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Beziehungsverflechtungen in regionalen Innovationssystemen

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<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong><br />

E<strong>in</strong>e Triangulation quantitativer und qualitativer Methoden der<br />

Netzwerkanalyse<br />

Diplomarbeit von<br />

Stefan Lüthi


<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong><br />

E<strong>in</strong>e Triangulation quantitativer und qualitativer Methoden der<br />

Netzwerkanalyse<br />

Diplomarbeit von<br />

Stefan Lüthi<br />

Leitung<br />

- Prof. Dr. Hans Elsasser<br />

Ausgeführt am<br />

Betreuung<br />

- Prof. Dr. Ernst A. Brugger<br />

- Guido Cavelti<br />

Geographischen Institut der Universität Zürich<br />

Zürich, im Mai 2006<br />

- Prof. Bruno R. Waser


Stefan Lüthi<br />

Im oberen Gern 16/23<br />

8409 W<strong>in</strong>terthur<br />

Tel: +41 52 243 14 26<br />

Mobile: +41 76 585 14 26<br />

E-Mail: stluethi@freesurf.ch


Vorwort<br />

Diese Arbeit bildet den Schlusspunkt e<strong>in</strong>er mehrjährigen akademischen Lernphase und markiert gleichzeitig den<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen Lebensabschnittes. Im Laufe des Studiums haben sich me<strong>in</strong>e Interessen immer mehr <strong>in</strong><br />

Richtung wirtschaftliche Entwicklung aus räumlicher Perspektive entwickelt. Seien es ländliche Gebiete oder<br />

urbane Landschaften, Länder des Südens oder moderne Industriestaaten, die Frage nach Erfolgsrezepten für e<strong>in</strong>e<br />

nachhaltige Entwicklung br<strong>in</strong>gt mich immer wieder <strong>in</strong>s Philosophieren. In Folge e<strong>in</strong>er verhängnisvollen<br />

Velopanne auf e<strong>in</strong>er Tour durch den Schweizer Jura, die mich zum Verharren im waadtländischen Vallée de Joux<br />

zwang, entdeckte ich die unzähligen fasz<strong>in</strong>ierenden Uhrmacherateliers <strong>in</strong>mitten der verträumten<br />

Hügellandschaft. Immer wieder begegnete ich unauffälligen High-Tech Manufakturen, welche die schönsten und<br />

teuersten Uhren der Welt produzieren. Dieses Erlebnis, zusammen mit me<strong>in</strong>em unersättlichen Interesse für<br />

wirtschaftliche Entwicklungsprozesse, war der Auslöser für den Entscheid, e<strong>in</strong>e Diplomarbeit zum Thema<br />

regionale Innovationssysteme zu schreiben.<br />

Viele Persönlichkeiten haben <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en oder anderen Form e<strong>in</strong>en entscheidenden Beitrag zum Gel<strong>in</strong>gen dieser<br />

Arbeit geleistet. E<strong>in</strong> ganz besonderes Dankeschön gebühre folgenden Personen:<br />

• Prof. Dr. Hans Elsasser für die Abnahme der Diplomarbeit und für se<strong>in</strong>e Offenheit gegenüber allen<br />

möglichen Fragen.<br />

• Prof. Dr. Ernst A. Brugger von der BHP – Brugger und Partner AG, für se<strong>in</strong>e Funktion als Türöffner und<br />

der Bereitschaft, se<strong>in</strong>e Firma als externe Betreuungs<strong>in</strong>stanz zur Verfügung zu stellen.<br />

• Guido Cavelti von der BHP – Brugger und Partner AG, der mir vielerlei Blicke <strong>in</strong> die Praxis ermöglichte und<br />

mir immer wieder mit konstruktiver Kritik zur Seite stand.<br />

• Prof. Bruno R. Waser von der MCCS AG, der <strong>in</strong> entscheidendem Masse für das Gel<strong>in</strong>gen der Fallstudie<br />

verantwortlich ist, und mich bei der Kontaktaufnahme mit den Interviewpartnern unterstützte.<br />

• Dr. Birgit Kopa<strong>in</strong>sky, Simon Buchli und dem ganzen Team der Flury&Giuliani GmbH für ihre Hilfe bei der<br />

Shift-Analyse.<br />

• Den befragten Interviewpartnern, die mir ihr Vertrauen schenkten und sich Zeit nahmen, sich mit me<strong>in</strong>en<br />

Fragen ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> i


Vorwort<br />

• Allen Freunden und Bekannten, die immer wieder für die nötige Ablenkung sorgten und dennoch nie müde<br />

wurden, über regionale Wirtschaftspotentiale zu debattieren.<br />

• Der grösste Dank sei me<strong>in</strong>en Eltern gewidmet, Liselotte und Franz Lüthi, ohne deren vorbehaltslose<br />

Unterstützung e<strong>in</strong> Studium gar nicht möglich gewesen wäre.<br />

Vielen Dank an alle!<br />

W<strong>in</strong>terthur, im Mai 2006 Stefan Lüthi<br />

ii <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Zusammenfassung<br />

Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit besteht dar<strong>in</strong>, anhand neuster theoretischer Erkenntnisse aus der<br />

Innovations- und Regionalforschung sowie den Resultaten dieser Untersuchung, pragmatische Ansatzpunkte für<br />

e<strong>in</strong>e netzwerkorientierte Innovationspolitik zu präsentieren. Dazu wird neben der Diskussion wissenschaftlicher<br />

Ansätze e<strong>in</strong>e spezifische Innovations<strong>in</strong>itiative netzwerkanalytisch untersucht und diejenigen Faktoren<br />

identifiziert, welche für den Innovationsprozess als relevant erachtet werden. Anhand e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> Unternehmensnetzwerken soll e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das<br />

Funktionieren von <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> ermöglicht werden.<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, behandelt der erste Teil dieser Arbeit die theoretischen Grundlagen und<br />

diskutiert deren raumwirtschaftspolitischen Implikationen. Dabei werden drei verschiedene Perspektiven<br />

e<strong>in</strong>genommen.<br />

E<strong>in</strong>e erste Perspektive beleuchtet das Thema aus Sicht der Regionalentwicklung und erörtert drei Hauptgruppen<br />

von regionalökonomischen Theorien. Die Geme<strong>in</strong>samkeit all dieser Ansätze besteht dar<strong>in</strong>, dass sie versuchen,<br />

das wirtschaftliche Wachstum von Regionen zu erklären. Die Art, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit regionaler<br />

Industrien konzeptualisieren unterscheidet sich allerd<strong>in</strong>gs beträchtlich.<br />

• Traditionelle Standorttheorien s<strong>in</strong>d sehr faktororientiert und vom Gedankengebäude der neoklassischen<br />

Ökonomie geprägt. Als Determ<strong>in</strong>anten regionaler Entwicklung werden Arbeit, Kapital und allenfalls auch<br />

Transportkosten berücksichtigt. Oft wird die These vertreten, dass regionale Ungleichgewichte durch<br />

Marktkräfte ausgeglichen werden können.<br />

• Bei den Polarisationstheorien werden zusätzlich Agglomerationseffekte mite<strong>in</strong>bezogen, welche aufgrund<br />

positiver bzw. negativer Rückkoppelungen zirkuläre Kumulationsprozesse auslösen können, was unter<br />

Umständen zu räumlichen Ungleichgewichten führen kann.<br />

• E<strong>in</strong>e dritte Gruppe s<strong>in</strong>d die territorialen Innovationsmodelle, welche im Gegensatz zu den anderen beiden<br />

Typen akteurzentriert s<strong>in</strong>d und neben Arbeit und Kapital auch das lokale Milieu und Innovationen als<br />

wichtige Faktoren <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Ökonomien anerkennen. So s<strong>in</strong>d auch spezielle Fertigkeiten lokaler<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> iii


Zusammenfassung<br />

Arbeitskräfte, technisches und organisatorisches Know-how oder soziale und <strong>in</strong>stitutionelle Strukturen für<br />

die Wettbewerbsfähigkeit e<strong>in</strong>er Region entscheidend.<br />

E<strong>in</strong>e zweite Perspektive betrachtet den Gegenstand aus evolutionsökonomischer Sicht. Im Unterschied zum<br />

traditionellen, neoklassischen Theoriegebäude stellt die Evolutionsökonomie den endogen erzeugten<br />

technologischen Wandel <strong>in</strong> den Mittelpunkt ökonomischer Prozesse. Der berühmteste Vertreter dieser<br />

Denkschule ist der Ökonom Schumpeter, welcher Innovationen und Pionierunternehmer zur Erklärung<br />

zyklischer Verläufe der Wirtschaft heranzieht. Überdies spielen <strong>in</strong> der Evolutionsökonomie historische<br />

Lernprozesse und Wissensflüsse e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. Die spezifische Geschichte von Verhaltensweisen,<br />

Denkmustern oder E<strong>in</strong>stellungen verläuft entlang evolutionärer Pfade oder Trajektorien, die durch ihre<br />

Vergangenheit bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d. Entsprechend wird die Richtung des Innovationsprozesses durch bestehende<br />

Technologien geprägt, welche die Möglichkeiten des technologischen Wandels abstecken und damit e<strong>in</strong>en<br />

technologischen Entwicklungspfad def<strong>in</strong>ieren.<br />

Die dritte Perspektive nimmt e<strong>in</strong>e Netzwerksichtweise e<strong>in</strong> und fokussiert auf die gegenseitigen sozialen<br />

Beziehungen zwischen Akteuren. Im Mittelpunkt stehen nicht Individuen oder Unternehmen, sondern<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong>. E<strong>in</strong>er der Protagonisten dieses Ansatzes ist der Soziologe Mark Granovetter, welcher<br />

<strong>in</strong> der New Economic Sociology das Konzept der embeddedness entwickelt hat. Diese bezieht sich auf die<br />

Tatsache, dass ökonomisches Handeln durch gegenseitige Beziehungen und die Struktur der Netzwerke<br />

bee<strong>in</strong>flusst wird. In se<strong>in</strong>em bekanntesten Werk "The Strength of Weak Ties" betont Granovetter die wichtige<br />

Rolle schwacher Netzwerkverb<strong>in</strong>dungen. Diese fördern die Erschliessung neuer Wissensquellen und sorgen für<br />

die nötige Offenheit e<strong>in</strong>es Netzwerkes. Zudem fand er heraus, dass radikale Innovationen vor allem am Rand von<br />

Netzwerken über schwache Verb<strong>in</strong>dungen generiert werden.<br />

Fallstudie<br />

Obwohl diese drei Perspektiven von unterschiedlichen wissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en her kommen, haben sie<br />

e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>samkeit. Überall werden <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> als wichtiger Faktor für die<br />

Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen anerkannt. Diese Erkenntnis bewog den Autoren dazu, im empirischen<br />

Teil der Arbeit e<strong>in</strong>e ausführliche Netzwerkanalyse durchzuführen. Als Fallbeispiel wird die Mikrotechnologie-<br />

Initiative Zentralschweiz der Micro Center Central-Switzerland (MCCS) AG untersucht. Dies ist e<strong>in</strong> Verbund von<br />

11 Industrieunternehmen, e<strong>in</strong>em Forschungspartner und e<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitution mit dem Ziel, die Chancen neuer<br />

Technologien zu nutzen und die Zentralschweiz zu e<strong>in</strong>er Kompetenzregion für Mikrotechnologie von<br />

überregionaler Bedeutung zu entwickeln. Anhand e<strong>in</strong>er Shift-Analyse kann gezeigt werden, dass die<br />

Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz zwar e<strong>in</strong>e recht gute Diversifizierung aufweist, der<br />

High-Tech-Bereich jedoch nach wie vor e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle spielt. Um das Ziel der MCCS AG zu<br />

erreichen, muss der High-Tech-Sektor weiter wachsen und sich e<strong>in</strong>e prom<strong>in</strong>entere Position <strong>in</strong> der<br />

Branchenstruktur erarbeiten. Die Voraussetzungen stehen gut, da gerade dieser Wirtschafssektor im untersuchten<br />

Teilraum e<strong>in</strong>e positive Dynamik erfährt.<br />

iv <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Zusammenfassung<br />

Als Forschungsstrategie für die Netzwerkanalyse wird e<strong>in</strong>e Triangulation quantitativer und qualitativer<br />

Methoden verwendet. Das Vorgehen besteht aus zwei parallel verlaufenden Prozessen; e<strong>in</strong>er quantitativen und<br />

e<strong>in</strong>er qualitativen Netzwerkanalyse. Erstere untersucht die quantitativen <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> zwischen<br />

den Untersuchungsobjekten und <strong>in</strong>terpretiert die Netzwerkstruktur des MCCS-Netzwerkes anhand verschiedener<br />

Netzwerkdarstellungen und -kennziffern. Die qualitative Analyse erfolgt mittels problemzentrierter Interviews,<br />

welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt e<strong>in</strong>er qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen werden. Zum Schluss werden die<br />

Resultate beider Analyseverfahren <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Typologie, welche die verschiedenen Firmen und ihre<br />

Netzwerkstrategien charakterisiert, vere<strong>in</strong>t und zusammengefasst.<br />

Die Resultate der Studie zeigen deutlich, dass im untersuchten Fallbeispiel die Unternehmen selber zu den<br />

wichtigsten Akteuren e<strong>in</strong>es Innovationssystems gehören. H<strong>in</strong>sichtlich ihrer Branchenzugehörigkeit und ihrer<br />

Grösse s<strong>in</strong>d sie jedoch <strong>in</strong> unterschiedlicher Intensität im gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozess positioniert.<br />

Auch die verschiedenen Abteilungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Unternehmens nehmen nicht im gleichen Ausmass am<br />

Innovationsprozess teil. Vor allem bei Grossunternehmen kann es vorkommen, dass zwischen F&E (Forschung<br />

und Entwicklung)-Abteilungen und dem Vertrieb wenig Austausch stattf<strong>in</strong>det und Rückkoppelungsschleifen<br />

nicht <strong>in</strong>stitutionalisiert s<strong>in</strong>d. In KMU tritt zudem häufig der Fall e<strong>in</strong>, dass im täglichen Rout<strong>in</strong>engeschäft kaum<br />

Ressourcen für Entwicklungen bleiben. Sowohl die Interviews als auch die Resultate der Kurzfragebogen zeigen<br />

deutlich, dass die Unternehmen primär auf sich und ihre direkten vor- bzw. nachgelagerten Partner (Zulieferer<br />

und Kunden) <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette konzentriert s<strong>in</strong>d. Intern versucht man e<strong>in</strong>e geeignete Firmenkultur zu<br />

etablieren, e<strong>in</strong>e günstige Firmenstruktur aufzubauen, Innovationsprozesse zu optimieren und den adm<strong>in</strong>istrativen<br />

Aufwand kle<strong>in</strong> zu halten. Kontakte mit Wettbewerbern haben e<strong>in</strong>e vergleichsweise ger<strong>in</strong>ge Bedeutung. Der<br />

Netzwerkgedanke hat sich <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne kaum etabliert. Obwohl die meisten Firmen e<strong>in</strong>e offene Firmenkultur<br />

als wichtiger Faktor im Innovationsprozess betrachten, f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> aktives Engagement <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong><br />

Unternehmensnetzwerken nur beschränkt statt. Die detaillierte Analyse der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> zeigt,<br />

dass H<strong>in</strong>dernisse wie wenig technologische Geme<strong>in</strong>samkeiten, Geheimhaltungsprobleme und<br />

F<strong>in</strong>anzierungsdifferenzen e<strong>in</strong>e engere Kooperation verh<strong>in</strong>dern. Allerd<strong>in</strong>gs ist anzufügen, dass diese Erkenntnisse<br />

nicht <strong>in</strong> allen Firmen im gleichen Ausmass als problematisch wahrgenommen werden. Die Rollen und die<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong>nerhalb des untersuchten Netzwerkes s<strong>in</strong>d sehr unterschiedlich. Je nach Grösse der<br />

Firmen, ihrer strategischen Ausrichtungen, ihrer Unternehmensphilosophien und ihrer technologischen<br />

Fragestellungen besetzen sie verschiedenartige Positionen <strong>in</strong>nerhalb des Netzwerkes. Aufgrund der Analyse<br />

können vier verschiedene Firmentypen mit unterschiedlichen Netzwerkstrategien charakterisiert werden:<br />

• Kooperations-Networker besitzen e<strong>in</strong>en hohen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch<br />

abgegrenzten Netzwerk, sowie viele <strong>in</strong>tensive Informationsbeziehungen mit anderen Akteuren. Dabei handelt<br />

es sich ausschliesslich um <strong>in</strong>stitutionalisierte Projektzusammenarbeiten, bei denen man e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiven<br />

Dialog über konkrete Innovationen führt, sich regelmässig trifft und Meilenste<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>iert. Die Beziehungen<br />

beruhen stark auf Wechselseitigkeit und die gegenseitige Unterstützung wird gelebt. Kooperations-Networker<br />

sehen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken e<strong>in</strong>e viel versprechende Chance um neue Produkte und<br />

Technologien zu etablieren.<br />

• Informations-Networker besitzen e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch<br />

abgegrenzten Netzwerk, haben aber trotzdem etliche Informationsbeziehungen mit anderen Mitgliedern. Die<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> v


Zusammenfassung<br />

Beziehungen charakterisieren sich durch regelmässigen Informationsaustausch an Veranstaltungen, oder auch<br />

durch direkte <strong>in</strong>formelle Kontakte <strong>in</strong> Form von Kaderaustausch oder Entwicklernetzwerken. Aufgrund des<br />

ger<strong>in</strong>gen technologischen Deckungsgrades spielen Prozess-Innovationen, wie beispielsweise<br />

organisatorische Ideen im Personalbereich, e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.<br />

• Auftrags-Networker haben zwar e<strong>in</strong>en hohen technologischen Deckungsgrad, die Anzahl<br />

Informationsbeziehungen mit anderen Akteuren des Netzwerkes hält sich jedoch <strong>in</strong> Grenzen. Bei den<br />

Beziehungen handelt es sich meistens um klassische Kunden-Lieferanten Interaktionen, oder es werden<br />

Aufträge <strong>in</strong> Bereichen erteilt, <strong>in</strong> welchen die entsprechende Firma ke<strong>in</strong>e Kernkompetenzen besitzt.<br />

• Solidaritäts-Networker haben sowohl e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen technologischen Deckungsgrad als auch e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />

Anzahl Informationsbeziehungen zu den anderen Akteuren. Das Engagement beschränkt sich auf e<strong>in</strong>e ideelle<br />

und f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung des Netzwerkgedankens, womit regionale und wirtschaftspolitische Interessen<br />

vertreten werden.<br />

Synthese und Beurteilung<br />

Im dritten und letzten Teil wird e<strong>in</strong>e Synthese der beiden ersten Teile vorgenommen, <strong>in</strong>dem zuerst die<br />

durchgeführte Fallstudie im Lichte der neusten theoretischen Ansätze betrachtet und beurteilt wird.<br />

Anschliessend werden auf der Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Debatte und der empirischen<br />

Resultate der Fallstudie mögliche Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie vorgeschlagen.<br />

Die vorliegende Studie kommt zum Schluss, dass e<strong>in</strong>e gute Konstellation zwischen Politik, Wissenschaft und<br />

Wirtschaft der entscheidende Erfolgsfaktor für e<strong>in</strong>e wirkungsvolle und effiziente Innovationsstrategie darstellt.<br />

Folgende Aufgabenverteilung ist dabei zu empfehlen:<br />

• Die Aufgabe der Politik besteht dar<strong>in</strong>, geeignete Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Anreize zu setzen, so dass der<br />

Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Subsystemen gewährleistet ist und Innovationen möglich s<strong>in</strong>d.<br />

Dazu s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e ganzheitliche Innovationspolitik sowie e<strong>in</strong>e Hochschulpolitik mit klar def<strong>in</strong>ierten Rollen<br />

notwendig. Zudem müssen Innovations- und Regionalpolitik aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt und e<strong>in</strong>e<br />

leistungsabhängige F<strong>in</strong>anzierungsstrategie verfolgt werden.<br />

• Die Wissenschafts- und Ausbildungs<strong>in</strong>stitutionen müssen sich wieder auf ihre Kernkompetenzen<br />

konzentrieren. Der Ausbildungs- und Forschungsauftrag der Universitäten hat e<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />

Perspektive e<strong>in</strong>zunehmen. Fachhochschulen haben primär e<strong>in</strong>en anwendungsorientierten<br />

Ausbildungsauftrag. Zusätzlich können sie aber auch mittel- und kurzfristige Problemlösungsaufgaben z.B.<br />

für KMU wahrnehmen. Innovationszentren schliesslich sollten sich auf umsetzungsorientierte Forschung<br />

konzentrieren und zusammen mit Industriepartnern angewandte Problemlösungsverfahren erarbeiten. Damit<br />

übernehmen sie die Funktion e<strong>in</strong>es B<strong>in</strong>degliedes zwischen Wirtschaft und Forschung.<br />

• Die Rolle der Wirtschaft ist pragmatischer Natur. Grundsätzlich wissen private Unternehmen genau was sie<br />

brauchen, und wie sie es bekommen können. Um den gesamtwirtschaftlichen Innovationsprozess anzutreiben<br />

vi <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Zusammenfassung<br />

und damit auch sich selber e<strong>in</strong>en Dienst zu erweisen, s<strong>in</strong>d schlanke Firmenstrukturen mit kurzen<br />

Innovationswegen sowie e<strong>in</strong>e offene Firmenkultur gegen Innen und Aussen zu pflegen.<br />

• Das Netzwerkmanagement übernimmt die Rolle e<strong>in</strong>es Intermediären und kann von Verbänden,<br />

Transferstellen, Wirtschaftsförderern etc. übernommen werden. Wichtig s<strong>in</strong>d dabei die Professionalität und<br />

das Vorhandense<strong>in</strong> genügender Ressourcen. Netzwerkmanager sollen e<strong>in</strong>e Moderationsfunktion zwischen<br />

Wirtschaft, Wissenschaft und Politik übernehmen, sowie geme<strong>in</strong>same Arbeitsgruppen lancieren. Dies<br />

erfordert hohe Anforderungen und bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e entsprechende Ausbildung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> vii


Zusammenfassung<br />

viii <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i<br />

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii<br />

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ix<br />

Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xiii<br />

1. E<strong>in</strong>leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.1 Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.2 Vorgehen und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

1.3 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

1. Teil:<br />

Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2. Regionalökonomische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.1 Traditionelle Standorttheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2.1.1 Landnutzungstheorie von J.H. von Thünen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

2.1.2 Industriestandorttheorie von A. Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

2.1.3 Theorie der zentralen Orte von Christaller und Lösch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

2.1.4 Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

2.2 Polarisationstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

2.2.1 Sektorale Polarisationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

2.2.2 Theorie der zirkulären Verursachung kumulativer Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2.2.3 Regionale Polarisationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2.2.4 New Economic Geography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2.3 Territoriale Innovationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

2.3.1 Cluster-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

2.3.2 Milieu-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> ix


Inhalt<br />

2.3.3 Das Konzept der lernenden Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

3. Evolutionäre Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

3.1 Grundzüge der Evolutionsökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

3.2 Nationale Innovationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

4. Netzwerkperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

4.1 Transaktionskosten <strong>in</strong> der New Institutional Economics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

4.2 Netzwerke <strong>in</strong> der New Economic Sociology . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

5. Fazit und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

5.1 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

5.2 Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

2. Teil:<br />

Fallstudie Micro Center Central-Switzerland (MCCS) . . . . 47<br />

6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

6.1 Micro Center Central Switzerland (MCCS) AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

6.2 Die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

6.2.1 Shift-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

6.2.2 Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

6.2.3 Die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

6.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

7. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

7.1 Quantitative Soziale Netzwerkanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

7.1.1 Netzwerkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

7.1.2 Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

7.1 3 Probleme bei der quantitativen Netzwerkanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

7.2 Qualitative Forschungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

x <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Inhalt<br />

7.3 Forschungsstrategie: Triangulation quantitativer und qualitativer Methoden . . . . . . . 68<br />

7.4 Sampl<strong>in</strong>g Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

7.5 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

7.5.1 Interviewtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

7.5.2 Erhebung der quantitativen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />

7.6 Datenaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

7.6.1 Datenaufbereitung der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />

7.6.2 Aufbereitung der quantitativen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

7.7 Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

7.7.1 Datenauswertung der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

7.7.2 Datenauswertung der quantitativen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

7.7.3 Typologisierung der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> als Triangulation qualitativer und<br />

quantitativer Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

8. Präsentation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

8.1 Innovationsfaktoren für Industrieunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

8.1. Innovationsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

8.1.2 Faktoren, die den Innovationsprozess begünstigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

8.1.3 Faktoren, die den Innovationsprozess beh<strong>in</strong>dern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

8.1.4 Fazit zur ersten Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

8.2 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz . . . . . . . 84<br />

8.2.1 Formale Netzwerkstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

8.2.2 Chancen e<strong>in</strong>er Netzwerkstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

8.2.3 Risiken e<strong>in</strong>er Netzwerkstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

8.2.4 Beziehungstypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

8.2.5 Fazit zur zweiten Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

3. Teil:<br />

Synthese und Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

9.1 Die Fallstudie im Lichte des Cluster-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

9.2 Die Fallstudie im Lichte des Milieu-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> xi


Inhalt<br />

9.3 Die Fallstudie im Lichte des Konzeptes der lernenden Region . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

9.4 Die Fallstudie im Lichte des NIS-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie . . . . . 107<br />

10.1 Die Rolle der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

10.2 Die Rolle der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />

10.3 Die Rolle der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />

10.4 Die Rolle des Netzwerkmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />

xii <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Abbildungen<br />

Abbildungen<br />

Abbildung 1: Klassifikation regionalökonomischer Theorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9<br />

Abbildung 2: Traditionelle Standorttheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Abbildung 3: Polarisationstheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Abbildung 4: Territoriale Innovationsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

Abbildung 5: Der Porter’sche Diamant. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Abbildung 6: Innovationsnetz, Milieu und kreatives Milieu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24<br />

Abbildung 7: Verschiedene Def<strong>in</strong>itionen e<strong>in</strong>es Nationalen Innovationssystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Abbildung 8: Ursprünge verschiedener regionalökonomischer Theorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

Abbildung 9: Räumliche Abgrenzung der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz. . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Abbildung 10: Umsätze von MCCS und csem ZCH im Jahre 2004. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

Abbildung 11: Die Struktur der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

Abbildung 12: Branchenspezifischer Regionaleffekt, Struktureffekt und Standorteffekt. . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

Abbildung 13: Branchenzusammensetzung der Zentralschweiz im Vergleich mit der Schweiz 2001. . . . . . 56<br />

Abbildung 14: Entwicklung der Beschäftigung <strong>in</strong> den Branchen der Zentralschweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

Abbildung 15: Branchenspezifischer Regionaleffekt der Zentralschweiz im Vergleich zur Schweiz. . . . . . . 58<br />

Abbildung 16: Branchenspezifischer Struktureffekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

Abbildung 17: Branchenspezifischer Standorteffekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

Abbildung 18: Matrixdarstellung von Netzwerk<strong>in</strong>formationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

Abbildung 19: Graphische Darstellung von Netzwerk<strong>in</strong>formationen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Abbildung 20: Angewendete Forschungsstrategie für die empirische Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

Abbildung 21: Zweidimensionale Kreuztabelle für die Typologisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

Abbildung 22: Kunden als Quellen des Wissens und Impulsgeber für den Innovationsprozess. . . . . . . . . . . 80<br />

