Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

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2. Regionalökonomsiche Theorien Abbildung 6: Innovationsnetz, Milieu und kreatives Milieu. Quelle: nach Fromhold-Eisebith 1995: 36. Butzin (2000) hingegen steht der politischen Anwendbarkeit dieses Ansatzes eher kritisch gegenüber und fragt sich, ob es überhaupt möglich ist, Innovationsfähigkeit in nichtinnovativen Milieus zu schaffen. In den Augen der GREMI ist das regionale Milieu eine höchst bedeutsame sozial- und lokalkulturelle Einbettung für innovative Netzwerke und damit die Hauptdeterminante des milieuspezifischen Wahrnehmens, Lernens und Handelns. Gemäss Butzin kann vor diesem Hintergrund das Milieu als räumlich immobile, langlebige und relativ stabile Infrastruktur bezeichnet werden. Dieser so definierte historische und räumlich verwurzelte Kontext entziehe sich jeglichem planungstechnischen top-down-Zugriff und ist weder politik- noch strategiefähig. Oder anders gesagt, unter solchen Voraussetzungen sei das regionale Milieu kaum politischen Eingriffen zugänglich (Butzin 2000: 153ff). Kritik des Milieu-Ansatzes Die verschiedenen Spielarten der Milieuansätze werden in der wissenschaftlichen Debatte vielfach kritisiert. Im Folgenden sind die wichtigsten drei Kritikpunkte aufgeführt. • Einer der Vorwürfe besteht darin, dass der Milieu-Ansatz erst im Nachhinein eine Region als innovativ bezeichnen kann und dabei eine Erklärung schuldig bleibt, wodurch die Entwicklung zu einer innovativen Region eingeleitet wird. Im Blickfeld verbleiben nur erfolgreiche Beispiele, während die nicht erfolgreichen Regionen ausgeblendet werden. Die Ursache für diesen Mangel wird darin gesehen, dass die Befunde der vielen Fallstudien kaum theoriegeleitet sind (Messerli/Perlik 2001: 13). 24 Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

2. Regionalökonomische Theorien • Eine schwierige und nicht immer befriedigend gelöste Aufgabe besteht in der Entwicklung eines angemessenen Untersuchungsdesigns für empirische Milieustudien. Oft ist nicht klar, welche Untersuchungsmethodik angewendet wurde. Innovative Milieus mittels Kontakttagebüchern der Akteure zu erfassen, wie es Fromhold-Eisebith vorschlägt, ist nicht immer ausreichend und verlangt ausserdem einen unzumutbaren Effort der zu untersuchenden Akteure. Um die konstituierenden sozialen und ökonomischen Prozesse und ihre institutionelle Einbettung adäquat zu erfassen, sollte darum ein sorgfältig entworfenes qualitatives Forschungsdesign angewandt werden (Bathelt/Glückler 2002: 193). • Butzin wirft der induktiven Forschung der GREMI eine tautologische Argumentation vor, die gegen jeden Erklärungsanspruch immunisiert ist: "Von innovativen Milieus soll dann gesprochen werden, wenn eine lokale Innovationsfähigkeit bereits vorhanden ist" (Butzin 2000: 153). 2.3.3 Das Konzept der lernenden Region Der Ansatz der lernenden Region tauchte Mitte der neunziger Jahre das erste Mal in der Literatur auf und ist in den Folgejahren besonders im nördlichen Europa weiterentwickelt worden. Das Konzept setzt dort an, wo die GREMI-Schule aufhört und stellt Konzepte des Lernens und regionaler Innovationsprozesse in den Mittelpunkt. So wird die Bedeutung der lokalen und regionalen soziokulturellen Dimension, der institutionellen Rahmenbedingungen und der sozialen Netzwerke als Voraussetzung für Wissen und Kreativität betont. Diese gelten als Motoren der unternehmerischen und regionalwirtschaftlichen Entwicklung. Grundzüge der lernenden Region Wissensgenerierung und Lernprozesse spielen im Konzept der lernenden Region eine zentrale Rolle. Dabei kann man unterschieden zwischen learning by doing, learning by using und dem in räumlicher Hinsicht besonders wichtigen learning by interacting, manchmal auch learning by networking genannt. Letzteres ist verantwortlich für die Schaffung von neuem Wissen mittels engen Kontakten innerhalb einer Wertschöpfungskette und lässt sich im Gegensatz etwa zu Beratungstätigkeiten nicht kaufen, sondern kann nur durch persönliche Teilnahme erworben werden. Grundgedanke der lernenden Region ist, dass ein wichtiger Teil des Wissens nicht explizit, sondern nur implizit vorhanden ist. Implizites Wissen ist an Personen und ihren sozialen Kontext gebunden und ist daher nur begrenzt kommunizierbar. Es kann nur in interaktiven und kooperativen Lernprozessen zugänglich gemacht werden. Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist das so genannte tacit knowledge. Dieses Wissen ist weder kodifizierbar noch handelbar und spiegelt sich in organisatorischen Strukturen und institutionellen Routinen wieder (Butzin 2000: 155). In japanischen Firmen, wo die Idee des lernenden Unternehmens besonders fortgeschritten ist, wird das System des interaktiven und kooperativen Lernens kaizen genannt. Darunter wird ein Prozess kontinuierlicher Verbesserung durch interaktive Lernprozesse und Problemlösung verstanden. Ausserdem scheint in der japanischen Kultur der Begriff des Wissens eine breitere Bedeutung zu haben als im Westen. "Some Japanese authors have argued that Japanese firms have a very different understanding of knowledge to that what prevails in the West. The argument here is that Japanese firms view formal, codified knowledge as merely the tip of the iceberg, because knowledge is felt to be primarily tacit, and tacit knowledge is highly personal, hence it is not easily codified and communicated" (Morgan 1997: 493). Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen 25

