <strong>der</strong> Welt erblickte.<br />
Christina Preusker gründete das<br />
Projekt Columbus mit <strong>der</strong> Idee,<br />
den Studierenden regelmäßig einen<br />
Einblick in Praktika und Berufsprofile<br />
zu bieten. Nach einigen<br />
<strong>Ausgabe</strong>n erweiterte sich das<br />
Spektrum dieses Informations-Instrumentes<br />
um die Bereiche Geographie<br />
und <strong>Institut</strong>sneuigkeiten.<br />
Parallel zu dieser Entwicklung<br />
mehrten sich auch die Anhänger<br />
und Unterstützer des Columbus.<br />
Ein Redaktionsteam begann sich<br />
zu bilden. Zudem begeisterte, die<br />
nun 2-3 Mal im Semester erscheinende,<br />
Zeitschrift eine immer größer<br />
werdende Leserschaft.<br />
ES FOLGTEN RUBRIKEN wie<br />
„Fahr‘ doch mal hin“ sowie regelmäßige<br />
Interviews mit Professoren.<br />
Auch das, mit <strong>der</strong> Zeit immer<br />
professioneller werdende, Layout<br />
zeigt, dass <strong>der</strong> Columbus einen<br />
festen Platz an diesem <strong>Institut</strong><br />
eingenommen hat. Die weiterhin<br />
sehr intensive Kooperation mit <strong>der</strong><br />
PIG und dem <strong>Institut</strong> an sich, so-<br />
wie <strong>der</strong> starke Teamgeist <strong>der</strong> Redaktion<br />
tragen zur konstant guten<br />
Qualität <strong>der</strong> <strong>Ausgabe</strong>n bei. Somit<br />
fungierte <strong>der</strong> Columbus nicht nur<br />
in seiner Anfangsphase als Orientierungs-<br />
bzw. Navigationshilfe<br />
für Studierende, son<strong>der</strong>n dient<br />
auch heute noch den Suchenden<br />
und Unschlüssigen als Wegweiser<br />
durch und über das Studium hinaus.<br />
REDAKTIONSINTERN WIRD ES<br />
auch momentan beileibe nicht<br />
langweilig. Dank des bologna-reformierten<br />
Studiums und den daraus<br />
resultierenden kürzeren Verweilzeiten<br />
<strong>der</strong> Studenten an einer<br />
Uni, hat auch das Columbus-Team<br />
mit einer hohen Fluktuation zu<br />
kämpfen. Darum ist es für uns als<br />
studentische Initiative auch immens<br />
wichtig immer wie<strong>der</strong> neue<br />
Leute für unsere Arbeit zu begeistern.<br />
Seid ihr also an <strong>der</strong> Medien-<br />
und Journalismuswelt interessiert,<br />
meldet euch bei uns und fühlt euch<br />
im Team willkommen!<br />
AUS DER MOTIVATION heraus<br />
den Columbus attraktiver und<br />
vielseitiger zu machen, hat sich<br />
Titel Jubiläumsartikel des Artikels 21 02<br />
Der Columbus jubelt,<br />
denn er wird <strong>30</strong>!<br />
Mit dieser Veröffentlichung feiern wir die dreißigste <strong>Ausgabe</strong> des<br />
Columbus. Dies sehen wir als Grund zum Feiern! Im Folgenden bekommt<br />
ihr treuen Columbus-Leser einen kleinen Rückblick, den jetzigen<br />
Status quo, sowie einen Blick in die Zukunft präsentiert.<br />
unter an<strong>der</strong>em ein neues Design<br />
entwickelt, das seit <strong>Ausgabe</strong> 29<br />
den Columbus schmückt. Wie<br />
man schon in den letzten Neuigkeiten<br />
lesen konnte, ist <strong>der</strong> Columbus<br />
nun auch in den Social Media<br />
vertreten. Die noch relativ frische<br />
Facebook-Seite soll als Kommunikationsplattform<br />
dienen und somit<br />
den Lesern die Möglichkeit bieten<br />
ein schnelles und unkompliziertes<br />
Feedback an das Redaktionsteam<br />
zu leiten. Wir sind froh um jeden<br />
einzelnen Kommentar sowie jede<br />
Idee, schließlich ist die Zeitschrift<br />
auch für die Studierende Leserschaft<br />
konzipiert worden und lebt<br />
von ihrer Akzeptanz unter euch.<br />
IN ZUKUNFT WERDEN daher<br />
auch gewünschte Artikel zu Masterstudiengängen,<br />
Neuigkeiten aus<br />
dem <strong>Institut</strong> und aktuellen geographischen<br />
Themen mehr zu lesen<br />
sein! Seid also gespannt wie sich<br />
<strong>der</strong> Columbus in den nächsten <strong>30</strong><br />
<strong>Ausgabe</strong>n weiterentwickelt und<br />
schnuppert gerne einmal in die<br />
Welt eines Columbus-Redakteurs!<br />
euer Redaktionsteam<br />
03-2012 | COLUMBUS
Text / Bil<strong>der</strong>: Katrin Asdonk<br />
& Nassim Ghazanfari<br />
Unter <strong>der</strong> Leitung von Prof.<br />
Dr. Johannes Glückler,<br />
Dr. Michael Handke sowie<br />
<strong>der</strong> Doktorandin Carla Gutiérrez<br />
ging es im März 2012 für 18<br />
<strong>Heidelberg</strong>er Geographiestudenten<br />
zwei Wochen lang nach Chile.<br />
Wir stellten uns auf langweilige,<br />
trockene Wirtschaftsgeographie,<br />
lange Monologe von Dozenten<br />
und Experten sowie stundenlanges<br />
Protokollieren ein. Doch es kam<br />
alles ganz an<strong>der</strong>s.<br />
UNSERE EXKURSION STARTETE<br />
in Santiago de Chile, wo einige<br />
von uns schon mehrere Tage vor<br />
Exkursionsbeginn eingetroffen<br />
waren, um auf eigene Faust die<br />
Stadt zu erkunden.. Von unserem<br />
gemütlichen Hostel ging es<br />
am ersten Exkursionstag auf den<br />
Hausberg Santiagos Cerro San<br />
Cristóbal, wo wir einen wun<strong>der</strong>schönen<br />
Blick auf die Metropole<br />
Santiago de Chile hatten, die<br />
eindrucksvoll, wenn auch smogverhangen,<br />
in einem Talkessel <strong>der</strong><br />
Anden liegt. Mit unserem geographisch<br />
geschulten Auge, machten<br />
wir uns sofort daran aus <strong>der</strong> Vogelperspektive<br />
Kennzeichen <strong>der</strong><br />
fragmentierten Stadt zu suchen,<br />
was uns zunächst nur in Ansätzen<br />
gelang. Nachdem wir nach einer<br />
steilen Abfahrt in einer wenig<br />
vertrauenserweckenden Zahnradbahn<br />
wie<strong>der</strong> in den Straßen Santiago<br />
angekommen waren, wurden<br />
wir jedoch eines besseren belehrt.<br />
In Begleitung von Prof. Dr. Johannes<br />
Rehner, fuhren wir zu verschiedenen<br />
Gated Communities.<br />
Die meisten von uns erwarteten<br />
Villen und schicke Autos. Es zeigte<br />
sich aber, dass in Santiago auch<br />
Menschen <strong>der</strong> Mittelschicht in die<br />
suggerierte Sicherheit und den<br />
Lifestyle <strong>der</strong> Gated Communities<br />
flüchten. Nicht nur bei diesem<br />
Thema haben wir neue Aspekte<br />
kennen gelernt. Jeden Abend wurden<br />
unsere Eindrücke und Beobachtungen<br />
durch kurze und intensive<br />
Diskussionen auf den Punkt<br />
gebracht und aufgearbeitet. Durch<br />
gezielte Fragestellung wurde die<br />
Gruppe zum kritischen Denken<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, wodurch die abendliche<br />
Zusammenfassung des Tages<br />
sehr interessant, lehrreich und<br />
nachhaltig wurde.<br />
Große Titel Exkursion des Artikels Chile 21 03<br />
Große Exkursion Chile<br />
Wirtschaftsgeographie ist doch spannend!<br />
„Abendlicher Blick über Trauben und Weinfel<strong>der</strong>“<br />
WIE EINIGEN VIELLEICHT bekannt<br />
ist, gibt es seit dem Sommersemester<br />
2012 einen Studiengang<br />
„Governance of Risks and<br />
Resources“ im <strong>Heidelberg</strong> Center<br />
Lateinamerika. Der Besuch dieser<br />
„Filiale“ <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Heidelberg</strong><br />
stand ebenfalls auf unserer<br />
Agenda – dort beschäftigten wir<br />
uns mit den Themen ausländischer<br />
Direktinvestitionen und Factoring.<br />
Durch Expertengespräche<br />
wurde die sogenannte. „Finanzgeographie“,<br />
eine Unterdisziplin<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftsgeographie, anschaulich<br />
vermittelt. Abends grillten<br />
wir mit <strong>der</strong> Gruppe, wobei die<br />
Frauen – die deutlich in <strong>der</strong> Überzahl<br />
waren – selbstverständlich<br />
für Salat und die Männer für das<br />
Fleisch zuständig waren. Im schönen<br />
Innenhof unseres Hostels,<br />
fern <strong>der</strong> Hitze und dem Trubel <strong>der</strong><br />
Millionenstadt, ließen wir so den<br />
Tag ausklingen.<br />
CHILE HATTE IN diesem Jahr einen<br />
ungewöhnlich trockenen und<br />
heißen Sommer hinter sich. Jedoch<br />
fiel uns auf, dass es an den<br />
trockenen Berghängen komplett<br />
grüne Flächen gab, an denen z.<br />
B. Avocados angebaut wurden.<br />
03-2012 | COLUMBUS
„Gully-Effekt durch sauren Regen“<br />
Woher das Wasser in diesem trockenen<br />
und kargen Chile dafür<br />
kommt und wie es möglich ist,<br />
dass das Wasser so ungleich zwischen<br />
den Akteuren verteilt ist,<br />
beschäftigte uns an diesem Tag.<br />
Gemeinsam mit Mitarbeitern <strong>der</strong><br />
Dirección Regional de Aguas am<br />
Fluss Rio Aconcagua sahen wir<br />
vor Ort, wie Wasser verwaltet und<br />
zugeteilt wird und welche Probleme<br />
dabei entstehen. Abends<br />
fuhren wir nach Los Andes, <strong>der</strong><br />
Grenzstadt zu Argentinien und<br />
ließen den Tag ausklingen. Eine<br />
ebenfalls anwesende chilenische<br />
Fußballmannschaft war sichtlich<br />
an <strong>der</strong> großen Zahl europäischer<br />
Mädchen interessiert. In Los Andes<br />
besuchten wir das staatliche<br />
Kupferunternehmen CODELCO.<br />
Chile hält mit ca. 40% <strong>der</strong> Weltkupferreserven<br />
einen signifikanten<br />
Teil dieses immer seltener und<br />
teurer werdenden Rohstoffes. Vor<br />
allem Kupfer ist die Basis des relativen<br />
Reichtums Chiles – so war<br />
es essentiell einen Einblick in die<br />
Geschichte des Kupferbergbaus,<br />
aber auch die För<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> die<br />
Preisbildung dieses Rohstoffes zu<br />
erhalten. Am nächsten Tag ging es<br />
weiter in die Anden, auf <strong>der</strong> Suche<br />
nach DEM Gletscher. Wie wir aus<br />
einem Gespräch zwischen Herrn<br />
Handke und Herrn Glückler erfuhren,<br />
war die Suche bis ins letzte<br />
Detail geplant:<br />
„Du, Johannes, wo ist denn eigentlich<br />
<strong>der</strong> Gletscher?“<br />
„Du, Michael, Ich habe keine Ahnung!“<br />
EINEN GLETSCHER HABEN wir<br />
nie zu Gesicht bekommen, jedoch<br />
fanden wir eine wun<strong>der</strong>schöne Lagune<br />
(inklusive chilenischer Sage<br />
von den Augen des Meeres), die<br />
wir als Tagesziel auserkoren; dort<br />
lag auch eines <strong>der</strong> Skigebiete Chiles,<br />
das im Sommer etwas trostlos<br />
wirkte. Nach dem anstrengenden<br />
Tag in <strong>der</strong> Höhenluft erholten<br />
wir uns auf einer langen Busfahrt<br />
nach Cajón del Maipo, wo wir in<br />
schönen Cabañas mit leicht esoterisch<br />
anmuten<strong>der</strong> Architektur untergebracht<br />
waren. Nachdem wir<br />
gemeinsam gegrillt hatten, tranken<br />
wir noch den ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Pisco Sour – das chilenische<br />
„Sicherheitsoutfit in <strong>der</strong> Baumschule“<br />
Große Titel Exkursion des Artikels Chile 21 04<br />
Nationalgetränk – und tanzten<br />
zu lateinamerikanischen Rhythmen<br />
bis zum Morgengrauen. Auf<br />
Bitten unserer Dozenten gingen<br />
wir brav ins Bett und saßen nicht<br />
noch unvernünftig lange vor <strong>der</strong>en<br />
Hütte gemeinsam beisammen<br />
und sponnen Geschichten vor ehrbaren<br />
Rittern, Burgfräulein und<br />
Grafen. Am Tag darauf wurden<br />
wir mehr physisch als intellektuell<br />
gefor<strong>der</strong>t; wir wan<strong>der</strong>ten bei<br />
sengen<strong>der</strong> Hitze zu einem ausgetrockneten<br />
Wasserfall durch den<br />
Nationalpark. Danach konnten wir<br />
uns glücklicherweise im großzügigen<br />
Pool erfrischen.<br />
EINER DER SCHÖNSTEN, aber<br />
auch längsten Tage <strong>der</strong> Exkursion<br />
war jener, an dem wir uns<br />
mit Wertschöpfungsketten und<br />
Clustern im Bereich Obst- und<br />
Weinbau beschäftigten. Dazu besuchten<br />
wir einen Obstbauer, <strong>der</strong><br />
uns in seinem Gutshaus empfing<br />
uns mit frischem Obst und Obstsaft<br />
verköstigte, einen Obst- und<br />
Weinbauern und einen Winzer.<br />
Bei Letzterem wurden wir nach<br />
einem langen Tag mit einer Wein-<br />
03-2012 | COLUMBUS
„Gruppenfoto vor dem Gletschersee in den Anden“<br />
probe belohnt, was die Stimmung<br />
im Bus entsprechend anheizte.<br />
AM NÄCHSTEN TAG beschäftigen<br />
wir uns mit dem Erdbeben und<br />
darauffolgenden Tsunami 2010,<br />
von dem Chile erschüttert wurde.<br />
Beson<strong>der</strong>s stark bekam das die<br />
Stadt Constitución zu spüren, die<br />
wir unter den Gesichtspunkten<br />
<strong>der</strong> Vulnerabilität und des Risikomanagements<br />
betrachteten. Doch<br />
auch etwas an<strong>der</strong>es ereignete sich<br />
an diesem Ort:<br />
„Johannes Glücklers Geburtstag:<br />
Die Gruppe ist in Eile, da ein<br />
Termin mit <strong>der</strong> Kommune ansteht.<br />
Zu Fuß machen wir uns vom<br />
Strand auf den Weg in die Innenstadt.<br />
Die Gruppe zieht sich immer<br />
weiter auseinan<strong>der</strong>. Um sich jetzt<br />
nicht zu verlieren, ist Disziplin angesagt.<br />
Herr Glückler erblickt an<br />
einem „Stand“ eine Holzkiste, an<br />
<strong>der</strong> frisch gefangener Fisch zum<br />
Kauf angeboten<br />
wird. Johannes<br />
Glückler: „Stopp!<br />
Wir kaufen jetzt<br />
Fisch!“ Gesagt,<br />
getan. Nach eingehen<strong>der</strong><br />
Beratung<br />
haben wir eine Sierra<br />
für das abendliche<br />
Barbecue<br />
gekauft und den<br />
Rest <strong>der</strong> Gruppe<br />
endgültig verloren.<br />
Lei<strong>der</strong> wussten<br />
die Fischeinkäufer <strong>der</strong> Gruppe<br />
nicht, wo das Treffen stattfindet.<br />
An <strong>der</strong> Plaza angekommen, beginnen<br />
wir nur die dort sich aufhaltende<br />
Dorfbevölkerung nach<br />
einer Gruppe weißer Studenten zu<br />
befragen. Wir bekommen mehrere<br />
sachdienliche Hinweise, die lei<strong>der</strong><br />
nicht zum Ziel führten. Über<br />
Handy können wir schließlich den<br />
an<strong>der</strong>en Teil <strong>der</strong> Gruppe orten.“<br />
(Zitat Hans-Georg Höllerer)<br />
ABENDS WURDE DER Fisch fachmännisch<br />
zubereitet und gegrillt.<br />
Wir gratulierten Herrn Glückler<br />
zum 39. Geburtstag und aus diesem<br />