Abbildung 23: Hochschulen als Quellen des Wissens und Impulsgeber für den Innovationsprozess. . . . . . . 80<br />

Abbildung 24: Informationsnetzwerk der MCCS-Firmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85<br />

Abbildung 25: Informationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS Netzwerks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

Abbildung 26: Freeman Degree Centrality für die Informationsbeziehungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb des MCCS-Netzwerkes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

Abbildung 27: Kooperationsnetzwerk der MCCS-Firmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Abbildung 28: Kooperationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS Netzwerks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

Abbildung 29: Verschiedene Zentralitätsmasse für die Kooperationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS-<br />

Netzwerkes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> xiii


Abbildungen<br />

Abbildung 30: Typologisierung der Beziehungen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

Abbildung 31: Positionen der Firmentypen <strong>in</strong>nerhalb des Kooperationsnetzwerkes der MCCS AG. . . . . . . 98<br />

Abbildung 32: Beurteilung theoretischer Aussagen: Faktorbed<strong>in</strong>gungen (Porter). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

Abbildung 33: Beurteilung theoretischer Aussagen: Nachfragebed<strong>in</strong>gungen (Porter). . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Abbildung 34: Beurteilung theoretischer Aussagen: Verwandte und unterstützende Branchen (Porter). . . 103<br />

Abbildung 35: Beurteilung theoretischer Aussagen: GREMI. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

Abbildung 36: Beurteilung theoretischer Aussagen: Lernende Region. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />

Abbildung 37: Beurteilung theoretischer Aussagen: NIS-Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />

Abbildung 38: Strategische Ausrichtung des Netzwerkmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

xiv <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


1. E<strong>in</strong>leitung<br />

Innovationen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wissensbasierten Gesellschaft wie der Schweiz zu e<strong>in</strong>em unabd<strong>in</strong>gbaren Faktor des<br />

Wirtschaftswachstums geworden. Umso problematischer ist der Umstand, dass trotz Höchstleistungen des<br />

Forschungsstandortes Schweiz wenige Impulse von der Wissenschaft auf die Wirtschaft übergehen.<br />

Wissenschaftliche Entdeckungen und technische Neuerungen alle<strong>in</strong>e br<strong>in</strong>gen noch ke<strong>in</strong>e Erhöhung des<br />

Wohlstandes. Erst bei e<strong>in</strong>er erfolgreichen Etablierung am Markt br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Erkenntnis den<br />

gewünschten volkswirtschaftlichen Nutzen. Der Erfolg des Standortes Schweiz hängt davon ab, ob dieses<br />

wissenschaftliche Potential <strong>in</strong> der Wirtschaft effizient umgesetzt und verwerten werden kann. E<strong>in</strong>e harmonische<br />

Konstellation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist entscheidend, um sich im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />

um Innovationen durchsetzen zu können.<br />

Innerhalb der Forschungs- und Technologiepolitik bleibt der Raumbezug von Innovationen weitgehend<br />

ausgeblendet. In der Wissenschaft h<strong>in</strong>gegen, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Wirtschaftsgeographie und der<br />

Evolutionsökonomie, wird dieser Zusammenhang seit längerem thematisiert. Empirische Studien zeigen, dass<br />

Innovationen aus e<strong>in</strong>em Zusammenspiel unternehmensstrategischer, technologischer und organisatorischer<br />

Fähigkeiten entstehen, und dass regionale Cluster die Kreativität und Leistungsfähigkeit von Unternehmen<br />

fördern. Immer wieder wird die Erfolgsgeschichte des Silicon Valleys zitiert und berichtet, dass regionale<br />

Innovationsnetzwerke von den Fähigkeiten des lokal gebundenen Humankapitals und von den <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Eigenheiten e<strong>in</strong>er Region profitieren können.<br />

1.1 Ziel der Untersuchung<br />

Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit besteht dar<strong>in</strong>, anhand neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der<br />

Innovations- und Regionalforschung sowie den Resultaten dieser Untersuchung, pragmatische Ansatzpunkte für<br />

e<strong>in</strong>e netzwerkorientierte Innovationspolitik zu präsentieren. Dazu wird neben der Diskussion wissenschaftlicher<br />

Ansätze e<strong>in</strong>e spezifische Innovations<strong>in</strong>itiative netzwerkanalytisch untersucht und diejenigen Faktoren<br />

identifiziert, welche für den Innovationsprozess als relevant erachtet werden. Anhand e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> Unternehmensnetzwerken soll e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das<br />

Funktionieren von <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> ermöglicht werden.<br />

Folgende Forschungsfragen stehen im Zentrum der Arbeit:<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 1


1. E<strong>in</strong>leitung<br />

1. Welche Faktoren bee<strong>in</strong>flussen den Innovationsprozess von Industrieunternehmen?<br />

2. Wie charakterisieren sich regionale Unternehmensnetzwerke?<br />

3. Wie können <strong>in</strong>novative Unternehmensnetzwerke gestärkt werden?<br />

Für die Beantwortung dieser Fragen ist e<strong>in</strong>e klare Def<strong>in</strong>ition des Innovationsbegriffs von Nöten. In der<br />

vorliegenden empirischen Untersuchung wird e<strong>in</strong>e Innovation als Neuerung def<strong>in</strong>iert, die erfolgreich am Markt<br />

abgesetzt werden kann. E<strong>in</strong>e Innovation besteht demnach aus zwei konstitutiven Elementen: aus der Neuartigkeit<br />

und dem Markterfolg. Innovationsprozesse werden <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne als Entwicklung e<strong>in</strong>er Innovation def<strong>in</strong>iert,<br />

die von der Produktidee über die Produktentwicklung und -produktion bis zur Durchsetzung am Markt führt.<br />

Grundsätzlich kann man zwischen Produkt- und Prozess<strong>in</strong>novationen unterscheiden. Produkt<strong>in</strong>novationen s<strong>in</strong>d<br />

technisch neue bzw. erheblich verbesserte Produkte, die h<strong>in</strong>sichtlich ihres E<strong>in</strong>satzes oder ihrer Qualität neue<br />

Märkte erschliessen können. Prozess<strong>in</strong>novationen beziehen sich auf den erstmaligen E<strong>in</strong>satz technisch neuer<br />

oder erheblich verbesserter Verfahrenstechniken zur Herstellung von Gütern bzw. zur Erbr<strong>in</strong>gung von<br />

Dienstleistungen. Zwar kann sich dabei auch das Produkt verändern, doch steht die Steigerung der Effizienz im<br />

Vordergrund (Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich 2002: 3). In der vorliegenden Studie wird der Fokus<br />

auf Produkt<strong>in</strong>novationen gerichtet. Es geht darum herauszuf<strong>in</strong>den, wie Firmen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong><br />

Unternehmensnetzwerken zusammenarbeiten, um neue Produkte zu etablieren.<br />

1.2 Vorgehen und Methodik<br />

Gemäss der wissenschaftlichen Debatte sche<strong>in</strong>en <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> wichtige Faktoren für die<br />

Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen zu se<strong>in</strong>. Diese Erkenntnis bewog den Autoren dazu,<br />

mit Hilfe e<strong>in</strong>er empirischen Netzwerkanalyse e<strong>in</strong> konkretes Beispiel aus der Praxis genauer zu durchleuchten.<br />

Konzeptionell ist die Untersuchung als Fallstudie angelegt. Das Ziel der Expertise ist nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die<br />

Quantifizierung von Interaktionen, sondern die Darstellung und die Klassifizierung von Zusammenhängen.<br />

Ergebnisse von Fallstudien erheben normalerweise nicht den Anspruch, repräsentativ zu se<strong>in</strong> (vgl. Balthasar:<br />

94). Dieser Anspruch wird für diese Arbeit auch nicht erhoben. Was <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d nicht<br />

Häufigkeitsverteilungen, sondern e<strong>in</strong> vertieftes Verständnis der Kooperationsbeziehungen, um die wichtigsten<br />

Determ<strong>in</strong>anten von <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken herauskristallisieren und handlungsorientierte<br />

Vorschläge für die Politikgestaltung formulieren zu können. Als Objekt für die Fallstudie wird die<br />

Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz der Micro Center Central-Switzerland (MCCS) AG untersucht. Dies<br />

ist e<strong>in</strong> Verbund von elf Industrieunternehmen, e<strong>in</strong>em Forschungspartner und e<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitution mit dem<br />

Ziel, die Chancen neuer Technologien zu nutzen und die Zentralschweiz zu e<strong>in</strong>er Kompetenzregion für<br />

Mikrotechnologie von überregionaler Bedeutung zu entwickeln.<br />

Als Forschungsstrategie für die Netzwerkanalyse wird e<strong>in</strong>e Triangulation quantitativer und qualitativer<br />

Methoden verwendet. Da die Fragestellung der Untersuchung sowohl strukturelle als auch strategische Aspekte<br />

von <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken beleuchten will, drängt sich e<strong>in</strong>e derartige Vorgehensweise auf. Das<br />

2 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


1. E<strong>in</strong>leitung<br />

Forschungsdesign besteht aus zwei parallel verlaufenden Prozessen; e<strong>in</strong>er quantitativen und e<strong>in</strong>er qualitativen<br />

Netzwerkanalyse. Erstere untersucht die quantitativen <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> zwischen den<br />

Untersuchungsobjekten und <strong>in</strong>terpretiert die Netzwerkstruktur e<strong>in</strong>es Netzwerkes anhand verschiedener<br />

Netzwerkdarstellungen und -kennziffern. Der qualitative Teil erfolgt mittels problemzentrierter Interviews,<br />

welche e<strong>in</strong>er qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen werden. Zum Schluss werden die Resultate beider<br />

Analyseverfahren <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Typologie vere<strong>in</strong>t, welche die verschiedenen Firmen und ihre<br />

Netzwerkstrategien charakterisiert.<br />

Losgelöst von diesem Vorgehen wird zur Beschreibung des Untersuchungskontextes e<strong>in</strong>e Shift-Analyse<br />

durchgeführt. Das Bestreben besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Überblick über die Branchenstruktur des Untersuchungsraumes<br />

zu gew<strong>in</strong>nen und daraus die wirtschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Fallstudie zu konkretisieren.<br />

1.3 Aufbau der Arbeit<br />

Im ersten Teil der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen und die Entwicklung der Regionalökonomie bis<br />

zum heutigen Zeitpunkt erläutert. Die Absicht besteht dar<strong>in</strong>, die zum Teil diffusen Unterschiede zwischen den<br />

verschiedenen theoretischen Ansätzen heraus zu kristallisieren. Die Erläuterungen verteilen sich dabei auf vier<br />

Kapitel:<br />

• In Kapitel zwei werden die wichtigsten Regionalentwicklungstheorien vorgestellt. Thematisiert werden<br />

sowohl traditionelle Standort- und Polarisationstheorien als auch verschiedene territoriale<br />

Innovationsmodelle wie der Cluster-Ansatz von Porter, der Milieu-Ansatz oder das Konzept der lernenden<br />

Region.<br />

• Kapitel drei betrachtet den Forschungsgegenstand aus evolutionsökonomischer Perspektive. Im Unterschied<br />

zum neoklassischen Gedankengebäude stellt die Evolutionsökonomie den endogen erzeugten<br />

technologischen Wandel <strong>in</strong> den Mittelpunkt. Ebenfalls <strong>in</strong> diesem Kapitel wird das Konzept Nationaler<br />

Innovationssysteme besprochen, <strong>in</strong> welchem der evolutionsökonomische Gedanke e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielt.<br />

• Kapitel vier nimmt e<strong>in</strong>e Netzwerkperspektive e<strong>in</strong>, welche nicht Individuen oder Unternehmen, sondern<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> zwischen Akteuren <strong>in</strong> den Mittelpunkt des Interesses stellen. E<strong>in</strong>er der<br />

Protagonisten dieses Ansatzes ist der Soziologe Mark Granovetter, welcher unter anderem das Konzept der<br />

embeddedness entwickelt hat. Dieses bezieht sich auf die Tatsache, dass ökonomisches Handeln durch<br />

gegenseitige Beziehungen und Netzwerkstrukturen bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />

• Das fünfte Kapitel schliesslich fasst die gewonnenen Erkenntnisse des theoretischen Teils zusammen und<br />

formuliert die daraus gewonnenen Fragestellungen für die empirische Untersuchung.<br />

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird im zweiten Teil der Fokus auf die Praxis gerichtet und die oben<br />

erwähnte Netzwerkanalyse durchgeführt. Die Darlegung geschieht <strong>in</strong> drei Kapiteln:<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 3


1. E<strong>in</strong>leitung<br />

• Kapitel sechs umschreibt den Untersuchungskontext. In e<strong>in</strong>em ersten Teil wird dabei die Struktur der<br />

Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz vorgestellt. In e<strong>in</strong>em zweiten Teil wird mit Hilfe e<strong>in</strong>er Shift-<br />

Analyse die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz konkretisiert. Damit wird erreicht, dass<br />

man sich e<strong>in</strong> genaueres Bild des wirtschaftlichen Umfeldes der Fallstudie machen kann.<br />

• Kapitel sieben behandelt das methodische Vorgehen und begründet die verwendete Forschungsstrategie.<br />

Dabei werden sowohl die verschiedenen Analyseverfahren erklärt als auch die konkrete Handhabung der<br />

Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung dargelegt.<br />

• Im achten Kapitel schliesslich werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung präsentiert und die<br />

ersten beiden Forschungsfragen beantworten. Die Resultate der Methodentriangulation werden <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />

Typologie zusammengefasst.<br />

Im dritten und letzten Teil wird e<strong>in</strong>e Synthese angestrebt, welche die Erkenntnisse des ersten und zweiten Teils<br />

zu verschmelzen versucht.<br />

• In Kapitel neun wird das analysierte Unternehmensnetzwerk im Lichte der neusten theoretischen Ansätze<br />

betrachtet und beurteilt. Auf diese Weise kann nicht nur das Fallbeispiel besser e<strong>in</strong>geschätzt, sondern auch<br />

die Theorien selber auf ihre Aussagekraft überprüft werden.<br />

• Zum Schluss werden <strong>in</strong> Kapitel zehn pragmatische Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte<br />

Netzwerkstrategie präsentiert. Diese basieren auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen der<br />

Innovations- und Regionalentwicklung sowie den empirischen Resultaten der durchgeführten Untersuchung.<br />

4 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


1. Teil:<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Im ersten Teil dieser Arbeit sollen die theoretischen Grundlagen und die<br />

Entwicklung der Regionalökonomie bis zum heutigen Zeitpunkt entfaltet werden.<br />

Dies geschieht <strong>in</strong> vier Schritten:<br />

• Kapitel zwei identifiziert und gliedert die wichtigsten<br />

Regionalentwicklungstheorien.<br />

• Kapitel drei führt <strong>in</strong> die Grundzüge der Evolutionsökonomie e<strong>in</strong> und stellt den<br />

Ansatz Nationaler Innovationssysteme vor.<br />

• Kapitel vier nimmt e<strong>in</strong>e Netzwerkperspektive e<strong>in</strong> und diskutiert die Ideen der<br />

New Economic Sociology von Granovetter.<br />

• Kapitel fünf liefert <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er graphischen Darstellung e<strong>in</strong>e Übersicht der<br />

besprochenen Theorien und formuliert die daraus entstandenen Fragestellungen<br />

für die empirische Untersuchung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 5


6 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten Regionalentwicklungstheorien identifiziert und zusammengefasst.<br />

Dabei werden sowohl abstrakte regionalökonomische Modelle, welche auf neoklassischen Annahmen basieren,<br />

als auch <strong>in</strong>stitutionelle Perspektiven, die Regionen als e<strong>in</strong>gebettete E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> komplexe soziale, kulturelle,<br />

politische und historische Kontexte verstehen, diskutiert. Die Geme<strong>in</strong>samkeiten all dieser verschiedenen Ansätze<br />

bestehen dar<strong>in</strong>, dass sie versuchen, das wirtschaftliche Wachstum e<strong>in</strong>er Region zu erklären. Die Art, wie sie die<br />

Wettbewerbsfähigkeit regionaler Industrien konzeptualisieren, unterscheidet sich allerd<strong>in</strong>gs beträchtlich. Wenn<br />

man die Beziehung zwischen der Wettbewerbsfähigkeit lokaler Firmen und dem <strong>regionalen</strong> Output <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />

Produktionsfunktion darstellt, können drei Hauptgruppen von regionalökonomischen Theorien, abhängig von<br />

den Faktoren <strong>in</strong> der Produktionsfunktion, unterschieden werden (vgl. Terlu<strong>in</strong> 2003: 330):<br />

• Traditionelle Standorttheorien<br />

• Polarisationstheorien<br />

• Territoriale Innovationsmodelle<br />

Abbildung 1 zeigt die <strong>in</strong> diesem Beitrag vorgenommene Klassifikation regionalökonomischer Theorien und<br />

liefert zugleich e<strong>in</strong>en Überblick über die verschiedenen theoretischen Konzepte.<br />

Kapitel 2.1 geht auf die traditionellen Standorttheorien e<strong>in</strong>, welche sehr stark faktororientiert s<strong>in</strong>d und vom<br />

neoklassischen Gedankengebäude geprägt werden. Die regionale Produktionsfunktion wird von den<br />

Produktionsfaktoren Arbeit (L) und Kapital (K) dom<strong>in</strong>iert, wobei <strong>in</strong> der Regionalökonomie oft die<br />

Transportkosten <strong>in</strong>s Modell <strong>in</strong>tegriert werden.<br />

Auch die Polarisationstheorien <strong>in</strong> Kapitel 2.2 s<strong>in</strong>d stark faktororientiert. Zusätzlich taucht der<br />

Agglomerationseffekt (AE) als neuer Faktor <strong>in</strong> der Produktionsfunktion auf, welcher aufgrund positiver bzw.<br />

negativer Rückkoppelungen zirkuläre Kumulationsprozesse auslösen kann, was unter Umständen zu räumlichen<br />

Ungleichgewichten führen kann.<br />

In Kapitel 2.3 schliesslich werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etwas ausführlicheren Rahmen die territorialen Innovationsmodelle<br />

diskutiert, wobei jeweils die Grundzüge erläutert werden, gefolgt von netzwerkstrategischen Implikationen und<br />

e<strong>in</strong>er Kritik des jeweiligen Ansatzes. Die territorialen Innovationsmodelle s<strong>in</strong>d im Gegensatz zu den anderen<br />

beiden Typen akteurzentriert und <strong>in</strong>tegrieren neben Arbeit und Kapital auch das lokale Milieu und Innovationen<br />

<strong>in</strong> die regionale Produktionsfunktion.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 7


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

In der Sequenz, ausgehend von den traditionellen Konzepten über die Polarisationstheorien bis h<strong>in</strong> zu den<br />

territorialen Innovationsansätzen, nehmen die <strong>in</strong>tegrierten Produktionsfaktoren sowohl <strong>in</strong> der Anzahl als auch <strong>in</strong><br />

der Komplexität zu. Zudem reflektiert die Sequenz e<strong>in</strong>e gewisse chronologische Abfolge: Die traditionellen<br />

Modelle waren <strong>in</strong> den 1950er Jahren, die Polarisationstheorien eher <strong>in</strong> den 1960er Jahren prägend. Seit den<br />

1980er Jahren dom<strong>in</strong>ieren die territorialen Innovationsmodelle (Kopa<strong>in</strong>sky 2004: 67f).<br />

Kategorie a Theorie Determ<strong>in</strong>anten der <strong>regionalen</strong> Entwicklung Begründer<br />

Traditionelle<br />

Standorttheorien<br />

(Kapitel 2.1)<br />

Y= f(L,K)<br />

Polarisationstheorien<br />

(Kapitel 2.2)<br />

Y= f(L,K,AE)<br />

Landnutzungstheorie • Bodenrente<br />

• Transportkosten<br />

Industriestandorttheorie • Transportkosten<br />

• Arbeitskosten<br />

• Agglomerationswirkungen<br />

Theorie der zentralen Orte • Transportkosten<br />

• Angebots- und Nachfragestruktur<br />

Theorie der Marktnetze • Hexagonale Marktnetze als optimale räumliche<br />

Organisationsform<br />

Sektorale Polarisationstheorie • Verfügbarkeit von Kapital und Arbeit<br />

• Sektorale Wachstumspole<br />

• Multiplikatoreffekte<br />

Theorie der zirkulären<br />

Verursachung kumulativer<br />

Prozesse<br />

• Verfügbarkeit von Kapital und Arbeit<br />

• Agglomerationseffekte<br />

• Steigende Skalenerträge<br />

Regionale Polarisationstheorie • Exportorientierte Unternehmen<br />

• Nationale Nachfrage<br />

• Adaptionsfähigkeit von Innovationen<br />

New Economic Geography • Steigende Skalenerträge<br />

• Monopolistischer Wettbewerb<br />

• Transportkosten<br />

8 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong><br />

von Thünen<br />

Weber<br />

Christaller<br />

Lösch<br />

Perroux<br />

Myrdal<br />

Lasuén<br />

Krugman


Territoriale<br />

Innovationsmodelle<br />

(Kapitel 2.3)<br />

Y= f(L,K,LM,I)<br />

2. Regionalökonomische Theorien<br />

2.1 Traditionelle Standorttheorien<br />

Cluster-Ansatz • Markt und Wettbewerb<br />

• Netzwerkbeziehungen und soziale Interaktionen<br />

Milieu-Ansatz • Beziehungen zwischen Firmen und ihrer Umgebung<br />

• Kapazität zu Innovieren<br />

• Kapazität zu Lernen<br />

Abbildung 1: Klassifikation regionalökonomischer Theorien.<br />

Quelle: vgl. Terlu<strong>in</strong> 2003: 330.<br />

Die Neoklassik ist e<strong>in</strong> zentrales Gedankengebäude der modernen Ökonomie und wird auch auf regionale<br />

Fragestellungen angewendet. Die Grundhypothese der Neoklassik besagt, dass <strong>in</strong>terregionale Unterschiede von<br />

Faktorpreisen (d.h. Preisunterschiede von Löhnen und Z<strong>in</strong>sen) durch Faktorwanderungen ausgeglichen werden.<br />

Ausgangspunkt ist die Existenz räumlicher Disparitäten. Region A beispielsweise produziert arbeits<strong>in</strong>tensiv, mit<br />

e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Grenzproduktivität und mit niedrigem Lohnniveau. Region B h<strong>in</strong>gegen produziert kapital<strong>in</strong>tensiv,<br />

mit grosser Grenzproduktivität und mit e<strong>in</strong>em hohen Lohnniveau. Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen besteht für<br />

Arbeitskräfte der Region A e<strong>in</strong> Anreiz zur Wanderung <strong>in</strong> die Region B. Faktorpreisunterschiede lösen <strong>in</strong> diesem<br />

Modell also Faktorwanderungen aus, die zu e<strong>in</strong>em Ausgleich sowohl von Preisen also auch von Kapital- und<br />

Arbeits<strong>in</strong>tensität führen. Andere Autoren zeigen sogar, dass es durch <strong>in</strong>ter<strong>regionalen</strong> Handel auch bei immobilen<br />

Produktionsfaktoren zu Ausgleichstendenzen kommen kann. Ursache für diesen Ausgleichsmechanismus ist,<br />

dass durch den Handel <strong>in</strong> jeder Region der jeweils preiswertere Produktionsfaktor <strong>in</strong>tensiver genutzt wird.<br />

Schliesslich kann man analog zu Ricardos Theorem der komparativen Kostenvorteile zeigen, dass e<strong>in</strong>e regionale<br />

Spezialisierung der Produktion auch dann stattf<strong>in</strong>det, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region die absoluten Faktorpreise aller<br />

Produktionsfaktoren ger<strong>in</strong>ger s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er anderen Region (Bathelt/Glückler 2002: 67ff).<br />

Verschiedene Regionalökonomen verfe<strong>in</strong>erten die Modelle der neoklassischen Theorie, <strong>in</strong>dem sie zum Beispiel<br />

Transportkosten <strong>in</strong> die ökonomischen Modelle <strong>in</strong>tegrierten. Daraus entstanden die Ansätze der Landnutzungsund<br />

Standorttheorien, welche zentrale Bestandteile der Raumwirtschaftslehre s<strong>in</strong>d. Es handelt sich dabei um<br />

Porter<br />

GREMI b<br />

Lernende Region • Wissen als Ressource<br />

• Lernen als Prozess<br />

Morgan<br />

• Innovation als <strong>in</strong>teraktiver Prozess und durch<br />

<strong>in</strong>stitutionelle<br />

bee<strong>in</strong>flusst<br />

Rout<strong>in</strong>en und soziale Konventionen<br />

a. Y: E<strong>in</strong>kommen bzw. Output; L: Arbeit; K: Kapital; AE: Agglomerationseffekte; LM: Lokales Milieu<br />

e<strong>in</strong>schliesslich Faktoren wie Raum, Humankapital, Technologie, Netzwerke, Vertrauen, Kultur und Politik; I:<br />

Innovation.<br />

b. GREMI: Groupe de recherche européen sur les milieux <strong>in</strong>novateurs.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 9


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

traditionell-statische Theoriegebäude, die räumliche Beziehungen durch ökonomische Distanzvariablen<br />

abbilden. Mit derartigen Modellstrukturen und Konzeptionen entwickelte sich die Raumwirtschaftslehre <strong>in</strong> der<br />

Nachkriegszeit zu e<strong>in</strong>em eigenständigen Forschungszweig (Bathelt/Glückler 2002: 67ff). Abbildung 2 zeigt e<strong>in</strong>e<br />

Übersicht derjenigen Theorien, die <strong>in</strong> diesem Kapitel erläutert werden.<br />

Kategorie Theorie Determ<strong>in</strong>anten der <strong>regionalen</strong> Entwicklung Begründer<br />

Traditionelle<br />

Standorttheorien<br />

(Kapitel 2.1)<br />

Y= f(L,K)<br />

Landnutzungstheorie • Bodenrente<br />

• Transportkosten<br />

Industriestandorttheorie • Transportkosten<br />

• Arbeitskosten<br />

• Agglomerationswirkungen<br />

Theorie der zentralen Orte • Transportkosten<br />

• Angebots- und Nachfragestruktur<br />

Theorie der Marktnetze • Hexagonale Marktnetze als optimale räumliche<br />

Organisationsform<br />

Abbildung 2: Traditionelle Standorttheorien.<br />

Quelle: Terlu<strong>in</strong> 2003:330.<br />

2.1.1 Landnutzungstheorie von J.H. von Thünen<br />

Die landwirtschaftliche Landnutzungslehre geht auf Untersuchungen des Nationalökonomen v. Thünen Anfang<br />

des 19. Jahrhunderts zurück. In se<strong>in</strong>er Arbeit über den so genannten isolierten Staat legte er modellhaft dar, wie<br />

die räumliche Anordnung der landwirtschaftlichen Produktion und deren Intensität räumlich variieren. V.<br />

Thünen (1875) hat sechs solcher Produktionszonen <strong>in</strong>nerhalb des isolierten Staates identifiziert, die sich <strong>in</strong><br />

konzentrischen Kreisen um die Stadt bzw. den Markt anordnen: Im <strong>in</strong>nersten R<strong>in</strong>g, der freien Wirtschaft,<br />

dom<strong>in</strong>iert der Gartenbau mit hohen Nettoerlösen pro Flächene<strong>in</strong>heit. Die Forstwirtschaft, der zweite R<strong>in</strong>g, ist<br />

durch relative Marktnähe gekennzeichnet, weil die Transportkosten unter den Bed<strong>in</strong>gungen des 19. Jahrhunderts<br />

sehr hoch waren. Die folgenden R<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d die Fruchtwechselwirtschaft, wo e<strong>in</strong> jährlicher Wechsel der<br />

angebauten Fruchtart ohne Brachenperiode stattf<strong>in</strong>det, die Koppelwirtschaft, <strong>in</strong> der zusätzlich e<strong>in</strong>e<br />

