Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

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15.02.2013 Aufrufe

Zusammenfassung Arbeitskräfte, technisches und organisatorisches Know-how oder soziale und institutionelle Strukturen für die Wettbewerbsfähigkeit einer Region entscheidend. Eine zweite Perspektive betrachtet den Gegenstand aus evolutionsökonomischer Sicht. Im Unterschied zum traditionellen, neoklassischen Theoriegebäude stellt die Evolutionsökonomie den endogen erzeugten technologischen Wandel in den Mittelpunkt ökonomischer Prozesse. Der berühmteste Vertreter dieser Denkschule ist der Ökonom Schumpeter, welcher Innovationen und Pionierunternehmer zur Erklärung zyklischer Verläufe der Wirtschaft heranzieht. Überdies spielen in der Evolutionsökonomie historische Lernprozesse und Wissensflüsse eine entscheidende Rolle. Die spezifische Geschichte von Verhaltensweisen, Denkmustern oder Einstellungen verläuft entlang evolutionärer Pfade oder Trajektorien, die durch ihre Vergangenheit bedingt sind. Entsprechend wird die Richtung des Innovationsprozesses durch bestehende Technologien geprägt, welche die Möglichkeiten des technologischen Wandels abstecken und damit einen technologischen Entwicklungspfad definieren. Die dritte Perspektive nimmt eine Netzwerksichtweise ein und fokussiert auf die gegenseitigen sozialen Beziehungen zwischen Akteuren. Im Mittelpunkt stehen nicht Individuen oder Unternehmen, sondern Beziehungsverflechtungen. Einer der Protagonisten dieses Ansatzes ist der Soziologe Mark Granovetter, welcher in der New Economic Sociology das Konzept der embeddedness entwickelt hat. Diese bezieht sich auf die Tatsache, dass ökonomisches Handeln durch gegenseitige Beziehungen und die Struktur der Netzwerke beeinflusst wird. In seinem bekanntesten Werk "The Strength of Weak Ties" betont Granovetter die wichtige Rolle schwacher Netzwerkverbindungen. Diese fördern die Erschliessung neuer Wissensquellen und sorgen für die nötige Offenheit eines Netzwerkes. Zudem fand er heraus, dass radikale Innovationen vor allem am Rand von Netzwerken über schwache Verbindungen generiert werden. Fallstudie Obwohl diese drei Perspektiven von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen her kommen, haben sie eine Gemeinsamkeit. Überall werden Beziehungsverflechtungen als wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen anerkannt. Diese Erkenntnis bewog den Autoren dazu, im empirischen Teil der Arbeit eine ausführliche Netzwerkanalyse durchzuführen. Als Fallbeispiel wird die Mikrotechnologie- Initiative Zentralschweiz der Micro Center Central-Switzerland (MCCS) AG untersucht. Dies ist ein Verbund von 11 Industrieunternehmen, einem Forschungspartner und einer Finanzinstitution mit dem Ziel, die Chancen neuer Technologien zu nutzen und die Zentralschweiz zu einer Kompetenzregion für Mikrotechnologie von überregionaler Bedeutung zu entwickeln. Anhand einer Shift-Analyse kann gezeigt werden, dass die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz zwar eine recht gute Diversifizierung aufweist, der High-Tech-Bereich jedoch nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielt. Um das Ziel der MCCS AG zu erreichen, muss der High-Tech-Sektor weiter wachsen und sich eine prominentere Position in der Branchenstruktur erarbeiten. Die Voraussetzungen stehen gut, da gerade dieser Wirtschafssektor im untersuchten Teilraum eine positive Dynamik erfährt. iv Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