2. Regionalökonomische Theorien<br />

• E<strong>in</strong>e schwierige und nicht immer befriedigend gelöste Aufgabe besteht <strong>in</strong> der Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

angemessenen Untersuchungsdesigns für empirische Milieustudien. Oft ist nicht klar, welche<br />

Untersuchungsmethodik angewendet wurde. Innovative Milieus mittels Kontakttagebüchern der Akteure zu<br />

erfassen, wie es Fromhold-Eisebith vorschlägt, ist nicht immer ausreichend und verlangt ausserdem e<strong>in</strong>en<br />

unzumutbaren Effort der zu untersuchenden Akteure. Um die konstituierenden sozialen und ökonomischen<br />

Prozesse und ihre <strong>in</strong>stitutionelle E<strong>in</strong>bettung adäquat zu erfassen, sollte darum e<strong>in</strong> sorgfältig entworfenes<br />

qualitatives Forschungsdesign angewandt werden (Bathelt/Glückler 2002: 193).<br />

• Butz<strong>in</strong> wirft der <strong>in</strong>duktiven Forschung der GREMI e<strong>in</strong>e tautologische Argumentation vor, die gegen jeden<br />

Erklärungsanspruch immunisiert ist: "Von <strong>in</strong>novativen Milieus soll dann gesprochen werden, wenn e<strong>in</strong>e<br />

lokale Innovationsfähigkeit bereits vorhanden ist" (Butz<strong>in</strong> 2000: 153).<br />

2.3.3 Das Konzept der lernenden Region<br />

Der Ansatz der lernenden Region tauchte Mitte der neunziger Jahre das erste Mal <strong>in</strong> der Literatur auf und ist <strong>in</strong><br />

den Folgejahren besonders im nördlichen Europa weiterentwickelt worden. Das Konzept setzt dort an, wo die<br />

GREMI-Schule aufhört und stellt Konzepte des Lernens und regionaler Innovationsprozesse <strong>in</strong> den Mittelpunkt.<br />

So wird die Bedeutung der lokalen und <strong>regionalen</strong> soziokulturellen Dimension, der <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und der sozialen Netzwerke als Voraussetzung für Wissen und Kreativität betont. Diese<br />

gelten als Motoren der unternehmerischen und regionalwirtschaftlichen Entwicklung.<br />

Grundzüge der lernenden Region<br />

Wissensgenerierung und Lernprozesse spielen im Konzept der lernenden Region e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Dabei kann<br />

man unterschieden zwischen learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g, learn<strong>in</strong>g by us<strong>in</strong>g und dem <strong>in</strong> räumlicher H<strong>in</strong>sicht besonders<br />

wichtigen learn<strong>in</strong>g by <strong>in</strong>teract<strong>in</strong>g, manchmal auch learn<strong>in</strong>g by network<strong>in</strong>g genannt. Letzteres ist verantwortlich<br />

für die Schaffung von neuem Wissen mittels engen Kontakten <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Wertschöpfungskette und lässt sich<br />

im Gegensatz etwa zu Beratungstätigkeiten nicht kaufen, sondern kann nur durch persönliche Teilnahme<br />

erworben werden. Grundgedanke der lernenden Region ist, dass e<strong>in</strong> wichtiger Teil des Wissens nicht explizit,<br />

sondern nur implizit vorhanden ist. Implizites Wissen ist an Personen und ihren sozialen Kontext gebunden und<br />

ist daher nur begrenzt kommunizierbar. Es kann nur <strong>in</strong> <strong>in</strong>teraktiven und kooperativen Lernprozessen zugänglich<br />

gemacht werden. E<strong>in</strong> zentraler Begriff <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist das so genannte tacit knowledge. Dieses<br />

Wissen ist weder kodifizierbar noch handelbar und spiegelt sich <strong>in</strong> organisatorischen Strukturen und<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Rout<strong>in</strong>en wieder (Butz<strong>in</strong> 2000: 155).<br />

In japanischen Firmen, wo die Idee des lernenden Unternehmens besonders fortgeschritten ist, wird das System<br />

des <strong>in</strong>teraktiven und kooperativen Lernens kaizen genannt. Darunter wird e<strong>in</strong> Prozess kont<strong>in</strong>uierlicher<br />

Verbesserung durch <strong>in</strong>teraktive Lernprozesse und Problemlösung verstanden. Ausserdem sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der<br />

japanischen Kultur der Begriff des Wissens e<strong>in</strong>e breitere Bedeutung zu haben als im Westen. "Some Japanese<br />

authors have argued that Japanese firms have a very different understand<strong>in</strong>g of knowledge to that what prevails<br />

<strong>in</strong> the West. The argument here is that Japanese firms view formal, codified knowledge as merely the tip of the<br />

iceberg, because knowledge is felt to be primarily tacit, and tacit knowledge is highly personal, hence it is not<br />

easily codified and communicated" (Morgan 1997: 493).<br />

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