Brachenperiode existiert, die Dreifelderwirtschaft, wo Getreideanbau, Weidewirtschaft und Brache abwechseln,<br />

Viehzucht und die unkultivierte Wildnis als äusserste Zone. In diesem Modell wird normalerweise davon<br />

ausgegangen, dass die Landnutzung unter bestimmten physischen Gegebenheiten so erfolgt, dass e<strong>in</strong> maximaler<br />

Gew<strong>in</strong>n pro Flächene<strong>in</strong>heit erzielt wird. Der Mechanismus, der dabei die konkrete Art der Landnutzung<br />

koord<strong>in</strong>iert, heisst Bodenrente (Bathelt/Glückler 2002: 93ff).<br />

10 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong><br />

von Thünen<br />

Weber<br />

Christaller<br />

Lösch


2. Regionalökonomische Theorien<br />

2.1.2 Industriestandorttheorie von A. Weber<br />

Weber (1909) kann als eigentlicher Begründer der <strong>in</strong>dustriellen Standortlehre gesehen werden. Diese zielt darauf<br />

ab, Gesetzmässigkeiten und allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>flussfaktoren zu f<strong>in</strong>den, unter welchen <strong>in</strong>dustrielle<br />

Standortentscheidungen getroffen werden. Weber stellt die optimale Standortwahl e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dustriellen<br />

E<strong>in</strong>zelbetriebes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Entscheidungsprozess <strong>in</strong> drei Stufen dar. Zuerst wird auf der Grundlage der<br />

verwendeten Materialen im Produktionsprozess e<strong>in</strong> transportkostenm<strong>in</strong>imaler Standort ermittelt. Anschliessend<br />

werden Arbeitskosten und zum Schluss Agglomerationswirkungen mitberücksichtigt. Die Transportkosten<br />

spielen <strong>in</strong> diesem Modell die zentrale Rolle, während die Arbeitskosten und Agglomerationswirkungen eher als<br />

Korrektivgrössen verwendet werden (Bathelt/Glückler 2002: 124f).<br />

2.1.3 Theorie der zentralen Orte von Christaller und Lösch<br />

Noch e<strong>in</strong>en Schritt weiter gehen Christaller und Lösch, die als Hauptvertreter der Theorie der zentralen Orte<br />

bezeichnet werden können. Diese Theorie analysiert Gesetzmässigkeiten, welche die Anzahl, Grösse und<br />

Verteilung von Orten beschreibt und versucht, den Prozess der Umlandbildung und der Entstehung e<strong>in</strong>es<br />

hierarchischen, räumlichen Ordnungssystems zu erklären. Lösch versucht dabei, sich vom<br />

Transportkostenprimat zu lösen, um e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Theorie der Marktnetze abzuleiten und e<strong>in</strong> räumliches<br />

Idealbild der Wirtschaftslandschaft zu konstruieren. In se<strong>in</strong>er Arbeit über die räumliche Ordnung der Wirtschaft<br />

hat er die räumliche Verteilung von Industriestandorten mit <strong>regionalen</strong> Marktnetzen untersucht. Lösch orientiert<br />

sich dabei an e<strong>in</strong>em Modellaufbau, wie er <strong>in</strong> der Ökonomie weit verbreitet ist. Er nennt explizit ökonomischgeographische<br />

Modellannahmen und leitet daraus deduktiv e<strong>in</strong> räumliches Gleichgewicht von Produktion und<br />

Konsum ab. Als Resultat ermittelt er hexagonale Marktnetze als gleichgewichtige räumliche Organisationsform,<br />

wobei die Marktnetze je nach Gut e<strong>in</strong>e unterschiedliche Grössenordung haben (Bathelt/Glückler 2002: 113f).<br />

2.1.4 Kritik<br />

Viele Ansätze der traditionellen Standortlehre basieren implizit oder explizit auf der Weber’schen Standortlehre,<br />

die <strong>in</strong> ihrer Konzeption durch die neoklassische Wachstumstheorie geprägt ist. Obwohl die Arbeit von Weber<br />

vielfach kritisiert wurde, haben darauf aufbauende Studien die traditionelle Standortlehre nicht grundlegend<br />

h<strong>in</strong>terfragt, sondern nur modifiziert. Darum s<strong>in</strong>d zahlreiche Schwachstellen des Weber’schen Modells nicht<br />

ausgeräumt worden. In den 1980er Jahren etablierte sich e<strong>in</strong> stärker sozialtheoretisch orientiertes Bewusstse<strong>in</strong>,<br />

das zuvor zwar <strong>in</strong> Ansätzen vorhanden, nicht aber dom<strong>in</strong>ant war, und welches die traditionelle<br />

Raumwirtschaftlehre e<strong>in</strong>er umfassenden Kritik unterzog. Im Folgenden seien die wichtigsten Kritikpunkte<br />

zusammengefasst (nach Bathelt/Glückler 2002: 133ff):<br />

• E<strong>in</strong> wichtiger Kritikpunkt bezieht sich auf die Annahme gew<strong>in</strong>nmaximierenden Verhaltens. Aus<br />

erkenntnistheoretischer Sicht ist es unklar, wie es unter der grundlegenden Bed<strong>in</strong>gung von Unsicherheit<br />

möglich se<strong>in</strong> soll, se<strong>in</strong> Handeln ex ante als rational oder irrational zu bewerten. Kontextspezifisch ist zudem<br />

die <strong>in</strong>tentionale Gew<strong>in</strong>nmaximierung nicht die e<strong>in</strong>zige mögliche unternehmerische Zielsetzung. Schliesslich<br />

wurde empirisch nachgewiesen, dass die Annahme der Gew<strong>in</strong>nmaximierung nicht realistisch ist, weil sie<br />

vollständige Information voraussetzt, was <strong>in</strong> konkreten Entscheidungssituationen nicht gegeben ist.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 11


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

• E<strong>in</strong> zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf die Kausalität. Die Modellbildung der traditionellen Standorttheorie<br />

ist <strong>in</strong>sofern problematisch, als sie das wirtschaftliche Handeln der Akteure nicht ursächlich erklärt, sondern<br />

bereits <strong>in</strong> Modellen als normative Handlungsvorschriften voraussetzt.<br />

• Auch das den traditionellen Modellen zugrunde liegende Unternehmenskonzept wird h<strong>in</strong>terfragt. Unter<br />

Rückgriff auf den dom<strong>in</strong>ierenden Unternehmenstyp des 19. Jahrhunderts stellt die <strong>in</strong>dustrielle Standortlehre<br />

E<strong>in</strong>-Betriebs-Unternehmen <strong>in</strong> den Mittelpunkt ihrer Studien. Dieses Unternehmenskonzept sei unzureichend,<br />

da sich heute komplexere Unternehmens- und Organisationsstrukturen entwickelt haben.<br />

• Oftmals wird auch bemängelt, dass die traditionelle Standortlehre trotz der nachfrage- und marktorientierten<br />

Ansätze <strong>in</strong>sgesamt unter e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitigen Betonung der Kostenseite und <strong>in</strong>sbesondere der Transportkosten<br />

leide. So wurde <strong>in</strong> den 1970er und 1980er Jahren argumentiert, dass durch die abnehmende Bedeutung der<br />

Transportkosten und die ger<strong>in</strong>gere Standortb<strong>in</strong>dung der Wachstumssektoren e<strong>in</strong>e Entwicklung h<strong>in</strong> zu so<br />

genannten foot-loose-Unternehmen zu beobachten sei.<br />

• Weiter wird kritisiert, dass unter dem Sammelbegriff der Standortvorteile alle Ursachen zusammengefasst<br />

würden, die den <strong>regionalen</strong> Wachstumsprozess e<strong>in</strong>er Industrie bee<strong>in</strong>flussen. Diese Vorgehensweise sei<br />

problematisch, weil dadurch unterschiedliche Prozesse zusammengefasst werden, die grundsätzlich<br />

verschieden seien und die unterschiedlichen ökonomischen und sozialen Prozessen zugrunde lägen.<br />

• Schliesslich bezieht sich e<strong>in</strong>er der Hauptkritikpunkte auch auf den weitgehend statischen Charakter der<br />

traditionellen Raumwirtschaftslehre. Gerade Unternehmen mit hohem Innovationspotential, so das<br />

Gegenargument, würden ihre räumliche Organisationsstruktur den veränderten technologischen,<br />

wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen sukzessive anpassen.<br />

2.2 Polarisationstheorien<br />

Polarisationstheorien setzen direkt an der Kritik der neoklassischen Gleichgewichtstheorie an. Die<br />

Grundannahmen der Neoklassik werden darum nicht aufrechterhalten, was damit zusammenhängt, dass die<br />

meisten polarisationstheoretischen Ansätze aus empirischen Untersuchungen <strong>in</strong>duktiv gewonnen und nicht von<br />

normativen Annahmen deduktiv abgeleitet werden. Polarisationstheorien argumentieren, dass vorhandene<br />

Ungleichgewichte e<strong>in</strong>en kumulativen Entwicklungsprozess <strong>in</strong> Gang setzen, der zu e<strong>in</strong>er Verstärkung der<br />

Ungleichgewichte, d.h. zu e<strong>in</strong>er sektoralen und/oder <strong>regionalen</strong> Polarisation, führt. Polarisationstheoretische<br />

Erklärungen basieren zudem implizit auf der Annahme der Existenz regionaler bzw. sektoraler<br />

Entwicklungspfade, die durch positive und negative Rückkoppelungen die Bed<strong>in</strong>gungen für das gegenwärtige<br />

Handeln entscheidend mitprägen (Schätzl 1998: 151f). Abbildung 3 illustriert die Konzepte, welche im<br />

folgenden Kapitel genauer betrachtet werden.<br />

12 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

Kategorie Theorie Determ<strong>in</strong>anten der <strong>regionalen</strong> Entwicklung Begründer<br />

Polarisationstheorien<br />

(Kapitel 2.2)<br />

Y= f(L,K,AE)<br />

2.2.1 Sektorale Polarisationstheorie<br />

Sektorale Polarisationstheorie • Verfügbarkeit von Kapital und Arbeit<br />

• Sektorale Wachstumspole<br />

• Multiplikatoreffekte<br />

Theorie der zirkulären<br />

Verursachung kumulativer<br />

Prozesse<br />

• Verfügbarkeit von Kapital und Arbeit<br />

• Agglomerationseffekte<br />

• Steigende Skalenerträge<br />

Regionale Polarisationstheorie • Exportorientierte Unternehmen<br />

• Nationale Nachfrage<br />

• Adaptionsfähigkeit von Innovationen<br />

New Economic Geography • Steigende Skalenerträge<br />

• Monopolistischer Wettbewerb<br />

• Transportkosten<br />

Abbildung 3: Polarisationstheorien.<br />

Quelle: vgl. Terlu<strong>in</strong> 2003: 330.<br />

Perroux<br />

Das sektorale Polarisationsargument hat se<strong>in</strong>en Ursprung beim Ökonomen Schumpeter und wurde von Perroux<br />

anfangs fünfziger Jahre wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Kernaussage der sektoralen<br />

Polarisationstheorie lautet, dass Wachstum sektoral ungleichgewichtig verläuft, also bestimmte<br />

Wirtschaftsbereiche schneller wachsen als andere. Diese <strong>in</strong>novativen, führenden Branchen bezeichnet Perroux<br />

als motorische E<strong>in</strong>heiten oder sektorale Wachstumspole. Durch s<strong>in</strong>kende Stückkosten der Produktion<br />

(economies of scale) und ihrer besonderen Fähigkeit zur Innovation wachsen motorische E<strong>in</strong>heiten schneller als<br />

andere Wirtschaftsbereiche. Ihre Dom<strong>in</strong>anz und Verflechtungsbeziehungen haben zudem E<strong>in</strong>fluss auf andere<br />

Sektoren und üben über Multiplikatoreffekte positive Anstosseffekte (effects d’entraînement) oder negative<br />

Bremseffekte (effects de stoppage) aus. Als Regionalökonom muss man sich allerd<strong>in</strong>gs im Klaren se<strong>in</strong>, dass<br />

Perroux ausschliesslich von sektoralen und nicht räumlichen Effekten spricht. Die von ihm behandelten<br />

Wachstumspole s<strong>in</strong>d also re<strong>in</strong> sektoraler Art. Andererseits besitzen se<strong>in</strong>e Arbeiten e<strong>in</strong>en hohen <strong>in</strong>novatorischen<br />

Wert, weil ihnen die Funktion e<strong>in</strong>er Initialzündung für weiterführende empirische, theoretische und<br />

planungsbezogene Forschung zukommt (Bathelt/Glückler 2002: 70).<br />

Myrdal<br />

Lasuén<br />

Krugman<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 13


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

2.2.2 Theorie der zirkulären Verursachung kumulativer Prozesse<br />

Myrdal ist e<strong>in</strong> leidenschaftlicher Kritiker der deduktiv abgeleiteten Gleichgewichtstheorie und setzt dieser die<br />

Hypothese der zirkulären Verursachung e<strong>in</strong>es kumulativen sozioökonomischen Prozesses gegenüber. Er<br />

argumentiert, dass unter marktwirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen die Variablen e<strong>in</strong>es Systems so mite<strong>in</strong>ander<br />

verbunden s<strong>in</strong>d, dass die Veränderung der e<strong>in</strong>en Variablen die Veränderung e<strong>in</strong>er anderen Variablen <strong>in</strong> gleicher<br />

Richtung bewirkt und diese wiederum aufgrund e<strong>in</strong>er Rückkoppelung die Intensität der ersten Veränderung<br />

verstärkt. Dabei wird e<strong>in</strong> Prozess ausgelöst, bei dem e<strong>in</strong>e positive Veränderung e<strong>in</strong>en kumulativen<br />

Wachstumsprozess (spread effect) und e<strong>in</strong>e negative Veränderung e<strong>in</strong>en kumulativen Schrumpfungsprozess<br />

(backwash effect) bewirkt. Myrdal geht davon aus, dass die Schrumpfungsprozesse dauerhaft stärker s<strong>in</strong>d als die<br />

Wachstumsprozesse und folgert daraus, dass erstens e<strong>in</strong>e immerwährende Tendenz zu räumlichen<br />

Ungleichgewichten besteht und zweitens, dass diese Tendenzen um so stärker werden, je ärmer e<strong>in</strong> Land ist.<br />

Hirschman, e<strong>in</strong> weiterer Befürworter der Polarisationstheorie, vertritt e<strong>in</strong>e ähnliche These. Während Myrdal<br />

jedoch zum Ergebnis kommt, dass räumliche Ungleichgewichte dauerhaft bestehen, gelangt Hirschman zur<br />

Schlussfolgerung, dass sich langfristig ökonomische oder politische Gegenkräfte bilden, zum Beispiel<br />

Agglomerationsnachteile oder politische Unruhen, die auf e<strong>in</strong>en Abbau räumlicher Disparitäten h<strong>in</strong>wirken.<br />

Myrdal und Hirschman können als Begründer der <strong>regionalen</strong> Polarisationstheorie angesehen werden. Es ist ihr<br />

Verdienst, die wachstumstheoretische Diskussion auf das Problem räumlicher Unleichgewichte gelenkt zu haben<br />

(Schätzl 1998: 154ff).<br />

2.2.3 Regionale Polarisationstheorie<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen von Perroux, Myrdal und Hirschman entstand e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

polarisationstheoretischer Arbeiten. Die bislang umfassendste Erweiterung und Vertiefung des<br />

Wachstumspolkonzeptes gelang Lasuén, e<strong>in</strong>em Vertreter der <strong>in</strong> den 1960er Jahren entwickelten französischen<br />

Wachstumspolschule. Er hat den Zusammenhang zwischen Wachstum und Urbanisierung weiter untersucht und<br />

erläutert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit die Entstehung e<strong>in</strong>es räumlichen Systems von Wachstumspolen aus dynamischer Sicht.<br />

Die Entwicklung der Wachstumspole hängt dabei von den Impulsen ab, die von der nationalen Nachfrage<br />

verursacht werden. Diese Impulse werden durch regionale Exportaktivitäten weitergegeben und verteilen sich<br />

auf die Pole entsprechend deren Wettbewerbsfähigkeit. Lasuéns wesentliche Erkenntnisse s<strong>in</strong>d, dass die heute<br />

beobachtbaren Siedlungs- und Wachstumspolsysteme ihren Ursprung <strong>in</strong> früheren Innovationsprozessen haben,<br />

und dass die räumlichen Auswirkungen von Innovationsschüben diskont<strong>in</strong>uierlich auftreten. Innovationen<br />

werden demnach <strong>in</strong> entwickelten urbanen Zentren am schnellsten aufgenommen und breiten sich von dort <strong>in</strong><br />

andere, weniger urbane Zentren im Umland aus. Die Folge ist e<strong>in</strong>e Hierarchisierung des urbanen Systems,<br />

welche als relativ stabil angesehen wird (Schätzl 1998: 177ff).<br />

2.2.4 New Economic Geography<br />

Die New Economic Geography ist e<strong>in</strong> neueres Konzept und wird darum im Folgenden etwas ausführlicher<br />

diskutiert. Krugman (1991) ist der eigentliche Begründer dieses Ansatzes. Er ist e<strong>in</strong> neoklassisch geschulter<br />

Ökonom mit e<strong>in</strong>em ausgeprägt deduktiven Forschungsverständnis und e<strong>in</strong>er grossen Überzeugung von<br />

14 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

mathematischen Modellen. In etlichen Büchern und zahlreichen Artikeln beschäftigt er sich mit ökonomischen<br />

Phänomenen im Raum. Die New Economic Geography basiert auf den Erkenntnissen der neuen Handelstheorie,<br />

welche <strong>in</strong> den 1970er und 1980er Jahren entwickelt wurde. Nach Krugman gehen sowohl die<br />

Aussenhandelstheorie als auch die Standorttheorie der Frage nach, welche Industrien an welchen Standorten<br />

welche Güter herstellen. Im Konzept der New Economic Geography wird versucht, beide Ansätze<br />

zusammenzuführen (Bathelt/Glückler 2002: 79).<br />

Ausgangspunkt Krugmans Überlegungen ist die Feststellung, dass ökonomische Aktivitäten e<strong>in</strong>e starke<br />

räumliche Konzentrationstendenz aufweisen. Weiter geht er davon aus, dass jeder Produzent aufgrund der<br />

Existenz von Skalenerträgen nur e<strong>in</strong>en Standort besitzt. Um Transportkosten zu sparen wird der Standort so<br />

gewählt, dass damit e<strong>in</strong>e besonders grosse Nachfrage regional abgedeckt werden kann. Die Nachfrage wiederum<br />

ist dort am grössten, wo die meisten Hersteller ihren Standort haben. Daraus resultiert e<strong>in</strong>e Zirkularität, die zu<br />

e<strong>in</strong>er Aufrechterhaltung bzw. e<strong>in</strong>er Verstärkung der Industrieballung führt (Bathelt/Glückler 2002: 79).<br />

Wichtig ist auch der Umfang agglomerationsfördernder Zentripetal- sowie dispersionsfördernder<br />

Zentrifugalkräfte. Krugman (1998: 9) formuliert dies folgendermassen: "The central thrust of the new economic<br />

geography work to date, <strong>in</strong> short, has been driven by considerations of modell<strong>in</strong>g strategy towards an approach<br />

that concentrates on the role of market-size effects <strong>in</strong> generat<strong>in</strong>g l<strong>in</strong>kages that foster geographical concentration,<br />

on one side, and the oppos<strong>in</strong>g force of immobile factors work<strong>in</strong>g aga<strong>in</strong>st such concentration on the other".<br />

Dom<strong>in</strong>ieren die Zentrifugalkräfte, kommt es zu e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung <strong>in</strong>ter<strong>regionalen</strong> Disparitäten. Überwiegen<br />

h<strong>in</strong>gegen die Zentripetalkräfte, wird e<strong>in</strong> zirkulär verursachter kumulativer Prozess <strong>in</strong> Gang gesetzt, der zu e<strong>in</strong>er<br />

sukzessiven Verstärkung <strong>in</strong>terregionaler Ungleichgewichte führt, wie dies bereits aus der Theorie von Myrdal<br />

bekannt ist.<br />

Wichtige Zentripetalkräfte s<strong>in</strong>d für Krugman die Arbeitskräftepools, die spezifischen Vertriebs- und<br />

Zuliefernetzwerke sowie technologische Spillover-Effekte. Diese Kräfte s<strong>in</strong>d im Zusammenspiel mit<br />

Urbanisationsvorteilen sowie der Grösse des lokalen Marktes dafür verantwortlich, dass es aus<br />

betriebswirtschaftlicher Sicht rational ist, die räumliche Nähe zu anderen Unternehmen zu suchen. Spillover-<br />

Effekte hält Krugman allerd<strong>in</strong>gs für weniger bedeutsam als die anderen beiden Faktoren. Für Zentrifugalkräfte<br />

h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d vor allem immobile Produktionsfaktoren verantwortlich. Daraus bilden sich Ballungsnachteile,<br />

wie hohe Preise für Löhne und Boden (Sternberg 2001: 163).<br />

Die New Economic Geography weist deutliche Parallelen zu den Polarisationstheorien auf. So hat Krugman<br />

lediglich wesentliche Bestandteile älterer Arbeiten, zum Beispiel von Perroux oder Hirschman, wieder belebt<br />

und um die spezifische Betonung steigender Skalenerträge ergänzt (Sternberg 2001: 171).<br />

Zudem beruhen Krugmans Modelle weitgehend auf den exemplarischen Kenntnissen der traditionellen<br />

Standortlehre, <strong>in</strong>sbesondere der Arbeiten von v. Thünen, Weber und Lösch. Im Unterschied zu Weber und Lösch<br />

gel<strong>in</strong>gt es Krugman jedoch e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Gleichgewichtsmodell mit der Berücksichtigung von<br />

unvollkommenen Märkten zu kreieren. Krugman (1998: 9) betont, dass "if one had to def<strong>in</strong>e the philosophical<br />

difference between the new economic geography and the location theory that preceded it, it would be this: The<br />

new literature <strong>in</strong>sists on models hat are general equilibrium, and <strong>in</strong> which spatial structure emerges from<br />

<strong>in</strong>visible-hand processes". Der Hauptgrund für das Auftauchen der New Economic Geography ist se<strong>in</strong>er Ansicht<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 15


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

nach also e<strong>in</strong> technischer: "Imperfect competiton is no longer regarded as impossible to model, and so stories<br />

that crucially <strong>in</strong>volve unexhausted scale economies are no longer out of bounds" (Krugman 1998: 10). Krugman<br />

anerkennt zwar, dass der kumulative Prozess zirkulärer Verursachung mit der Möglichkeit divergenter<br />

Raumentwicklung nicht von ihm erfunden wurde, nimmt aber für se<strong>in</strong>e Schule <strong>in</strong> Anspruch, dass sie e<strong>in</strong> neues<br />

"genre" im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es neuen "style of economic analysis which tries to expla<strong>in</strong> the spatial structure of the<br />

economy us<strong>in</strong>g certa<strong>in</strong> technical tricks to produce models <strong>in</strong> which there are <strong>in</strong>creas<strong>in</strong>g returns and markets are<br />

characterised by imperfect competition" (Krugman 1998: 10) kreiert habe. Der wesentliche Verdienst des<br />

Ansatzes liegt also nicht <strong>in</strong> den konkreten neuen Ideen. Das Innovative liegt vor allem dar<strong>in</strong>, dass altbekannte<br />

Argumente <strong>in</strong> den formalen Rahmen e<strong>in</strong>es Gleichgewichtsmodells gebracht wurden (Sternberg 2001: 171f). Ob<br />

Krugmans Konzept zum Ma<strong>in</strong>stream der orthodoxen Ökonomie gehört, ist umstritten. Krugman behält manche<br />

der neoklassischen Prämissen bei, andere h<strong>in</strong>gegen, wie vollkommene Märkte und Informationen sowie<br />

s<strong>in</strong>kende Skalenerträge, ersetzt er durch realistischere Annahmen. Für manche Regionalwissenschaftler, die sich<br />

mit realen Regionen beschäftigen und deduktiv gewonnenen Theorien oft eher kritisch gegenüber stehen, bleiben<br />

diese Annahmen jedoch immer noch zu wenig realistisch (Sternberg 2001: 162).<br />

2.3 Territoriale Innovationsmodelle<br />

Territorialen Innovationsmodelle nehmen an, dass neben Arbeit und Kapital auch das lokale Milieu und die<br />

Diffusion von Innovationen wichtige Motoren im wirtschaftlichen Wachstumsprozess s<strong>in</strong>d. Faktoren des lokalen<br />

Milieus s<strong>in</strong>d beispielsweise spezielle Fertigkeiten der lokalen Arbeitskräfte, technisches und organisatorisches<br />

Know-how oder soziale und <strong>in</strong>stitutionelle Strukturen, welche die Erträge von Arbeit und Kapital bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Auch Innovationen müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten S<strong>in</strong>ne verstanden werden: sie be<strong>in</strong>halten sowohl Produkt-, Prozessund<br />

organisatorische Innovationen <strong>in</strong> Firmen, als auch soziale und <strong>in</strong>stitutionelle Innovationen auf der Ebene der<br />

Industrie, der Region oder der Nation. Folglich hängt die Entwicklung der lokalen Ökonomie davon ab, wie gut<br />

diese ihre Ressourcen von alten Aktivitäten <strong>in</strong> neue transferieren bzw. neue Technologien bewältigen kann<br />

(Terlu<strong>in</strong> 2003: 331). Abbildung 4 fasst diejenigen Ansätze zusammen, welche <strong>in</strong> diesem Kapitel diskutiert<br />

werden.<br />

16 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2.3.1 Cluster-Ansatz<br />

2. Regionalökonomische Theorien<br />

Kategorie Theorie Determ<strong>in</strong>anten der <strong>regionalen</strong> Entwicklung Begründer<br />

Territoriale<br />

Innovationsmodelle<br />

(Kapitel 2.3)<br />

Y= f(L,K,LM,I)<br />

Cluster-Ansatz • Markt und Wettbewerb<br />

• Netzwerkbeziehungen und soziale Interaktionen<br />

Milieu-Ansatz • Beziehungen zwischen Firmen und ihrer Umgebung<br />

• Kapazität zu Innovieren<br />

• Kapazität zu Lernen<br />

Lernende Region • Wissen als Ressource<br />

• Lernen als Prozess<br />

• Innovation als <strong>in</strong>teraktiver Prozess und durch<br />

<strong>in</strong>stitutionelle Rout<strong>in</strong>en und soziale Konventionen<br />

bee<strong>in</strong>flusst<br />

Abbildung 4: Territoriale Innovationsmodelle.<br />

Quelle: vgl. Terlu<strong>in</strong> 2003: 330.<br />

Michael E. Porter ist der berühmteste Vertreter des Cluster-Ansatzes. Bekannt wurde er vor allem durch se<strong>in</strong><br />

Diamanten-Konzept, mit dem er die entscheidenden Elemente für das Entstehen von Wettbewerbsvorteilen<br />

illustriert. Er ist sowohl Professor an der Harvard Bus<strong>in</strong>ess School <strong>in</strong> Boston als auch Unternehmer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Beratungsfirma, die <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren im Auftrag von USAID, Weltbank und anderen<br />