Anlass wurde das ein o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e Glas Wein <strong>der</strong> Marke Gato<br />
im holzbeheizten Hot Tub unter<br />
dem Sternenhimmel genossen.<br />
DIE LETZTE STATION, bevor es<br />
wie<strong>der</strong> nach Santiago zurückging,<br />
war die Stadt Viña del Mar, direkt<br />
neben Valparaíso am Pazifischen<br />
Große Titel Exkursion des Artikels Chile 21 05<br />
Ozean. Dort beschäftigten wir<br />
uns mit verschiedenen Themen<br />
wie dem Offshoring, Umweltkonflikten<br />
und dem Ressourcenmanagement.<br />
Während <strong>der</strong> zweiten<br />
Nacht im Spahotel Viña del Mar<br />
wurden wir gegen 4:<strong>30</strong> Uhr von<br />
einem Erdbeben geweckt, haben<br />
es aber glücklicherweise überstanden.<br />
Trotzdem war er ein mulmiges<br />
Gefühl <strong>der</strong> Natur vollkommen<br />
ausgeliefert zu sein. Am ehesten<br />
ließ es sich vergleichen: „mit 100<br />
Lastwagen die im Keller gegen<br />
die Wand fahren“ (Zitat Johannes<br />
Glückler).<br />
ALLES IN ALLEM war die Exkursion<br />
eine tolle Möglichkeit Land<br />
und Leute kennen zu lernen. Trotz<br />
vollem Programm, kam das Vergnügen,<br />
gute Gespräche, die sich<br />
nicht zwingend um Cluster und<br />
Wertschöpfungsketten handelten,<br />
gutes Essen und die Freizeit nie<br />
zu kurz. Die Gruppe und die Dozenten<br />
waren von <strong>der</strong> allgemein<br />
freundschaftlichen Stimmung,<br />
den spannenden praktischen Beispielen<br />
und <strong>der</strong> Diskussionsbereitschaft<br />
begeistert. Als allgemeines<br />
Fazit – auch von Studierenden,<br />
die vorher nicht viel mit <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsgeographie anfangen<br />
konnten, – lässt sich sagen: Wirtschaftsgeographie<br />
ist spannend!<br />
03-2012 | COLUMBUS
HERR BUBENZER HAT die Professur für Geomorphologie<br />
und Geoökologie seit dem Wintersemester<br />
2007/08 von Herrn Eitel vertreten, <strong>der</strong> damals zum<br />
Rektor gewählt wurde. Seither leitete Herr Bubenzer<br />
Forschung und Lehre <strong>der</strong> Abteilung. Mit seinen Forschungsschwerpunkten<br />
Geomorphologie, Bodengeographie<br />
und Geoarchäologie prägte er fünf Jahre lang<br />
die Studenten und die Forschung am Geographischen<br />
<strong>Institut</strong> mit. Zum 01. April 2012 nahm Herr Bubenzer<br />
den Ruf auf eine Professur für Physische Geographie<br />
an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> zu Köln an, ließ sich jedoch aufgrund<br />
des bereits geplanten Sommersemesters noch<br />
einmal für vier Monate nach <strong>Heidelberg</strong> beurlauben.<br />
Anfang August wird er nun endgültig nach Köln gehen.<br />
Columbus: Herr Bubenzer, erinnern Sie sich noch<br />
an die <strong>Ausgabe</strong> des Columbus 2008, da haben wir<br />
schon mal ein Interview mit Ihnen geführt?<br />
Herr Bubenzer: Ja, an das Interview erinnere ich<br />
mich noch sehr gut.<br />
Columbus: Auf die Frage hin, was Sie von ihren<br />
Studenten erwarten, meinten Sie damals: Interesse,<br />
Engagement, kritisches Denken, Einsatz und<br />
Durchhaltevermögen. Konnten die <strong>Heidelberg</strong>er<br />
Studierenden ihren Erwartungen gerecht werden?<br />
Herr Bubenzer: Man hat ja immer eine gewisse Spanne,<br />
aber ich kann dies voll bestätigen. Im Vergleich zu<br />
an<strong>der</strong>en Standorten erscheinen mir die <strong>Heidelberg</strong>er<br />
Studierenden erstens gut für das Studium geeignet<br />
und zweitens sehr engagiert. Das liegt vielleicht auch<br />
daran, dass <strong>Heidelberg</strong> von den Studierenden gezielt<br />
ausgesucht wird. An an<strong>der</strong>en <strong>Universität</strong>en steht die<br />
Stadt mehr im Vor<strong>der</strong>grund und dann wird geschaut,<br />
Interview mit Titel Herrn des Bubenzer Artikels 21 06<br />
- VOM NECKAR ZUM RHEIN -<br />
Ein Interview mit Professor Bubenzer<br />
anlässlich seines Wechsels nach Köln<br />
was man studiert. Das scheint in <strong>Heidelberg</strong> weniger<br />
<strong>der</strong> Fall zu sein. Wahrscheinlich liegt es auch am institutseigenen<br />
Auswahlverfahren, das ich sehr schätze.<br />
Diejenigen, die hier studieren, wollen das auch und<br />
werden vom <strong>Institut</strong> „abgeholt“. Mit diesem Verfahren<br />
erreicht man schon früh die Studierenden, die<br />
sich schneller einfinden können, was sich positiv in<br />
<strong>der</strong>en Engagement wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Columbus: Zum Wintersemester 2012/13 werden<br />
Sie nun endgültig nach Köln gehen um dort Ihre<br />
Professur voll auszuüben. Was erwartet Sie in<br />
Köln?<br />
Herr Bubenzer: Das ist eine gute Frage. Ich kenne<br />
das Kölner <strong>Institut</strong> natürlich auch ganz gut, weil<br />
ich vor <strong>Heidelberg</strong> dort war. Trotzdem hat es sich<br />
in den letzten fünf Jahren stark verän<strong>der</strong>t, es ist wie<br />
<strong>Heidelberg</strong> größer geworden. Hier liegt eine Parallele.<br />
Nicht alle <strong>Institut</strong>e wachsen, es gibt auch einige,<br />
die geschlossen wurden. Ich werde in Köln für<br />
Quartärforschung und angewandte Geomorphologie<br />
zuständig sein, also ähnliche Themen, die ich auch<br />
hier vertreten habe. Außerdem werde ich die Leitung<br />
<strong>der</strong> Abteilung für Afrikaforschung übernehmen; die<br />
Kölner <strong>Universität</strong> hat seit vielen Jahrzehnten einen<br />
Schwerpunkt in <strong>der</strong> Afrikaforschung. Derzeit läuft<br />
z.B. <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>forschungsbereich Our Way to Europe,<br />
bei dem ich in zwei Projekten mitarbeite.<br />
Columbus: Auf was freuen Sie sich noch in Köln?<br />
Es ist eine neue Aufgabe. Durch die Berufung habe<br />
ich einige strukturelle Gestaltungsmöglichkeiten,<br />
die einem nur in solchen Berufungsverfahren zur<br />
Verfügung stehen. Der Son<strong>der</strong>forschungsbereich ist<br />
sehr spannend, es wird außerdem einen neuen Studi-<br />
03-2012 | COLUMBUS
engang zusammen mit <strong>der</strong> Kairo <strong>Universität</strong> geben.<br />
Natürlich muss ich auch nicht mehr so lange am Wochenende<br />
pendeln, was mir und meiner Familie zu<br />
Gute kommt.<br />
Columbus: Wenn Sie drei Dinge aus <strong>Heidelberg</strong><br />
mit nach Köln nehmen könnten, welche wären<br />
dies?<br />
Eindeutig: Ich würde schon gerne das hohe Engagement<br />
<strong>der</strong> <strong>Heidelberg</strong>er Studierenden und das insgesamt<br />
gute Arbeitsklima mitnehmen. Ich war in <strong>Heidelberg</strong><br />
immer viel zwischen den Fachbereichen aktiv<br />
und war als Geschäftsführen<strong>der</strong> Direktor intensiv in<br />
das <strong>Heidelberg</strong> Center for the Environment eingebunden.<br />
Die Kollegialität ist in <strong>Heidelberg</strong> wirklich auf<br />
und zwischen allen Ebenen hervorragend; von den<br />
Studierenden, <strong>der</strong> Verwaltung bis zu den <strong>Institut</strong>en.<br />
Sie würde ich gerne in dieser Form genauso mitnehmen.<br />
Natürlich sind die Arbeitsbedingungen insgesamt<br />
in <strong>Heidelberg</strong> sehr gut. Das hat nicht nur mit<br />
dem Status <strong>der</strong> Exzellenz zu tun, son<strong>der</strong>n auch mit<br />
<strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Volluniversität <strong>Heidelberg</strong> mit etwa<br />
29.000 Studierenden. Das ist eine Größe, bei <strong>der</strong> man<br />
alles machen kann, die aber auch noch überschaubar<br />
ist. Köln ist größer. Zudem verfügt <strong>Heidelberg</strong> über<br />
eine große Internationalität.<br />
Columbus: Was werden Sie außerhalb <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />
vermissen?<br />
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen hier sehr<br />
bodenständig sind, was mir sehr gefällt und weshalb<br />
ich mich hier sehr wohl fühle. Außerdem war meistens<br />
schöneres Wetter.<br />
Columbus: Auf welche Erfolge können Sie während<br />
Ihrer <strong>Heidelberg</strong>er Jahr zurückblicken?<br />
Das müsste man eigentlich die Leute um mich herum<br />
fragen … ich sehe vor allem die positive Entwick-<br />
Das „Our Way to Europe“-Logo:<br />
Interview mit Titel Herrn des Bubenzer Artikels 21 07<br />
lung des <strong>Institut</strong>s und des<br />
<strong>Heidelberg</strong> Center for the<br />
Environment. Hier konnte<br />
ich die Geographie gut<br />
einbringen und auch den<br />
Standort stärken. Ich habe, wie alle an<strong>der</strong>en Kollegen<br />
auch, viele Anstrengungen unternommen, das Bachelor-<br />
und Mastersystem zu etablieren sowie den Masterstudiengang<br />
Geoarchäologie zu initiieren. Ziel war<br />
es immer, das Studium möglichst offen zu gestalten,<br />
damit die Studierenden die Möglichkeit zur Selbstentfaltung<br />
haben. Ich habe mich immer als Teil des<br />
<strong>Institut</strong>es gesehen, nicht als Insel.<br />
Columbus: Sie waren nun fünf Jahre in <strong>Heidelberg</strong><br />
und haben so einen kompletten Studentenjahrgang<br />
geprägt. Kommt jemand mit nach Köln?<br />
Das ist noch nicht ganz raus. Ich habe nur begrenzt<br />
Stellen zur Verfügung. Mit <strong>der</strong> Professur habe ich lei<strong>der</strong><br />
nicht so viele personelle Möglichkeiten, wie ich<br />
sie hier in <strong>Heidelberg</strong> hatte. Es finden im Moment<br />
Gespräche statt, ich bin da noch offen. Ich fange zum<br />
ersten August an und werde dann erst später die Stellen<br />
besetzen. Es kann gut sein, dass von denjenigen<br />
die hier jetzt gerade fertig werden, jemand in Frage<br />
kommt.<br />
Columbus: Sie haben sich damals sehr positiv<br />
gegenüber den Berufschancen <strong>der</strong> Geographen<br />
geäußert. Sehen Sie das immer noch so? Wo liegen<br />
unsere Stärken auf dem Arbeitsmarkt?<br />
Es ist schwer zu sagen, weil wir ja so breit ausgebildet<br />
sind als Geographinnen und Geographen. Trotzdem<br />
habe ich den Eindruck, dass es sehr gut funktioniert.<br />
Ich kenne keine Absolventen, die nach mehr als<br />
einem Jahr nach dem Abschluss noch auf <strong>der</strong> Suche<br />
sind. Ich bitte meine Absolventen auch immer um<br />
Rückmeldung. Es ist teilweise so, dass Studierende<br />
abgeworben wurden, die ich gerne zur Promotion<br />
geführt hätte. Da wurde abgewogen zwischen dem<br />
03-2012 | COLUMBUS
unsicheren beruflichen Werdegang an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />
und dem Versuch, außerhalb <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> Fuß<br />
zu fassen. Vielleicht ist Baden-Württemberg da auch<br />
ein Son<strong>der</strong>fall mit einer geringen Arbeitslosenquote<br />
und den insgesamt doch guten Möglichkeiten. Für die<br />
Lehramtsstudenten sah die Situation am Arbeitsmarkt<br />
bisher auch gut aus. Zumindest wurde uns das durch<br />
das Landeslehrerprüfungsamt so mitgeteilt. Jedoch<br />
könnte die Lage ab dem kommenden Jahr schwieriger<br />
werden, da <strong>der</strong> doppelte Abiturjahrgang durch ist.<br />
Das kann ich aber nicht überblicken, weil es bis heute<br />
keine klaren Zahlen gibt. Ich frage mich, ob alle<br />
Lehramtsstudenten wirklich unterkommen können,<br />
aber Geographielehrer aus Baden-Württemberg sind<br />
auch in an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n gefragt.<br />
Columbus: Welche Herausfor<strong>der</strong>ungen sehen Sie<br />
in Zukunft für die <strong>Heidelberg</strong>er Geographie?<br />
Intern ist das <strong>Institut</strong> ja deutlich gewachsen. Es gab<br />
Chancen, die wir genutzt haben, etwa mit Neuberufungen<br />
und zusätzlichen Stellen. Meiner persönlichen<br />
Ansicht nach müsste es nun einen Konsolidierungskurs<br />
geben. Es bedeutet ja auch immer sehr viel<br />
Unruhe, wenn ein so großer Bereich wie bspw. die<br />
Geoinformatik hinzukommt, mit sehr vielen Stellen,<br />
mit vielen Aktivitäten und auch mit dem neuen Lehrkonzept<br />
<strong>der</strong> „Dreisäuligkeit“ im Masterstudiengang.<br />
All das beginnt sich zu etablieren und muss nun aber<br />
auch erst einmal gesichert werden. Das <strong>Institut</strong> steht<br />
Titel des Artikels<br />
Interview mit Herrn Bubenzer 21 08<br />
sehr gut da, die Neuberufungen haben viel Außenwirkung<br />
erzeugt aber nun muss sich das alles erst einmal<br />
ordnen. National und international gesehen sollte<br />
man wie bisher weiter versuchen, am Puls <strong>der</strong> Zeit zu<br />
bleiben und Trends zu setzen. Das ist in <strong>Heidelberg</strong><br />
unter an<strong>der</strong>em durch unsere Gremienarbeit (z.B. in<br />
<strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Geographie) bislang<br />
gut gelungen. Solche Netzwerke zu pflegen, halte ich<br />
für sehr wichtig.<br />
Columbus: Wenn das Pendeln wegfällt, werden<br />
Sie wie<strong>der</strong> Zeit für den Jazz finden?<br />
Ich muss gestehen, es war vor <strong>der</strong> <strong>Heidelberg</strong>er Zeit<br />
schon sehr schwierig mit dem Jazz. Ich sehe jetzt<br />
schon wie<strong>der</strong>, was in Zukunft an Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
auf mich wartet in Köln. Außerdem will ich auch die<br />
Brücken nach <strong>Heidelberg</strong> nicht ganz abbrechen. Wir<br />
haben noch einige gemeinsame Forschungsaktivitäten<br />
vor und ich betreue noch eine stattliche Zahl von<br />
laufenden Abschlussarbeiten. Ich sehe also im Moment<br />
noch viele Herausfor<strong>der</strong>ungen im Berufsleben,<br />
die ich auch erfüllen möchte. Obwohl es mir dann<br />
manchmal leid tut, wenn ich die Instrumente zuhause<br />
sehe. Aber man muss sich eben Zeit nehmen und Prioritäten<br />
setzten; privat hat die Familie Vorrang.<br />
HERR BUBENZER, WIR bedanken uns für das Interview<br />
und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in<br />
Köln!<br />
03-2012 | COLUMBUS
Autoren: die LRG-HiWis<br />
Mal ehrlich: Wer kann aus dem Stegreif erklären,<br />
was Laserscanning genau ist? Was<br />
misst ein Laserscanner? Wie tut er das?<br />