Zusammenfassung Als Forschungsstrategie für die Netzwerkanalyse wird eine Triangulation quantitativer und qualitativer Methoden verwendet. Das Vorgehen besteht aus zwei parallel verlaufenden Prozessen; einer quantitativen und einer qualitativen Netzwerkanalyse. Erstere untersucht die quantitativen Beziehungsverflechtungen zwischen den Untersuchungsobjekten und interpretiert die Netzwerkstruktur des MCCS-Netzwerkes anhand verschiedener Netzwerkdarstellungen und -kennziffern. Die qualitative Analyse erfolgt mittels problemzentrierter Interviews, welche in einem zweiten Schritt einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen werden. Zum Schluss werden die Resultate beider Analyseverfahren in Form einer Typologie, welche die verschiedenen Firmen und ihre Netzwerkstrategien charakterisiert, vereint und zusammengefasst. Die Resultate der Studie zeigen deutlich, dass im untersuchten Fallbeispiel die Unternehmen selber zu den wichtigsten Akteuren eines Innovationssystems gehören. Hinsichtlich ihrer Branchenzugehörigkeit und ihrer Grösse sind sie jedoch in unterschiedlicher Intensität im gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozess positioniert. Auch die verschiedenen Abteilungen innerhalb eines Unternehmens nehmen nicht im gleichen Ausmass am Innovationsprozess teil. Vor allem bei Grossunternehmen kann es vorkommen, dass zwischen F&E (Forschung und Entwicklung)-Abteilungen und dem Vertrieb wenig Austausch stattfindet und Rückkoppelungsschleifen nicht institutionalisiert sind. In KMU tritt zudem häufig der Fall ein, dass im täglichen Routinengeschäft kaum Ressourcen für Entwicklungen bleiben. Sowohl die Interviews als auch die Resultate der Kurzfragebogen zeigen deutlich, dass die Unternehmen primär auf sich und ihre direkten vor- bzw. nachgelagerten Partner (Zulieferer und Kunden) in der Wertschöpfungskette konzentriert sind. Intern versucht man eine geeignete Firmenkultur zu etablieren, eine günstige Firmenstruktur aufzubauen, Innovationsprozesse zu optimieren und den administrativen Aufwand klein zu halten. Kontakte mit Wettbewerbern haben eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Der Netzwerkgedanke hat sich in diesem Sinne kaum etabliert. Obwohl die meisten Firmen eine offene Firmenkultur als wichtiger Faktor im Innovationsprozess betrachten, findet ein aktives Engagement in regionalen Unternehmensnetzwerken nur beschränkt statt. Die detaillierte Analyse der Beziehungsverflechtungen zeigt, dass Hindernisse wie wenig technologische Gemeinsamkeiten, Geheimhaltungsprobleme und Finanzierungsdifferenzen eine engere Kooperation verhindern. Allerdings ist anzufügen, dass diese Erkenntnisse nicht in allen Firmen im gleichen Ausmass als problematisch wahrgenommen werden. Die Rollen und die Beziehungsverflechtungen innerhalb des untersuchten Netzwerkes sind sehr unterschiedlich. Je nach Grösse der Firmen, ihrer strategischen Ausrichtungen, ihrer Unternehmensphilosophien und ihrer technologischen Fragestellungen besetzen sie verschiedenartige Positionen innerhalb des Netzwerkes. Aufgrund der Analyse können vier verschiedene Firmentypen mit unterschiedlichen Netzwerkstrategien charakterisiert werden: • Kooperations-Networker besitzen einen hohen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch abgegrenzten Netzwerk, sowie viele intensive Informationsbeziehungen mit anderen Akteuren. Dabei handelt es sich ausschliesslich um institutionalisierte Projektzusammenarbeiten, bei denen man einen intensiven Dialog über konkrete Innovationen führt, sich regelmässig trifft und Meilensteine definiert. Die Beziehungen beruhen stark auf Wechselseitigkeit und die gegenseitige Unterstützung wird gelebt. Kooperations-Networker sehen in regionalen Unternehmensnetzwerken eine viel versprechende Chance um neue Produkte und Technologien zu etablieren. • Informations-Networker besitzen einen geringen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch abgegrenzten Netzwerk, haben aber trotzdem etliche Informationsbeziehungen mit anderen Mitgliedern. Die Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen v

Zusammenfassung<br />

Als Forschungsstrategie für die Netzwerkanalyse wird e<strong>in</strong>e Triangulation quantitativer und qualitativer<br />

Methoden verwendet. Das Vorgehen besteht aus zwei parallel verlaufenden Prozessen; e<strong>in</strong>er quantitativen und<br />

e<strong>in</strong>er qualitativen Netzwerkanalyse. Erstere untersucht die quantitativen <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> zwischen<br />

den Untersuchungsobjekten und <strong>in</strong>terpretiert die Netzwerkstruktur des MCCS-Netzwerkes anhand verschiedener<br />

Netzwerkdarstellungen und -kennziffern. Die qualitative Analyse erfolgt mittels problemzentrierter Interviews,<br />

welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt e<strong>in</strong>er qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen werden. Zum Schluss werden die<br />

Resultate beider Analyseverfahren <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Typologie, welche die verschiedenen Firmen und ihre<br />