Institutionen der <strong>in</strong>ternationalen Zusammenarbeit <strong>in</strong> zahlreichen Ländern Beratungen auf der Grundlage se<strong>in</strong>es<br />

Diamanten-Konzeptes durchgeführt hat. Nicht zuletzt aus diesem Grund gilt Porter <strong>in</strong> vielen Ländern als<br />

Referenzpunkt bei Bemühungen zur Stärkung der Wirtschaft (Meyer-Stamer 2000: 40ff).<br />

Grundzüge des Cluster-Ansatzes<br />

Die Analyse von Porter (1990) über nationale Wettbewerbsvorteile ist, ähnlich wie die Arbeit von Weber, e<strong>in</strong>er<br />

Standortfaktorensicht verhaftet, <strong>in</strong>tegriert aber neue Perspektiven <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er evolutionären Sichtweise<br />

(Bathelt/Glückler 2002: 148). Porters im Jahre 1990 erschienene Werk The Competitive Advantage of Nations<br />

setzte e<strong>in</strong>en zentralen Referenzpunkt <strong>in</strong> der entwicklungspolitischen Diskussion. Dar<strong>in</strong> betont er, dass nationaler<br />

Wohlstand geschaffen, und nicht geerbt wird. Die Wettbewerbsfähigkeit e<strong>in</strong>er Nation hängt von der Fähigkeit<br />

ihrer Industrie ab, aktiv Innovationen zu erzeugen. Indem Unternehmen von nationalen Konkurrenten,<br />

fordernden Zulieferern und anspruchsvollen Kunden herausgefordert werden, erarbeiten sie sich gegenüber<br />

anderen Wettbewerbern <strong>in</strong> der Welt e<strong>in</strong>en Vorteil. Im Gegensatz zu vielen anderen Ökonomen argumentiert<br />

Porter (1998: 90), dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt mit globalem Wettbewerb die lokale Dimension mehr statt weniger<br />

Bedeutung erlangt: "The endur<strong>in</strong>g competitive advantage <strong>in</strong> a global economy are often heavily local, aris<strong>in</strong>g<br />

from concentrations of highly specialized skills and knowledge, <strong>in</strong>stitutions, rivals, related bus<strong>in</strong>esses, and<br />

Porter<br />

GREMI<br />

Morgan<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 17


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

sophisticated customers. Geographic, cultural, and <strong>in</strong>stitutional proximity leads to special access, closer<br />

relationships, better <strong>in</strong>formation, powerful <strong>in</strong>centives, and other advantages <strong>in</strong> productivity and <strong>in</strong>novation that<br />

are difficult to tap from a distance".<br />

In den Augen Porters bilden Cluster die Basis der Herausbildung systemischer Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Qualitätsproduktion, permanente und schnelle Produkt- und Prozess<strong>in</strong>novationen, e<strong>in</strong>zigartige F&E-Kapazitäten,<br />

schnell abrufbares Detailwissen, spezifisches Know-how und die Fähigkeit zum raschen Pool<strong>in</strong>g von<br />

Informationen entstehen durch leistungsfähige Unternehmen, die ihre Innovationskraft auf dem kont<strong>in</strong>uierlichen<br />

Austausch mit anderen Unternehmen und Institutionen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Clusters aufbauen. Porter (1998: 78)<br />

def<strong>in</strong>iert Cluster als "... geographic concentrations of <strong>in</strong>terconnected companies and <strong>in</strong>stitutions <strong>in</strong> a particular<br />

field. Clusters encompass an array of l<strong>in</strong>ked <strong>in</strong>dustries and other entities important to competition".<br />

Porter betont <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Analyse die Bedeutung bestimmter Umfeldbed<strong>in</strong>gungen, welche die Entwicklung von<br />

Wettbewerbsfähigkeit stimulieren sollten. Das Entstehen von Wettbewerbsvorteilen wird dabei durch das<br />

wechselseitige Zusammenwirken von vier Faktorbündeln erklärt und im so genannten Porter’schen Diamanten<br />

systematisiert. Diese Faktorbündel bilden den Ausgangspunkt <strong>in</strong>dustrieller Clusterprozesse (Abbildung 5):<br />

• Faktorbed<strong>in</strong>gungen:<br />

Porter unterscheidet zwei Typen von Faktoren: basic factors und advanced factors. Basic factors be<strong>in</strong>halten<br />

zum Beispiel natürliche Ressourcen, das Klima oder un- und wenig qualifizierte Arbeitskräfte. Unter<br />

advanced factors versteht Porter e<strong>in</strong>e moderne, digitale Kommunikations<strong>in</strong>frastruktur, hochqualifiziertes<br />

Personal und universitäre Forschungslabors <strong>in</strong> modernen Diszipl<strong>in</strong>en. Advanced factors s<strong>in</strong>d äusserst wichtig<br />

für das Erreichen e<strong>in</strong>es übergeordneten Wettbewerbsvorteils und s<strong>in</strong>d zudem äusserst knapp, weil ihre<br />

Entwicklung grosse und oftmals nachhaltige Investitionen <strong>in</strong> Human- und physischem Kapital erfordert.<br />

E<strong>in</strong>e zweite wichtige Unterscheidung berücksichtigt generalised factors und specialised factors. Generalised<br />

factors be<strong>in</strong>halten zum Beispiel das Strassennetz, das Angebot an Fremdkapital oder e<strong>in</strong> breites Angebot an<br />

motivierten Arbeitskräften mit mittlerem Ausbildungsniveau, die <strong>in</strong> vielen verschiedenen Industrien<br />

beschäftigt werden können. Specialised factors be<strong>in</strong>halten vor allem Spezialisten mit hoher Ausbildung,<br />

spezielle Infrastrukturen und e<strong>in</strong>e spezifische Wissensbasis im high-tech Bereich. Dank specialised factors<br />

entstehen strukturelle, systemisch bed<strong>in</strong>gte Wettbewerbsvorteile, die schwierig zu kopieren s<strong>in</strong>d.<br />

Hochspezialisierte Faktoren, zugeschnitten auf die besonderen Erfordernisse e<strong>in</strong>es Clusters, bestimmen die<br />

Wettbewerbsposition <strong>in</strong> entscheidendem Masse.<br />

18 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


• Nachfragebed<strong>in</strong>gungen:<br />

2. Regionalökonomische Theorien<br />

Abbildung 5: Der Porter’sche Diamant.<br />

Quelle: Porter 1990.<br />

Aus Porters Sicht s<strong>in</strong>d auch die Nachfragebed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er Branche von entscheidender Bedeutung, da sie<br />

Investitionen und Innovationen lenken. Vor allem die Zusammensetzung und die Dynamik der<br />

Inlandnachfrage spielen e<strong>in</strong>e Rolle, weil sich dadurch e<strong>in</strong> Unternehmen frühzeitig e<strong>in</strong> Bild der<br />

Käuferbedürfnisse machen kann. Dies kann als Ausgangspunkt für allfällige Spezialisierungen genutzt<br />

werden. Die Diskussion über den E<strong>in</strong>fluss des Inlandmarktes auf die Wettbewerbsfähigkeit ist äusserst<br />

kontrovers. Die e<strong>in</strong>en argumentieren, dass e<strong>in</strong> grosser Inlandmarkt e<strong>in</strong>e Stärke darstelle, weil dadurch<br />

steigende Skalenerträge generiert würden. Andere wiederum sehen kle<strong>in</strong>e Inlandmärkte als e<strong>in</strong>en Vorteil,<br />

weil dadurch die Länder gezwungen würden zu exportieren, was sich vorteilhaft auf die<br />

Wettbewerbsfähigkeit e<strong>in</strong>er Nation auswirke. Porter vertritt die Me<strong>in</strong>ung, dass der Inlandmarkt e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Voraussetzung für die Internationalisierung e<strong>in</strong>er Branche darstellt, und dass Globalisierungsprozesse kaum<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 19


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

den Inlandmarkt <strong>in</strong> Frage stellen: "The home market usually has a disproportionate impact on a firm’s ability<br />

to perceive and <strong>in</strong>terpret buyer needs" (Porter 1990: 86).<br />

• Verwandte und unterstützende Branchen:<br />

Die räumliche Nähe von vor- bzw. nachgelagerten Industrien begünstigt e<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>uierlichen<br />

Informationsaustausch über Innovationen und verschafft dadurch Kosten-, Koord<strong>in</strong>ations- und<br />

Verflechtungsvorteile, die für die Generierung e<strong>in</strong>es Wettbewerbsvorteils entscheidend s<strong>in</strong>d. So können enge<br />

Beziehungen zwischen Produzenten und Zulieferern Innovationsprozesse hervorbr<strong>in</strong>gen. Porter verweist<br />

unter anderem auf die Erfahrungen mit den <strong>in</strong>dustriellen Distrikten <strong>in</strong> Italien, macht jedoch auch auf die<br />

möglichen Gefahren e<strong>in</strong>er Verallgeme<strong>in</strong>erung solcher Phänomene aufmerksam. Zudem weist er darauf h<strong>in</strong>,<br />

dass auch vorgelagerte Industrien auf ke<strong>in</strong>en Fall vom <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb abgeschottet se<strong>in</strong> sollten,<br />

und dass beim Fehlen bestimmter vorgelagerter Industrien auch auf das weltweit verfügbare Angebot<br />

zurückgegriffen werden kann.<br />

• Unternehmensstrategie, -struktur und Rivalität:<br />

Das Vorliegen e<strong>in</strong>es starken Inlandwettbewerbs ist für Porter e<strong>in</strong>e besonders wichtige Ursache für die<br />

Entstehung e<strong>in</strong>es nationalen Wettbewerbsvorteils. Starker <strong>in</strong>ländischer Wettbewerb übt Druck auf die<br />

Unternehmen aus und zw<strong>in</strong>gt sie durch ständige Verbesserungen und Innovationen ihre Marktposition zu<br />

behaupten und neue Marktgebiete zu erschliessen. Es ist dieser Wettbewerbsdruck, der die Unternehmen zu<br />

Produktivitätssteigerungen und Innovationen zw<strong>in</strong>gt, wobei der Wettbewerb häufig <strong>in</strong> konkrete Rivalitäten<br />

ausschlägt, <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn die Konkurrenten räumlich konzentriert s<strong>in</strong>d. Durch die spezifische<br />

Form des Wettbewerbs wird auch die Art der Unternehmensführung und -struktur geprägt.<br />

Zuerst hat sich Porter ausschliesslich nationalen Wettbewerbsvorteilen gewidmet. Erst später erweitert er se<strong>in</strong>en<br />

Ansatz und berücksichtigt auch die regionale Dimension. Indem er Daten der amerikanischen Wirtschaft<br />

analysiert, zeigt er, dass regionale Wirtschaftsräume e<strong>in</strong>e nicht zu unterschätzende Wirkung auf die nationale<br />

Ökonomie ausüben. Gemessen am Lohnniveau und dem Lohnwachstum sowie der Beschäftigungsentwicklung<br />

und der Patentrate kann veranschaulicht werden, dass sich die Regionen der Vere<strong>in</strong>igten Staaten sehr deutlich <strong>in</strong><br />

ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft unterscheiden. Porter folgert daraus, dass der wirtschaftliche Erfolg e<strong>in</strong>er<br />

Region dementsprechend stark von der relativen Leistungskraft und Innovationsstärke der dort angesiedelten<br />

Cluster bee<strong>in</strong>flusst wird (Porter 2003: 571).<br />

Interessant <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist die Studie von Simmie (2004). Dar<strong>in</strong> versucht er Porters Hypothesen<br />

bezüglich der Innovationskraft regionaler Cluster zu testen. Im Gegensatz zu Porter kommt er zum Schluss, dass<br />

die Innovationsleistungsfähigkeit im Vere<strong>in</strong>ten Königreich nicht von lokalen Clustern, sondern von der<br />

nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Zusammenarbeit abhängig ist. "Evidence from previous studies is used to suggest<br />

that national and <strong>in</strong>ternational l<strong>in</strong>kages and networks are just as significant as their local counterparts for firms<br />

<strong>in</strong> the UK. Evidence from the third Community Innovation Survey is used to test Porter’s hypotheses concern<strong>in</strong>g<br />

the contribution of cluster<strong>in</strong>g to <strong>in</strong>novation. All of them are shown to benefit from national and <strong>in</strong>ternational<br />

l<strong>in</strong>kages and collaboration" (Simmie 2004: 1095).<br />

20 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

Implikationen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Porter betont die überragende Wichtigkeit der Produktivität für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />

Landes. Darum sollten Regierungen sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene e<strong>in</strong>e wirtschaftliche<br />

Umgebung schaffen, die e<strong>in</strong>e steigende Produktivität unterstützt. Dies können Regierungen dadurch erreichen,<br />

<strong>in</strong>dem sie günstige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bereitstellen, d.h. gute Ausbildungsangebote, funktionierende<br />

Infrastrukturen und geeignete Wettbewerbsregeln garantieren. Es s<strong>in</strong>d vor allem Marktmechanismen, und nicht<br />

die Regierung, die entscheiden können, ob e<strong>in</strong> Cluster erfolgreich se<strong>in</strong> wird oder nicht. Zusammen mit dem<br />

privaten Sektor sollte sich die Regierung auf bereits bestehende Industrien konzentrieren und nicht neue<br />

Wirtschaftszweige kreieren wollen. Oftmals bilden sich Cluster völlig unabhängig von staatlichem Handeln und<br />

entwickeln sich dort, wo es lokale Vorteile erlauben. Um staatliche Entwicklungsanstrengungen zu rechtfertigen,<br />

sollte sich e<strong>in</strong> Cluster schon im Vornhere<strong>in</strong> als markttauglich erwiesen haben. Schliesslich ist es wichtig, dass<br />

Cluster-Entwicklungs-Initiativen das Ziel von Wettbewerbsvorteilen und Spezialisierungen vor Augen haben,<br />

und nicht bloße Imitationen von anderen erfolgreichen Unternehmensnetzwerken anstreben (Porter 1998: 89f).<br />

Ausgehend von se<strong>in</strong>er Studie über die ökonomische Leistungsfähigkeit von Regionen entwickelt Porter e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von wirtschaftspolitischen Implikationen, die sich im Speziellen mit der <strong>regionalen</strong> Perspektive<br />

ause<strong>in</strong>andersetzen. Dabei betont er, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen vermehrt dezentralisiert und auf<br />

regionaler Ebene durchgeführt werden sollten. Da viele essentielle Determ<strong>in</strong>anten der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>en <strong>regionalen</strong> Ursprung haben, ist e<strong>in</strong>e nationale Politik zwar nötig aber nicht h<strong>in</strong>reichend.<br />

Die Wichtigkeit der <strong>regionalen</strong> Ebene formuliert Porter (2003: 571) folgendermassen: "the importance of<br />

build<strong>in</strong>g <strong>in</strong>novative capacity at the regional level is strongly revealed, as is the benefits of diversify<strong>in</strong>g the<br />

companies and <strong>in</strong>stitutions that generate <strong>in</strong>novative output".<br />

Kritik des Cluster-Ansatzes<br />

Porters Leistung besteht vor allem dar<strong>in</strong>, dass er die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en territorialen<br />

Zusammenhang rückt. Im Unterschied zur traditionellen Standortlehre gestattet se<strong>in</strong>e Konzeption e<strong>in</strong>e explizit<br />

dynamische Sichtweise. Insgesamt gehen die Arbeiten von Porter e<strong>in</strong>deutig über die traditionelle Standortlehre<br />

h<strong>in</strong>aus, bleiben ihr aber dennoch teilweise verhaftet (Bathelt/Glückler 2002: 150). Weiter fügen Bathelt/Glückler<br />

(2002: 150f) folgende Kritikpunkte an:<br />

• Obwohl Porter den evolutionären Prozess der Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen betont, ist se<strong>in</strong>e<br />

Analyse eher deskriptiv und be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>e gewisse Faktordom<strong>in</strong>anz; das Prozessverständnis bleibt <strong>in</strong> diesem<br />

S<strong>in</strong>ne unzureichend.<br />

• Das Konzept be<strong>in</strong>haltet Widersprüche im räumlichen Bezugsrahmen und vermischt unterschiedliche<br />

räumliche und nicht-räumliche Perspektiven. Oftmals ist unklar, warum dieselbe Komb<strong>in</strong>ation von<br />

Faktorbündeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall e<strong>in</strong> nationales und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen e<strong>in</strong> regionales oder gar e<strong>in</strong> nicht-räumliches<br />

Industriecluster begründen soll.<br />

• Obwohl Porter die Bedeutung der nationalstaatlichen Ebene hervorhebt, wird <strong>in</strong>stitutionellen Aspekten zu<br />

wenig Beachtung geschenkt. Dies zeigt sich <strong>in</strong> der Behandlung staatlicher E<strong>in</strong>flüsse als Restkategorie. Das<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 21


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

Entstehen nationaler Wettbewerbsvorteile sollte vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong>stitutioneller E<strong>in</strong>flüsse gesehen, und<br />

die nationale Ebene als e<strong>in</strong> soziales und nicht re<strong>in</strong> räumliches Konstrukt verstanden werden.<br />

• Schliesslich schafft der Ansatz von Porter zwar wichtige Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e evolutionäre Analyse,<br />

vollzieht den Wandel zu e<strong>in</strong>er evolutionären Betrachtungsebene aber unzureichend. Zum Beispiel werden<br />

historische Strukturen manchmal als Restkategorie angesehen, während sie an anderer Stelle unter<br />

dynamischen Aspekten betont werden. Auch soziokulturelle Aspekte und Lernprozesse werden zu wenig<br />

erfasst.<br />

2.3.2 Milieu-Ansatz<br />

Der Ansatz des kreativen Milieus wird durch Arbeiten der GREMI (Groupe de Recherche Européen sur les<br />

Milieux Innovateurs) geprägt, welche nach Ursachen für unterschiedliche Innovationsfähigkeit und -tätigkeit <strong>in</strong><br />

verschiedenen Regionen suchen. Innovationen werden dabei als sozial und territorial e<strong>in</strong>gebettete Prozesse<br />

betrachtet, welche nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kulturellen und <strong>in</strong>stitutionellen Kontext verstanden werden können.<br />

Grundzüge des Milieu-Ansatzes<br />

Gemäss der GREMI können Netzwerke als komplexe, auf Gegenseitigkeit beruhende, eher kooperative als<br />

kompetitive Beziehungen zwischen formal unabhängigen Unternehmen beschrieben werden. Dieses Konzept<br />

steht also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Gegensatz zum Cluster-Ansatz von Porter, der sich grundsätzlich auf<br />

Wettbewerbsaspekte konzentrieren. Das Vorhandense<strong>in</strong> solcher Netzwerke wird von der GREMI als<br />

Grundeigenschaft von kreativen Milieus angesehen. Ausserdem versucht die GREMI, im Gegensatz zur<br />

netzwerkorientierten Innovationstheorie der Wirtschaftswissenschaft, e<strong>in</strong>en Ansatz zu formulieren, <strong>in</strong> dem die<br />

räumliche Dimension als wichtiges Element explizit betont wird (Fromhold-Eisebith 1995: 31).<br />

Die Erfassung e<strong>in</strong>es <strong>regionalen</strong> Milieus ist nicht ganz e<strong>in</strong>fach. Mit der Zahl der Publikationen wuchs auch die<br />

Vielfalt der zum Teil recht unterschiedlichen Def<strong>in</strong>itionsvatianten. So wurden die von den GREMI-Mitgliedern<br />

genutzten Konzepte immer komplexer und vielschichtiger. Vere<strong>in</strong>fachend können drei Untersuchungsebenen<br />

unterschieden werden (Fromhold-Eisebith 1995: 32).<br />

• Auf der Mikroebene werden die e<strong>in</strong>zelnen Unternehmer betrachtet, die durch ihre Milieu-E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

Unsicherheit bei der Informationssuche reduzieren und dadurch Transaktionskosten verm<strong>in</strong>dern.<br />

• Auf der kognitiven Ebene wird das Milieu als e<strong>in</strong> Raum geme<strong>in</strong>samer Wahrnehmungen, geme<strong>in</strong>samer<br />

Verhaltensweisen und Konw-hows angesehen.<br />

• Auf organisatorischer Ebene werden die Austauschbeziehungen der e<strong>in</strong>zelnen Akteure und Organisationen<br />

untersucht.<br />

Camagni def<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong> regionales Milieu durch drei konstitutive Kernelemente (Camagni 1991, <strong>in</strong>: Butz<strong>in</strong> 2000:<br />

153).<br />

• E<strong>in</strong> Milieu zeichnet sich durch e<strong>in</strong> Netz <strong>in</strong>formeller sozialer Beziehungen aus, <strong>in</strong> dem Akteure und<br />

Organisationen e<strong>in</strong>e relative Entscheidungsautonomie über die zu treffenden Strategien haben.<br />

22 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

• E<strong>in</strong> Milieu zeichnet sich durch räumliche Abgegrenztheit aus, wobei nicht adm<strong>in</strong>istrative Strukturen, sondern<br />

die Homogenität im Verhalten, <strong>in</strong> der Problemwahrnehmung und <strong>in</strong> der technischen Kultur die Grenzen<br />

bilden.<br />

• E<strong>in</strong> Milieu konstituiert e<strong>in</strong>e gefühlsmäßige E<strong>in</strong>heit und Geschlossenheit nach aussen wie nach <strong>in</strong>nen.<br />

E<strong>in</strong> regionales Milieu muss aber nicht gezwungenermassen auch kreativ se<strong>in</strong>. Erst wenn e<strong>in</strong>e Überschneidung<br />

mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen Netzwerk entsteht, bildet sich e<strong>in</strong> kreatives Milieu (Abbildung 6). Innovationsnetzwerke<br />

werden als Voraussetzung für die Aufnahme externer Informationen angesehen. Damit diese Informationen<br />

regionsspezifisch <strong>in</strong> Wert gesetzt werden können, braucht es e<strong>in</strong>e Verknüpfung mit dem <strong>regionalen</strong> Milieu. Diese<br />

Überlegungen weisen auf die zentrale Bedeutung der Offenheit des Systems h<strong>in</strong>, denn e<strong>in</strong>e Innovation entsteht<br />

nicht nur aus den endogenen Logiken des Milieus, sondern ist auch das Ergebnis e<strong>in</strong>er Interaktion mit der<br />

Aussenwelt (Mühl<strong>in</strong>ghaus 2002: 150).<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Rolle <strong>in</strong> diesem Zusammenhang spielen die Akteure, da sie für den entscheidenden persönlichen<br />

Kontakt verantwortlich s<strong>in</strong>d. Wichtig s<strong>in</strong>d vor allem die so genannten mehrdimensionalen Akteure, die als<br />

B<strong>in</strong>deglied zwischen verschiedenen Branchen agieren und die milieurelevante Beziehungen herstellen. Am<br />

<strong>in</strong>teressantesten s<strong>in</strong>d mehrdimensionale Verknüpfungen, so genannte <strong>in</strong>terlook<strong>in</strong>g systems. Mit diesem Begriff<br />

s<strong>in</strong>d spezifische Akteure geme<strong>in</strong>t, die gleichzeitig mehreren Organisationen angehören. Dadurch ermöglichen sie<br />

e<strong>in</strong>en optimalen Informationsaustausch zwischen den Firmen und e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung mehrerer<br />

Organisationen. Solche Personen werden <strong>in</strong> der Literatur auch als gate keeper oder high communicator<br />

bezeichnet (Fromhold-Eisebith 1995: 39).<br />

Implikationen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Fromhold-Eisebith ist von der Nützlichkeit und Anwendbarkeit des Milieu-Ansatzes überzeugt und<br />

argumentiert, dass der E<strong>in</strong>bezug <strong>in</strong>formeller Verb<strong>in</strong>dungen neue Sichtweisen und Interpretationen der<br />

Regionalentwicklung eröffnen, denn dadurch gerät auch das Zusammenwirken regionaler Akteure jenseits<br />

formeller Verb<strong>in</strong>dungen <strong>in</strong> den Blickw<strong>in</strong>kel. Ist e<strong>in</strong> Milieu empirisch erfassbar bzw. nachweisbar, so lassen sich<br />

zum Beispiel regionale Wirkungsansätze von Forschungse<strong>in</strong>richtungen erkennen, die formell noch wenig,<br />

<strong>in</strong>formell aber vielfältig mit umliegenden Firmen kooperieren. Demnach s<strong>in</strong>d Milieuverflechtungen als<br />

Potentiale e<strong>in</strong>er Region im H<strong>in</strong>blick auf die Generierung von Innovationen aufzeigbar. Ist das Fehlen e<strong>in</strong>es<br />

Milieus als Ursache für ausbleibende positive Entwicklungen erkannt, können entsprechende Massnahmen<br />

(milieuorientierte Regionalpolitik) ergriffen werden (Fromhold-Eisebith 1995: 31f).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 23


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

Abbildung 6: Innovationsnetz, Milieu und kreatives Milieu.<br />

Quelle: nach Fromhold-Eisebith 1995: 36.<br />

Butz<strong>in</strong> (2000) h<strong>in</strong>gegen steht der politischen Anwendbarkeit dieses Ansatzes eher kritisch gegenüber und fragt<br />

sich, ob es überhaupt möglich ist, Innovationsfähigkeit <strong>in</strong> nicht<strong>in</strong>novativen Milieus zu schaffen. In den Augen<br />

der GREMI ist das regionale Milieu e<strong>in</strong>e höchst bedeutsame sozial- und lokalkulturelle E<strong>in</strong>bettung für <strong>in</strong>novative<br />

Netzwerke und damit die Hauptdeterm<strong>in</strong>ante des milieuspezifischen Wahrnehmens, Lernens und Handelns.<br />

Gemäss Butz<strong>in</strong> kann vor diesem H<strong>in</strong>tergrund das Milieu als räumlich immobile, langlebige und relativ stabile<br />

Infrastruktur bezeichnet werden. Dieser so def<strong>in</strong>ierte historische und räumlich verwurzelte Kontext entziehe sich<br />

jeglichem planungstechnischen top-down-Zugriff und ist weder politik- noch strategiefähig. Oder anders gesagt,<br />

unter solchen Voraussetzungen sei das regionale Milieu kaum politischen E<strong>in</strong>griffen zugänglich (Butz<strong>in</strong> 2000:<br />

153ff).<br />

Kritik des Milieu-Ansatzes<br />

Die verschiedenen Spielarten der Milieuansätze werden <strong>in</strong> der wissenschaftlichen Debatte vielfach kritisiert. Im<br />

Folgenden s<strong>in</strong>d die wichtigsten drei Kritikpunkte aufgeführt.<br />

• E<strong>in</strong>er der Vorwürfe besteht dar<strong>in</strong>, dass der Milieu-Ansatz erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Region als <strong>in</strong>novativ<br />

bezeichnen kann und dabei e<strong>in</strong>e Erklärung schuldig bleibt, wodurch die Entwicklung zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>novativen<br />

Region e<strong>in</strong>geleitet wird. Im Blickfeld verbleiben nur erfolgreiche Beispiele, während die nicht erfolgreichen<br />

Regionen ausgeblendet werden. Die Ursache für diesen Mangel wird dar<strong>in</strong> gesehen, dass die Befunde der<br />

vielen Fallstudien kaum theoriegeleitet s<strong>in</strong>d (Messerli/Perlik 2001: 13).<br />

24 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

• E<strong>in</strong>e schwierige und nicht immer befriedigend gelöste Aufgabe besteht <strong>in</strong> der Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

angemessenen Untersuchungsdesigns für empirische Milieustudien. Oft ist nicht klar, welche<br />