Und was macht man mit den Daten? „Wir wussten<br />
es jedenfalls nicht so genau, bevor wir in <strong>der</strong> LiDAR<br />
Research Group (lrg.uni-hd.de) unter <strong>der</strong> Leitung<br />
von Jun.-Prof. Dr. Bernhard Höfle in <strong>der</strong> Abteilung<br />
Geoinformatik (Prof. Dr. Zipf) unsere HiWi-Jobs antraten.<br />
Man hatte davon gehört und eine ungefähre<br />
Ahnung – sich aber zugleich insgeheim gefragt, was<br />
diese ominöse Methode in <strong>der</strong> Geographie zu suchen<br />
hat. Mit einigen Grundkenntnissen kann man jedoch<br />
recht schnell in die Thematik einsteigen und seiner<br />
Kreativität bezüglich <strong>der</strong> Einsatzmöglichkeiten freien<br />
Lauf lassen. Die vielfältigen Anwendungsbereiche<br />
gehen nämlich weit über die noch leicht vorstellbare<br />
DGM-Erstellung hinaus und bieten neue, spannende<br />
Forschungsmöglichkeiten.<br />
AUS DIESEM GRUND möchten wir euch an dieser<br />
Stelle die Laserscanning-Thematik etwas näherbringen,<br />
die Angst vor möglicher ‚hardcore-<br />
Geoinformatik‘ nehmen, und den Bezug zu<br />
geographischen Fragestellungen aufzeigen. Viel-<br />
leicht entsteht beim Ein o<strong>der</strong> An<strong>der</strong>en eine Idee und<br />
das Interesse, sich in einer Abschlussarbeit mit Geoinformatik<br />
zu befassen.<br />
Laserscanning – worum geht‘s<br />
Forschungsgruppe Titel Laserscanning des Artikels 21 09<br />
LERNEN SIE UNS SCANNEN!<br />
Die Forschungsgruppe Laserscanning stellt sich vor<br />
MOMENTAN UNTERSCHEIDET MAN drei Aufnahme-<br />
Plattformen für Laserscanning: flugzeuggestützt (Airborne<br />
Laserscanning, ALS), fahrzeuggestützt (Mobiles<br />
Laserscanning, MLS) und von fixen Standpunkten<br />
aus (Terrestrisches Laserscanning, TLS). Hier in <strong>Heidelberg</strong><br />
arbeiten wir mit dem terrestrischen time-offlight-Laserscanner<br />
Riegl VZ-400. Und hier geht‘s<br />
schon los: Was heißt denn time-of-flight? Dieser<br />
Begriff beschreibt das Messprinzip: Wird ein Laserimpuls<br />
ausgesandt, benötigt er eine bestimmte Zeit,<br />
bis er ein Objekt erreicht, reflektiert und vom Sensor<br />
empfangen wird. Nimmt man die Lichtgeschwindigkeit<br />
ganz konservativ als konstant an, lässt sich aus<br />
dieser time-of-flight (Flugzeit) des Laserstrahls die<br />
Distanz zum reflektierenden Objekt errechnen, welche<br />
zusammen mit dem horizontalen und vertikalen<br />
Winkel des Laserstrahls eine Polarkoordinate ergibt.<br />
In ihrer Gesamtheit werden die so bestimmten Punkte<br />
als Laserpunktwolke bezeichnet. Der Laserscanner<br />
führt dabei bis zu 122 000 (!) Messungen pro Sekun-<br />
Punktwolke <strong>der</strong> LiDAR Research Group, aus unterschiedlichen Perspektiven; Blau eingefärbt, sowie mit RGB-Werten versehen.<br />
Oben: Andreas Kiefer, Sabrina Marx, Fabian Schütt, Valerie Blankenhorn, Markus Forbriger, Bernhard Höfle, Sudhanshu Shekhar.<br />
Unten: Kristina König, Larissa Müller, Martin Hämmerle.<br />
03-2012 | COLUMBUS
de durch, sodass die Anzahl <strong>der</strong> Punkte recht schnell<br />
in die Milliarden geht und große Datensätze entstehen.<br />
Jedes <strong>der</strong> hier eingefügten LRG-Gruppenbil<strong>der</strong><br />
zum Beispiel besteht aus 283829 Laserpunkten, (was<br />
sogar eher wenig ist). Diese Punktwolke kann unter<br />
www.lrg.uni-hd.de in 3D angesehen werden.<br />
SIEHT MAN MAL davon ab, dass es Spaß macht, am<br />
Bildschirm durch Punktewolken zu fliegen, stellt sich<br />
zwangsläufig die Frage nach Sinn und Verwendung<br />
dieser Daten. Ein Hinweis auf die Neuartigkeit <strong>der</strong><br />
Laserdaten mag dabei etwas auf die Sprünge helfen:<br />
Die Daten beschreiben einen Raum - die von etablierten<br />
GIS bearbeiteten 2D-Daten sind aus LiDAR-<br />
Sicht also ein alter Hut: Mit Laserscanning geschieht<br />
(Trommelwirbel) <strong>der</strong> Schritt in die dritte Dimension,<br />
<strong>der</strong> uns Geographen endlich die Möglichkeit liefert,<br />
die komplexen Formen unserer Erde maßstabgetreu in<br />
3D (nicht nur in <strong>der</strong> 2.5D-Rastervariante) darzustellen<br />
und eine äußerst detaillierte digitale Abbildung<br />
des Realen zu schaffen, die wir drehen und wenden<br />
können wie es uns passt und die wir bis ins kleinste<br />
Detail (mm-Bereich) erforschen und analysieren können.<br />
NEBEN DER REIN geometrischen Beschreibung enthalten<br />
die Punkte full-waveform-observables (Informationen<br />
über z.B. die Intensität <strong>der</strong> Rückstrahlung,<br />
die Reflektivität <strong>der</strong> Objekte etc.). Je nach Oberfläche<br />
nehmen diese unterschiedliche Werte an, wodurch<br />
Objekte klassifiziert werden können. Zudem kann<br />
man aufgrund <strong>der</strong> Werteausprägungen unterscheiden,<br />
ob es sich bei einer Punktwolke um ein Haus, eine<br />
Straße o<strong>der</strong> Vegetation handelt.<br />
Forschungsgruppe Laserscanning 10<br />
Punktwolke des jüdischen Friedhofs in Worms eingefärbt nach Echos (grün ist das erste , vom Scanner erfasste, Signal),<br />
Reflektivität und RGB-Werten. Datenquelle und Visualisierung: LRG.<br />
Anwendung von Laserscannerdaten in <strong>der</strong> Geographie<br />
- Forschungsfel<strong>der</strong><br />
UNSERE FRAGESTELLUNGEN ERSTRECKEN sich über<br />
weite Teile <strong>der</strong> Geographie, sodass man TLS als Methode<br />
nicht eindeutig einer geographischen Disziplin<br />
zuordnen kann. Da wäre z.B. die TLS-Anwendung<br />
in <strong>der</strong> Geoarchäologie. TLS hat das Potenzial, den<br />
status quo von Objekten zu dokumentieren und in<br />
digitaler Form abzuspeichern, wodurch diese zumindest<br />
virtuell/digital vor dem Verfall bewahrt und konserviert<br />
werden können. TLS überzeugt, da es eine<br />
zerstörungs- und berührungsfreie Methode ist. So<br />
wurde bspw. <strong>der</strong> jüdische Friedhof „Heiliger Sand“ in<br />
Worms erfasst. Des Weiteren wurde bspw. ein Abri<br />
(vom Menschen genutzter Felsvorsprung, Höhle) im<br />
Hochplateau <strong>der</strong> westlichen Andenkordillere erfasst<br />
und modelliert, <strong>der</strong> eine 10000 jährige Nutzungsdauer<br />
aufweist. Historische Zustände von Gebäuden,<br />
aber auch Landschaften können zudem rekonstruiert<br />
und modelliert werden, wie es beispielsweise beim<br />
bekannten Pulverturm am <strong>Heidelberg</strong>er Schloss gemacht<br />
wurde. Informatiker des IWR setzten den abgebrochenen<br />
Teil im TLS-basierten Modell ‚einfach‘<br />
wie<strong>der</strong> ein.<br />
INTERESSANTE ANWENDUNGEN ERGEBEN sich auch<br />
für die physische Geographie. Auf dem peruanischen<br />
Altiplano konnte ein ganzes Tal mit einem Moor erfasst<br />
werden; die gescannte Fläche umfasst ca. 1,8<br />
km² und stellt mit 90 GB den bisher größten Datensatz<br />
<strong>der</strong> LRG dar. Mit erfasst wurde eine Erosionsrinne<br />
(gully), <strong>der</strong>en Form im Rahmen einer Bachelor-Arbeit<br />
semi-automatisch detektiert wurde – ein<br />
möglicher Ausgangspunkt für die Modellierung flu-<br />
03-2012 | COLUMBUS
3D-Modell des Pulverturms am <strong>Heidelberg</strong>er Schloss, basierend auf<br />
TLS-Daten sowie Pulverturm mit eingesetztem Bruchstück.<br />
Quelle: IWR und LRG.<br />
vialmorphologischer Prozesse im Rahmen einer multitemporalen<br />
Analyse. Vielversprechend ist auch die<br />
Verschmelzung <strong>der</strong> überirdischen Punktwolke mit<br />
unterirdischen Geoelektrikdaten – eine Möglichkeit,<br />
unterschiedliche Sphären miteinan<strong>der</strong> zu verknüpfen!?<br />
Die jährliche solare Einstrahlung auf Hauswänden, dargestellt als<br />
eingefärbte dreidimensionale Laserpunktewolke. Quelle: B. Höfle.<br />
Unsere Projekte<br />
Forschungsgruppe Titel Laserscanning des Artikels 21 11<br />
MIT UNSEREN AKTUELL laufenden Forschungsprojekten,<br />
die wir euch im Folgenden kurz vorstellen,<br />
bearbeitet die LiDAR Research Group aktuelle, gesellschaftlich<br />
relevante Themen und erweitert damit<br />
ständig die Anwendungsgebiete des Laserscannings:<br />
Gegenwärtig laufen beispielsweise Forschungsarbeiten<br />
von Dr. Marco Helbich, welche eine Immobilienpreisabschätzung<br />
mittels ALS-Daten und GIS durchführen,<br />
indem Indikatoren wie u.a. die täglichen<br />
Sonnenstunden, die sichtbare Vegetation o<strong>der</strong> auch<br />
<strong>der</strong> sichtbare Horizont von LiDAR-Daten abgeleitet<br />
werden.<br />
Landesweite Beurteilung des Solarpotenzials von<br />
ungenutzten Lärmschutzwänden: Beitrag zum Einsatz<br />
erneuerbarer Energien<br />
DIE ANALYSEN ZUM Potenzial von Solaranlagen beziehen<br />
sich <strong>der</strong>zeit vorwiegend auf Dach- und Freiflächen.<br />
Um das Nutzungspotential zu erweitern, bieten<br />
sich schon vorhandene, bislang aber noch ungenutzte<br />
Flächen an, beispielsweise vertikale Hausfassaden<br />
o<strong>der</strong> die Schallschutzwände am Rand <strong>der</strong> Autobahnen.<br />
Für die Berechnung <strong>der</strong> potenziellen solaren<br />
Einstrahlung solch dreidimensionaler Strukturen<br />
werden sehr detailreiche dreidimensionale Geodaten<br />
benötigt. Nur dann können Verschattungen von Solaranlagen<br />
durch nahe Objekte wie Dachüberstände<br />
o<strong>der</strong> Bäume so realistisch wie möglich berücksichtigt<br />
werden. Was bietet sich an dieser Stelle mehr an als<br />
die Analyse von 3D-Punktwolken? Neben <strong>der</strong> Berechnung<br />
des Solarpotenzials für vertikale Hauswände<br />
werden aktuell verschiedene Ansätze zur Kombination<br />
von Photovoltaik mit Lärmschutzeinrichtungen<br />
an Bundesfernstraßen erprobt. Gemeinsam mit <strong>der</strong><br />
Firma geomer wird ein landesweites Kataster erstellt,<br />
auf Basis dessen wir das Photovoltaikpotenzial von<br />
Lärmschutzwänden errechnen.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Foto und Punktwolke einer Rotbuche. Datenquelle: MA41 – Stadt Wien, Visualisierung: Kristina König<br />
3D-Vegetationscharakterisierung mittels ALS: Erstellen<br />
einer internationalen Signaturdatenbank zur<br />
Vegetationscharakterisierung, -kartierung und -analyse<br />
(LVISA).<br />
IM RAHMEN DES Global Networks Projekts „Airborne<br />
Laser Scanning for 3D Vegetation Characterization:<br />
Set-up of an International Signature Database”<br />
entsteht LVISA. LVISA steht für „LiDAR Investigation<br />
and Signature Analysis System“ und soll u.a. <strong>der</strong><br />
Charakterisierung, Kartierung und Analyse von Vegetation<br />
dienen. Die dreidimensionale Struktur von<br />
Vegetation kann mit gängigen Technologien und Verfahren<br />
nicht vollständig und präzise erfasst und analysiert<br />
werden. Beispielweise nutzt die Forstwirtschaft<br />
zur Inventarisierung die altbekannte human power,<br />
sprich: Eine Gruppe von Menschen begibt sich in den<br />
Wald, zählt und vermisst alle Bäume, die innerhalb<br />
eines definierten Gebietes stehen. Zusätzlich werden<br />
Satellitenbil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Luftaufnahmen herangezogen,<br />
mit <strong>der</strong>en Hilfe dann <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong> o<strong>der</strong> die<br />
Artenzusammensetzung bestimmt wird. Doch mit<br />
Hilfe von LiDAR kann die dreidimensionale Struktur<br />
bestens erfasst werden. Das zentrale Element von<br />
LVISA ist eine Datenbank, die Punktwolken von Objekten<br />
(z.B. Bäumen) und objektbezogenen Informa-<br />
Forschungsgruppe Titel Laserscanning des Artikels 21 12<br />
tionen (Metadaten) enthält und somit die Verwaltung<br />
und Analyse dieser Daten ermöglicht. Die Daten sind<br />
sogenannte Referenzsignaturen, die unter definierten<br />
Bedingungen aus Laserpunktwolken erstellt werden.<br />
Diese Referenzsignaturen dienen <strong>der</strong> Klassifikation<br />
<strong>der</strong> Vegetation anhand charakteristischer Merkmale.<br />
Solch ein charakteristisches Merkmale ist beispielsweise<br />
die unterschiedliche Auprägung <strong>der</strong> backscatter<br />
cross-section innerhalb <strong>der</strong> verschiedenen Baumelemente<br />
(Stamm o<strong>der</strong> Geäst) wie in <strong>der</strong> Grafik sehr<br />
gut zu erkennen ist.. Zugang zu diesen Daten hat man<br />
über eine spezielle Webseite. Mit dieser kann <strong>der</strong><br />
Standorte eines Objektes direkt auf einer OpenStreet-<br />
Map-Karte dargestellt, und gleichzeitig können die<br />
Features und Metadaten dieses Objektes ausgelesen<br />
werden. Beispielsweise können Informationen ausgegeben<br />
werden wie: Wann wurde <strong>der</strong> Baum gescannt<br />
und durch wen? Wie hoch o<strong>der</strong> breit ist <strong>der</strong> Baum?<br />
O<strong>der</strong> sogar: Um welche Spezies handelt es sich eigentlich,<br />
ist dies eine Lärche o<strong>der</strong> eine Buche? Und<br />
wem dies nicht ausreicht, <strong>der</strong> kann den Baum in 3D<br />
genauestens betrachten. Zukünftig soll auch die Visualisierung<br />
eigener Daten sowie <strong>der</strong>en Analyse via<br />
Webbrowser möglich sein.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Die Ableitung landwirtschaftlicher Parameter aus Laserscannerdaten<br />
im Bereich Precision Farming führen<br />
Laserscanning direkt ins Zentrum <strong>der</strong> Forschung um<br />
aktuelle Themen wie Ernährungssicherheit und Klimawandel<br />
(HyLand und ESOB).<br />
IM KONTEXT VON Ernährungssicherheit und Krisenvorsorge<br />
steigt <strong>der</strong> Bedarf an innovativen Technologien<br />
und Anwendungen für Precision Farming<br />
und Ertragsabschätzungen. Wir entwickeln dazu<br />
Methoden zur Ermittlung von Pflanzen- und Bodenparametern<br />
aus Laserscannerdaten. Spezifische Eigenschaften<br />
von Pflanzen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien<br />
(vitale Vegetation vs. Erntereste)<br />
und die Eigenschaften <strong>der</strong> unbedeckten Bodenoberfläche<br />
können anhand von Schwellenwerten bzw. Signaturen<br />