Netzwerkstrategien charakterisiert, vere<strong>in</strong>t und zusammengefasst.<br />

Die Resultate der Studie zeigen deutlich, dass im untersuchten Fallbeispiel die Unternehmen selber zu den<br />

wichtigsten Akteuren e<strong>in</strong>es Innovationssystems gehören. H<strong>in</strong>sichtlich ihrer Branchenzugehörigkeit und ihrer<br />

Grösse s<strong>in</strong>d sie jedoch <strong>in</strong> unterschiedlicher Intensität im gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozess positioniert.<br />

Auch die verschiedenen Abteilungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Unternehmens nehmen nicht im gleichen Ausmass am<br />

Innovationsprozess teil. Vor allem bei Grossunternehmen kann es vorkommen, dass zwischen F&E (Forschung<br />

und Entwicklung)-Abteilungen und dem Vertrieb wenig Austausch stattf<strong>in</strong>det und Rückkoppelungsschleifen<br />

nicht <strong>in</strong>stitutionalisiert s<strong>in</strong>d. In KMU tritt zudem häufig der Fall e<strong>in</strong>, dass im täglichen Rout<strong>in</strong>engeschäft kaum<br />

Ressourcen für Entwicklungen bleiben. Sowohl die Interviews als auch die Resultate der Kurzfragebogen zeigen<br />

deutlich, dass die Unternehmen primär auf sich und ihre direkten vor- bzw. nachgelagerten Partner (Zulieferer<br />

und Kunden) <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette konzentriert s<strong>in</strong>d. Intern versucht man e<strong>in</strong>e geeignete Firmenkultur zu<br />

etablieren, e<strong>in</strong>e günstige Firmenstruktur aufzubauen, Innovationsprozesse zu optimieren und den adm<strong>in</strong>istrativen<br />

Aufwand kle<strong>in</strong> zu halten. Kontakte mit Wettbewerbern haben e<strong>in</strong>e vergleichsweise ger<strong>in</strong>ge Bedeutung. Der<br />

Netzwerkgedanke hat sich <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne kaum etabliert. Obwohl die meisten Firmen e<strong>in</strong>e offene Firmenkultur<br />

als wichtiger Faktor im Innovationsprozess betrachten, f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> aktives Engagement <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong><br />

Unternehmensnetzwerken nur beschränkt statt. Die detaillierte Analyse der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> zeigt,<br />

dass H<strong>in</strong>dernisse wie wenig technologische Geme<strong>in</strong>samkeiten, Geheimhaltungsprobleme und<br />

F<strong>in</strong>anzierungsdifferenzen e<strong>in</strong>e engere Kooperation verh<strong>in</strong>dern. Allerd<strong>in</strong>gs ist anzufügen, dass diese Erkenntnisse<br />

nicht <strong>in</strong> allen Firmen im gleichen Ausmass als problematisch wahrgenommen werden. Die Rollen und die<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong>nerhalb des untersuchten Netzwerkes s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich. Je nach Grösse der<br />

Firmen, ihrer strategischen Ausrichtungen, ihrer Unternehmensphilosophien und ihrer technologischen<br />

Fragestellungen besetzen sie verschiedenartige Positionen <strong>in</strong>nerhalb des Netzwerkes. Aufgrund der Analyse<br />

können vier verschiedene Firmentypen mit unterschiedlichen Netzwerkstrategien charakterisiert werden:<br />

• Kooperations-Networker besitzen e<strong>in</strong>en hohen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch<br />

abgegrenzten Netzwerk, sowie viele <strong>in</strong>tensive Informationsbeziehungen mit anderen Akteuren. Dabei handelt<br />

es sich ausschliesslich um <strong>in</strong>stitutionalisierte Projektzusammenarbeiten, bei denen man e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiven<br />

Dialog über konkrete Innovationen führt, sich regelmässig trifft und Meilenste<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>iert. Die Beziehungen<br />

beruhen stark auf Wechselseitigkeit und die gegenseitige Unterstützung wird gelebt. Kooperations-Networker<br />

sehen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken e<strong>in</strong>e viel versprechende Chance um neue Produkte und<br />

Technologien zu etablieren.<br />

• Informations-Networker besitzen e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch<br />

abgegrenzten Netzwerk, haben aber trotzdem etliche Informationsbeziehungen mit anderen Mitgliedern. Die<br />

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