Untersuchungsmethodik angewendet wurde. Innovative Milieus mittels Kontakttagebüchern der Akteure zu<br />

erfassen, wie es Fromhold-Eisebith vorschlägt, ist nicht immer ausreichend und verlangt ausserdem e<strong>in</strong>en<br />

unzumutbaren Effort der zu untersuchenden Akteure. Um die konstituierenden sozialen und ökonomischen<br />

Prozesse und ihre <strong>in</strong>stitutionelle E<strong>in</strong>bettung adäquat zu erfassen, sollte darum e<strong>in</strong> sorgfältig entworfenes<br />

qualitatives Forschungsdesign angewandt werden (Bathelt/Glückler 2002: 193).<br />

• Butz<strong>in</strong> wirft der <strong>in</strong>duktiven Forschung der GREMI e<strong>in</strong>e tautologische Argumentation vor, die gegen jeden<br />

Erklärungsanspruch immunisiert ist: "Von <strong>in</strong>novativen Milieus soll dann gesprochen werden, wenn e<strong>in</strong>e<br />

lokale Innovationsfähigkeit bereits vorhanden ist" (Butz<strong>in</strong> 2000: 153).<br />

2.3.3 Das Konzept der lernenden Region<br />

Der Ansatz der lernenden Region tauchte Mitte der neunziger Jahre das erste Mal <strong>in</strong> der Literatur auf und ist <strong>in</strong><br />

den Folgejahren besonders im nördlichen Europa weiterentwickelt worden. Das Konzept setzt dort an, wo die<br />

GREMI-Schule aufhört und stellt Konzepte des Lernens und regionaler Innovationsprozesse <strong>in</strong> den Mittelpunkt.<br />

So wird die Bedeutung der lokalen und <strong>regionalen</strong> soziokulturellen Dimension, der <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und der sozialen Netzwerke als Voraussetzung für Wissen und Kreativität betont. Diese<br />

gelten als Motoren der unternehmerischen und regionalwirtschaftlichen Entwicklung.<br />

Grundzüge der lernenden Region<br />

Wissensgenerierung und Lernprozesse spielen im Konzept der lernenden Region e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Dabei kann<br />

man unterschieden zwischen learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g, learn<strong>in</strong>g by us<strong>in</strong>g und dem <strong>in</strong> räumlicher H<strong>in</strong>sicht besonders<br />

wichtigen learn<strong>in</strong>g by <strong>in</strong>teract<strong>in</strong>g, manchmal auch learn<strong>in</strong>g by network<strong>in</strong>g genannt. Letzteres ist verantwortlich<br />

für die Schaffung von neuem Wissen mittels engen Kontakten <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Wertschöpfungskette und lässt sich<br />

im Gegensatz etwa zu Beratungstätigkeiten nicht kaufen, sondern kann nur durch persönliche Teilnahme<br />

erworben werden. Grundgedanke der lernenden Region ist, dass e<strong>in</strong> wichtiger Teil des Wissens nicht explizit,<br />

sondern nur implizit vorhanden ist. Implizites Wissen ist an Personen und ihren sozialen Kontext gebunden und<br />

ist daher nur begrenzt kommunizierbar. Es kann nur <strong>in</strong> <strong>in</strong>teraktiven und kooperativen Lernprozessen zugänglich<br />

gemacht werden. E<strong>in</strong> zentraler Begriff <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist das so genannte tacit knowledge. Dieses<br />

Wissen ist weder kodifizierbar noch handelbar und spiegelt sich <strong>in</strong> organisatorischen Strukturen und<br />

<strong>in</strong>stitutionellen Rout<strong>in</strong>en wieder (Butz<strong>in</strong> 2000: 155).<br />

In japanischen Firmen, wo die Idee des lernenden Unternehmens besonders fortgeschritten ist, wird das System<br />

des <strong>in</strong>teraktiven und kooperativen Lernens kaizen genannt. Darunter wird e<strong>in</strong> Prozess kont<strong>in</strong>uierlicher<br />

Verbesserung durch <strong>in</strong>teraktive Lernprozesse und Problemlösung verstanden. Ausserdem sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der<br />

japanischen Kultur der Begriff des Wissens e<strong>in</strong>e breitere Bedeutung zu haben als im Westen. "Some Japanese<br />

authors have argued that Japanese firms have a very different understand<strong>in</strong>g of knowledge to that what prevails<br />

<strong>in</strong> the West. The argument here is that Japanese firms view formal, codified knowledge as merely the tip of the<br />

iceberg, because knowledge is felt to be primarily tacit, and tacit knowledge is highly personal, hence it is not<br />

easily codified and communicated" (Morgan 1997: 493).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 25


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

Damit implizites Wissen erworben werden kann, braucht es e<strong>in</strong>e dynamische und flexible Organisation <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Unternehmen, zwischen verschiedenen Unternehmen und zwischen Unternehmen und der <strong>regionalen</strong><br />

Gesellschaft. Vor allem Netzwerken mit horizontalen und schwachen B<strong>in</strong>dungen wird e<strong>in</strong> grosses<br />

Innovationspotential zugeschrieben, weil sie flexibel und für e<strong>in</strong>e Vielzahl von Informationskanälen offen s<strong>in</strong>d<br />

(Morgan 1997: 494). Damit ist <strong>in</strong>direkt auch die Gefahr des lock-<strong>in</strong> angesprochen. Die Strukturen des<br />

Neztwerkes verkrusten und die Dynamik erliegt. Die Gefahr e<strong>in</strong>es lock-<strong>in</strong> ist <strong>in</strong>sbesondere dann gross, wenn die<br />

Offenheit der Netzwerke für neue Ideen begrenzt und die <strong>in</strong>terne Me<strong>in</strong>ungsvielfalt e<strong>in</strong>geschränkt ist. Besonders<br />

schwerwiegend kann e<strong>in</strong> lock-<strong>in</strong>-Prozess <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken se<strong>in</strong>, weil dadurch ganze<br />

Regionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Strukturkrise geraten können, wie dies beispielsweise im Ruhrgebiet geschehen ist (Bathelt/<br />

Glückler 2002: 165).<br />

Im Konzept der lernenden Region unterscheidet man grundsätzlich zwei Modelle von Innovationsprozessen: e<strong>in</strong><br />

L<strong>in</strong>eares und e<strong>in</strong> Lernendes. Das l<strong>in</strong>eare Innovationsmodell bezeichnet vere<strong>in</strong>facht gesagt e<strong>in</strong>en gradl<strong>in</strong>igen<br />

Übergang von Forschung über Entwicklung bis zur Diffusion des neuen Produktes. E<strong>in</strong>e entsprechende<br />

<strong>in</strong>novationsorientierte Politik wird top-down auf die Schaffung von Forschungs- und Transfere<strong>in</strong>richtungen und<br />

auf die Stärkung der Angebotsseite setzen. Die Nachfrageseite sowie das Akzeptanz- und Lernproblem bleiben<br />

unberücksichtigt. Das lernende Innovationsmodell dagegen setzt nicht alle<strong>in</strong> auf Wissenschaft und Forschung als<br />

externe Ideenproduzenten, sondern auf die Schaffung von Wissen als <strong>in</strong>tegrale Aktivität verschiedener,<br />

vernetzter Akteure. Im Zentrum stehen die Nachfrageseite und der bottom-up-Gedanke, d.h. die Fähigkeit der<br />

<strong>regionalen</strong> Akteure, sich selbst zu steuern (Butz<strong>in</strong> 2000: 156).<br />

Implikationen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Zur Realisierung von learn<strong>in</strong>g by network<strong>in</strong>g müssen folgende Aspekte berücksichtigt werden (nach Pommeranz<br />

2000: 185):<br />

• Es benötigt e<strong>in</strong>e Netzwerkarchitektur, die e<strong>in</strong>en offenen Netzwerkzugang, lose Koppelungen zwischen den<br />

Akteuren und anderen Netzwerken und e<strong>in</strong>e Überlappung zwischen Netzwerken ermöglicht.<br />

• Weiter ist e<strong>in</strong>e evolutionäre Perspektive von Nöten, wobei Evolution nicht als l<strong>in</strong>eare Optimierung verstanden<br />

werden sollte.<br />

• Zudem bedarf es e<strong>in</strong>e gewisse Form von Nähe und territorialer E<strong>in</strong>gebundenheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e lokale Soziokultur<br />

mit geme<strong>in</strong>samen Verhaltensnormen. Dadurch kann die Vermittlung <strong>in</strong>formeller Wissensstände und die<br />

Mobilisierung brachliegender Ressourcen.<br />

• Schliesslich sollte <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivation und e<strong>in</strong>e Handlungskoord<strong>in</strong>ierung mittels wechselseitigen face-toface<br />

Kontakten und ger<strong>in</strong>gen Machtgefällen begünstigt werden, damit geeignete Konsenslösungen gefunden<br />

und umgesetzt werden können.<br />

In den Augen von Pommeranz reicht für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terorganisationale Vernetzung der netzwerkspezifische Ansatz<br />

der Selbstregulierung jedoch nicht aus. Vielmehr sei e<strong>in</strong> strategisch orientiertes, nicht eigenen Interessen<br />

verpflichtetes Management erforderlich. Es dürften sich somit auch für die lernende Region besondere, so<br />

genannte Governance-Modelle anbieten. Diese stellen e<strong>in</strong>e Mischform der staatlich hierarchischen top-down-<br />

Steuerung und der Selbstregulierung <strong>in</strong> dezentralen bottom-up-Netzwerken dar. Zentrale Aufgabe des<br />

26 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Regionalökonomische Theorien<br />

Netzwerkmanagements ist es, mit der lokal vorhandenen Soziokultur e<strong>in</strong>e lernorientierte Regionalpolitik mittels<br />

Moderations- und Mediationstechniken anzuregen. Diese Aufgabe wird häufig von staatlicher Seite oder<br />

staatsnahen Institutionen wahrgenommen und kann gemäss Pommeranz als e<strong>in</strong> wesentliches Kernelement<br />

zukünftiger staatlicher Aufgabenwahrnehmung bezeichnet werden (Pommeranz 2000: 186).<br />

E<strong>in</strong>ige Autoren bezeichnen die lernende Region als neue Generation der Regionalpolitik, wobei sich die Ziele im<br />

Vergleich zur traditionellen Regionalpolitik von der Infra-Struktur zur Info-Struktur verlagern. Butz<strong>in</strong> jedoch<br />

f<strong>in</strong>dtet es problematisch, dass man das Konzept der lernenden Region bereits jetzt, im noch nicht ausgereiften<br />

Stadium, als regionalpolitische Strategie empfiehlt. Die Bewährung des Ansatzes stehe noch aus. Wenn der<br />

Ansatz e<strong>in</strong>en höheren Gebrauchswert erhalten soll, so muss dem gegenwärtigen Entwurfsstadium sowohl e<strong>in</strong>e<br />

empirisch breitere Basis als auch e<strong>in</strong>e theoretische Weiterentwicklung folgen (Butz<strong>in</strong> 2000: 156).<br />

Kritik des Konzepts der lernenden Region<br />

Das Konzept der lernenden Region ist auf den Lernprozess zwischen Organisationen gerichtet und leistet damit<br />

e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag für e<strong>in</strong>e netzwerkorientierte, regionale Entwicklungspolitik. Allerd<strong>in</strong>gs weist auch<br />

dieser Ansatz noch erhebliche Defizite auf.<br />

Butz<strong>in</strong> (2000: 159) kritisiert vor allem die Fixierung auf kurzfristiges wirtschaftliches Denken: "E<strong>in</strong> Durchgang<br />

durch die e<strong>in</strong>schlägige Literatur belegt fast durchgängig e<strong>in</strong>e Fixierung auf kurzfristiges wirtschaftliches<br />

Denken, auf Effizienz- und Wettbewerbssteigerung, zudem e<strong>in</strong>en Verzicht auf jede kritische Diskussion und die<br />

Ausblendung von Zielen des Lernens, die auf Zukunftsfähigkeit der Entwicklung gerichtet s<strong>in</strong>d. Dass diese<br />

Blickverengung weder verantwortbar noch akzeptanzfähig oder langfristig effizient, ja sogar kontraproduktiv ist,<br />

legt die evolutorische Perspektive nahe" (Butz<strong>in</strong> 2000: 159).<br />

Hass<strong>in</strong>k (2001) kritisiert die “fuzzyness” des Konzepts. Nach ihm ist die Def<strong>in</strong>ition zu vage. Auch Politiker<br />

hätten sich nie darum bemüht, <strong>in</strong> ihren Programmen den Begriff der lernenden Region genauer zu determ<strong>in</strong>ieren.<br />

Es ist also ke<strong>in</strong> Wunder, dass gewisse Autoren die lernende Region als schwammiges Konzept bezeichnen.<br />

Hass<strong>in</strong>k (2001:226) me<strong>in</strong>t, dass "the fuzz<strong>in</strong>ess leads to a too large variety of <strong>in</strong>terpretations which impede both<br />

the empirical test<strong>in</strong>g of the concept and the communication between academic researchers and policy-makers".<br />

Zusätzlich zur eben erwähnten Kritik s<strong>in</strong>d gemäss Hass<strong>in</strong>k (2001: 227) noch andere Defizite relevant:<br />

• Erstens kritisiert er, dass zu wenig auf die Verschiedenheit von Industrien geachtet werde. Verschiedene<br />

Arten von Produkte benötigten auch verschiedene Arten von Innovationssyteme.<br />

• Zweitens sei der Fokus zu stark auf Lernprozesse <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation gerichtet, während<br />

<strong>in</strong>dividuelles Lernen kaum betont werde.<br />

• Als dritter Punkt kritisiert Hass<strong>in</strong>k, dass die Rolle des Staates zu wenig beachtet werde. Damit die Strategie<br />

der lernenden Region erfolgreich sei, müssten die Auswirkungen von nationalen oder gar <strong>in</strong>ternationalen<br />

Innovationssytemen auf die Zusammenarbeit und das <strong>in</strong>novative Verhalten der Firmen ebenfalls<br />

berücksichtigt werden.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 27


2. Regionalökonomsiche Theorien<br />

• Schließlich dürfe man nicht vergessen, dass sich das Konzept auf das endogene Potential e<strong>in</strong>er Region stützt.<br />

Diese soziokulturellen und -ökonomischen Voraussetzungen seien allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong> strukturstarken Regionen<br />

vorhanden.<br />

28 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


3. Evolutionäre Perspektive<br />

Wenn man von Evolution spricht, so denkt man wohl zunächst an die Evolutionstheorie von Darw<strong>in</strong> und damit<br />

an e<strong>in</strong>en biologisch bed<strong>in</strong>gten und von Mutationen geprägten Selektionsprozess. In Anlehnung an die<br />

biologische Evolutionstheorie haben sowohl die Ökonomie als auch die Soziologie evolutionäre Perspektiven<br />

entwickelt. Die Übertragung des Begriffes auf ökonomische Zusammenhänge erfolgt erstmals durch den<br />

Ökonomen Schumpeter (Hotz-Hart 2001: 156). Später entwickeln andere Autoren wie beispielsweise Nelson<br />

(1988) das Konzept weiter. Ende der 1980er Jahre legten Freeman, Lundvall und Nelson (1992) die Grundste<strong>in</strong>e<br />

des Ansatzes Nationaler Innovationssysteme (NIS), der ebenfalls e<strong>in</strong>e evolutionäre Perspektive e<strong>in</strong>nimmt.<br />

3.1 Grundzüge der Evolutionsökonomie<br />

Rückt man Elemente wie Prozess und Wandel <strong>in</strong> den Mittelpunkt der Überlegungen, so entfernt man sich<br />

gezwungenermassen von der klassisch determ<strong>in</strong>istischen Ökonomie. Determ<strong>in</strong>istische Theorien können nicht als<br />

evolutionäre Theorien gelten, weil sie den Wandel als determ<strong>in</strong>ierte Funktion vorgeben. Der Wandel wird dabei<br />

als Reaktion der Individuen auf Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und exogene Änderungen verstanden. Niemals wird<br />

thematisiert, wie diese Rahmenbed<strong>in</strong>gungen aktiv gestaltet werden können. Im Mittelpunkt stehen<br />

Strukturanalysen und Gleichgewichtsmodelle. Dabei werden wichtige Aspekte des Wandels <strong>in</strong> modernen<br />

Volkswirtschaften nicht untersucht (Hotz-Hart 2001: 156f). Im Unterschied zu traditionellen, neoklassischen<br />

Theoriegebäuden stellt die Evolutionsökonomie erstmals den endogen erzeugten technologischen Wandel <strong>in</strong> den<br />

Mittelpunkt ökonomischer Prozesse, und es werden auch zufällige, nicht vorhersehbare Grössen mite<strong>in</strong>bezogen.<br />

Die entscheidende Stärke liegt also <strong>in</strong> der Thematisierung der zeit-räumlichen Dynamik. Die strukturelle<br />

Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>er Region ist ke<strong>in</strong>e absolute und <strong>in</strong>variante Grösse, sondern vielmehr abhängig von dem<br />

sich fortwährend ändernden Umfeld (Butz<strong>in</strong> 159f).<br />

Grundkonzept der Evolutionstheorie<br />

Im Folgenden sollen die wichtigsten Konzepte der Evolutionstheorie und ihre Anwendungen <strong>in</strong> ökonomischen<br />

Bereichen dargestellt werden (vgl. Bathelt/Glückler 2002: 195f):<br />

• Das äussere Ersche<strong>in</strong>ungsbild e<strong>in</strong>es Organismus wird <strong>in</strong> der Genetik als Phänotyp bezeichnet. Aus der<br />

Perspektive der Evolutionsökonomie entspricht dem Phänotypen das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 29


3. Evolutionäre Perspektive<br />

• Der Genotyp oder das Erbbild e<strong>in</strong>es Organismus repräsentiert se<strong>in</strong>e exakte genetische Ausstattung. Die<br />

kollektive Erb<strong>in</strong>formation e<strong>in</strong>er Art, def<strong>in</strong>iert durch die Fähigkeit der geme<strong>in</strong>samen Reproduktion, wird als<br />

Population bezeichnet. In der Evolutionsökonomie werden Unternehmen ebenfalls zu Populationen, <strong>in</strong> Form<br />

von Branchen, Organisationstypen, Regionen etc., zusammengefasst.<br />

• Gene enthalten die spezifischen Erb<strong>in</strong>formationen e<strong>in</strong>es Genotyps und repräsentieren den biologischen<br />

Bauplan der Organismen. Als Gene von Unternehmen werden <strong>in</strong> der Evolutionsökonomie organisatorische<br />

Rout<strong>in</strong>en wie beispielsweise spezifische Strukturen, Abläufe und Traditionen <strong>in</strong> der Produktion angesehen<br />

(Nelson/W<strong>in</strong>ter 1974, <strong>in</strong>: Bathelt/Glückler 2002: 196).<br />

• Fitness beschreibt <strong>in</strong> der Evolutionsökonomie analog zum biologischen Verständnis die Überlebensfähigkeit<br />

von Unternehmen, Technologien etc. Durch Selektion werden die stärksten Organismen überleben, während<br />

schwache Eigenschaften und Individuen verdrängt werden. Der Evolutionsökonomie gebührt die Aufgabe,<br />

Kriterien der Selektion <strong>in</strong> sozialen, ökonomischen und kulturellen Umwelten zu identifizieren und zu<br />

beschreiben.<br />

• Durch zufällige Mutationen von Genen können <strong>in</strong> der Biologie genetische Variationen entstehen, die im<br />

Prozess der Selektion ihre Fitness beweisen müssen. In der Evolutionsökonomie wird die sozio-<strong>in</strong>stitutionelle<br />

Umwelt als selektive Grösse verstanden, welche für die Überlebensfähigkeit von Innovationen massgblich ist.<br />

Dabei können Innovationen vere<strong>in</strong>facht als Mutationen gedacht werden, da ihre Fitness auch vom sozio<strong>in</strong>stitutionellen<br />

Kontext abhängt und somit zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad zufällig ist.<br />

Innovationen und Pionierunternehmer nach Schumpeter<br />

Schumpeter, 1883 <strong>in</strong> Österreich geboren, ist ke<strong>in</strong> typischer Vertreter der Neoklassik. Se<strong>in</strong> Ziel besteht dar<strong>in</strong>, die<br />

Mechanismen wirtschaftlicher Entwicklung zu erklären. Dafür will er die statischen Modelle der Ökonomie um<br />

e<strong>in</strong>en dynamisch-prozesshaften Aspekt erweitert wissen. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach lassen sich wirtschaftliche<br />

Veränderungen nur aus e<strong>in</strong>er historischen Perspektive begreiflich machen (Lazonick 1994: 252).<br />

Für Schumpeter s<strong>in</strong>d zur Erklärung zyklischer Verläufe der Wirtschaft zwei Aspekte von zentraler Bedeutung:<br />

Erstens, die von Innovationen ausgehende Dynamik ökonomischen Geschehens. Innovationen im<br />

Schumpeter’schen S<strong>in</strong>ne enthalten dabei drei wichtige Dimensionen (vgl. Hotz-Hart 2005):<br />

• E<strong>in</strong>e Innovation ist die Umsetzung e<strong>in</strong>er neuen, nützlichen Idee, und zwar von ihrer Entstehung (Invention)<br />

bis zur praktischen Anwendung am Markt (Exploitation).<br />

• Innovieren bedeutet die Fähigkeit, neue Komb<strong>in</strong>ationen zu erkennen und durchzusetzen.<br />

• Innovation ist umfassend zu verstehen und be<strong>in</strong>haltet neben der technischen auch e<strong>in</strong>e ökonomische, soziale<br />

und rechtliche Dimension.<br />

E<strong>in</strong>e zweite wichtige Rolle spielt der Pionierunternehmer. Schumpeter bezeichnet e<strong>in</strong>e Person als Unternehmer,<br />

wenn sie <strong>in</strong> der Lage ist, neue Komb<strong>in</strong>ationen, <strong>in</strong>sbesondere neue Produkte, Produktionsverfahren und<br />

Organisationsstrukturen am Markt durchzusetzen. Können diese neuen Komb<strong>in</strong>ationen erfolgreich etabliert<br />

werden, entsteht für den Unternehmer e<strong>in</strong> so genannter Unternehmergew<strong>in</strong>n, d.h. e<strong>in</strong> vorübergehender<br />

30 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


3. Evolutionäre Perspektive<br />

Monopolgew<strong>in</strong>n aus der zunächst konkurrenzlosen Vermarktung der Innovation (Bathelt/Glückler 2002: 202f).<br />

In der Folge treten Nachahmer auf, welche die Neuerung <strong>in</strong> der gesamten Volkswirtschaft verbreiten und damit<br />

den Unternehmergew<strong>in</strong>n reduzieren (Hotz-Hart 2001: 18).<br />

Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt, d.h. nach dem Auftauchen grosser, monopolistischer Unternehmen, wechselt<br />

Schumpeter die Perspektive und kommt zur Überzeugung, dass die professionellen F&E Laboratorien<br />

marktbeherrschender Unternehmen die Quelle <strong>in</strong>novatorischer Dynamik <strong>in</strong> den Volkswirtschaften seien. Damit<br />

verliert die Romantik des Innovationspioniers an Bedeutung (Hotz-Hart 2001: 20). Laut Lazonick hat<br />

Schumpeter <strong>in</strong> den letzten Jahren vor se<strong>in</strong>em Tod (1950) deutlich erkannt, dass Innovationen <strong>in</strong> modernen<br />

Volkswirtschaften nicht länger von willensstarken Individuen, sondern von hoch spezialisierten Teams getragen<br />

werden (Lazonick 1994: 252).<br />

Die Bedeutung evolutionärer Lernprozesse<br />

Lernen und Wissensgenerierung spielen <strong>in</strong> der Evolutionsökonomie e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. Für Unternehmen<br />

s<strong>in</strong>d Lernprozesse mit Risiken und Unsicherheiten behaftet, denn die wachsende und unüberschaubare Mischung<br />

von Informationen stellt den E<strong>in</strong>zelnen vor e<strong>in</strong> beträchtliches Auswahlproblem. Die Menschen suchen darum<br />

Sicherheit <strong>in</strong> gewissen Verhaltensmustern, anhand derer sie zum<strong>in</strong>dest ansatzweise ihren Lernprozess orientieren<br />

können. Institutionelle Regeln üben e<strong>in</strong>e solche Sicherheitsfunktion aus, <strong>in</strong>dem sie auf historisch gewachsene<br />

und meist bewährte Strukturen zurückgreifen. Solche Institutionen begrenzen aber auch den Handlungsspielraum<br />

und können als gesellschaftlich festgelegte Zwänge <strong>in</strong>terpretiert werden (Hotz-Hart 2001: 157f). Der durch<br />

Lernprozesse bed<strong>in</strong>gte Wandel ist darum ke<strong>in</strong>eswegs ungerichtet. Die spezifische Geschichte von<br />

Entscheidungen, Verhaltensweisen, Denkmustern oder E<strong>in</strong>stellungen verläuft entlang evolutionärer Pfade oder<br />

Trajektorien, die durch ihre Vergangenheit bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d. Entsprechend wird die Richtung des<br />

Innovationsprozesses durch bestehende Technologien geprägt, welche die Möglichkeiten des technologischen<br />

Wandels abstecken und damit e<strong>in</strong>en technologischen Entwicklungspfad def<strong>in</strong>ieren. Der Prozess der<br />

Wissensgenerierung ist somit e<strong>in</strong> kumulativer, evolutionärer Prozess, der auf Lernprozessen und<br />

Erfahrungswissen basiert (Bathelt/Glückler 2000: 173). Zudem basiert aus evolutionstheoretischer Sicht der<br />

Prozess der Wissensgenerierung auf vielfältigen Interaktionen zwischen ökonomischen Akteuren. Entscheidend<br />

ist, dass neues Wissen und neue Technologien nicht nur e<strong>in</strong> Ergebnis von Forschungsaktivitäten s<strong>in</strong>d, sondern<br />

dass sie zum grossen Teil aus der Produktion und den damit zusammenhängenden Lernprozessen resultieren<br />

(Bathelt/Glückler 2000: 175).<br />

Implikationen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Die evolutionäre Perspektive bereichert die wirtschaftsgeographische Theoriebildung und die regionalpolitische<br />

Diskussion um e<strong>in</strong>ige entscheidende Dimensionen (vg. Butz<strong>in</strong> 2000: 160ff):<br />

• Als methodologische Konsequenz der evolutionären Perspektive ergibt sich zum e<strong>in</strong>en, dass das Individuum<br />

zugunsten des Netzwerks als Analyseobjekt an Bedeutung verliert, und zum andern, dass e<strong>in</strong>e<br />

Berücksichtigung zeitlich weiterer Horizonte erforderlich wird, weil soziale Evolution <strong>in</strong> langfristigen<br />

Zeiträumen stattf<strong>in</strong>det.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 31


3. Evolutionäre Perspektive<br />

• Diversität und Redundanz der Handlungsmuster werden als systemische (nicht als <strong>in</strong>dividuell<br />

akteursbezogene) Ressourcen thematisiert und für die Zukunftsfähigkeit e<strong>in</strong>er Region als unabd<strong>in</strong>gbar<br />

angesehen. Verschiedene Autoren führen empirische Belege dafür an, dass Diversität die Lernkapazität stärke<br />

und für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Entwicklung von Technologie und Forschung e<strong>in</strong>e zentrale Rolle spiele. Viele<br />