ermittelt werden. Dieses Know-How dient<br />
als Klassifikationsgrundlage und fließt schließlich<br />
in die Quantifizierung von Hyperspektraldaten ein,<br />
die mit Pflanzenmodellen gekoppelt werden sollen,<br />
um Ertragsprognosen zu stellen, die eine beson<strong>der</strong>e<br />
Genauigkeit versprechen. Die abgeleiteten Informationen<br />
dienen in einem weiteren Projekt <strong>der</strong> Optimierung<br />
im Bereich Pflanzenzüchtung und somit <strong>der</strong><br />
Produktionssteigerung. Die Parameter dienen außerdem<br />
dem Verständnis komplexer Wachstumsprozesse<br />
von Pflanzen unter unterschiedlichen Standort- und<br />
Umweltbedingungen.<br />
Erfassung eines Maisfeldes. Fotos und Visualisierung: B. Höfle.<br />
Forschungsgruppe Titel Laserscanning des Artikels 21 13<br />
NACHDEM IHR JETZT ja bestens wisst, was Laserscanning<br />
zu bieten hat, könnt ihr je<strong>der</strong>zeit bei <strong>der</strong> Li-<br />
DAR Research Group anklopfen und euch mit einer<br />
revolutionären Forschungsidee selbst verwirklichen<br />
– die Möglichkeiten <strong>der</strong> LiDAR-Methode sind noch<br />
lange nicht erschöpft ;-)<br />
QUELLENANGABEN<br />
Projekt HyLand:<br />
http://hyland.uos.de/index.php?site=home&lang=en<br />
http://www.geog.uni-heidelberg.de/forschung/gis_hyland.html<br />
Projekt ESOB :<br />
http://www.geog.uni-heidelberg.de/forschung/gis_<br />
esob.html<br />
Jüdischer Friedhof „Heiliger Sand“ in Worms:<br />
http://www.spiegel.de/fotostrecke/friedhof-heiligersand-raetsel-aus-<strong>der</strong>-juedischen-vergangenheit-fotostrecke-56511.html<br />
Mehr Info:<br />
www.lrg.uni-hd.de<br />
03-2012 | COLUMBUS
Neuigkeiten von <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule:<br />
Autoren & Grafik: Prof. Dr. Alexan<strong>der</strong> Siegmund<br />
& Dipl.-Geoökol. Daniel Volz<br />
Physiogeographische und geoökologische Untersuchungen<br />
ohne ein Labor? Kaum vorstellbar<br />
– bedient sich doch die Geographie bei<br />
<strong>der</strong> Erkundung von Landschaftszustand und Landschaftswandel<br />
einer Vielzahl von physikalischen,<br />
chemischen und biologischen Analysen, mit denen<br />
Erkenntnisse aus Feldaufnahmen vertieft und erweitert<br />
werden. Selbstverständlich sollte daher im<br />
Studium <strong>der</strong> Geographie nicht nur die Möglichkeit<br />
zur Entwicklung <strong>der</strong> entsprechenden methodischen<br />
Kompetenzen, son<strong>der</strong>n auch die integrale Verknüpfung<br />
mit themenorientierten Projekten gegeben sein<br />
– diese gilt auch, und gerade, für das Studium auf das<br />
Lehramt Geographie.<br />
NEBEN DEN FACHWISSENSCHAFTLICHEN Aspekten<br />
treten dabei insbeson<strong>der</strong>e auch die fachdidaktischen<br />
Fragestellungen in den Vor<strong>der</strong>grund. In <strong>der</strong> Geographie,<br />
wie auch in den an<strong>der</strong>en Naturwissenschaften,<br />
stellen insbeson<strong>der</strong>e Experimente eine zentrale Methode<br />
dar, um Komplexität didaktisch zu reduzieren.<br />
Experimente dienen im Unterricht als Anschauungs-,<br />
Arbeits- o<strong>der</strong> Erkenntnismittel. Durch die Schaffung<br />
von Anschaulichkeit weckt das Experiment in starkem<br />
Maße die Motivation <strong>der</strong> Schüler und vermittelt<br />
an konkreten, auf das Wesentliche reduzierten Objekten<br />
klare Einsichten und Vorstellungen in Bezug auf<br />
raum-zeitliche Strukturen und Prozesse im System<br />
Erde. Und dies gilt auch für Studierende des Faches<br />
Geographie.<br />
Ökolab Pädagogische Hochschule Titel des <strong>Heidelberg</strong> Artikels 21 14<br />
Forschend Lernen im „ÖkoLab“ <strong>der</strong><br />
Pädagogischen Hochschule <strong>Heidelberg</strong><br />
VOR DIESEM HINTERGRUND machte sich die Tatsache,<br />
dass <strong>der</strong> Abteilung Geographie an <strong>der</strong> Pädagogischen<br />
Hochschule <strong>Heidelberg</strong> seit einem Umzug im<br />
Jahr 2001 aus Platzmangel kein Laborraum und keine<br />
entsprechenden Mess- und Analyseeinrichtungen<br />
mehr zur Verfügung standen, immer wie<strong>der</strong> als Mangel<br />
schmerzlich bemerkbar. Ein erneuter Umzug im<br />
Jahr 2009 brachte dann zwar den Raum, bald stand<br />
jedoch fest, dass es keine hochschuleigenen Mittel für<br />
Einrichtung und Aufbau geben wird. Umso glücklicher<br />
sind Prof. Dr. Alexan<strong>der</strong> Siegmund und sein Mitarbeiter,<br />
Dipl.-Geoökol. Daniel Volz, nach zwei Jahren<br />
intensiver Sponsorensuche, nun sagen zu können:<br />
„Wir haben es geschafft – wir können das ´ÖkoLab´<br />
mit Hilfe von Drittmitteln doch noch einrichten!“.<br />
DER EINRICHTUNG EINES Geoökologielabors (ein<br />
geeigneter Name wird <strong>der</strong>zeit noch intensiv gesucht<br />
– Ideen sind gefragt!) in <strong>der</strong> Abteilung Geographie<br />
<strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule <strong>Heidelberg</strong> kommt im<br />
Rahmen des zuvor skizzierten Bildungsauftrags eine<br />
zentrale Bedeutung mit vielfacher Brückenfunktion<br />
zu:<br />
ALS LEHR- UND LERNLABOR bildet es die Grundlage,<br />
die Lehramtsstudierenden unter fachinhaltlichen,<br />
fachmethodischen und fachdidaktischen Aspekten<br />
professionell auszubilden und zukunftsorientierte<br />
Fort-/Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen/Lehrer<br />
anzubieten (vgl. Abb. 1). Ab dem Wintersemester<br />
2012/13 soll das baulich für knapp 20 Arbeitsplätze<br />
speziell auf offene Lehr-Lernformen ausgerichtete<br />
„ÖkoLab“ gleichermaßen für Lehrveranstaltungen<br />
03-2012 | COLUMBUS
Abb.1: Konzeptionelle Einbindung des neuen „ÖkoLabs“<br />
an <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule <strong>Heidelberg</strong>.<br />
wie auch für die Nutzung im Rahmen von wissenschaftlichen<br />
Hausarbeiten zur Verfügung stehen. Als<br />
Schülerlabor wird das Labor zum außerschulischen<br />
Lernort und bietet zugleich Ansatzpunkte für fachdidaktische<br />
Lehr-Lern-Forschung im Sinne einer Forschungswerkstatt.<br />
Darüber hinaus finden auch fachwissenschaftliche<br />
Forschungsarbeiten im Rahmen<br />
von Projekten des rgeo-Teams von Prof. Siegmund,<br />
<strong>der</strong>zeit v.a. auf den Kapverden, Kanaren und Sao<br />
Tomé – in Zukunft sind aber auch Arbeiten im regionalen<br />
Umfeld geplant – eine „eigene Heimat“. Bisher<br />
mussten solche Arbeiten im Geomorphologischen Labor<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> „Asyl“ beantragen, dessen Leiter,<br />
Dipl.-Geol. Gerd Schukraft, an dieser Stelle ein herzlicher<br />
Dank für die langjährige Unterstützung und<br />
gute Kooperation zwischen den beiden Einrichtungen<br />
gebührt.<br />
PROBLEM- UND HANDLUNGSORIENTIERTES Arbeiten<br />
wird von Anfang an ein Schwerpunkt im „ÖkoLab“<br />
sein. Eng verknüpft ist <strong>der</strong> u.a. von <strong>der</strong> BASF und <strong>der</strong><br />
Akademie für innovative Bildung und Management<br />
(aim) unterstützte Aufbau des Geoökologielabors da-<br />
Ökolab Pädagogische Hochschule Titel des <strong>Heidelberg</strong> Artikels 21 15<br />
bei mit einem von <strong>der</strong> Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />
(DBU) geför<strong>der</strong>ten Bildungsprojekt rund um die<br />
„Folgen des regionalen Klimawandels“.<br />
DEN GLOBALEN KLIMAWANDEL aus ökologischer,<br />
ökonomischer und sozialer Sicht „beherrschbar“ zu<br />
halten, das gilt als zentrale gesellschaftliche Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Die Abschätzung <strong>der</strong><br />
inzwischen bereits unvermeidbar gewordenen Folgen<br />
<strong>der</strong> klimatischen Verän<strong>der</strong>ungen und die Entwicklung<br />
geeigneter Anpassungsstrategien rücken dabei immer<br />
mehr in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses,<br />
zugleich bleiben die entsprechenden Zusammenhänge<br />
in <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion oft diffus. Das<br />
gilt insbeson<strong>der</strong>e für die konkreten Auswirkungen<br />
des Klimawandels auf regionaler Ebene, die für das<br />
individuelle Lebensumfeld aber umso relevanter sind.<br />
DAS PROJEKT „REKLI:B – Regionalen Klimawandel<br />
beurteilen lernen“ möchte daher v.a. die Beurteilungskompetenz<br />
von Jugendlichen in Fragen des regionalen<br />
Klimawandels in einem interdisziplinären und<br />
multimethodischen Ansatz för<strong>der</strong>n. Hierzu dienen<br />
03-2012 | COLUMBUS
drei Themenfel<strong>der</strong> – Landwirtschaft, Forstwirtschaft<br />
und naturnahe Ökosysteme – die einen unmittelbaren<br />
Lebensweltbezug zu den Jugendlichen aufweisen.<br />
An ihnen lassen sich durch einen problemorientierten<br />
umweltdidaktischen Ansatz die bisherigen und<br />
zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels an<br />
exemplarischen Phänomenen wie etwa Bodenerosion<br />
o<strong>der</strong> dem verän<strong>der</strong>ten Wachstumsverhalten von Bäumen<br />
erkennen, analysieren und beurteilen (Abb. 2).<br />
GRUNDLAGE DER BEURTEILUNGEN bildet ein integriertes<br />
Methodensetting aus Erhebungen im Gelände<br />
unter zusätzlichem Einsatz aktueller Luftbil<strong>der</strong> an<br />
regionalen Lernstandorten, die vertiefende Analyse<br />
mit wissenschaftlichen Basismethoden im Labor und<br />
die vereinfachende Erarbeitung einzelner Prozesse<br />
im Modell. Auf Grundlage dieses methodischen<br />
Dreiklangs lassen sich die entsprechenden Zusammenhänge<br />
für Jugendliche eingehend analysieren,<br />
quantifizieren und damit veranschaulichen. In Zusammenarbeit<br />
mit Stützpunkschulen und in Kooperation<br />
mit umweltpädagogischen Einrichtungen des<br />
UNESCO Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald<br />
Ökolab Pädagogische Hochschule Titel des <strong>Heidelberg</strong> Artikels 21 16<br />
Abb.2: Struktureller Aufbau des Projekts „ReKli:B – Regionalen Klimawandel beurteilen lernen“<br />
sollen die modellhaft entwickelten Lernmodule durch<br />
Einsatz von Methodenkoffern in einem mehrstufigen<br />
Fortbildungssystem in <strong>der</strong> schulischen wie außerschulischen<br />
Umweltbildung implementiert und eine<br />
Nachhaltigkeit <strong>der</strong> Bildungsinhalte garantiert werden.<br />
IM RAHMEN EINES Geländepraktikums im SS 2012<br />
konnten Lehramtsstudierenden <strong>der</strong> Pädagogischen<br />
Hochschule bereits Ansätze für erste „ReKli:B“-<br />
Module erprobt und Kontakte zu Vorort-Experten<br />
geknüpft werden. Im Fokus standen dendroökologische<br />
Untersuchungen an Fichten im Grenzgebiet von<br />
Buntsandstein- und Grundgebirgsodenwald rund um<br />
Fürth (Odenwald), Untersuchungen zum Verbreitungsgebiet<br />
des Klimazeigers Ilex aquifolium (Europäische<br />
Stechpalme) bei Weschnitz sowie Feld- und<br />
Laborarbeiten rund um die Aspekte Bodenerosion<br />
und Humusgehalt von Böden in Gauangelloch und<br />
Umgebung (vgl. Abb. 3). Jens-Uwe E<strong>der</strong>, Revierförster<br />
und Leiter <strong>der</strong> umweltpädagogischen Station<br />
„Forsthaus Almen“ im Geo-Naturpark Bergstraße-<br />
Odenwald sowie die Landwirtsfamilien Dussel, Lutz<br />
und Schmutz unterstützten die studentischen Arbei-<br />
03-2012 | COLUMBUS
ten dabei nach Kräften mit „Mensch und Material“<br />
und gaben in Interviews wertvolle Einblicke in das<br />
Klima an das jeweiligen Standorten und seine Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in jüngerer Zeit.<br />
„MIT AN BORD“ waren auch Master-Studierende <strong>der</strong><br />
Geographie an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong>, die sich im Rahmen eines<br />
von Prof. Siegmund durchgeführten Projektseminars<br />
ebenfalls mit den vier genannten Aspekten zum<br />
Thema regionaler Klimawandel auseinan<strong>der</strong>setzten<br />
und ihr Wissen im Rahmen eines „peer-teaching-<br />
Ansatzes“ erfolgreich an ihre KommilitonInnen <strong>der</strong><br />
Pädagogischen Hochschule weitergaben. Neben den<br />
gemeinsam durchgeführten Großexkursionen <strong>der</strong><br />
vergangenen Semester auf die Kapverden und nach<br />
Island ist dabei ein weiterer „Brückenschlag“ zwischen<br />
„PH-Geographie“ und „Uni-Geographie“ gelungen.<br />
Nicht zuletzt für den Ausbau dieser Art von<br />
Ökolab Pädagogische Hochschule Titel des <strong>Heidelberg</strong> Artikels 21 17<br />
Kooperationen werden <strong>der</strong> Aufbau des „ÖkoLabs“<br />
sowie das Projektvorhaben „ReKli:B“ sicher noch<br />
viele Ansatzpunkte bieten …<br />
BLITZ-NEWS:<br />
Ab <strong>der</strong> kommenden <strong>Ausgabe</strong> wird es<br />
regelmäßig von <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule<br />
zu hören geben! Die Fachschaft<br />
Geographie wird versuchen uns mit kleinen<br />
Beiträgen über das Treiben in Forschung<br />
und Lehre zu informieren.<br />
Seid also gespannt!<br />
Abb.3: Methodischer Aufbau <strong>der</strong> Module im Rahmen des Projekts „ReKli:B“ am Beispiel des Themas<br />
Bodenerosion durch Starknie<strong>der</strong>schlagsereignisse.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Autorin: Judith Görlich<br />
Bildquelle: OpenRouteService<br />
SEIT EINIGER ZEIT liegt im Geographischen<br />
<strong>Institut</strong> in <strong>Heidelberg</strong><br />
ein wesentlicher Schwerpunkt<br />
auf interdisziplinärer Mensch-<br />
Umwelt-Forschung. Nach dem<br />
„Master Geoarchäologie“ startete<br />
nun im März mit dem „Master of<br />
Governance of Risk and Resources“<br />
ein weiterer Masterstudiengang,<br />
an dem das Geographische<br />
<strong>Institut</strong> zentral beteiligt ist. Dieser<br />
postgraduale, also weiterbildende,<br />
Studiengang soll vor allem<br />
die „politische und ökonomische<br />
Steuerbarkeit problemorientierter<br />
Wechselwirkungen von Mensch-<br />
Umwelt-Beziehungen“ an den<br />
Schnittstellen zwischen Natur-,<br />
Wirtschafts- und Sozialwissen-<br />
schaft behandeln. Das Beson<strong>der</strong>e<br />
an diesem Studiengang ist, dass er<br />