Handlungsempfehlungen aus Fallstudien schlagen dementsprechend ausdrücklich e<strong>in</strong>e Bewahrung der<br />

lokalen Diversität vor. Ganz <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne plädieren e<strong>in</strong>ige Autoren für e<strong>in</strong>e Aufrechterhaltung oder<br />

Schaffung von regionaler Diversität und Redundanz, da dies auf Dauer ger<strong>in</strong>gere Kosten verursache, als die<br />

Befreiung e<strong>in</strong>er Region aus der Falle der Pfadabhängigkeit.<br />

• Die Fähigkeit zu erfolgreichen, <strong>regionalen</strong> Anpassungsprozessen verlangt gemäss evolutionärer Perspektive<br />

e<strong>in</strong>e ganz bestimmte Netzwerkarchitektur, <strong>in</strong> der bestimmte Strukturqualitäten vorherrschen sollten: Offene<br />

und lose Vernetzungen sowie Überlappungen der Netzwerke. Zwar können funktional geschlossene<br />

Netzwerke für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit erfolgreich se<strong>in</strong>, erfahren dabei aber e<strong>in</strong>e Verengung ihrer Wahrnehmungs-,<br />

Lern- und Handlungsmuster auf bewährte Rout<strong>in</strong>en und somit e<strong>in</strong>en zunehmenden Verlust an <strong>in</strong>stitutioneller<br />

Diversität. Sehr dichte soziale Netzwerke unterstützen zwar e<strong>in</strong>e starke kollektive Identität, fördern aber auch<br />

die Entfaltung uniformer Handlungsformen. Entsprechend stellen lose Koppelungen <strong>in</strong>nerhalb und zwischen<br />

Netzwerken evolutionäre Vorteile sowie erhöhte Lernfähigkeit und Kreativität her.<br />

• Die evolutionäre Perspektive schwenkt von e<strong>in</strong>er statischen Kurzfristperspektive, die ausschliesslich auf<br />

Wettbewerbsvorteile fokussiert, auf e<strong>in</strong>e dynamische Langfristperspektive. Die Berücksichtigung<br />

langfristiger Zeithorizonte als Beobachtungs- und Entwicklungsrahmen eröffnet dadurch die Dimension der<br />

Zukunftsfähigkeit. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund hätte e<strong>in</strong>e regionale Entwicklungsstrategie neben konkreten,<br />

optimierenden Effizienz- und Anpassungszielen auch e<strong>in</strong>e Vielfalt von Lösungen zu suchen und zu fördern.<br />

Neben best-practice-Lösungen s<strong>in</strong>d auch kurzfristig suboptimale Verfahren und Ideen zuzulassen und zu<br />

entwickeln.<br />

• Als Steuerungsmodell für die wirtschaftliche Entwicklung e<strong>in</strong>er Region sollte aus evolutionärer Perspektive<br />

e<strong>in</strong>e Kontextsteuerung durch Netzwerke verfolgt werden. E<strong>in</strong> regionales Netzwerk sollte nicht als e<strong>in</strong><br />

selbstorganisierendes soziales System konzipiert, sondern durch Fremdorganisation geführt werden. Das<br />

Management e<strong>in</strong>er Region hätte somit die Aufgabe, die Selbstorganisation zu organisieren.<br />

Kritik der Evolutionsökonomie<br />

Die Evolutionstheorie birgt wertvolle H<strong>in</strong>weise für den Aufbau strategischer Netzwerke, die auf e<strong>in</strong>e<br />

Zukunftsfähigkeit der <strong>regionalen</strong> Entwicklung zielt. E<strong>in</strong> erfolgreicher und dauerhafter Entwicklungsprozess<br />

erfordert besonders die Dimensionen der Diversität. Gemäss Butz<strong>in</strong> ist allerd<strong>in</strong>gs zu beachten, dass e<strong>in</strong>e zu<br />

grosse Heterogenität die Entwicklung beh<strong>in</strong>dert, da sie die Kommunikations-, Lern- und Handlungsfähigkeit und<br />

damit auch die Anpassungsmöglichkeit des Netzwerkes schwächen kann (Butz<strong>in</strong> 2000: 164). Die Hauptkritik<br />

richtet sich jedoch vor allem an die frühen Konzepte der Evolutionsökonomie. So tragen die konzeptionellen<br />

Analogien aus der evolutionären Biologie dazu bei, dass die Bedeutung des Handelns von Akteuren<br />

unterschlagen wird. Die Übertragung des Lebenszyklus e<strong>in</strong>es Organismus auf soziale Phänomene führt zu e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>adäquaten Verständnis von Unternehmen. E<strong>in</strong> Unternehmen ist nicht als Organismus aufzufassen, der e<strong>in</strong>em<br />

natürlichen Gesetz von Wachstum und Sterben unterliegt. Zudem s<strong>in</strong>d Unternehmen weniger komplex als<br />

32 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


3. Evolutionäre Perspektive<br />

lebende Organismen und haben weder e<strong>in</strong>e vorgegebene Lebensspanne noch e<strong>in</strong>e natürliche Grösse. Ähnliche<br />

Probleme bestehen, wenn man Lebenszyklen auf Industrieregionen übertragen will. Regionen lassen sich<br />

ke<strong>in</strong>esfalls mit lebenden Organismen vergleichen (Bathelt/Glückler 2002: 199).<br />

3.2 Nationale Innovationssysteme<br />

Ende der 1980er Jahre legten Freeman, Lundvall und Nelson die Grundste<strong>in</strong>e des Ansatzes Nationaler<br />

Innovationssysteme (NIS). Später wurde die Konzeption auch auf die regionale Ebene übertragen, woraus sich<br />

der Begriff Regionale Innovationssysteme (RIS) entwickelte. (Bathelt/Depner 2003: 128f). Im Konzept<br />

Nationaler Innovationssysteme wird ausschliesslich auf das nationale Territorium fokussiert, weil, so die<br />

Argumentation, der Nationalstaat nach wie vor die wesentlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für das<br />

Innovationsgeschehen bereitstellt und Bevölkerung sowie Unternehmen oft über national geprägte kulturelle<br />

Identitäten verfügen (Thomi/Werner 2001: 205f). Gegenüber traditionellen ökonomischen Modellen weist das<br />

NIS-Konzept im Wesentlichen drei Besonderheiten auf: Die erste Besonderheit besteht <strong>in</strong> der Betonung der<br />

Genese und des Transfers von Wissen. Zweitens werden die kooperativen Formen des Wirtschaftens und der<br />

Wettbewerb am Markt auf gleicher Stufe gegenübergestellt, und schliesslich werden auch sozio-kulturelle<br />

Aspekte explizit <strong>in</strong> die Analyse mite<strong>in</strong>bezogen (Hotz-Hart et al. 2003: 23).<br />

Def<strong>in</strong>ition<br />

Für Nationale Innovationssysteme gibt es ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>gültige Def<strong>in</strong>ition. Je nach Theorieschule wird systemakteur-<br />

oder netzwerkzentriert argumentiert. Abbildung 7 zeigt e<strong>in</strong>ige Def<strong>in</strong>itionen verschiedener Autoren.<br />

All diese Def<strong>in</strong>itionen haben e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>sam: die Bedeutung und das Vorhandense<strong>in</strong> von Institutionen.<br />

Unterschiede f<strong>in</strong>den sich lediglich <strong>in</strong> der Gewichtung spezifischer Faktoren. Wilhelm (2000: 52) def<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong><br />

Nationales Innovationssystem folgendermassen: "In se<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>sten Form ist e<strong>in</strong> Innovationssystem also<br />

e<strong>in</strong> Subsystem des Wirtschaftssystems, <strong>in</strong> dem Elemente <strong>in</strong>nerhalb def<strong>in</strong>ierter Grenzen <strong>in</strong> <strong>in</strong>terdependenten<br />

Beziehungen stehen. Aus diesem System werden Innovationen im weitesten S<strong>in</strong>ne hervorgebracht und verbreitet.<br />

Dieser Innovationsprozess geschieht aus impliziter und/oder expliziter Absicht heraus. Die Grenzen e<strong>in</strong>es<br />

Innovationssystems können funktional, durch Institutionen oder durch räumliche Grenzen, beispielsweise e<strong>in</strong>er<br />

Region oder Nation gezogen se<strong>in</strong>" (Wilhelm 2000: 52).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 33


3. Evolutionäre Perspektive<br />

• “...the network of <strong>in</strong>stitutions <strong>in</strong> the public and private sectors whose activities and <strong>in</strong>teractions<br />

<strong>in</strong>itiate, import, modify and diffuse new technologies” (Freeman 1987).<br />

• “...the elements and relationships which <strong>in</strong>teract <strong>in</strong> the production, diffusion and use of new, and<br />

economically useful knowledge and are either located with<strong>in</strong> or rooted <strong>in</strong>side the boarders of a<br />

nation state” (Lundvall 1992).<br />

• “...a set of <strong>in</strong>stitutions whose <strong>in</strong>teractions determ<strong>in</strong>e the <strong>in</strong>novative performance of national<br />

firms” (Nelson 1993).<br />

• “...the national <strong>in</strong>stitutions, their <strong>in</strong>centive structures, and their competencies, that determ<strong>in</strong>e the<br />

rate and the direction of technological learn<strong>in</strong>g (of the volume and composition of change<br />

generat<strong>in</strong>g activities) <strong>in</strong> a country” (Patel/Pavitt 1994).<br />

• “...that set of dist<strong>in</strong>ct <strong>in</strong>stitutions which jo<strong>in</strong>tly and <strong>in</strong>dividually contribute to the development<br />

and diffusion of new technologies and which provides the framework with<strong>in</strong> which<br />

governments form and implement policies to <strong>in</strong>fluence the <strong>in</strong>novation process. As such it is a<br />

system of <strong>in</strong>terconnected <strong>in</strong>stitutions to create, store, and transfer the knowledge, skills, and<br />

artefacts which def<strong>in</strong>e new technologies” (Metcalfe 1995).<br />

Abbildung 7: Verschiedene Def<strong>in</strong>itionen e<strong>in</strong>es Nationalen Innovationssystems.<br />

Quelle: OECD 1997, <strong>in</strong>: Wilhelm 2000:52.<br />

Marktversagen im Innovationsbereich<br />

Das NIS-Konzept entstand unter anderem durch die E<strong>in</strong>sicht, dass <strong>in</strong> vielen Innovationsbereichen Marktversagen<br />

herrscht. Wissen und technischer Fortschritt können als semi-öffentliche Güter verstanden werden. E<strong>in</strong>erseits<br />

s<strong>in</strong>d Basis- und Grundlagewissen latent öffentliche Güter, weil sie generisch und auf breiter Basis angewendet<br />

werden können. Andererseits ist angewandtes Wissen e<strong>in</strong> partiell privates Gut, weil es massgeschneidert auf<br />

spezifische Unternehmen ist und dessen Netzung gewisse Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt (Nelson 1988:<br />

314f).<br />

Zudem besteht e<strong>in</strong> Konflikt zwischen betriebs- und volkswirtschaftlichen Interessen. Wenn es um die<br />

Verbreitung und Diffusion von Technologie und Wissen geht, stehen sich zwei grundsätzlich verschiedene<br />

Positionen gegenüber. Das volkswirtschaftliche Ziel besteht <strong>in</strong> der raschen Verbreitung und Anwendung von<br />

Innovationen. Neue Ideen sollen sich so schnell wie möglich verbreiten, so dass die gesamte Gesellschaft zu<br />

günstigen Konditionen davon profitieren kann. Die betriebswirtschaftliche Seite h<strong>in</strong>gegen beabsichtigt e<strong>in</strong>e<br />

Internalisierung der Vorteile. Wenn die Unternehmen e<strong>in</strong>e Innovation auf den Markt br<strong>in</strong>gen, wollen sie<br />

zum<strong>in</strong>dest temporär e<strong>in</strong>e Art Monopolrente abschöpfen, ansonsten würden sie kaum <strong>in</strong> private Forschung und<br />

Entwicklung (F&E) <strong>in</strong>vestieren (Nelson 1988: 314). Die Herausforderung besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Gleichgewicht<br />

zwischen Technologiediffusion und -schutz zu f<strong>in</strong>den, so dass der grösstmögliche volkswirtschaftliche Nutzen<br />

erreicht werden kann.<br />

34 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


3. Evolutionäre Perspektive<br />

E<strong>in</strong> ähnliches Spannungsfeld besteht zwischen der Grundlageforschung an Universitäten und der angewandten<br />

Forschung <strong>in</strong> der Industrie. Akademische Forscher gew<strong>in</strong>nen durch die Veröffentlichung ihrer<br />

Forschungsresultate Reputation, während die <strong>in</strong>dustrielle Forschung versucht, ihre Resultate möglichst lange<br />

geheim zu halten, um aus den Investitionen <strong>in</strong> F&E e<strong>in</strong>e angemessene Wertschöpfung zu generieren.<br />

Damit bleibt festzuhalten, dass der Markt ke<strong>in</strong>e genügenden Leistungsanreize bietet, um Wissen und technischer<br />

Fortschritt sowie Grundlageforschung <strong>in</strong> der gesamtwirtschaftlich optimalen Höhe bereitzustellen. Als Lösung<br />

wird darum oft e<strong>in</strong>e Subvention dieser Bereiche durch den Staat <strong>in</strong> Betracht gezogen, und zwar über<br />

Universitäten und öffentliche Forschungs<strong>in</strong>stitute (Hotz-Hart 2001: 130).<br />

Die Rolle verschiedener Institutionen<br />

Nelson (1988) betont drei Institutionen, welche <strong>in</strong> Nationalen <strong>Innovationssystemen</strong> zentrale Rollen e<strong>in</strong>nehmen:<br />

• Private Unternehmen bezeichnet Nelson (1988: 316) als die zentralen Akteure <strong>in</strong> kapitalistischen<br />

<strong>Innovationssystemen</strong>: "R&D carried out by bus<strong>in</strong>ess firms, <strong>in</strong> rivalry with other firms <strong>in</strong> the same <strong>in</strong>dusty and<br />

look<strong>in</strong>g to <strong>in</strong>novation to get ahead or stay up, is the heart of the modern capitalist eng<strong>in</strong>e". Zudem ist er<br />

überzeugt, dass "...<strong>in</strong> most <strong>in</strong>dustries the lion’s share of <strong>in</strong>novative effort is made by the firms themselves"<br />

(Nelson 1992: 351).<br />

• Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die Bedeutung der Universitäten als Teil des kapitalistischen Motors stetig<br />

gewachsen. In modernen, <strong>in</strong>dustriellen <strong>Innovationssystemen</strong> spielen sie zwei verschiedene Rollen. E<strong>in</strong>erseits<br />

s<strong>in</strong>d sie Orte, wo Wissenschaftler und Ingenieure ihre formale Ausbildung bekommen. Andererseits liefern<br />

sie durch ihre Forschung Ideen für Produkt- und Prozess<strong>in</strong>novationen, welche für die praktizierende Industrie<br />

von enormer Wichtigkeit s<strong>in</strong>d (Nelson 1988: 318f).<br />

• Seit Ende des zweiten Weltkrieges wurde auch die staatliche Unterstützung für F&E zu e<strong>in</strong>em wichtigen Teil<br />

des kapitalistischen Innovationssystems. Die Rolle des Staates wird dabei <strong>in</strong> verschiedenen Ländern ganz<br />

unterschiedlich def<strong>in</strong>iert. In Japan beispielsweise unterstützte die MITI (M<strong>in</strong>istry of International Trade and<br />

Industry) gezielt ganz bestimmte Industriezweige, die so genannten <strong>in</strong>fant <strong>in</strong>dustries, um sie für den<br />

Weltmarkt fit zu machen. In den USA h<strong>in</strong>gegen versuchte man, ausser <strong>in</strong> militärischen Bereichen, kaum die<br />

Entwicklung von Technologien zu planen und zu organisieren (Nelson 1988: 324).<br />

Treibende Kräfte <strong>in</strong> Nationalen <strong>Innovationssystemen</strong><br />

Nelson (1992: 358ff) versucht unter anderem herauszuf<strong>in</strong>den, welche Umstände <strong>in</strong> Nationalen<br />

<strong>Innovationssystemen</strong> herrschen müssen, damit e<strong>in</strong>e hohe Innovationskraft erreicht werden kann und sich starke,<br />

wettbewerbsfähige Firmen ansiedeln. Zwei wichtige Eigenschaften br<strong>in</strong>gt er dabei zur Sprache:<br />

• Zum e<strong>in</strong>en betont er die Bedeutung des Aus- und Weiterbildungssystems. Dabei sei es wichtig, dass die<br />

Universitäten ihre Studenten auch mit Blick auf die <strong>in</strong>dustriellen Bedürfnisse ausbilden würden. Die bessere<br />

Abstimmung zwischen dem Universitätssystem und der Industrie sei mit e<strong>in</strong> Grund, warum für lange Zeit die<br />

amerikanische und deutsche gegenüber der französischen und englischen wissenschaftsbasierten Industrie im<br />

Vorteil war. Die Industrie benötige aber nicht nur Universitätsabgänger, sie braucht auch viele, gebildete<br />

Arbeitskräfte ausserhalb des F&E Bereichs. Diese Leute können entweder von den Firmen selber (wie <strong>in</strong><br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 35


3. Evolutionäre Perspektive<br />

Japan) oder <strong>in</strong> externen Weiterbildungse<strong>in</strong>heiten (wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen deutschen und schwedischen Industrien)<br />

ausgebildet werden. Die geschickte Komb<strong>in</strong>ation öffentlicher Aus- und privater Weiterbildung ist also e<strong>in</strong><br />

wichtiger Aspekt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nationalen Innovationssystem. Unter den ertragsstarken Ländern schneiden<br />

Deutschland, Japan und Schweden <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht um e<strong>in</strong>iges besser ab als Grossbritannien und<br />

Australien. Auch zwischen den weniger entwickelten Ländern sei der Unterschied zwischen den<br />

erfolgreichen Nationen (Taiwan, Korea) und den eher stagnierenden Ländern (Brasilien, Argent<strong>in</strong>ien)<br />

beachtlich (Nelson 1992: 359).<br />

• Zum anderen hebt Nelson die Wichtigkeit des makroökonomischen Klimas hervor. Se<strong>in</strong>e Studie hat<br />

gezeigt, dass e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Fiskal-, Geld- und Handelspolitik, welche den Export attraktiv macht,<br />

e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen hat. Exportanreize<br />

s<strong>in</strong>d laut Nelson wichtig, weil die meisten Firmen, die nicht auf dem Weltmarkt konkurrieren, kaum<br />

wettbewerbsfähig se<strong>in</strong> würden.<br />

Implikationen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Mitte der 1980er Jahre begann die OECD mit der Berichterstattung über Forschung und Entwicklung im<br />

nationalen Kontext, wobei das NIS-Konzept e<strong>in</strong>en wichtigen Stellenwert e<strong>in</strong>nimmt. Solche Analysen sollen<br />

helfen, die Aufgaben der Regierungen besser zu def<strong>in</strong>ieren und e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>novationsgetriebenen Wachstumsprozess<br />

zu <strong>in</strong>itiieren. Zusammengefasst resultieren aus den bisherigen Analysen der OECD drei Erkenntnisse, welche für<br />

das Management Nationaler Innovationssysteme relevant s<strong>in</strong>d (OECD 1999: 21f):<br />

• Kompetitive Märkte s<strong>in</strong>d zwar notwendig aber nicht h<strong>in</strong>reichend, um Innovation zu stimulieren und den<br />

Nutzen der Wissensakkumulation auf der Ebene von Firmen und Individuen effizient abzuschöpfen. Firmen<br />

s<strong>in</strong>d nicht "simple algorithms to optimise production functions" (OECD 1999: 21), sondern lernende<br />

Organisationen, dessen Effizienz von verschiedenen, oft länderspezifischen Bed<strong>in</strong>gungen abhängt.<br />

• Agglomerationen und Technologiecluster generieren positive Netzwerkexternalitäten und s<strong>in</strong>d wichtige<br />

Quellen, um aus privaten und öffentlichen Investitionen <strong>in</strong> F&E höhere Erträge zu erwirtschaften.<br />

• Zusätzlich zur Korrektur von Marktversagen müssen Regierungen Verantwortung übernehmen und<br />

<strong>in</strong>stitutionelle Rahmenbed<strong>in</strong>gungen schaffen, die den Wissensaustausch unter Firmen und zwischen marktund<br />

nicht-marktorientierten Organisationen verbessern.<br />

Aus dieser Aufstellung wird deutlich, dass das NIS-Konzept vor allem e<strong>in</strong> Instrument zur Analyse von<br />

länderspezifischen Innovationsprozessen sowie e<strong>in</strong> Leitfaden für die Politikformulierung darstellt (OECD 1999:<br />

21ff). In diesem S<strong>in</strong>ne bietet es neue, an die komplexen Gegebenheiten angepasste Handlungsvorschläge und<br />

plädiert für e<strong>in</strong>e Technologiepolitik, die ihr Augenmerk auf e<strong>in</strong> mögliches Systemversagen lenkt. Gemäss<br />

Wilhelm (2000: 54) s<strong>in</strong>d für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Steuerung durch wirtschaftspolitische Entscheidungsträger<br />

Kenntnisse über Systemzusammenhänge <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Innovationssystems wichtig. Netzwerke sollen<br />

<strong>in</strong>novative Cluster und enge Kunden- und Zuliefererbeziehungen begünstigen, um den Wissensfluss sowie die<br />

Beziehungen und Partnerschaften zwischen den Akteuren zu verbessern. Darüber h<strong>in</strong>aus wird vom NIS-Konzept<br />

die Erhöhung der Aufnahmekapazität von Innovationen <strong>in</strong> Unternehmen als weitere Priorität der Politik genannt.<br />

Dies kann unterstützt werden, <strong>in</strong>dem sowohl Netzwerke lanciert als auch technische, organisatorische sowie<br />

36 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


3. Evolutionäre Perspektive<br />

Managementfähigkeiten <strong>in</strong> den Unternehmen verbessert werden. Auch Investitionen <strong>in</strong> die <strong>in</strong>terne F&E, die<br />

Weiterbildung und <strong>in</strong> die Informationstechnologie sollen gefördert werden (Wilhelm 2000: 54).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 37


3. Evolutionäre Perspektive<br />

38 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


4. Netzwerkperspektive<br />

Die Verwendung des Netzwerkbegriffs ist mit e<strong>in</strong>er bestimmten Perspektive zur Analyse der Wirklichkeit<br />

verbunden. Diese fokussiert auf die gegenseitigen sozialen Beziehungen zwischen den Akteuren. Im Mittelpunkt<br />

stehen nicht Individuen sondern Beziehungen. Die Protagonisten der Netzwerkperspektive, beispielsweise Mark<br />

Granovetter, erheben den Anspruch, mit diesem Ansatz die klassisch-kontroverse Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>in</strong> den<br />

Sozialwissenschaften zwischen der voluntaristischen Akteurstheorie und der determ<strong>in</strong>istischen<br />

Systemperspektive zu versöhnen (vgl. Balthasar 1998: 31). Unter anderem müssen Netzwerke im Lichte der<br />

Transaktionskostendiskussion gesehen werden, wo sie als B<strong>in</strong>deglied zwischen Markt und Hierarchie verstanden<br />

werden können. Deshalb wird im ersten Teil dieses Kapitels auf die Transaktionskosten <strong>in</strong> der New Institutional<br />

Economics e<strong>in</strong>gegangen, bevor wir uns im zweiten Teil der New Economic Sociology von Granovetter zuwenden.<br />

4.1 Transaktionskosten <strong>in</strong> der New Institutional Economics<br />

In der Epoche des so genannten Fordismus erfolgte im Idealfall die komplette Fertigung e<strong>in</strong>es Produktes unter<br />

e<strong>in</strong>heitlicher Organisation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Unternehmen. Der zentrale Vorteil dieser vertikalen und<br />

horizontalen Integration bestand im E<strong>in</strong>sparen von Transaktionskosten, die durch das regelmässige Aushandeln<br />

zugekaufter Produkte entstehen. Coase, der berühmte Ökonom und Nobelpreisträger, bevorzugt jedoch e<strong>in</strong>en<br />

differenzierteren Ansatz und unterscheidet zwei mögliche Steuerungs- und Koord<strong>in</strong>ationssysteme: Auf der e<strong>in</strong>en<br />

Seite betrachtet er das Unternehmen, das auf hierarchischen Anweisungsstrukturen basiert. Auf der andern Seite<br />

steht das Marktsystem, <strong>in</strong> dem Transaktionskosten preisgesteuert s<strong>in</strong>d. Die Entscheidung darüber, welche<br />

Austauschprozesse über den Markt und welche unternehmens<strong>in</strong>tern abgewickelt werden, hängt von den<br />

entstehenden Kosten ab. Dies ist der Ursprung der Transaktionskostentheorie, womit Auslagerungen von<br />

Betriebsteilen ökonomisch erklärt werden können. Der Ansatz von Coase wurde anfangs als re<strong>in</strong> hypothetisches<br />

Konstrukt kritisiert und als empirisch unbrauchbar abgelehnt (Bathelt/Glückler 2002: 155f). Erst den Arbeiten<br />

von Williamson und se<strong>in</strong>em Konzept der New Institutional Economics ist es zu verdanken, dass der Ansatz <strong>in</strong><br />

den 1970er und 1980er Jahren wieder entdeckt und erheblich erweitert wurde (Messerli 2001: 14f). Nach<br />

Williamson entstehen im Leistungsaustausch vielfältige Kosten für die Informationssuche und -beschaffung, für<br />

Vertragsvere<strong>in</strong>barung und -abschluss, bei der Kontrolle und Sicherung der Qualität sowie zur Koord<strong>in</strong>ation und<br />

Steuerung von Transaktionen. Das Ziel des Transaktionskostenansatzes besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> analytisches Schema<br />

zur Klärung des make-or-buy-Problems zu entwickeln und für jede Transaktion die Grenze zu identifizieren, bis<br />

zu der sie unternehmens<strong>in</strong>tern effizienter als unternehmensextern erbracht werden kann. So werden zum Beispiel<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 39


4. Netzwerkperspektive<br />

hochspezifische Transaktionen tendenziell <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong>tegriert, da hierbei die Kontroll- und<br />

Überwachungskosten am ger<strong>in</strong>gsten s<strong>in</strong>d. In se<strong>in</strong>er Konzeptionalisierung schränkt Williamson die Bedeutung<br />

von Netzwerkbeziehungen allerd<strong>in</strong>gs stark e<strong>in</strong> und bewertet sie letztlich als temporäre, labile<br />

Organisationsformen von Transaktionen. Mit dieser E<strong>in</strong>schätzung steht Williamson im Widerspruch zu vielen<br />

empirischen Studien, die <strong>in</strong> den 1980er Jahren gerade die Bedeutung solcher Beziehungen hervorgehoben haben.<br />

Zudem besteht nach Williamson mit zunehmender Unsicherheit die Tendenz, dass sich e<strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> die<br />

Extreme, also entweder <strong>in</strong> den Markttausch oder <strong>in</strong> die Unternehmenshierarchie, verflüchtigt. Somit bilden<br />

Netzwerkbeziehungen <strong>in</strong> dieser Konzeptionalisierung nur e<strong>in</strong>e Nischenform der Organisation von<br />

Tauschprozessen (Bathelt/Glückler 2002: 156ff).<br />

4.2 Netzwerke <strong>in</strong> der New Economic Sociology<br />

Die Literatur über <strong>in</strong>dustrielle Agglomerationen hat sich <strong>in</strong> letzter Zeit zu Gunsten e<strong>in</strong>es neuen Konzeptes<br />

entwickelt. Im Ansatz der New Economic Sociology von Granovetter wird der Transaktionskostenansatz von<br />