am <strong>Heidelberg</strong> Center für Lateinamerika<br />
(HCLA) in Santiago de<br />
Chile gelehrt wird. Die Lehrsprachen<br />
sind ausschließlich Spanisch<br />
und Englisch. Der Masterstudiengang<br />
findet in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> Pontificia Universidad<br />
Católica de Chile und <strong>der</strong> Universidad<br />
de Chile statt.<br />
WIE AUCH SCHON <strong>der</strong> Bericht<br />
zur Eröffnung des Studiengangs<br />
am 22. März 2012 (http://www2.<br />
geog.uni-heidelberg.de/media/aktuelles/aktuelles_gorar.pdf)hervorhebt,<br />
werden mit dem Master<br />
Experten ausgebildet und befähigt,<br />
auf unterschiedlichen räumlichen<br />
Ebenen in Raumplanung<br />
und Verwaltung Entscheidungen<br />
Master of of Governance and or Risks and Resources 21 18<br />
Master of Governance<br />
of Risks and Resources<br />
in den Bereichen Umwelt-, Ressourcen-<br />
und Risikomanagement<br />
zu treffen. Damit zielt <strong>der</strong> Master<br />
auf Berufsfel<strong>der</strong> wie Umwelt- und<br />
Landschaftsplanung, Entwicklungszusammenarbeit,<br />
Natur- und<br />
Umweltschutz, Ressourcenmanagement,<br />
Klimaforschung, Stadt-,<br />
Regional- und Landesplanung,<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, Unternehmens-<br />
und Politikberatung, Geoinformatik,<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Verlagswesen ab.<br />
DER MASTERSTUDIENGANG BE-<br />
FASST sich mit einem hoch aktuellen<br />
Themenkomplex. Die<br />
Steuerbarkeit von Risiken und<br />
Ressourcen durch verschiedene<br />
Kontroll- und Regelungssysteme<br />
rückt bei politischen und ökonomischen<br />
Akteuren mehr und mehr<br />
03-2012 | COLUMBUS
in den Mittelpunkt. Entscheidungen,<br />
die zum Umgang mit Risiken<br />
und Ressourcen getroffen werden,<br />
beeinflussen die Gesellschaft als<br />
Ganzes, aber eben auch die Natur.<br />
Die interdisziplinäre Komponente<br />
<strong>der</strong> Governance wird am Beispiel<br />
drohen<strong>der</strong> Wasserkonflikte,<br />
die durch den Klimawandel und<br />
die Nutzung des Wassers bedingt<br />
sind, gut deutlich. Wassernutzungskonflikte<br />
können Risiken<br />
wie die Übernutzung o<strong>der</strong> Verschmutzung<br />
von Wasser nach sich<br />
ziehen und so zu sozialen Katastrophen<br />
führen. Wird die Nutzung<br />
des Wassers angemessen gesteuert<br />
und reguliert, können die Auswirkungen<br />
an<strong>der</strong>er Risikofaktoren,<br />
wie soziale Probleme durch Bevölkerungsdruck,<br />
abgeschwächt<br />
und auf neue ökonomische, ökologische<br />
und soziale Risiken reagiert<br />
werden. Die von Wechselwirkungen<br />
geprägten Mensch-Umwelt-<br />
Beziehungen spielen eine große<br />
Rolle.<br />
ÄHNLICH WIE DIE an<strong>der</strong>en beiden<br />
Masterstudiengänge, in denen<br />
das Geographische <strong>Institut</strong> involviert<br />
ist, ist <strong>der</strong> „Master of Governance<br />
of Risk and Resources“ in<br />
ein Pflichtstudium und ein Wahlpflichtstudium<br />
geglie<strong>der</strong>t. Eine<br />
Masterarbeit schließt das Studium<br />
ab. Im Pflichtstudium wird Basiswissen<br />
in Umwelttheorie und<br />
-politik, Governance von Naturrisiken<br />
und Governance natürlicher<br />
Ressourcen vermittelt. Weiterer<br />
Bestandteil sind Forschungsmethoden,<br />
in denen die Grundlagen<br />
des wissenschaftlichen Arbeitens<br />
vertieft und qualitative Forschungsmethoden<br />
sowie Geomatik<br />
und Statistik erlernt werden. Parallel<br />
dazu wird in Wahlpflichtveranstaltungen<br />
das Grundlagenwissen<br />
des ersten Semesters vertieft.<br />
Die Studierenden lernen Themenbereiche<br />
wie die Organisation von<br />
Märkten für Energie- und Wasserressourcen,<br />
das Management von<br />
klimatischen und seismischen Risiken<br />
o<strong>der</strong> den nachhaltigen Umgang<br />
mit natürlichen Ressourcen<br />
kennen. Die Wahlpflichtveranstaltungen<br />
werden auch von Geographiestudenten<br />
<strong>der</strong> Universidad de<br />
Chile und <strong>der</strong> Universidad Catolica<br />
besucht, denn sie sind Teil <strong>der</strong><br />
Module <strong>der</strong> dortigen Geographie-<br />
Masterstudiengänge. Weiterhin<br />
wird ein „Forschungsseminar“<br />
im HCLA angeboten, in dem die<br />
methodischen Grundlagen wie<br />
Planung und Durchführung einer<br />
Forschungsarbeit behandelt und<br />
praxisorientiert in einem Geländepraktikum<br />
durchgeführt werden.<br />
KONZIPIERT IST DER Studiengang<br />
hauptsächlich für Bachelorabsolventen<br />
aus Chile – vornehmlich<br />
für solche, die schon eine<br />
mehrjährige Berufserfahrung in<br />
Planungsbehörden, Unternehmen<br />
und Forschungseinrichtungen mitbringen.<br />
In Chile ist es durchaus<br />
Master of of Governance and or Risks and Resources 21 19<br />
üblich, dass Bachelorstudenten<br />
nach ihrem Studium einer Berufstätigkeit<br />
nachgehen und erst später<br />
ihr Studium mit einem Master<br />
wie<strong>der</strong> aufgreifen. Das Studieren<br />
ist in Chile sehr teuer. Die Berufserfahrung<br />
<strong>der</strong> Studierenden<br />
kommt indes auch dem Masterstudiengang<br />
zu Gute. Erste Erfahrungen<br />
zeigen, dass die Studierenden<br />
praxisorientierte Herangehensweise<br />
an Themen wählen, d.h.<br />
ihr praktisches Wissen kritisch in<br />
wissenschaftliche Diskussionen<br />
<strong>der</strong> einzelnen Veranstaltungen<br />
einbringen. Im ersten Jahrgang<br />
des Masters sitzen Geographen<br />
Agrarökonomen, Ingenieure, Geologen,<br />
Politikwissenschaftler Soziologen<br />
und Ökonomen gemeinsam<br />
in den Lehrveranstaltungen.<br />
Damit wird im Studiengang nicht<br />
nur durch die Inhalte <strong>der</strong> Lehrveranstaltungen<br />
und die Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Dozenten ein hohes<br />
Maß an Interdisziplinarität generiert.<br />
WAS HABEN NUN aber <strong>Heidelberg</strong>er<br />
Geographiestudenten vom<br />
neuen Master „Governance of<br />
Risks and Resources“? Obwohl<br />
<strong>der</strong> Studiengang an chilenische<br />
Studenten gerichtet ist, können<br />
auch die Geographie-Studenten<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Heidelberg</strong> von<br />
dieser Zusammenarbeit profitieren<br />
– z.B. im Rahmen eines Auslandssemesters.<br />
Die direkte Mitarbeit<br />
von <strong>Heidelberg</strong>er Dozenten macht<br />
03-2012 | COLUMBUS
ein Auslandsemester für Bachelor-<br />
und Masterstudenten vergleichsweise<br />
einfach: Man muss<br />
sich nicht extra neu einschreiben,<br />
son<strong>der</strong>n kann auch während des<br />
Aufenthalts in Chile hier in <strong>Heidelberg</strong><br />
eingeschrieben bleiben.<br />
Die Veranstaltungen werden problemlos<br />
angerechnet Weniger geeignet<br />
ist <strong>der</strong> Masterstudiengang<br />
hingegen für deutsche Bachelorabsolventen.<br />
Zum einen ist <strong>der</strong><br />
Master in Chile kostenpflichtig.<br />
Studierende, die mit dem Master<br />
„Governance of Risks and Resources“<br />
abschließen möchten, zahlen<br />
einen Semesterbeitrag von stolzen<br />
2.000 EUR. <strong>Heidelberg</strong>er Studenten<br />
des Masters in Geographie, die<br />
nur ein Auslandssemester in Chile<br />
verbringen, müssen diese Gebühren<br />
nicht bezahlen. Zweitens ist<br />
<strong>der</strong> Master in Chile mit nur drei<br />
Semestern eigentlich zu kurz für<br />
das deutsche Bildungssystem.<br />
ZUSATZINFO:<br />
MÖGLICHERWEISE WIRD ER von<br />
einigen Arbeitgebern nicht in gleicher<br />
Form anerkannt wie an<strong>der</strong>e<br />
deutsche Masterabschlüsse Zum<br />
dritten fehlt den deutschen Bewerbern<br />
meist die Berufspraxis, die<br />
<strong>der</strong> Masterstudiengang vorsieht.<br />
Doch Ausnahmen bestätigen auch<br />
hier die Regel. Interessant könnte<br />
<strong>der</strong> Master in Chile für diejenigen<br />
(herausragenden) Studenten<br />
sein, für die ein Masterabschluss<br />
wie<strong>der</strong>um nur ein Schritt auf dem<br />
Weg zur Promotion ist. Ein schneller<br />
Masterabschluss in einem Themengebiet,<br />
das in den nächsten<br />
Jahren auch von zahlreichen Forschungsvorhaben<br />
seitens <strong>der</strong> beteiligten<br />
Geographischen <strong>Institut</strong>e<br />
begleitet wird und in denen Promotionsvorhaben<br />
realisiert werden<br />
können, ist für den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
durchaus attraktiv. Wer noch<br />
nicht an die Promotion denkt, hat<br />
vielleicht aber schon seine Masterarbeit<br />
im Blick. Auch hierzu wird<br />
<strong>der</strong> neue Studiengang viele thematische<br />
Anknüpfungspunkte bieten.<br />
Auch wer schon kurz vor dem Abschluss<br />
seines Geographie-Masterstudiums<br />
in <strong>Heidelberg</strong> steht,<br />
hat die Möglichkeit, im Zuge eines<br />
Auslandsaufenthaltes in Chile und<br />
eines Besuchs <strong>der</strong> dortigen Lehrveranstaltungen<br />
eine Masterarbeit<br />
anzufertigen.<br />
http://www.uni-heidelberg.de/studium/interesse/faecher/governance_risk.html<br />
Master of of Governance and or Risks and Resources 21 20<br />
ZWEI HEIDELBERGER GEOGRA-<br />
PHIESTUDENTINNEN haben sich<br />
gerade für ein Auslandssemester<br />
in Chile angemeldet. Wir sind gespannt,<br />
was sie in ein paar Monaten<br />
über ihren Auslandsaufenthalt<br />
berichten werden. Wir wünschen<br />
ihnen alles Gute und eine unvergessliche<br />
Zeit in Südamerika!<br />
03-2012 | COLUMBUS
Es sind die größten Massenproteste<br />
seit Ende <strong>der</strong><br />
Pinochet-Diktatur. Seit<br />
Mai 2011 gehen Studenten in <strong>der</strong><br />
Hauptstadt Santiago de Chile und<br />
an<strong>der</strong>en Teilen des Landes auf<br />
die Straßen, recken Plakate in die<br />
Höhe auf denen Schriftzüge wie<br />
„Chile ist keine Verkaufsgut“ o<strong>der</strong><br />
„Verschleiern wir unsere Gesich-<br />
ter, um uns sichtbar zu machen“<br />
zu lesen ist, verteilen Gratisumarmungen<br />
und Küsse zur Durchsetzung<br />
ihres Ziels. Bildung für alle.<br />
DIE POLARISIERUNG DER gesellschaftlichen<br />
Klassen nimmt in<br />
Chile immer weiter zu. Dafür ist<br />
zum Großteil die unter <strong>der</strong> Diktatur<br />
Augusto Pinochet (1973-<br />
1990) eingeführte neoliberale<br />
Wirtschaftspolitik verantwortlich.<br />
Sie ermöglichte es auch, dass Bil-<br />
Studentenproteste in Chile 21<br />
STUDENTENPROTESTE IN CHILE<br />
Autor: Astrid Max<br />
Fotos: David von Blohn<br />
dungssystem zu einer wirtschaftlich<br />
lukrativen Privateinrichtung<br />
umzuformen. Zwar floriert Chiles<br />
Wirtschaft, doch die Ungleichverteilung,<br />
die Chile laut dem<br />
Gini-Index noch hinter Äthiopien<br />
ansiedelt, lässt die Gel<strong>der</strong> in den<br />
Taschen <strong>der</strong> Reichen verschwinden.<br />
SO KÖNNEN BILDUNGSPROTES-<br />
TE in Chile auf eine längere Geschichte<br />
zurückblicken. Eine <strong>der</strong><br />
03-2012 | COLUMBUS
ekanntesten Bewegungen in den<br />
letzten Jahren ist die nach den<br />
Schuluniformen benannte „Revolución<br />
pingüina“ im Jahr 2006.<br />
Damals ging die Bewegung von<br />
den Schülern aus und die Studenten<br />
schlossen sich an. Wochenlang<br />
wurden Schulen besetzt und<br />
<strong>der</strong> Unterricht gestrichen. Trotz<br />
sehr guter Organisation haperte<br />
es letztendlich am Geschick in<br />
den Verhandlungen mit den Regierungsvertretern,<br />
sodass die ge-<br />
setzten Ziele nicht erreicht werden<br />
konnten.<br />
DOCH DIE JUGEND blieb nicht<br />
lange still. Schon 2008 kam es zu<br />
erneuten Protestmärschen, wie<strong>der</strong><br />
wurde kein Konsens erzielt.<br />
NUN LIEGT DIE Hoffnung auf<br />
<strong>der</strong> in dieser Form noch nicht dagewesenen<br />
Formierung <strong>der</strong> Studenten.<br />
Nun geht es nicht mehr<br />
bloß um eine Verbesserung des<br />
„Die Pinochet-Bildung wird fallen!“<br />
Studentenproteste in Chile 21 22<br />
Bildungssystems, jetzt wird um<br />
das allgemeine Recht eines jeden<br />
auf Bildung gerungen. Wer den<br />
längeren Atem hat, wird sich noch<br />
herausstellen. Durchhaltevermögen<br />
haben beide Seiten schon demonstriert.<br />
Das folgende Pamphlet<br />
des chilenischen Doktoranden<br />
Pablo Pulgar an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong><br />
<strong>Heidelberg</strong> zeigt einen Einblick<br />
in die Motivation <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Bewegung:<br />
Ich möchte hier zuerst über die Mapuche sprechen: Ein indigenes Volk, das gegen einen usurpieren-<br />
den Staat aufbegehrt. Die Regierung Chiles hat mit <strong>der</strong> Diktatur von Pinochet den Mapuche das Land<br />
geraubt, damit große (Zellulose-) Forstfirmen und Großgrundbesitzer sich noch stärker bereichern<br />
konnten.<br />
Wir, die Studenten, solidarisieren uns mit den Mapuche. Da es keine größere Solidarität als den Kampf<br />
an sich gibt, kämpfen wir für die Wie<strong>der</strong>erlangung unserer Rechte, für die Nationalisierung <strong>der</strong> Roh-<br />
stoffe und <strong>der</strong> Produktionsmittel, für eine bessere Verteilung <strong>der</strong> Geldmittel und <strong>der</strong> Energiequellen.<br />
Zu dem for<strong>der</strong>n wir von <strong>der</strong> Regierung eine unkommerzielle und kostenlose Bildung. Entgegen dem,<br />
was wir von <strong>der</strong> Pinochet-Diktatur geerbt haben.<br />
Die Studentenbewegung in Chile, zusammen mit an<strong>der</strong>en sozialen Akteuren, wird von Tag zu Tag<br />
lauter, energischer, entschiedener und sperrt sich gegen die Repression <strong>der</strong> Polizei, gegen die Diskurse<br />
<strong>der</strong> Autoritäten, die die Ansprüche nicht ernst nehmen wollen, und gegen die lügenden Medien. Da-<br />
her wäre es an dieser Stelle gut, den Kontext zu erklären: denn es kommen nur 0,3% aller Investitio-<br />