Williamson <strong>in</strong> Frage gestellt. Die Kritik konzentriert sich dabei auf die untersozialisierte Konzeption des Homo<br />

Oeconomicus, nach der jeder Akteur sche<strong>in</strong>bar kontextfrei und unbee<strong>in</strong>flusst von se<strong>in</strong>er konkreten Umwelt<br />

handelt. Granovetter (1985: 483ff) argumentiert, dass <strong>in</strong> der bisherigen Debatte über Transaktionskosten<br />

lediglich auf e<strong>in</strong> übersozialisiertes und e<strong>in</strong> untersozialisiertes Paradigma fokussiert wurde.<br />

• In der untersozialisierten Konzeption der neoklassischen Theorie kommt dem Markt e<strong>in</strong>e selbst<br />

regulierende Funktion von Transaktionskosten über die Preise zu. Dem Pr<strong>in</strong>zip des vollständigen<br />

Wettbewerbs liegt die Annahme zugrunde, dass isolierte Akteure <strong>in</strong> vollständig rationalen<br />

Entscheidungsprozessen ihren Nutzen maximieren, und daher soziale Beziehungen ke<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

• Die übersozialisierte Konzeption der Soziologie h<strong>in</strong>gegen vertritt die Ansicht, dass jedes Individuum im<br />

Zuge der Sozialisation gesellschaftliche Werte und Normen ver<strong>in</strong>nerlicht, so dass das Verhalten des<br />

E<strong>in</strong>zelnen automatisch den gesellschaftlichen Regeln folgt.<br />

Bei beiden Paradigmen herrscht gemäss Granovetter e<strong>in</strong>e isolierte Perspektive vor. Im Falle des<br />

untersozialisierten Akteurs besteht das Handlungsmotiv <strong>in</strong> der Nutzenmaximierung, im Falle des<br />

übersozialisierten Akteurs <strong>in</strong> der ver<strong>in</strong>nerlichten Norm, die se<strong>in</strong> Handeln steuert (Granovetter 1985: 483ff).<br />

Diese Beobachtungen haben Granovetter veranlasst, <strong>in</strong> der New Economic Sociology das Konzept der<br />

embeddedness zu entwickeln. Bei diesem Ansatz ereignet sich ökonomisches Handeln nicht zwischen isolierten<br />

Akteuren, sondern ist e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> Systeme sozialer Beziehungen. Granovetter betont zwei Dimensionen der<br />

embeddedness (Bathelt/Glückler 2002: 160):<br />

• Die relationale embeddedness kennzeichnet die Qualität der Beziehungen zwischen zwei Akteuren, wobei<br />

das Vertrauen als <strong>in</strong>formelle Institution zur Reduktion von Unsicherheit fungiert.<br />

• Die strukturelle embeddedness kennzeichnet die Qualität der Netzwerkstruktur zwischen e<strong>in</strong>er Menge von<br />

Akteuren. Für den Missbrauch von Vertrauen können die Konsequenzen aus struktureller Perspektive äusserst<br />

40 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


4. Netzwerkperspektive<br />

gravierend se<strong>in</strong>, da sich e<strong>in</strong> allfälliger Vertrauensverlust nicht nur auf den geschädigten Partner, sondern auch<br />

auf weitere verbundene Unternehmen auswirken kann.<br />

Embeddedness bezieht sich demnach auf die Tatsache, dass ökonomisches Handeln durch die gegenseitigen<br />

Beziehungen und die Struktur der Netzwerke bee<strong>in</strong>flusst wird. Der Ansatz betont, dass ökonomisches Handeln<br />

als soziales Handeln gesehen werden muss, und dass Netzwerke sowohl als Zwischenform zwischen Markt und<br />

Hierarchie, als auch als Wegbereiter für die Bildung von Institutionen verwendet werden können (Am<strong>in</strong>/Thrift<br />

1996: 12).<br />

Netzwerkbeziehungen haben laut Granovetter gegenüber Unternehmenshierarchien den Vorteil, dass sie sich<br />

flexibler an veränderte Rahmenbed<strong>in</strong>gen anpassen können, und dass aufgrund der vorhandenen Ideen- und<br />

Me<strong>in</strong>ungsvielfalt das lock-<strong>in</strong> Risiko ger<strong>in</strong>ger ist. Die Gefahr e<strong>in</strong>es lock-<strong>in</strong> besteht jedoch nicht nur <strong>in</strong><br />

Unternehmenshierarchien sondern ist auch <strong>in</strong> Netzwerken gegeben, wie Grabher (1993) am Beispiel des<br />

Ruhrgebiets demonstriert. Das Ruhrgebiet, mit se<strong>in</strong>er glamourösen Vergangenheit, hat zunehmend mit dem<br />

fortschreitenden Strukturwandel zu kämpfen. Die Stärken der Vergangenheit, wie die <strong>in</strong>dustrielle Atmosphäre,<br />

die weit entwickelte und höchst spezialisierte Infrastruktur, die engen Beziehungen zwischen den Firmen, die<br />

starke politische Unterstützung usw. erweisen sich heute als Innovationsh<strong>in</strong>dernisse. Die regionale Entwicklung<br />

wurde e<strong>in</strong>geschlossen <strong>in</strong> die sozio-ökonomischen Bed<strong>in</strong>gungen, welche die Region e<strong>in</strong>st so herausragend machte<br />

(Grabher 1993: 255f). E<strong>in</strong> solches System verliert die Fähigkeit, sich selber zu reorganisieren und auf<br />

unvorhersehbare Veränderungen zu reagieren.<br />

In diesem Zusammenhang betont Grabher (1993: 265) die Wichtigkeit von unspezifischen und ungebundenen<br />

Kapazitäten und Redundanzen. Redundanzen ermöglichen nicht nur die Adaption von Veränderungen, sie<br />

h<strong>in</strong>terfragen auch die Angemessenheit der Adaption.<br />

Granovetter (1973) argumentiert ähnlich und hebt die Bedeutung nach aussen offener Netzwerke hervor, <strong>in</strong>dem<br />

er die Rolle enger Verb<strong>in</strong>dungen (strong ties) und schwacher Verb<strong>in</strong>dungen (weak ties) für den Informationsfluss<br />

untersucht. Enge Verb<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e grössere Intensität, Häufigkeit, Dauerhaftigkeit und Vertrautheit<br />

gekennzeichnet als schwache Verb<strong>in</strong>dungen. Dabei stellte sich heraus, dass gerade die schwachen Verb<strong>in</strong>dungen<br />

die Erschliessung neuer Wissensquellen fördern und für die Offenheit e<strong>in</strong>es Netzwerkes von zentraler Bedeutung<br />

s<strong>in</strong>d. Granovetter (1973) zeigt auch, dass sich die Offenheit von Netzwerken auch auf die Ausbreitung von<br />

Innovationen niederschlägt. So werden unumstrittene, <strong>in</strong>krementale Innovationen über enge Verb<strong>in</strong>dungen<br />

schnell, radikale Innovationen jedoch eher langsam und vor allem am Rand e<strong>in</strong>es Netzwerks über schwache<br />

Verb<strong>in</strong>dungen verbreitet (vgl. Granovetter 1973).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 41


4. Netzwerkperspektive<br />

42 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


5. Fazit und Fragestellungen<br />

Im ersten Teil dieser Arbeit wurden die wichtigsten Theorien identifiziert, welche im Zusammenhang mit der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung von Regionen e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Dabei wurden sowohl abstrakte<br />

regionalökonomische Modelle (traditionelle Standorttheorien), welche auf neoklassischen Annahmen basieren,<br />

als auch <strong>in</strong>stitutionelle Perspektiven (Territoriale Innovationsmodelle, Nationale Innovationssysteme, New<br />

Economic Sociology), die Regionen als e<strong>in</strong>gebettete E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> komplexe soziale, kulturelle, politische und<br />

historische Kontexte verstehen, dargestellt und diskutiert. Am Ende dieses Kapitels ist e<strong>in</strong>e Übersicht der<br />

verschiedenen Konzepte dargestellt, <strong>in</strong> der die Theorien gemäss den unterschiedlichen ökonomischen<br />

Denkschulen gegliedert s<strong>in</strong>d (vgl. Abbildung 8). Die ausgezogenen und gestrichelten Pfeile repräsentieren starke<br />

bzw. schwache Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den jeweiligen Ansätzen.<br />

5.1 Fazit<br />

Territoriale Innovationsmodelle und Netzwerkansätze haben seit den 1990er Jahren Konjunktur. In e<strong>in</strong>er Zeit des<br />

gesellschaftlichen Umbruchs bieten traditionelle Handlungs- und Erklärungsmuster aus der <strong>in</strong>dustriellen<br />

Vergangenheit kaum Antworten auf wichtige Fragen der heutigen Zeit. Neue Erklärungs- und Strategiemodelle<br />

<strong>in</strong> Wirtschaft und Politik s<strong>in</strong>d gefragt.<br />

Die neuen Ansätze der Regionalwissenschaften stellen zwar ke<strong>in</strong>e grossen Theorien zur Verfügung, liefern aber<br />

trotzdem e<strong>in</strong>ige Schlüsselkonzepte sowohl im analytischen als auch im strategisch-planerischen Zusammenhang.<br />

Verschiedene Autoren argumentieren sogar, dass das Gedankengut der Netzwerkansätze bereits die Stufe e<strong>in</strong>es<br />

neuen Paradigmas erreicht habe. Der Umstand, dass sich die neuen netzwerkorientierten Ansätze erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

frühen Phase der Theorieentwicklung bef<strong>in</strong>den und noch ke<strong>in</strong>e geschlossene Theorie bilden, kann als Grund<br />

dafür gesehen werden, warum die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Netzwerkkonzepten zum Teil mit<br />

gewissen Problemen verbunden ist.<br />

Auf der Suche nach Lösungswegen hat sich die Praxis die Stärken dieser Konzepte schon längst zunutze<br />

gemacht: die Visionen der neuen schweizerischen Regionalpolitik beispielsweise bauen auf diesen<br />

Schlüsselkonzepten auf. Man erhofft sich damit e<strong>in</strong> grösseres Engagement und mehr Mitverantwortung der<br />

Betroffenen, höhere Lernbereitschaft, Kreativität und Innovationskraft. Bei der regionalpolitischen Anwendung<br />

der verschiedenen Theorien ist jedoch e<strong>in</strong>e gewisse Homogenisierung der Konzepte zu erkennen, bei der die<br />

theoretischen Annahmen teilweise abgeschliffen werden. Die Geme<strong>in</strong>samkeiten aller Ansätze, zum Beispiel dass<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 43


5. Fazit und Fragestellungen<br />

regionale Produktionssysteme sich gegenüber global tätigen Netzwerken durchaus erfolgreich behaupten<br />

können, werden um e<strong>in</strong>iges stärker gewichtet, als die Differenzen zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Konzepten (Messerli<br />

2001: 36).<br />

Die grosse Herausforderung auf Seite der Wissenschaft besteht dar<strong>in</strong>, die vagen wissenschaftlichen Ansätze<br />

weiter auszubauen und zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> sich geschlossenen Theorie zusammenzusetzen. Auf Seite der Politik ist es<br />

wichtig, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse richtig <strong>in</strong>terpretiert und umgesetzt werden. Dafür ist e<strong>in</strong>e<br />

sorgfältige Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den wissenschaftlichen Begrifflichkeiten und Konzepten notwendig. E<strong>in</strong>e<br />

politische Orientierung <strong>in</strong> Richtung Netzwerkförderung und Unterstützung von Lernprozessen sche<strong>in</strong>t aber<br />

unbestritten zu se<strong>in</strong>.<br />

5.2 Fragestellungen<br />

Die theoretischen Überlegungen des ersten Teils verdeutlichen, dass Innovationen wichtige Motoren des<br />

<strong>regionalen</strong> Wirtschaftswachstums s<strong>in</strong>d. Viele Theorien behaupten, dass Innovationen kooperations- und<br />

wissensbasiert s<strong>in</strong>d, und aus e<strong>in</strong>em Zusammenspiel unternehmensstrategischer, technologischer und<br />

organisatorischer Fähigkeiten entstehen. Was sagen jedoch konkrete Unternehmen zu diesen Behauptungen?<br />

Welche Faktoren s<strong>in</strong>d aus ihrer Sicht für den Innovationsprozess relevant? Wie engagieren sich<br />

Industrieunternehmen tatsächlich <strong>in</strong> lokalen Unternehmensnetzwerken? S<strong>in</strong>d regionale Beziehungen zu anderen<br />

Unternehmen für den Innovationsprozess und den geschäftlichen Erfolg überhaupt relevant? S<strong>in</strong>d es nicht viel<br />

mehr Kunden- und Zulieferbeziehungen, welche den Innovationsprozess antreiben? Solche Fragen stehen im<br />

Zentrum des zweiten Teils dieser Arbeit. Trotz der be<strong>in</strong>ahe unüberschaubaren Menge an Untersuchungen im<br />

Bereich der netzwerkorientierten Regionalentwicklung bestehen nach wie vor empirische Lücken <strong>in</strong> der<br />

qualitativen Charakterisierung von <strong>Beziehungsverflechtungen</strong>. Aus diesem Grund stehen für die Fallstudie<br />

folgende Problemkomplexe im Zentrum:<br />

1. Welche Faktoren bee<strong>in</strong>flussen den Innovationsprozess von Industrieunternehmen?<br />

1.1. Wer bee<strong>in</strong>flusst den Innovationsprozess?<br />

1.2. Welche Faktoren beh<strong>in</strong>dern den Innovationsprozess?<br />

1.3. Welche Faktoren begünstigen den Innovationsprozess?<br />

Als erstes soll die Frage nach den grundsätzlichen Faktoren gestellt werden, welche für den Innovationsprozess<br />

e<strong>in</strong>es Industrieunternehmens relevant s<strong>in</strong>d. Das Ziel besteht dar<strong>in</strong>, die von den Unternehmen wahrgenommene<br />

Bedeutung regionaler Unternehmensnetzwerke im Vergleich zu anderen Determ<strong>in</strong>anten zu beurteilen.<br />

2. Wie charakterisieren sich regionale Unternehmensnetzwerke?<br />

2.1. Welche formalen Netzwerkstrukturen lassen sich erkennen?<br />

2.2. Welche Chancen und Risiken (Probleme) werden wahrgenommen?<br />

44 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


5. Fazit und Fragestellungen<br />

2.3. Wie können Firmen gemäss ihren Kooperationsstrategien charakterisiert werden?<br />

Die zweite Fragestellung ist im Kontext der ersten zu sehen. Sollten sich regionale Unternehmensnetzwerke als<br />

wichtige Akteure im Innovationsprozess erweisen, können <strong>in</strong>teressante Schlussfolgerungen bezüglich<br />

Erfolgsfaktoren solcher Netzwerke ermittelt werden. Werden von den Firmen regionale Unternehmensnetzwerke<br />

jedoch als unbedeutende Faktoren im Innovationsprozess wahrgenommen, so können die entsprechenden<br />

Probleme identifiziert und genauer untersucht werden.<br />

3. Wie können <strong>in</strong>novative Unternehmensnetzwerke gestärkt werden?<br />

3.1. Welche Rolle soll dabei die Politik übernehmen?<br />

3.2. Welche Rolle soll die Wissenschaft übernehmen?<br />

3.3. Welche Rolle soll die Wirtschaft übernehmen?<br />

3.4. Welche Rolle soll das Netzwerkmanagement übernehmen?<br />

Schliesslich bildet e<strong>in</strong> wichtiger Aspekt dieser Studie die Frage nach den <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />

welche den Erfolg von Unternehmen mitbestimmen, die an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und<br />

Industrie arbeiten und sich auf die Entwicklung von Innovationen konzentrieren. Aus Sicht der Theorie erfolgen<br />

Innovationen aufgrund e<strong>in</strong>er günstigen Konstellation zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Aus diesem<br />

Grund thematisiert die dritte Fragestellung die entsprechenden Rollen dieser Akteure und formuliert konkrete<br />

Vorschläge, wie dadurch regionale Unternehmensnetzwerke wirkungsvoll und effizient gestärkt werden können.<br />

Für die Beantwortung dieser Fragen ist e<strong>in</strong>e klare Def<strong>in</strong>ition des Innovationsbegriffs unumgänglich.<br />

Wissenschaftliche Entdeckungen und technische Neuerungen können nur <strong>in</strong> ökonomische Erträge umgewandelt<br />

werden und den Wohlstand e<strong>in</strong>er Gesellschaft erhöhen, wenn sie <strong>in</strong> Innovationen e<strong>in</strong>fliessen und auf diese Weise<br />

e<strong>in</strong>e breite Anwendung f<strong>in</strong>den. Innovationen sollen deshalb als Neuerungen def<strong>in</strong>iert werden, die erfolgreich am<br />

Markt abgesetzt werden können. Bei dieser Def<strong>in</strong>ition spielen zwei Elemente e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. E<strong>in</strong>erseits ist<br />

es die Neuartigkeit e<strong>in</strong>es Produktes oder e<strong>in</strong>er Dienstleistung, andererseits spielt auch der Markterfolg e<strong>in</strong>e<br />

entscheidende Rolle. Nur durch e<strong>in</strong>e erfolgreiche Etablierung am Markt kann e<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dungen zugänglich<br />

gemacht und e<strong>in</strong> zusätzlicher volkswirtschaftlicher Nutze generieren werden. Innovationsprozesse werden <strong>in</strong><br />

diesem S<strong>in</strong>ne als Entwicklung e<strong>in</strong>er Innovation def<strong>in</strong>iert, die von der Produktidee über die Produktentwicklung<br />

und -produktion bis zur Etablierung am Markt führt. Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel e<strong>in</strong>s erwähnt, werden wir uns <strong>in</strong> der<br />

vorliegenden Untersuchung auf Produkt<strong>in</strong>novationen konzentrieren und Prozess<strong>in</strong>novationen ausklammern.<br />

Grundsätzlich soll herausgefunden werden, wie Firmen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken<br />

zusammenarbeiten, um neue Produkte am Markt zu etablieren.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 45


5. Fazit und Fragestellungen<br />

Abbildung 8: Ursprünge verschiedener regionalökonomischer Theorien.<br />

Quelle: vgl. Moulaert/Sekia 2003: 295.<br />

46 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


2. Teil:<br />

Fallstudie Micro Center<br />

Central-Switzerland<br />

(MCCS)<br />

Nachdem im ersten Teil der Arbeit e<strong>in</strong>e ausführliche Diskussion der aktuellen<br />

wissenschaftlichen Debatte geführt wurde, werden wir uns nun auf die Praxis<br />

konzentrieren und e<strong>in</strong>e ausführliche Netzwerkanalyse e<strong>in</strong>es spezifischen<br />

Fallbeispiels durchführen. Der zweite Teil gliedert sich <strong>in</strong> drei Teile:<br />

• Kapitel 6 beleuchtet den Untersuchungskontext, <strong>in</strong>dem das Fallbeispiel<br />

vorgestellt und e<strong>in</strong>en Überblick über die Branchenstruktur des<br />

Wirtschaftsraumes Zentralschweiz gegeben wird.<br />

• Kapitel 7 erläutert das methodische Vorgehen und die verfolgte<br />

Forschungsstrategie für die Fallstudie.<br />

• In Kapitel 8 werden schliesslich die Ergebnisse der empirischen Untersuchung<br />

präsentiert und die ersten beiden Forschungsfragen beantwortet.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 47


48 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

In diesem Kapitel wird nun der Fokus auf die Praxis gerichtet und e<strong>in</strong> konkretes Unternehmensnetzwerk genauer<br />

betrachtet. Dazu wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Teil der Untersuchungsgegenstand (Micro Center Central Switzerland AG)<br />

und dessen Entstehung und strategische Ausrichtung vorgestellt. Im zweiten Teil wird mittels e<strong>in</strong>er so genannten<br />

Shift-Analyse die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz untersucht und beurteilt. Damit kann<br />

der wirtschaftliche Kontext des Fallbeispiels angemessen erfasst und e<strong>in</strong> erstes Bild von den ökonomischen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gewonnen werden.<br />

6.1 Micro Center Central Switzerland (MCCS) AG<br />

Konzeptionell ist die Untersuchung als Fallstudie angelegt. Als Objekt für die Fallstudie wurde die<br />

Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz der Micro Center Central-Switzerland (MCCS) AG gewählt. Diese<br />

hat das Ziel, die Chancen der neuen Technologie zu nutzen und die Zentralschweiz zu e<strong>in</strong>er Kompetenzregion für<br />

Mikrotechnologie von überregionaler Bedeutung zu entwickeln (Waser 2005: 6). Räumlich wird die Initiative<br />

durch die sechs Zentralschweizer Kantone abgegrenzt: LU, UR, SZ, OW, NW, ZG (siehe Abbildung 9).<br />

Abbildung 9: Räumliche Abgrenzung der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 49


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Der Ursprung der Mikrotechnologie-Initiative geht auf die Obwaldner Industrie zurück, die e<strong>in</strong>en<br />

Forschungspartner <strong>in</strong> der Region suchte. Darauf h<strong>in</strong> hat man mit verschiedenen Institutionen und Unternehmen<br />

gesprochen, wobei man schliesslich auf das csem <strong>in</strong> Neuenburg gestossen ist. Neben der Wirtschaft war der<br />

Kanton Obwalden e<strong>in</strong>e entscheidende Triebkraft bei der Lancierung des Projektes. Noch heute kommen die<br />

Hälfte der Kantonsgelder für die MCCS AG vom Kanton Obwalden, während dem sich die anderen Kantone<br />

(Luzern, Uri, Schwyz, Nidwalden, Zug) die andere Hälfte teilen. Im Rahmen von Leistungsvere<strong>in</strong>barungen der<br />

MCCS AG mit den Zentralschweizer Kantonen sowie dem csem <strong>in</strong> Neuenburg wird die Mikrotechnologie-<br />

Forschung im csem ZCH für die Jahre 2004 bis 2007 durch jährliche Beiträge von je 1.5 Millionen SFr.<br />

f<strong>in</strong>anziert. Dies bedeutet, dass dem csem ZCH jährlich 3 Millionen SFr. für anwendungsorientierte<br />

Forschungsprojekte im Bereich der Mikrotechnologie zur Verfügung stehen (Waser 2005: 27).<br />

Abbildung 10: Umsätze von MCCS und csem ZCH im Jahre 2004.<br />

Quelle: Waser 2005: 27.<br />

Parallel zu den Forschungsaktivitäten werden zusätzlich Erträge aus <strong>in</strong>dustriellen Entwicklungsprojekten<br />

akquiriert. Der Umsatz durch Entwicklungsaufträge konnte seit der Gründung im Oktober 2000 kont<strong>in</strong>uierlich<br />

gesteigert werden. Von den 6.5 Millionen Umsatz des csem ZCH im Geschäftsjahr 2004 s<strong>in</strong>d rund 3 Millionen<br />

Direktaufträge aus der Industrie (siehe Abbildung 10). Das heisst, dass e<strong>in</strong>e Eigenwirtschaftlichkeit von<br />

annähernd 50% erreicht werden konnte. Dieser Anteil soll <strong>in</strong> Zukunft weiter erhöht werden, so dass e<strong>in</strong><br />

Verhältnis Forschung zu Entwicklung von 1 zu 2 erreicht werden kann (Waser 2005: 27).<br />

Zur Erreichung der angestrebten Ziele kooperiert die MCCS AG mit verschiedenen Partner<strong>in</strong>stitutionen.<br />

Abbildung 11 zeigt die strategische Struktur der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz:<br />

50 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Abbildung 11: Die Struktur der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz.<br />

Quelle: Waser 2005: 8f.<br />

Per Ende 2005 engagierten sich folgende Unternehmen f<strong>in</strong>anziell an der MCCS AG:<br />

• Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique S.A. (csem), Neuchâtel (NE)<br />

• csem Zentralschweiz, Alpnach (OW)<br />

• Komax AG, Dierikon (LU)<br />

• Leister Process Technologies, Sarnen (OW)<br />

• maxon motor ag, Sachseln (OW)<br />

• Obwaldner Kantonalbank, Sarnen (OW)<br />

• Roche Instrument Center, Rotkreuz (ZG)<br />

• Rosen Inspection Technologies, Stans (NW)<br />

• Sarna Kunststoff Hold<strong>in</strong>g AG, Sarnen (OW)<br />

• Sch<strong>in</strong>dler Aufzüge AG, Ebikon (LU)<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 51


• Schurter Hold<strong>in</strong>g AG, Luzern (LU)<br />

• Trisa Hold<strong>in</strong>g AG, Triengen (LU)<br />

• Ulrich & Hefti AG, Alpnach Dorf (OW)<br />

6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

• Wilden AG, Küssnacht a.R. (SZ)<br />

Die Ziele der Mikrotechnologie-Initiative sollen durch drei Aktionsfelder erreicht werden:<br />

Generierung von neustem Technologie-Know-How<br />

E<strong>in</strong>es der Ziele ist der Aufbau und die Etablierung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> der Zentralschweiz verankerten Kompetenzzentrums<br />

für Mikrosystematik und die Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung, welche der <strong>regionalen</strong><br />

Wirtschaft e<strong>in</strong>en möglichst direkten Nutzen vermitteln soll (Waser 2005: 12). Mit der csem SA wurde e<strong>in</strong><br />

kompetenter und viel versprechender Forschungspartner gefunden. Seit Oktober 2000 existiert das<br />

Innovationszentrum csem Zentralschweiz (ZCH), welches eigene Technologien, die durch angewandte<br />

Forschung entwickelt wurden, mit Partnern aus der Industrie <strong>in</strong> erfolgreiche Produkte umsetzen. Das csem ZCH<br />

ist e<strong>in</strong>e eigene Division der csem SA mit Hauptsitz <strong>in</strong> Neuchâtel (NE). Schwerpunkt der<br />

Technologieentwicklung <strong>in</strong> Alpnach ist Mikrorobotik, Mikromontage, Packag<strong>in</strong>g und Sensorsysteme (Waser<br />

2005: 14). Im Jahre 2005 beschäftigte das csem Zentralschweiz 31 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug 7 Millionen<br />

Schweizer Franken. Davon s<strong>in</strong>d 3 Millionen Forschungsgeld, wobei 1.5 Millionen von den Zentralschweizer<br />

Kantonen und 1,5 Millionen vom csem NE bezahlt wird. Die restlichen 4 Millionen werden durch<br />

Industrieaufträge umgesetzt (Waser 2005: 27).<br />

Aufbau e<strong>in</strong>es Mikrotechnologie-Clusters<br />

Das Ziel dieses Aktionsfeldes ist die Bildung e<strong>in</strong>er Plattform zur Förderung der Vernetzung von Unternehmen,<br />

Forschungs<strong>in</strong>stitutionen und Hochschulen als Kern e<strong>in</strong>es zentralschweizerischen Mikrotechnologie-Clusters.<br />

Um dies zu erreichen werden unterschiedliche Dienstleistungen angeboten (vgl. Waser 2005: 12f):<br />

• MCCS-Plattform: Die MCCS-Plattform ist e<strong>in</strong>e Dienstleistung ausschliesslich für die Aktionäre der MCCS<br />

AG und dient der Förderung des Erfahrungsaustausches und der Zusammenarbeit. Die Treffen f<strong>in</strong>den<br />

zweimal im Jahr bei e<strong>in</strong>em Aktionär der MCCS AG statt und thematisieren die Aktivitäten der jeweiligen<br />