nen dem Hochschulsystem unseres Landes zugute. Dies ist zu wenig, vor allem im Vergleich zu den<br />
OECD 1 -Mitgliedslän<strong>der</strong>n, die viermal so viel in ihre Bildungssysteme investieren.<br />
Einige Studiengebühren <strong>der</strong> öffentlichen Hochschulen in Chile (u.a. Medizin, Odontologie o<strong>der</strong> Inge-<br />
nieurwissenschaft) sind auf über 500 € pro Monat gestiegen, während <strong>der</strong> Mindestlohn nicht höher als<br />
1<br />
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Chile neben Mexiko ist das einzige lateinamerikanische Mitgliedsland und<br />
mit <strong>der</strong> schlimmste Budget für Bildung.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Studentenproteste in Chile 21 23<br />
bei 292,- € monatlich liegt. Dieses Beispiel <strong>der</strong> Ungerechtigkeit zeigt, wie die Unverantwortlichkeit<br />
<strong>der</strong> Regierung ein Erziehungsmodell reproduziert, welches nur unter kapitalistischen Motiven ver-<br />
standen werden kann. Die Staatsfinanzierung wird zum Großteil von Privatleuten getragen. Zudem<br />
garantiert die politische Klasse nicht das Budget <strong>der</strong> <strong>Universität</strong>en und Schulen.<br />
Seit eineinhalb Jahren demonstrieren wir für gebührenfreie Unis und Schulen und für das Ende von<br />
profitorientierten Bildungseinrichtungen. Jede Woche gehen immer noch allein in <strong>der</strong> Hauptstadt San-<br />
tiago Tausende und Abertausende Menschen auf die Straße, um von <strong>der</strong> Regierung einen Wechsel<br />
dieses ungerechten Bildungssystems und <strong>der</strong> ganzen Verfassung zu for<strong>der</strong>n. Im Zentrum des Protestes<br />
stehen die Probleme nicht nur <strong>der</strong> Studenten, son<strong>der</strong>n auch von Schülern, Arbeitern, des armen Volkes,<br />
<strong>der</strong> Lehrer, <strong>der</strong> Gewerkschaften und <strong>der</strong> Umweltschützer gemeinsam gegen das neoliberale Modell<br />
Chiles. Das ist keine Revolutionsromantik, wie die Medien schreiben, son<strong>der</strong>n es ist in <strong>der</strong> Tat das<br />
Aufwachen des chilenischen Volkes, welches zeigt, dass die Erziehung ein Grundrecht ist und sich<br />
damit auch klar gegen die Liberalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft und des Bildungssystems stellt.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Studentenproteste in Chile 21 24<br />
Die mo<strong>der</strong>nen Län<strong>der</strong> sichern jungen Menschen den Zugang zu Bildung. Nicht so in Chile, wo seit <strong>der</strong><br />
Diktatur Pinochets die Bildung an privaten Interessen orientiert ist und die Rolle des Staates vergessen<br />
wurde. Zwar weist Chile makroökonomisch betrachtet eine relativ hohe Stabilität auf, jedoch kommt<br />
von dieser Entwicklung nichts bei den Bürgern an. Die Regierung negiert Chancengleichheit und Bil-<br />
dungszugang für die gesellschaftliche Mehrheit.<br />
Wir müssen anerkennen, dass die chilenische Zivilgesellschaft durch die politische Klasse einfach<br />
nicht repräsentiert ist und damit die Kollektive, die Bewegungen, die organisierte Bevölkerung noch<br />
wichtiger geworden sind. Diese Situation <strong>der</strong> „Demokratie aus Pappe“ schafft die Bedingungen für die<br />
Massenempörung. Deswegen vertritt die Bildungsbewegung <strong>der</strong> Chilenen viele Sektoren und dehnt<br />
sich auch in an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> aus, wie Kolumbien, Puerto Rico o<strong>der</strong> Honduras. Die Studierenden auf <strong>der</strong><br />
Welt müssen sich gegen die Bildung nach ökonomischen Interessen im Sinne <strong>der</strong> Erziehung als Busi-<br />
ness mobilisieren und sich als Element <strong>der</strong> politisch-aktiven Gesellschaft verstehen.<br />
In Kolumbien z.B. kämpfen Studierende gegen die privatisierenden Bildungsreformen von Präsident<br />
Juan Manuel Santos, die die Hochschulen finanziell austrocknen würde. Wir, die Bevölkerung, die<br />
chilenischen und internationalen Studenten, protestieren und for<strong>der</strong>n ein Recht auf Bildung, bezie-<br />
hungsweise einen besseren Bildungszugang ohne finanzielle Schranken sowie die Demokratisierung<br />
<strong>der</strong> Schulen, die von profitierenden Körperschaften kontrolliert werden.<br />
Darüber hinaus ist zu vermerken, dass unsere For<strong>der</strong>ungen über den Bildungssektor hinausgehen. Wir<br />
for<strong>der</strong>n einen radikalen Wechsel des Wirtschaftssystems. Die Studentenbewegung hat eine Vision für<br />
die gesamte Gesellschaft. Der Inhalt des Bildungskampfes besteht nicht in kleinen Verbesserungen<br />
(Stipendien, Kredite usw.) o<strong>der</strong> in einer Reformierung <strong>der</strong> Bildungsgesetze, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung. Dafür suchen wir Unterstützung in internationalen<br />
Bewegungen und Organisationen, die diese Ideale teilen. Um lokal mehr Druck ausüben zu können,<br />
brauchen wir die solidarische Einheit <strong>der</strong> Völker und die Internationalisierung <strong>der</strong> Proteste. Zwar weist<br />
Chile makroökonomisch betrachtet eine relativ hohe Stabilität auf, jedoch kommt von dieser Entwick-<br />
lung nichts bei den Bürgern an. Die Regierung negiert Chancengleichheit und Bildungszugang für die<br />
gesellschaftliche Mehrheit.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Autor: William T. P. Schulz<br />
Wer glaubt, Transportkosten<br />
wären ein alter<br />
Hut und dass im<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>t doch bereits alle<br />
Märkte entwe<strong>der</strong> globalisiert o<strong>der</strong><br />
zumindest glokalisiert sind, wird<br />
in diesem Artikel eines Besseren<br />
belehrt.<br />
BEISPIELGEBEND IST DER USamerikanische<br />
Gasmarkt. Dadurch,<br />
dass Erdgas bis vor wenigen<br />
Jahren kaum per Schiff<br />
transportiert wurde, weil ein Verflüssigungsprozess,<br />
<strong>der</strong> die Transportfähigkeit<br />
ermöglicht, äußerst<br />
aufwendig und damit unrentabel<br />
war, bildete sich <strong>der</strong> Preis nach<br />
Angebot und Nachfrage. Natural<br />
Gas (Henry Hub) galt 2008 als<br />
knappes Gut, welches wie Erdöl<br />
neue Höchstpreise erklomm. Abgesehen<br />
von <strong>der</strong> Industrie und <strong>der</strong><br />
Verwendung in den Privathaushalten<br />
kann das, im Vergleich zu<br />
Mineralöl sauber und CO2 ärmer<br />
verbrennende Gas, zunehmend im<br />
Automobilverkehr und zur Stromerzeugung<br />
genutzt werden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
Elektrizitätswerke können<br />
dank <strong>der</strong> Gasturbinen flexibel<br />
Nachfragespitzen ausgleichen.<br />
Gemäß <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />
EIA (Energy Information Administration)<br />
erreichte <strong>der</strong> Bedarf<br />
2008 erneut ein Rekordlevel. Neben<br />
dem starken börsenbedingten<br />
Preisanstieg, <strong>der</strong> auch bei an<strong>der</strong>en<br />
Commodities durch „long“ Spekulationen<br />
und sicherlich auch<br />
firmenbedingte Hedgings ausgelöst<br />
wurde, stützten auch Hurricane<br />
Events, welche die Produktion<br />
zeitweise drosselten. Die<br />
hohen Gaspreise und die künftigen<br />
Substitutionsmöglichkeiten<br />
im Hinblick zum WTI (West Texas<br />
Intermediate – typisch leichtes<br />
US-Erdöl), för<strong>der</strong>ten den Pipeline<br />
Ausbau genauso wie den Bau von<br />
LNG Terminals, welche den stark<br />
lokalisierten Markt<br />
Isolation und Evolution auf dem Titel Rohstoffmarkt des Artikels 21 25<br />
Isolation und Evolution auf dem<br />
Rohstoffmarkt<br />
Abb. 1<br />
WTI Oil<br />
Natural Gas<br />
für Importe öffnen sollten. LNG<br />
steht für „liquefied natural gas“<br />
und ermöglicht durch eine Abkühlung<br />
des Gases auf unter -160<br />
Grad eine Verflüssigung, die das<br />
Volumen erheblich reduziert. Gas<br />
wird per Schiff transportfähig, die<br />
Technologie könnte künftig die<br />
kontinentalen Märkte verbinden.<br />
WIE IN ABB. 1 ersichtlich, korrelierte<br />
<strong>der</strong> Ölpreis mit dem Gaspreis<br />
weitestgehend, bis Mitte<br />
2010 eine Seitwärtsbewegung<br />
einsetzte, die schließlich im Mai<br />
2011 in eine Abwärtsbewegung<br />
mündete. Abb. 2 illustriert, dass<br />
sich insbeson<strong>der</strong>e seit 2011 dieser<br />
Prozess beschleunigte, <strong>der</strong> Preis<br />
pro Kubikfuß halbierte sich von<br />
5$ auf 2,50$.<br />
Abb. 2) Seit November 2011 verliert Gas im Vergleich zum Rohöl noch stärker an Wert.<br />
Der Kursverlust des WTI im Mai ist konjunktureller, nicht fundamentaler Natur.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Abb. 3 Abb. 4<br />
DOCH WAS IST <strong>der</strong> Grund für<br />
den starken Preisabfall? Eine neue<br />
Technologie ermöglicht es, Shale-<br />
Gas zu för<strong>der</strong>n, was bis vor wenigen<br />
Jahren nicht möglich war. Die<br />
Folgen werden so gravierend sein,<br />
dass es angesichts des Ausmaßes<br />
durchaus angebracht scheint, von<br />
Evolution in diesem Technologiesektor<br />
zu sprechen, welche über<br />
Innovation, geschweige denn inkrementelle<br />
Verbesserung hinausragt.<br />
KONVENTIONELLE GASVORKOM-<br />
MEN (ABB. 3) konnten bisher durch<br />
übliche vertikale Bohrungen erschlossen<br />
werden. Der gashaltige<br />
Schiefer liegt jedoch so tief, dass<br />
ein traditioneller Tage- bzw. Bergbau<br />
o<strong>der</strong> ein Verfahren wie bei<br />
den kanadischen Ölsanden, nicht<br />
möglich ist. Statt dessen wird nach<br />
<strong>der</strong> vertikalen Bohrung eine horizontale<br />
angeschlossen. (Abb. 4)<br />
In das stabilisierte Bohrloch werden<br />
Sprengladungen eingeführt<br />
und das (auf deutsch) „Fracking“<br />
beginnt. Die Explosionen (Abb.<br />
5) „brechen“ Klüfte und Spalten<br />
in das Gestein. Anschließend<br />
wird das Bohrloch einschließlich<br />
<strong>der</strong> Gesteinsklüfte unter Hochdruck<br />
mit Unmengen an Wasser<br />
und Chemikalien ausgespült. Das<br />
Gas löst sich aus dem Gestein,<br />
steigt (idealerweise) das Bohrloch<br />
hinauf und kann in ein Pipelinesystem<br />
gespeist werden. Möglich<br />
wurde das vor allem mit dem<br />
„Clean Energy Act“ 2005, da <strong>der</strong><br />
Gewässerschutz vor allem gegenüber<br />
Öl- und Gasexploration stark<br />
gelockert wurde.<br />
IN DEN USA gingen insbeson<strong>der</strong>e<br />
kleine Firmen die Risiken<br />
des „Hydraulic Fracturing“ ein,<br />
erst nachdem sich die Technologie<br />
bewährte, folgten die „Ölmultis“<br />
und mussten entwe<strong>der</strong> die Explorationsgebiete<br />
teuer erwerben o<strong>der</strong><br />
über kostenintensive M&A (Merge<br />
and Aquisition) tätig werden.<br />
DER GASBOOM FÜHRTE auf dem<br />
isolierten Markt zum Einbrechen<br />
<strong>der</strong> Preise in Folge eines Überangebotes.<br />
Die<br />
2008 installierten<br />
Import LNG Terminals<br />
werden für<br />
den Export umgerüstet,<br />
was allerdings<br />
noch mindestens<br />
2-3 Jahre<br />
dauern dürfte. Die<br />
Preise in Europa<br />
Abb. 5<br />
Isolation und Evolution auf dem Titel Rohstoffmarkt des Artikels 21 26<br />
sind <strong>der</strong>weil drei- bis viermal so<br />
hoch wie in den USA, bedingt<br />
durch Russland als dominierenden<br />
Lieferanten.<br />
IN DEN USA produzieren viele<br />
<strong>der</strong> kleinen Firmen unter den<br />
Grenzkosten, in Folge des starken<br />
Überangebotes und Preisverfalls.<br />
Der kürzliche Preisanstieg ist auf<br />
einige Marktführer zurückzuführen,<br />
welche damit drohen, ihre<br />
Produktion zu drosseln. Der langfristige<br />
Erfolg ist dank des ökonomischenTrittbrettfahrerphänomens<br />
jedoch zweifelhaft.<br />
WELCHE AUSWIRKUNGEN DIESER<br />
neue Hype auf Europa hat, wie die<br />
Deutschen darüber denken und ob<br />
die USA bald zum Exporteur von<br />
fossilen Energieträgern (ja, auch<br />
Erdöl!) werden, erfahrt ihr in den<br />
nächsten zwei <strong>Ausgabe</strong>n!<br />
Bildquellen: finanzen.net; ariva.de; Stellungnahme des Bundesumweltamtes zur Schiefergasför<strong>der</strong>ung; www.erdoel-erdgas.de; http://energy.gov<br />
03-2012 | COLUMBUS
Auf den ersten Blick könnte Walldorf eine relativ<br />
gewöhnliche, wenn auch idyllische mittelgroße<br />
Stadt in Baden sein. Rund 15.000<br />
Einwohner leben hier auf einer Fläche von ca. 20<br />
km². Landschaftlich ist die Umgebung geprägt von<br />
Wald und Fel<strong>der</strong>n und wirkt alles in allem wie eine<br />
gemütliche Wohnstadt für Familien. Fährt man jedoch<br />
vom städtischen Zentrum in das südlich gelegene<br />
Gewerbegebiet, wird schnell klar, dass Walldorf<br />
alles an<strong>der</strong>e als eine reine Wohnstadt ist. Zahlreiche<br />
Firmen und Betriebe haben sich hier angesiedelt, unter<br />
an<strong>der</strong>em auch global operierende Unternehmen<br />
wie <strong>der</strong> Software-Riese SAP und die <strong>Heidelberg</strong>er<br />
Druckmaschinen AG. Die Stadt gilt als eine <strong>der</strong> wirtschaftlich<br />
attraktivsten Gemeinden Deutschlands und<br />
verfügt über eine enorme Wirtschaftskraft.<br />
DIESE SITUATION IST für die Stadt Walldorf angesichts<br />
<strong>der</strong> vielen Arbeitsplätze und <strong>der</strong> Steuereinnahmen<br />
grundsätzlich hocherfreulich, bringt aber<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Titel des Walldorf Artikels 27 21<br />
DER GEOGRAPH<br />
ALS WIRTSCHAFTSFÖRDERER<br />
Autor: Andreas Wüst<br />
Exkurs: Kommunale Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in Deutschland<br />
gleichzeitig eine Vielzahl an Aufgaben und Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
mit sich. Die Nachfrage nach Gewerbeflächen<br />
ist so groß, dass unbebaute Flächen immer<br />
knapper werden, und die zahlreichen ortsansässigen<br />
Firmen verlangen nach einer intensiven Betreuung.<br />
All dies ist nicht ohne eine spezialisierte Stabstelle<br />
in <strong>der</strong> Verwaltung organisierbar. An diesem Punkt<br />
kommt die Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung (siehe Exkurs) ins<br />
Spiel. Sie kann als Allzweckwaffe in vielen städtischen<br />
Belangen verstanden werden und verfügt über<br />
ein entsprechend vielfältiges Aufgabenspektrum.<br />
Hierzu zählen beispielsweise die Ansiedlung neuer<br />
Unternehmen, die Bestandspflege, die Existenzgründungsför<strong>der</strong>ung,<br />
das Gewerbeflächenmanagement,<br />
aber auch Themen des Stadtmarketings, wie die Organisation<br />
von Events und diversen Veranstaltungen.<br />
DIESE AUFZÄHLUNG, DIE lediglich einen Bruchteil<br />
<strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung darstellt,<br />
zeigt die hohe Flexibilität und Interdisziplinarität, die<br />
ein Wirtschaftsför<strong>der</strong>er (m/w) mitbringen muss, um<br />
in diesem Beruf zu bestehen. So beschäftigt er sich<br />
„Kommunale Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung ist die zur Daseinsvorsorge zählende Aufgaben <strong>der</strong> Gemeinden, Städte<br />
und Landkreise, die durch eine Schaffung, bzw. Verbesserung <strong>der</strong> Standortbedingungen für die Wirtschaft,<br />
das wirtschaftliche und soziale Wohl <strong>der</strong> Bevölkerung in den Gemeinden und im Kreis sichert o<strong>der</strong> steigert“<br />
(Reschl/Rogg 2003). Die wichtigsten Ziele bestehen dabei in <strong>der</strong> Stärkung des regionalen Wirtschaftspotentials,<br />
<strong>der</strong> Entwicklung von relevanten Branchen, <strong>der</strong> Sicherung und Vermehrung von Arbeitsplätzen, <strong>der</strong> Steigerung<br />
<strong>der</strong> Attraktivität des Standortprofils und <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Wohnattraktivität (vgl. Kayer 2006). Grundsätzlich<br />
tauchte <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in Deutschland schon Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts auf,<br />
jedoch führte die Wirtschaftskrise in den 70er Jahren zu einem Handlungsdruck für die Entscheidungsträger,<br />
<strong>der</strong> dazu führte, dass man Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung als eigenständige Aufgabe erkannte und speziell Mitarbeiter<br />
dafür rekrutierte (vgl. Schweizer 2008).<br />
Grundsätzlich stellt Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung eine freiwillige Aufgabe einer Gemeinde dar, allerdings wird ihr eine<br />
entscheidende Bedeutung für den jeweiligen Standort zugeschrieben und sie gehört daher zu den wichtigsten<br />
kommunalpolitischen Faktoren (vgl. Schweizer 2008).<br />
03-2012 | COLUMBUS
Bei <strong>der</strong> Walldorfer Nacht <strong>der</strong> Ausbildung können sich<br />
Schülerinnen und Schüler direkt vor Ort über potentielle<br />
Ausbildungsstellen informieren. (Foto: H&B Pressebild Pfeifer)<br />
gleichzeitig mit völlig unterschiedlichen Aufgaben<br />
und Schwerpunkten und ist dabei erster Ansprechpartner<br />
für viele Belange <strong>der</strong> Unternehmen. Er bildet<br />
somit eine Art Schnittstelle zwischen <strong>der</strong> städtischen<br />
Verwaltung und den Betrieben.<br />
UM DIE AUFGABEN <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung sowie<br />
die Eigenschaften, die ein Wirtschaftsför<strong>der</strong>er<br />
(m/w) mitbringen sollte, darstellen zu können, sowie<br />
zu zeigen, dass gerade auch Geographen (m/w)<br />
sehr gut geeignet sind, um diese Anfor<strong>der</strong>ungen zu<br />
erfüllen, wurde für diesen Artikel ein Interview mit<br />
dem Wirtschaftsför<strong>der</strong>er <strong>der</strong> Stadt Walldorf Marc<br />
Massoth geführt. Herr Massoth hat selbst Geographie<br />
studiert und leitet mittlerweile seit einigen Jahren die<br />
Stabstelle Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung. In folgendem Interview<br />
gab er Einblicke in die berufliche Situation eines<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ers und konnte Aufschluss darüber<br />
geben, wie man einen Berufseinstieg in dieses<br />
Berufsfeld finden kann und welche Faktoren gerade<br />
Geographen für diese Tätigkeit prädestinieren.<br />
Interviewer (I): Herr Massoth, was umfasst das<br />
Aufgabenspektrum eines Wirtschaftsför<strong>der</strong>ers in <strong>der</strong><br />
Stadt Walldorf?<br />
Marc Massoth (MM): Eine einfache Definition <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung ist im Grunde einerseits die Ansiedlung<br />
von Unternehmen in <strong>der</strong> jeweiligen Gebiets-<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Titel des Walldorf Artikels 21 28<br />
körperschaft und an<strong>der</strong>erseits die dauerhafte Bindung<br />
dieser Unternehmen an den eigenen Standort. Zielgruppe<br />
sind hierbei sowohl Wirtschaftsunternehmen,<br />
die privatwirtschaftlich tätig sind, als auch öffentliche<br />
<strong>Institut</strong>ionen. Wie die Begrifflichkeit bereits beinhaltet,<br />
„för<strong>der</strong>t man die Wirtschaft“. Dementsprechend<br />
umfasst Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung all diejenigen<br />
Themen, die dazu führen, dass sich Unternehmen am<br />
Standort Walldorf wohlfühlen und ihre Belange wahrgenommen<br />
werden. Das alles steht natürlich unter <strong>der</strong><br />
Prämisse, dass die Kommune, also die Gemeinschaft,<br />
hieraus einen Nutzen zieht. An dieser Stelle kommt<br />
<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Daseinsvorsorge mit ins Spiel. Denn<br />
prosperierende Unternehmen tragen in erheblichem<br />
Maße zum Gemeinwohl bei, indem sie beispielsweise<br />
Arbeitsplätze schaffen, Gewerbesteuer zahlen, investieren<br />
o<strong>der</strong> im Sponsoring aktiv sind. Genauso vielfältig<br />
wie die Bedürfnisse von Unternehmen ist auch<br />
das Aufgabenspektrum eines Wirtschaftsför<strong>der</strong>ers.<br />
Um Betriebe überhaupt erst ansiedeln zu können und<br />
diese schließlich in einer Stadt bzw. Region zu halten,<br />
steht zunächst die Bereitstellung notwendiger Infrastruktur<br />
im Vor<strong>der</strong>grund. So versteht man unter dem<br />
Begriff <strong>der</strong> „harten Standortfaktoren“ ganz essentielle<br />
Voraussetzungen, zum Beispiel attraktive Gewerbeflächen,<br />
ein Breitband- o<strong>der</strong> Autobahnanschluss o<strong>der</strong><br />
die Verfügbarkeit von Fach- und Führungskräften.<br />
Aber auch an den „weichen Standortfaktoren“ kann<br />
ein Wirtschaftsför<strong>der</strong>er aktiv mitarbeiten. Darunter<br />
fallen eher emotionale Aspekte wie <strong>der</strong> Erholungs-<br />
und Freizeitwert o<strong>der</strong> das Wohnumfeld einer Stadt.<br />
Interessant bei dieser klassischen Einteilung ist, dass<br />
Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote o<strong>der</strong> <strong>der</strong> private Wohnimmobilienmarkt<br />
zunehmend von einem „weichen“ zu<br />
einem „harten“ Standortfaktor werden. Einzeln aufgezählt<br />
warten auf einen künftigen Wirtschaftsför<strong>der</strong>er<br />
(w/m) Arbeitsfel<strong>der</strong> wie die Vermittlung und<br />
Vermarktung von Gewerbeflächen, die Bestandspflege,<br />
die Existenzgründungs-, Ausbildungs-, Technologie-<br />
und Innovationsför<strong>der</strong>ung, aber auch Stadt- und<br />
03-2012 | COLUMBUS
Standortmarketingaktivitäten. Um bestimmte Themen<br />
voranzubringen, organisieren wir hier in Walldorf<br />
Veranstaltungen als Kommunikationsplattform.<br />
Für den Bereich <strong>der</strong> Ausbildungsför<strong>der</strong>ung ist die<br />
„Walldorfer Nacht <strong>der</strong> Ausbildung“ ein gutes Beispiel.<br />
Bei diesem beson<strong>der</strong>en Veranstaltungsformat<br />
können sich Schülerinnen und Schüler direkt bei den<br />
Walldorfer Firmen über <strong>der</strong>en Ausbildungsangebote<br />
informieren. Durch die persönlichen Gespräche<br />
mit erfahrenen Ausbil<strong>der</strong>n fällt es den Interessenten<br />
leichter, sich für einen Beruf zu entscheiden. Daneben<br />
profitieren auch die Unternehmen selbst, denn in<br />
Anbetracht eines herannahenden Fachkräftemangels<br />
hat <strong>der</strong> Wettbewerb um engagierte junge Menschen<br />
bereits eingesetzt. All diese Aktivitäten und Aufgaben<br />
sind allerdings nicht als Einzelkämpfer zu bewältigen.<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung fungiert idealerweise<br />
immer als Vermittlungs- und Querschnittsstelle.<br />
Netzwerkarbeit ist dabei das Zauberwort.<br />
I: Können Sie Beispiele für diese Netzwerkarbeit<br />
nennen?<br />
MM: Ein Beispiel wäre, dass ein Bürger zu mir kommt,<br />
<strong>der</strong> sich selbstständig machen will, aber nicht weiß,<br />
wie man dies konkret bewerkstelligt. Ich unterstütze<br />
ihn im ersten Schritt mit meinen Fachkenntnissen<br />
bei <strong>der</strong> Erstellung eines Businessplanes, im zweiten<br />
Schritt versuche ich, ihm sinnvolle Kontakte zu vermitteln,<br />
die ihm bei seinem Vorhaben weiterhelfen.<br />
Walldorfer Unternehmerlunch bei <strong>der</strong> Firma Glas Teich.<br />
(Foto: H&B Pressebild Pfeifer)<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Titel des Walldorf Artikels 21 29<br />
Das können entscheidende Ansprechpartner in <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Branche sein, Geschäftspartner o<strong>der</strong> Investoren.<br />
Um bei Bedarf auch wirklich weiterhelfen zu<br />
können, baut man sich als Wirtschaftsför<strong>der</strong>er sukzessiv<br />
ein Netzwerk auf, welches ein möglichst breites<br />
Themenspektrum abdeckt. Vor diesem Hintergrund<br />
sehe ich meine Aufgabe auch als eine Art Informationshändler.<br />
Die För<strong>der</strong>ung von Netzwerken dient<br />
aber auch den betreuten Unternehmen selbst, welche<br />
durch den persönlichen Austausch neue Impulse o<strong>der</strong><br />
nützliche Geschäftskontakte erhalten. Damit sich die<br />
Unternehmer vor allem am eigenen Standort kennen<br />
lernen, organisieren wir in Walldorf regelmäßig den<br />
sogenannten „Unternehmerlunch“. Dieser findet immer<br />
in einem Walldorfer Betrieb statt, <strong>der</strong> sich dabei<br />
selbst präsentiert. Bei einem gemeinsamen und ungezwungenen<br />
Mittagessen bleibt dann noch genügend<br />
Zeit für die Kontaktpflege <strong>der</strong> Unternehmer untereinan<strong>der</strong>.<br />
Denn oftmals kennen sich die unmittelbareren<br />
Nachbarn im Gewerbegebiet nur unzureichend. Außerdem<br />
können die verschiedenen Unternehmer ein<br />
Verständnis für die Tätigkeiten <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Firmen<br />
entwickeln und potentielle Kooperationen entstehen.<br />
I: Was sind die größten Herausfor<strong>der</strong>ungen, die Ihr<br />
Beruf mit sich bringt?<br />
MM: Eine immer wie<strong>der</strong>kehrende Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
ist beispielswiese die Integration ganz unterschiedlicher<br />
Interessenslagen. Das können einerseits unterschiedliche<br />
Wünsche und Anfor<strong>der</strong>ungen von<br />
Unternehmen und Behörden sein, aber das können<br />
natürlich auch unterschiedliche<br />
Meinungen in politischen Entscheidungsfindungsprozessen<br />
sein. Hierfür benötigt man ein<br />
gewisses Talent im Bereich Mo<strong>der</strong>ation,<br />
manchmal sogar Mediation.<br />
Außerdem ist es eine entscheidende<br />
Voraussetzung, sich<br />
03-2012 | COLUMBUS
immer wie<strong>der</strong> in neue Themen hineindenken zu können.<br />
Geographen haben durch ihre interdisziplinäre<br />
Ausbildung gute Voraussetzungen hierfür.<br />
I: Können Sie einen kurzen Abriss Ihres Werdeganges<br />
wie<strong>der</strong>geben?<br />
MM: Für die Geographie als Studienfach habe ich<br />
mich aufgrund <strong>der</strong> angesprochenen Interdisziplinarität<br />
entschieden, also die Verknüpfung <strong>der</strong> Physischen<br />
Geographie mit <strong>der</strong> Humangeographie. Diese<br />
breite Aufstellung kommt mir aber auch heute noch<br />
zu Gute, da man sich nicht immer nur mit reinen betriebs-<br />
und volkswirtschaftlichen Fragen beschäftigt,<br />
son<strong>der</strong>n die Stadt immer wie<strong>der</strong> in ihrer Ganzheit betrachtet.<br />
Zu Beginn meines Studiums hatte ich den<br />
Beruf des Wirtschaftsför<strong>der</strong>ers noch nicht explizit im<br />
Visier. Das Interesse am unternehmerischen Handeln<br />
ist nach meiner Zwischenprüfung entstanden und das<br />
in einem Fachgebiet, bei dem man als Laie nicht sofort<br />
an Wirtschaft denkt, dem Umweltschutz. Bei einem<br />
Praktikum im damaligen Amt für Umweltschutz,<br />
Energie und Gesundheitsför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Stadt <strong>Heidelberg</strong><br />
habe ich mich unter an<strong>der</strong>em mit dem Themenfeld<br />
des Nachhaltigen Wirtschaftens beschäftigt, also<br />
dem sinnvollen Zusammenhang von Umweltschutz<br />
und Ressourcenschonung mit wirtschaftlichem Nutzen.<br />
Hierbei habe ich schnell bemerkt, dass es mir<br />
sehr viel Freude macht, mit Unternehmern zusammenzuarbeiten<br />
und dabei etwas Sinnvolles zu bewirken.<br />
Da lag es für mich nahe, auch meine Diplomarbeit<br />
über dieses Thema zu verfassen. Nach dem<br />
Studium und zwei Jahren Tätigkeit beim Umweltamt<br />
als Wissenschaftlicher Angestellter wurde ich Geschäftsführer<br />
des Umweltkompetenzzentrums <strong>Heidelberg</strong><br />
Rhein-Neckar, einem Zusammenschluss von<br />
zahlreichen Unternehmen und <strong>Institut</strong>ionen in <strong>der</strong> Region,<br />
die sich mit Umwelttechnik und nachhaltigem<br />
Wirtschaften beschäftigt haben. Das war im Grunde<br />
bereits Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung, wenn auch konkret auf<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Titel des Walldorf Artikels 21 <strong>30</strong><br />
den Umweltbereich bezogen. Im Anschluss war ich<br />
beim Zweckverband des Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal<br />
beschäftigt, wo ich für die Handlungsfel<strong>der</strong><br />
Wirtschafts- und Tourismusför<strong>der</strong>ung, Verkehr,<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Kulturlandschaftspflege zuständig<br />
war. Meine Position als Leiter <strong>der</strong> Stabsstelle<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in Walldorf habe ich seit 2006<br />
inne. Seit Anfang des Jahres 2012 bin ich zudem für<br />
Grundsatzfragen zuständig, welche sich mit <strong>der</strong> strategischen<br />
Ausrichtung <strong>der</strong> Stadtverwaltung als <strong>Institut</strong>ion<br />
sowie <strong>der</strong> Stadt in ihrer Gesamtheit befassen.<br />
I: Was sollte aus Ihrer Sicht ein Wirtschaftsför<strong>der</strong>er<br />
grundsätzlich mitbringen?<br />
MM: Zu allererst sollte man gerne mit Menschen<br />
kommunizieren, um die angesprochenen Netzwerke<br />
zu knüpfen. Dann sollte man Kreativität mitbringen<br />
und Ideen selbst entwickeln können. Was aber auch<br />
ganz entscheidend ist, ist ein gewisses Maß an politischem<br />
Gespür und diplomatischem Geschick. Gepaart<br />
mit Leistungsbereitschaft wird man zum idealen<br />
„Kümmerer“ und „Problemlöser“.<br />
I: Welchen Nutzen für diese Arbeit können Geographen<br />
aus ihrem Studium ziehen?<br />
MM: Natürlich konkurrieren wir Geographen in diesem<br />
Berufsfeld mit vielen an<strong>der</strong>en Berufsgruppen,<br />
zum Beispiel Verwaltungsfachwirten o<strong>der</strong> Volkswirten.<br />
Als Vorteil können wir Geographen aber unser<br />
interdisziplinäres Denken herausstellen. Außerdem<br />
werden Geographen hervorragend in Bereichen wie<br />
Präsentation und Mo<strong>der</strong>ation geschult. Natürlich sind<br />
aber auch die hard skills durchaus von Nutzen. Kenntnisse<br />
im Arbeiten mit geographischen Informationssystemen<br />
sind hier genauso hilfreich wie Kenntnisse<br />
im Bereich Flächenmanagement o<strong>der</strong> Stadt- und<br />
Wirtschaftsgeographie. Auch Faktoren wie angewandtes<br />
Schreiben und Grundkenntnisse in Statistik<br />
03-2012 | COLUMBUS
helfen durchaus weiter. Das Verhältnis von hard skills<br />
und soft skills ist, wenn ich zurückblicke, relativ ausgeglichen.<br />
Ein passendes Nebenfach wie VWL o<strong>der</strong><br />
Jura kann natürlich auch nicht schaden.<br />
I: Meine letzte Frage wäre, was Sie einem Studenten<br />
<strong>der</strong> Geographie raten würden, <strong>der</strong> in den Bereich<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung möchte?<br />
MM: Ganz wichtig ist es, ein o<strong>der</strong> zwei Praktika bei<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungsinstitutionen zu absolvieren,<br />
auch um zu sehen, ob einem dieses Berufsfeld überhaupt<br />
zusagt. Das muss nicht immer innerhalb einer<br />
Stadt- o<strong>der</strong> Kreisverwaltung sein. Viele Kommunen<br />
und Regionen haben ihre Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungen in<br />
privatwirtschaftlichen Gesellschaften organisiert.<br />
Durch Praktika können wichtige Kontakte zu möglichen<br />
Arbeitgebern geknüpft werden, zudem sind es<br />
natürlich auch Referenzen im Lebenslauf. Gegebenenfalls<br />
könnte auch ein Masterstudiengang im Bereich<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung in Betracht gezogen werden.<br />
Letztendlich ist nach einem eher theoretischen<br />
Studium aber die praktische Erfahrung wesentlich.<br />
Danach schauen auch potentielle Arbeitgeber. Im<br />
Idealfall kann man ja auch regelmäßig projektbezogen<br />
bei <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung mitarbeiten, um den<br />
Schritt in die Praxis zu schaffen. Außerdem würde ich<br />
empfehlen, praxisorientierte Abschlussarbeiten in Erwägung<br />
zu ziehen.<br />
I: Vielen Dank für das informative Gespräch, Herr<br />
Massoth.<br />
DAS INTERVIEW MIT Marc Massoth macht zum einen<br />
deutlich, dass <strong>der</strong> Beruf des Wirtschaftsför<strong>der</strong>ers<br />
(m/w) alles an<strong>der</strong>e als eintönig ist. Vielmehr ist das<br />
Berufsfeld an einer Schnittstelle vieler spannen<strong>der</strong><br />
und unterschiedlicher Themen angesiedelt. Marc<br />
Massoth konnte auch vermitteln, dass gerade interdisziplinär<br />
engagierte Geographen (m/w) prädesti-<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung Titel des Walldorf Artikels 21 31<br />
niert für diesen Beruf<br />
sind. Durch<br />
ihre Fähigkeiten,<br />
sich in neue Themeneinzuarbeiten,<br />
sowie die gute<br />
Schulung, Mo<strong>der</strong>ations-<br />
und Präsentationsfähigkeiten<br />
betreffend, verfügen<br />
Geographen<br />
über ein großes<br />
Repertoire aus soft<br />
skills, die bestens zur Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung passen.<br />
Auch die hard skills, in Form von geographischen<br />
Fachinhalten, Erfahrung mit geographischen Informationssystemen<br />
und einem statistischen Basiswissen<br />
können von großem Nutzen sein.<br />
FALLS DIESER ARTIKEL also Interesse für den Bereich<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung geweckt hat, kann nur<br />
empfohlen werden, sich zu informieren und Praktika<br />
zu absolvieren, dann steht einem Geographen (m/w)<br />
jede Türe offen.<br />
Literatur:<br />
Marc Massoth im Portait<br />
Reschl, R./ Rogg, W. (2003): Kommunale Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung:<br />
Standortdialog und Standortentwicklung<br />
in Kommunen und Regionen. Sternenfels:<br />
Verlag Wissenschaft und Praxis.<br />
Schweizer, F. (2008): Dienstleistungszentrum als<br />
Projekt <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung – dargestellt am<br />
Beispiel <strong>der</strong> Stadt Ellwangen. Ludwigsburg: Fachhochschule<br />
Ludwigsburg: Hochschule für öffentliche<br />
Verwaltung und Finanzen.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Leserbrief von: Lukas Rey<br />
Schön sind Kanonen,<br />
Patronen, Waffen und Panzer,<br />
Wenn sie doch glänzen,<br />
Im feuchten Grün <strong>der</strong> Blumen,<br />
Die überall aus ihnen sprießen.<br />
Krieg, wohin bist du verschwunden?<br />
Wenn ich dich vermisse, dann doch nur in den<br />
Worten, die von dir erzählen. All die heroischen<br />
Schlachten von Griechen, den Makedonen<br />
und Römern. Damals sprach man das aus, was heute<br />
unverhohlen verschleiert wird „Es herrscht Krieg“. Je<strong>der</strong><br />
wusste, Krieg bedeutet Zerstörung, Gewalt und viele Tote,<br />
aber auch Ruhm und Ehre, Macht und Einfluss für den,<br />
<strong>der</strong> ihn gewann. Aus dem Drang heraus sich zu verteidigen,<br />
die fremden Völker, die einen bedrohten auszustechen<br />
und sich Ressourcen zu sichern, marschierten die Truppen<br />
los, in unbekannte Gebiete, in unbekannte Regionen. Im<br />
Mittelalter, in <strong>der</strong> Neuzeit, immer wurde Krieg geführt.<br />
Es ist wie ein roter, ein blutroter Faden <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte.<br />
Bis dann <strong>der</strong> Mensch ihn verbannte. Krieg ist<br />
ein Verstoß gegen das Völkerrecht, er ist geächtet, er ist<br />
schlecht. Wer Krieg führt, ist böse! Damit verschwand <strong>der</strong><br />
Krieg aus unseren Worten, aus dem Geist <strong>der</strong> Zeit und wir<br />
mussten neue Wege finden, die erklärten, wieso wir Waffen<br />
brauchen, Armeen und Atomwaffen, wenn wir doch<br />
keinen Krieg mehr führen. Der letzte (richtige?) Krieg<br />
war 1945 zu Ende, danach herrschte ein Kalter Krieg und<br />
heute gibt es nur noch einen Antiterror-Krieg. Das alles ist<br />
ja streng genommen kein Krieg mehr, wie man sagt, son<strong>der</strong>n<br />
es sind militärische Operationen. Einsätze unter <strong>der</strong><br />
Leitung von Militärs o<strong>der</strong> Friedenstruppen mit Botschafterfunktionen,<br />
die gekommen sind, um den Frieden, die<br />
Freiheit und die Ordnung wie<strong>der</strong>herzustellen. Also kein<br />
Krieg, solange man ein UN-Mandat hat. Kein Krieg, wenn<br />
die Stabilität einer Region in Gefahr ist, o<strong>der</strong> es sich <strong>der</strong><br />
„Weltterrorismus“ mit seinen üblen Machenschaften in<br />
nicht ganz durchsichtigen Staaten gemütlich gemacht hat.<br />
In Korea sprach man offiziell von einem „Polizeieinsatz“,<br />
in Vietnam klang das ähnlich, spätere Geschichten wie<br />
Irak, Afghanistan, nochmal Irak, alles keine Kriege.<br />
Krieg, wohin bist du verschwunden? 32 2<br />
Wir Wollen keinen Krieg. Schon gar nicht, wenn<br />
einer <strong>der</strong> Mächte Atomwaffen besitzt. Wir können uns<br />
abschießen, umbringen, meucheln, in den Rücken fallen,<br />
mit Panzern und Granaten um uns werfen. Solange keiner<br />
den Krieg erklärt, ist das in Ordnung, denn dann muss<br />
man nicht die Frage stellen, ob das Richtig o<strong>der</strong> Falsch ist,<br />
ob man das darf o<strong>der</strong> nicht... Warum herrscht kein Krieg,<br />
wenn wir uns umbringen, Zivilisten töten, ausrauben,<br />
Ressourcen stehlen, Ideologien durchsetzen, Feindbil<strong>der</strong><br />
provozieren und mit Waffengewalt und Soldaten in Län<strong>der</strong><br />
marschieren? Nur, weil ein Krieg ungerecht ist? Nur, weil<br />
wir unsere Soldaten in den Mantel des Friedens stecken?<br />
Nur, weil wir Angst vor nuklearen Waffen haben?<br />
Das Problem ist doch sicher nicht das Wort „Krieg“.<br />
Zurecht ist es negativ quotiert, wir haben spätestens im<br />
Zweiten Weltkrieg alles dafür getan um uns dieses Bild in<br />
den Kopf zu brennen. Das Wort beschreibt das, was wir<br />
uns unter diesen Schrecken, Leiden und Ungerechtigkeiten<br />
vorstellen. Aber das alles verschwindet doch nicht nur, weil<br />
wir unseren Kriegern blaue Helme aufsetzen, wenn wir in<br />
Län<strong>der</strong> einmarschieren. Mit Waffen, mit Panzern, werden<br />
doch die Worte Frieden und Freiheit nicht verständlicher.<br />
Wenn Das alles kein Krieg ist, wohin ist er dann gegangen?<br />
- vielleicht in die Kriegs- und Killerspiele. Dort wird<br />
nicht für ein hehres, alles rechtfertigendes Ziel, eine UN-<br />
Resolution gekämpft, genauso wenig wie um Ideologien,<br />
Ressourcen, Glaubensfragen, Ungerechtigkeiten o<strong>der</strong><br />
Macht. Hier spielt also <strong>der</strong> Krieg. Hier wird getötet um des<br />
Sieges willen, ohne Sinn, ohne Grund. Am Ende können<br />
sich Sieger und Verlierer die Hände reichen, alle leben,<br />
keine Kollateralschäden, keine zerstörten Städte, keine<br />
toten Zivilisten. Während bei unseren Friedensmissionen,<br />
Operationen und Einsätzen, die keine Kriege sind, die Welt<br />
danach einem Trümmermeer gleicht.<br />
krieg Wo bist du nur hin? Ich vermisse dich nicht, aber<br />
bitte gib mir dein Wort, dass du uns deine Verbrechen offen<br />
legst.<br />
03-2012 | COLUMBUS
Studienkommission gewählt!<br />
Im Zuge <strong>der</strong> Vollversammlung wurden vier<br />
studentische Mitglie<strong>der</strong> inklusive ihrer Vertreter<br />
für die Studienkommission gewählt. Es sind<br />
vorerst: Hanna Wilbrand, Mats Stadtmann,<br />
Christina Jung und Lena Baum!<br />
Die Internetpräsenz des <strong>Institut</strong>es erfreut<br />
sich immer größerer Beliebtheit!<br />
Innerhalb eines Jahres konnten 1<strong>30</strong>.000 Besuche<br />
bzw. 470.000 Seitenansichten verzeichnet werden.<br />
Dies stellt eine Verdoppelung <strong>der</strong> Aufrufe von vor<br />
3 Jahren dar. Dabei stammen immerhin 18% <strong>der</strong><br />
Clicks aus dem Ausland.<br />
Seit neustem gibt es den Wissenschaftsatlas<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Heidelberg</strong> auch in<br />
englischer Sprache!<br />
Ab dem neuen Semester wird man sich in den<br />
PC-Pools <strong>der</strong> BST über seinen URZ-Account an<br />
den PCs anmelden müssen! Mit einer Aufrüstung<br />
des Pools wird Anfang des neuen Jahres zu<br />
rechnen sein!<br />
Zu ihrem 5. Jubiläum findet die Konferenz<br />
GEOINFORMATIK 2013<br />
an <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Heidelberg</strong> statt!<br />
Unter dem Motto „Geo together – Geoinformatik<br />
verbindet“ treffen sich Vertreter aus Wissenschaft,<br />
Wirtschaft und Verwaltung am 13.-15.03.2013<br />
um sich über aktuelle Forschungsfragen, neue<br />
Entwicklungen und praktikable Lösungen in <strong>der</strong><br />
Geoinformatik auszutauschen.<br />
Herr Mächtle vertritt ab kommenden<br />
Wintersemester die Professur von Herrn Eitel.<br />
„Geographie in verschiedenen Berufsfel<strong>der</strong>n“<br />
Im Winter werden Tätigkeitsfel<strong>der</strong> wie<br />
Stadtplanung/Stadtentwicklung,<br />
Erneuerbare Energien, Umweltplanung,<br />
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
sowie Tätigkeiten im wirtschaftsgeographischen<br />
Bereich vorgestellt!<br />
NEUIGKEITEN<br />
IMPRESSUM<br />
H E R A U S G E B E R<br />
@<br />
Neuigkeiten Titel / des Impressum Artikels 21 33<br />
Columbus - Redaktionsteam<br />
Ruprecht-Karls-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Geographisches</strong> <strong>Institut</strong><br />
Berliner Str. 48<br />
69120 <strong>Heidelberg</strong><br />
Email:<br />
columbus@geog.uni-heidelberg.de<br />
Internet:<br />
www.geog.uni-heidelberg.de/direkt/columbus.html<br />
(Hier können auch die alten <strong>Ausgabe</strong>n gelesen werden)<br />
C H E F R E D A K T I O N<br />
Christian Berberich<br />
R E D A K T I O N S T E A M<br />
Christian Berberich,Verena Flörchinger,<br />
Judith Görlich, Claudia Kämper,<br />
Constanze Lucht, Astrid Max,<br />
Johannes Schulz-Knappe,<br />
William T. P. Schulz, Sina Walter<br />
Für den Inhalt <strong>der</strong> Beiträge sind die Autoren/innen<br />
verantwortlich.<br />
L A Y O U T U N D G E S T A L T U N G<br />
Christian Berberich, Verena Flörchinger,<br />
Judith Görlich, William T. P. Schulz<br />
R E D A K T I O N S S C H L U S S<br />
13.10.2012<br />
Fragen, Anregungen, Kritik?<br />
Schreibt uns eine E-mail<br />
columbus@geog.uni-heidelberg.de<br />
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03-2012 | COLUMBUS