Gastgeberfirma unter besonderer Berücksichtigung möglicher Synergien für die teilnehmenden<br />

Unternehmen. Bei diesen Treffen stehen die Exklusivität und der Aufbau von Vertrauensbeziehungen im<br />

Zentrum.<br />

• mikroTalks: Die microTalks s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Vortragsreihe des csem <strong>in</strong> Alpnach, die für alle<br />

<strong>in</strong>teressierten Firmen und E<strong>in</strong>zelpersonen offen steht. Die Veranstaltung wird unterstützt von der MCCS AG,<br />

dem ITZ (Innovations Transfer Zentralschweiz) und der Hochschule für Technik und Architektur (HTA)<br />

Luzern. Die Vorträge thematisieren aktuelle Themen aus Forschung und Industrie. Mit durchschnittlich 75<br />

Teilnehmern s<strong>in</strong>d die mikroTalks sehr gut besucht.<br />

• microDay: Alle zwei Jahre wird e<strong>in</strong> Symposium zum Thema Mikrotechnologie organisiert, der so genannte<br />

microDay. Dieser f<strong>in</strong>det im Kultur- und Kongresszentrum Luzern, mit rund 200 Gästen aus Politik,<br />

52 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Wissenschaft und Wirtschaft statt. An dieser ganztägigen Veranstaltung werden wissenschaftlich-technische<br />

sowie wirtschaftliche und wachstumsspezifische Themen diskutiert.<br />

• microNews: In regelmässigen Abständen gibt das csem ZCH geme<strong>in</strong>sam mit der MCCS AG die so genannten<br />

microNews heraus, e<strong>in</strong> Newsletter, welcher Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung vorstellt,<br />

wirtschaftsrelevante Themen diskutiert und auf wichtige Veranstaltungen h<strong>in</strong>weist.<br />

Ergänzende Aktivitäten<br />

Das Ziel des dritten Aktionsfeldes ist die Initiierung und der Support von Begleitmassnahmen, welche die<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er Kompetenzregion Mikrotechnologie stärken. Drei Aktivitätsschwerpunkte liegen im Zentrum<br />

(vgl. Waser 2005: 12f):<br />

• Ausbildung: Zusammen mit Vertretern von Unternehmen, von der SwissMEM-Berufsbildung sowie von<br />

Berufsbildungsämtern wurde beschlossen, Grundausbildungs- und Vertiefungsmodule zum Thema<br />

Mikrotechnologie für bestehende Berufe anzubieten. So wurde mit Unterstützung des Bundesamtes für<br />

Berufsbildung und Technologie (BBT) e<strong>in</strong> Modell-Lehrgang für die Berufe Polymechaniker, Automatiker<br />

und Elektroniker entwickelt. Unter der organisatorischen Leitung von BERUF ZUG konnte im Jahr 2005 e<strong>in</strong><br />

Pilot-Kurs für <strong>in</strong>teressierte Lehrl<strong>in</strong>ge stattf<strong>in</strong>den.<br />

• Weiterbildung: Im Nachdiplomstudium Management-Weiterbildungsstufe (MWS Executive MBA) der<br />

Hochschule für Wirtschaft <strong>in</strong> Luzern wird im Rahmen des Moduls Prozess- und Innovations-Management,<br />

durch Referenten des csem ZCH und des MCCS die Thematik "Innovations- und Technologie-Management<br />

für Betriebsökonomen" behandelt.<br />

• microPark: Auf Initiative von csem ZCH und MCCS wurde das Projekt microPark durch die<br />

Wirtschaftsförderung Obwalden neu lanciert. Das Ziel besteht dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong>nerhalb von zwei Jahren e<strong>in</strong>en<br />

Mikrotechnologie-Themenpark mit Forschungszentrum, Start-up-Firmen, etablierten Unternehmen und<br />

allgeme<strong>in</strong> nutzbarer Infrastruktur sowie Räumen für Veranstaltungen und Weiterbildungsangebote zu<br />

realisieren.<br />

6.2 Die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz<br />

Um den Untersuchungskontext und die wirtschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Mikrotechnologie-Initiative zu<br />

konkretisieren, wird im Folgenden e<strong>in</strong> Überblick über die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes<br />

Zentralschweiz gegeben. Für die Untersuchung wurde e<strong>in</strong>e Shift-Analyse mittels der Betriebszählungsdaten aus<br />

den Jahren 1991, 1998 und 2001 vorgenommen. 1<br />

1. Die Beschreibung der Shift-Analyse und die Resultate dieses Kapitels wurden <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit der Flury&Giuliani<br />

GmbH durchgeführt und basieren auf Kopa<strong>in</strong>sky et al. 2005. Die entsprechenden Formeln für die Berechung s<strong>in</strong>d im<br />

Anhang aufgeführt.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 53


6.2.1 Shift-Analyse<br />

6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Die Shift-Analyse vergleicht das Wachstum e<strong>in</strong>er Region zwischen zwei Zeitpunkten mit der entsprechenden<br />

Entwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vergleichsraum. Das Wachstum wird dabei anhand der Beschäftigungsentwicklung<br />

(Vollzeitäquivalente, VZÄ) gemessen. In dieser Untersuchung vergleichen wir die Beschäftigungsentwicklung <strong>in</strong><br />

der Zentralschweiz (Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug) mit derjenigen der gesamten<br />

Schweiz. Die Berechnungen können branchenübergreifend oder branchenspezifisch gemacht werden. Für die<br />

vorliegende Untersuchung ist die branchenspezifische Sichtweise besonders <strong>in</strong>teressant, weil sie Auskunft<br />

darüber gibt, ob e<strong>in</strong>e Wirtschaftsbranche <strong>in</strong> der Zentralschweiz im Vergleich zur Schweiz gewachsen oder<br />

geschrumpft ist. Folgende drei Kennzahlen werden dabei verwendet:<br />

• Der branchenspezifische Regionaleffekt gibt Auskunft darüber, ob e<strong>in</strong>e Wirtschaftsbranche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Region im Vergleich zur Gesamtregion stärker oder schwächer gewachsen bzw. geschrumpft ist.<br />

• Der branchenspezifische Struktureffekt führt beobachtbare Entwicklungen auf branchenspezifische<br />

Gegebenheiten zurück.<br />

• Der branchenspezifische Standorteffekt führt auftretende Beschäftigungsentwicklungen <strong>in</strong> gewissen<br />

Branchen auf standortbed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>flüsse zurück. Rechnerisch wird er als e<strong>in</strong>e Restgrösse hergeleitet und<br />

kann deshalb die wirksamen Kräfte an e<strong>in</strong>em Standort nicht detailliert identifizieren und benennen.<br />

Zusätzlich ist anzumerken, dass sich auf Stufe der e<strong>in</strong>zelnen Branchen der Struktur- und der Standorteffekt<br />

additiv zum branchenspezifischen Regionaleffekt ergänzen. Für den Branchenvergleich e<strong>in</strong>er Region mit dem<br />

Gesamtraum müssen Regionaleffekt, Struktur- und Standorteffekt gemäss Abbildung 12 <strong>in</strong>terpretiert werden.<br />

Bei der Anwendung der Shift-Analyse gibt es e<strong>in</strong>ige Aspekte zu bedenken. Die Ergebnisse s<strong>in</strong>d extrem abhängig<br />

von der gewählten <strong>regionalen</strong> und sektoralen Untergliederung. Zudem ist das Zeit<strong>in</strong>tervall der Untersuchung von<br />

grosser Bedeutung und muss sorgfältig ausgewählt werden. E<strong>in</strong> Vergleich von Shift-Analysen aus<br />

unterschiedlichen Untersuchungen und verschiedenen Zeit<strong>in</strong>tervallen ist problematisch und kann zu fehlerhaften<br />

Schlussfolgerungen führen. Letztlich ist die Shift-Analyse nur e<strong>in</strong>e Methode, um Strukturen und<br />

Strukturveränderungen zu beschreiben, e<strong>in</strong>e wirkliche Erklärung der dah<strong>in</strong>ter stehenden Ursachen vermag sie<br />

nicht zu leisten (vgl. Bathelt/ Glückler 2002: 89). Dies wird <strong>in</strong> diesem Kapitel auch nicht angestrebt. Für die<br />

Klärung kausaler Zusammenhänge s<strong>in</strong>d die qualitativen Resultate dieser Studie ergiebiger.<br />

6.2.2 Daten<br />

Die Daten zur Beschäftigungsentwicklung werden <strong>in</strong> der Schweiz über die eidgenössische Betriebszählung<br />

erfasst. Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong>e gesamtschweizerische Befragung aller Betriebe und Unternehmen des<br />

Industrie- und Dienstleistungssektors. Die Erhebungen werden im Abstand von drei bis vier Jahren durchgeführt<br />

und nehmen e<strong>in</strong>e Aufteilung der Arbeitsstätten nach wirtschaftlichen Tätigkeiten vor. Dabei orientiert sich das<br />

Bundesamt für Statistik am System NOGA (Nomeclature Générale des Activités économiques), welches<br />

verschiedene Aggregationsebenen kennt. E<strong>in</strong>e Zusammenstellung der verwendeten Branchen nach NOGA ist im<br />

Anhang zu f<strong>in</strong>den. Für die vorliegende Analyse wurden die Daten der Betriebszählungen aus den Jahren 1991,<br />

54 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

1998 und 2001 verwendet. Um die Interpretation der Resultate zu vere<strong>in</strong>fachen und e<strong>in</strong>e Verzerrung durch<br />

exogene und strukturimmanente Faktoren zu verh<strong>in</strong>dern, wurde das Zeit<strong>in</strong>tervall bewusst kle<strong>in</strong> gehalten.<br />

Branchenspezifischer Regionaleffekt (bR)<br />

bR = 0 Die Wirtschaftsbranche im Teilraum erfährt e<strong>in</strong> identisches Wachstum gegenüber der<br />

entsprechenden Branche des Gesamtraumes.<br />

bR > 0 Die Wirtschaftsbranche im Teilraum erfährt e<strong>in</strong> überdurchschnittliches Wachstum<br />

gegenüber der entsprechenden Branche des Gesamtraumes.<br />

bR < 0 Die Wirtschaftsbranche im Teilraum erfährt e<strong>in</strong> unterdurchschnittliches Wachstum<br />

gegenüber der entsprechenden Branche des Gesamtraumes.<br />

Branchenspezifischer Struktureffekt (bStr)<br />

bStr = 0 Der Anteil der Wirtschaftbranche des Teilraumes entwickelt sich identisch zum Anteil<br />

der entsprechenden Branche des Gesamtraumes.<br />

bStr > 0 Der Anteil der Wirtschaftsbranche des Teilraumes entwickelt sich überdurchschnittlich<br />

zum Anteil der entsprechenden Branche des Gesamtraumes.<br />

bStr < 0 Der Anteil der Wirtschaftsbranche des Teilraumes entwickelt sich unterdurchschnittlich<br />

zum Anteil der entsprechenden Branche des Gesamtraumes.<br />

Branchenspezifischer Standorteffekt (bSta)<br />

bSta = 0 Die Wirtschaftsbranche im Teilraum erfährt e<strong>in</strong> identisches Wachstum im Vergleich zur<br />

entsprechenden Branche des Gesamtraumes (bei konstanter Wirtschaftstruktur).<br />

bSta > 0 Die Wirtschaftsbranche im Teilraum erfährt e<strong>in</strong> überdurchschnittliches Wachstum im<br />

Vergleich zur entsprechenden Branche des Gesamtraumes (bei konstanter<br />

Wirtschaftsstruktur).<br />

bSta < 0 Die Wirtschaftsbranche im Teilraum erfährt e<strong>in</strong> unterdurchschnittliches Wachstum im<br />

Vergleich zur entsprechenden Branche des Gesamtraumes (bei konstanter<br />

Wirtschaftsstruktur).<br />

Abbildung 12: Branchenspezifischer Regionaleffekt, Struktureffekt und Standorteffekt.<br />

Quelle: Kopa<strong>in</strong>sky et al. 2005.<br />

6.2.3 Die Branchenstruktur des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz<br />

In diesem Abschnitt treten wir nun auf die e<strong>in</strong>zelnen Branchen e<strong>in</strong>. Mit dem Struktur- und Standorteffekt kann<br />

gezeigt werden, ob allfällige Branchenveränderungen auf strukturelle oder standortbed<strong>in</strong>gte Entwicklungen<br />

zurück zu führen s<strong>in</strong>d. Die Resultate s<strong>in</strong>d für diese Studie von besonderem Interesse, weil sie die Grundlage für<br />

die Identifikation von Wirtschaftsmotoren bilden und die Bedeutung des High-Tech Bereichs <strong>in</strong> der<br />

Zentralschweiz aufzeigen können.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 55


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Branchenzusammensetzung<br />

Abbildung 13 vergleicht die Branchenzusammensetzung des Wirtschaftsraumes Zentralschweiz mit derjenigen<br />

der Schweiz. Die Kategorien Herstellung von sonstigen Waren sowie Handel und Reparatur dom<strong>in</strong>ieren<br />

aufgrund der umfangreichen Aggregation das Bild und s<strong>in</strong>d darum kaum zu <strong>in</strong>terpretieren. Interessanter ist das<br />

Baugewerbe, welches an dritter Stelle steht und e<strong>in</strong>en deutlich grösseren Anteil an der gesamten Beschäftigung<br />

aufweist als der Vergleichsraum. Auch der Bereich DL für Unternehmen, Informatik, F&E ist gut vertreten. Im<br />

High-Tech-Sektor ist <strong>in</strong> den <strong>in</strong>nerschweizer Kantonen der Anteil an der gesamten Beschäftigung leicht höher als<br />

der schweizerische Durchschnitt. Dagegen ist der wachstumsstarke und wertschöpfungs<strong>in</strong>tensive Bereich der<br />

Kredit<strong>in</strong>stitute und Versicherungen deutlich untervertreten.<br />

Abbildung 13: Branchenzusammensetzung der Zentralschweiz im Vergleich mit der Schweiz 2001.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik 2001; eigene Berechnung.<br />

56 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Beschäftigungsentwicklung zwischen 1991 und 2001<br />

Abbildung 14 zeigt die Entwicklung der Beschäftigung <strong>in</strong> den Branchen der Zentralschweiz zwischen 1991 und<br />

2001, gemessen <strong>in</strong> Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und <strong>in</strong>dexiert auf den Ausgangswert von 1991.<br />

Abbildung 14: Entwicklung der Beschäftigung <strong>in</strong> den Branchen der Zentralschweiz zwischen 1991 und 2001.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik 1991, 1998, 2001; eigene Berechnung.<br />

Abbildung 14 zeigt <strong>in</strong>sbesondere zwei erfreuliche Entwicklungen. Zum e<strong>in</strong>en hat der Bereich DL für<br />

Unternehmen, Informatik, F&E zwischen 1998 und 2001 beachtlich zugenommen, zum anderen ist seit 1998<br />

auch im High-Tech-Sektor wieder e<strong>in</strong> Wachstum zu verzeichnen. Auch die positive Entwicklung <strong>in</strong> der<br />

wertschöpfungsstarken Kategorie der Kredit<strong>in</strong>stitute und Versicherungen sowie die kont<strong>in</strong>uierliche Steigerung<br />

der Arbeitskräfte im Erziehungs- und Unterrichtswesen (<strong>in</strong>kl. Hochschulen, Weiterbildung etc.) sorgen für<br />

positive Impulse für den Wirtschaftsstandort Zentralschweiz. Grosse und dom<strong>in</strong>ante Branchen wie die<br />

Herstellung von sonstigen Waren, Handel und Reparatur oder das Baugewerbe s<strong>in</strong>d relativ stabil oder<br />

verzeichnen sogar e<strong>in</strong>en leichten Beschäftigungsrückgang. Diese langsame Veränderung der<br />

Branchenzusammensetzung kann als Strukturwandel e<strong>in</strong>es Wirtschaftsraumes <strong>in</strong>terpretiert werden.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 57


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Branchen <strong>in</strong> der Zentralschweiz im nationalen Vergleich<br />

Abbildung 15 zeigt, wie sich die e<strong>in</strong>zelnen Branchen <strong>in</strong> den zentralschweizerischen Kantonen im Vergleich zu<br />

denselben Branchen <strong>in</strong> der gesamten Schweiz entwickelt haben. Der Regionaleffekt zeigt die<br />

branchenspezifische Beschäftigungsentwicklung <strong>in</strong> der Zentralschweiz zwischen 1991 und 2001, wobei der<br />

Regionaleffekt für die Schweiz 0 beträgt. E<strong>in</strong> Wert von 0.05 beispielsweise bedeutet, dass die Beschäftigung <strong>in</strong><br />

der entsprechenden Branche zwischen 1991 und 2001 um 5% stärker gewachsen ist als im Schweizer<br />

Durchschnitt. Der Regionaleffekt sagt jedoch nichts darüber aus, ob die absolute Beschäftigung zu- oder<br />

abgenommen hat. Abbildung 15 muss daher <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Abbildung 14 <strong>in</strong>terpretiert werden. Erst dann<br />

wird beispielsweise ersichtlich, dass die Beschäftigung im Baugewerbe <strong>in</strong> der Zentralschweiz nicht um ca. 7%<br />

zugenommen hat, sondern dass sie um etwa 7% weniger geschrumpft ist als der schweizerische Durchschnitt.<br />

Auffällig s<strong>in</strong>d die drei Bereiche Bergbau, Energie- und Wasserversorgung sowie Öffentliche Verwaltung, die<br />

gegenüber der Schweiz seit 1991 deutlich stärker geschrumpft s<strong>in</strong>d. Erfreulicher s<strong>in</strong>d die positiven<br />

Entwicklungen <strong>in</strong> der High-Tech-Branche sowie den DL für Unternehmen, Informatik, F&E.<br />

Abbildung 15: Branchenspezifischer Regionaleffekt der Zentralschweiz im Vergleich zur Schweiz.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik 1991, 1998, 2001; eigene Berechnung.<br />

58 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Da sich der branchenspezifische Regionaleffekt additiv aus dem branchenspezifischen Struktur- und<br />

Standorteffekt zusammensetzt, wird durch e<strong>in</strong>e vergleichende Betrachtung der Abbildungen 16 und 17 deutlich,<br />

dass vor allem die Entwicklung im High-Tech-Bereich auf e<strong>in</strong>en Standorteffekt zurückzuführen ist. Das heisst,<br />

dass bei konstanter Wirtschaftsstruktur <strong>in</strong> der gesamten Schweiz dieser Sektor <strong>in</strong> der Zentralschweiz<br />

überdurchschnittlich gewachsen ist. Oder anders gesagt: In dieser Branche besitzt die Zentralschweiz mehr<br />

wachstumsfördernde Standortvorteile als der schweizerische Durchschnitt. Auch für die unterschiedlichen, meist<br />

positiven Entwicklungen der übrigen Branchen sche<strong>in</strong>en Standortvorteile verantwortlich zu se<strong>in</strong>. Wie bereits<br />

erwähnt ist die Deutung dieses Standorteffektes mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, wird er doch lediglich<br />

als Restgrösse berechnet und vere<strong>in</strong>igt damit alle möglichen wirtschaftlichen Kräfte, so dass e<strong>in</strong>e detaillierte<br />

Interpretation kaum möglich ist.<br />

In Abbildung 16 fällt auf, dass der Struktureffekt <strong>in</strong> den meisten Branchen negativ ist. Dies bedeutet, dass sich<br />

der Anteil vieler Wirtschaftsbereiche <strong>in</strong> der Zentralschweiz unterdurchschnittlich im Vergleich zur gesamten<br />

Schweiz entwickelt hat. Die Entwicklungsperspektiven der Zentralschweiz als Wirtschaftsraum werden daher<br />

zentral davon abhängen, ob es der Region gel<strong>in</strong>gt, die vorhandenen Wachstumsbranchen weiter auszubauen und<br />

zu stärken.<br />

Abbildung 16: Branchenspezifischer Struktureffekt.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik 1991, 1998, 2001; eigene Berechnung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 59


6.3 Fazit<br />

6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Abbildung 17: Branchenspezifischer Standorteffekt.<br />

Quelle: Bundesamt für Statistik 1991, 1998, 2001; eigene Berechnung.<br />

Die Resultate dieses Kapitels zeigen, dass die Zentralschweiz durch e<strong>in</strong>e sehr heterogene Branchenstruktur<br />

charakterisiert ist. Dieses Faktum ist für die Entwicklung der <strong>regionalen</strong> Wirtschaft als positiv zu bewerten, weil<br />

dadurch Klumpenrisiken m<strong>in</strong>imiert und vielseitige Entwicklungsmöglichkeiten verfolgt werden können. Für die<br />

Zentralschweiz ist es wichtig, sich auf die vorhandenen wirtschaftlichen Stärken zu konzentrieren, ohne die<br />

Vielseitigkeit der Branchenstruktur zu gefährden. Für die MCCS AG stellt sich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die<br />

Frage, welche Auswirkungen diese heterogene Branchenstruktur auf ihr Unternehmensnetzwerk ausübt. Dazu<br />

müssen diejenigen Kategorien identifiziert werden, welche für die Technologiebranche relevant s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>en<br />

direkten oder <strong>in</strong>direkten E<strong>in</strong>fluss auf die Mikrotechnologie-Initiative ausüben: Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Kategorien High-Tech, Kredit<strong>in</strong>stitute und Versicherungen, DL für Unternehmen, Informatik, F&E sowie<br />

Erziehung und Unterricht. Alle diese Bereiche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Zentralschweiz gut vertreten, wobei vor allem die<br />

dynamische Entwicklung der DL für Unternehmen, Informatik, F&E sowie der kont<strong>in</strong>uierliche Ausbau des<br />

Bildungsbereichs und des High-Tech-Sektors positiv auffallen.<br />

60 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

Abschliessend kann gesagt werden, dass <strong>in</strong> der Zentralschweiz wichtige Grundvoraussetzungen für die<br />

wirtschaftliche Entwicklung des Industriesektors vorhanden s<strong>in</strong>d. Um das vordef<strong>in</strong>ierte Ziel der MCCS AG zu<br />

erreichen, nämlich e<strong>in</strong>e Kompetenzregion für Mikrotechnologie von überregionaler Bedeutung zu schaffen,<br />

muss sich der High-Tech-Bereich noch weiter entwickeln, um e<strong>in</strong>e prom<strong>in</strong>entere Position <strong>in</strong> der Zentralschweizer<br />

Branchenstruktur zu erzielen. Aus regionalökonomischer Sicht ist e<strong>in</strong>e Konstellation anzustreben, die sich<br />

e<strong>in</strong>erseits durch e<strong>in</strong>e gewisse Branchenvielfalt auszeichnet, andererseits aber auch genug starke und beständige<br />

Wirtschaftszweige enthält, damit sich daraus positive Clustereffekte (vgl. Porter <strong>in</strong> Kapitel 2.3.1) etablieren<br />

können.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 61


6. Der Untersuchungsgegenstand und -kontext<br />

62 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

Im folgenden Kapitel wird das methodische Vorgehen für die Fallstudie thematisiert. Die Erläuterungen gliedern<br />

sich <strong>in</strong> sieben Teile. Im ersten und zweiten Teil werden die Grundlagen der quantitativen Sozialen<br />

Netzwerkanalyse und die Kernideen der qualitativen Forschungsmethode erläutert. Der dritte und vierte Teil baut<br />

auf den ersten beiden auf und illustriert die verfolgte Forschungs- und Sampl<strong>in</strong>gstrategie. In den letzten drei<br />

Teilen wird das Vorgehen bei der Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung dargelegt und begründet.<br />

7.1 Quantitative Soziale Netzwerkanalyse<br />

Der Begriff des Netzwerks hat <strong>in</strong> der Untersuchung moderner Gesellschaften durch Soziologen,<br />

Politikwissenschaftler und Ökonomen Hochkonjunktur. Aber was hat es mit dem Netzwerkbegriff auf sich? Was<br />

ist e<strong>in</strong> Netzwerk? Wie kann man es beschreiben? Die Soziale Netzwerkanalyse (engl. Social Network Analysis)<br />

versucht auf diese Fragen Antworten zu geben. Dabei wird der Begriff des Netzwerks re<strong>in</strong> formal als e<strong>in</strong><br />

abgegrenztes Set von Knoten und Kanten def<strong>in</strong>iert (Jansen 2003: 11ff). Somit kann die Netzwerkanalyse als e<strong>in</strong>e<br />

formale, universell verwendbare Methode zur Beschreibung von Strukturen der Interaktion von Individuen bzw.<br />

Akteuren bezeichnet werden (Schweers 2002: 2).<br />

7.1.1 Netzwerkarten<br />

In der Netzwerkanalyse unterscheidet man zwei verschiedene Arten von Netzwerken. Bei Gesamtnetzwerken<br />

ermittelt man zu jedem Akteur, ob Beziehungen zu jedem andern Akteur der untersuchten Menge bestehen oder<br />

nicht. Dabei werden Beziehungen ausserhalb der untersuchten Menge nicht berücksichtigt. Bei persönlichen<br />

Netzwerken h<strong>in</strong>gegen, so genannten egozentrierten Netzwerken, stellt man für jeden Akteur der Menge fest, mit<br />

welchen Akteuren Beziehungen der vorgegebenen Art bestehen. Dadurch kann man auf Akteure stossen, die<br />

nicht zur untersuchten Ausgangsmenge gehören (Schnegg/Lang 2002: 9f).<br />

Die beiden Netzwerkarten unterscheiden sich nicht nur <strong>in</strong> der Methodik der Datenerhebung, sondern auch, wie<br />

wir später noch sehen werden, <strong>in</strong> den Möglichkeiten der Datenauswertung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 63


7.1.2 Analyseverfahren<br />

7. Methodisches Vorgehen<br />

Im Rahmen der Netzwerkanalyse ist die Frage des Analyseverfahrens besonders <strong>in</strong>teressant. Grundsätzlich<br />

können drei Analyseverfahren unterschieden werden: die Analyse mit Hilfe von Matrizen, die<br />

graphentheoretische Analyse sowie die Berechnung netzwerkanalytischer Masszahlen. Diese werden im<br />

Folgenden kurz dargestellt (vgl. Schweers 2002: 10f):<br />

Bei der Analyse mittels Matrizen kann im e<strong>in</strong>fachsten Fall zwischen Existenz und Nichtexistenz von<br />

Netzwerkbeziehungen unterschieden werden. Dies wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er so genannten Berührungsmatrix durch e<strong>in</strong>e Null<br />

oder e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>s <strong>in</strong> der entsprechenden Zelle dargestellt. Solche Matrizen s<strong>in</strong>d weniger zur Präsentation e<strong>in</strong>es<br />

Netzwerkes geeignet, sondern stellen e<strong>in</strong>e mögliche Strukturierung der Datenbasis dar, auf die bei der<br />

Berechnung der meisten Masszahlen zurückgegriffen werden kann. Zur exemplarischen Darstellung der<br />

folgenden Erklärungen soll Abbildung 18 dienen.<br />

Abbildung 18: Matrixdarstellung von Netzwerk<strong>in</strong>formationen.<br />

Quelle: Schnegg/Lang 2002: 9.<br />

Matrizen können unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (vgl. Schnegg/Lang 2002: 9f). Zum Beispiel<br />

unterscheidet man zwischen symmetrischen und asymmetrischen Matrizen. Bei symmetrischen Matrizen ist die<br />

obere und die untere Hälfte der Diagonalen exakt identisch. Bei obiger Tabelle handelt es sich um e<strong>in</strong>e<br />

symmetrische Matrix. Die erstellten Matrizen der vorliegenden Studie s<strong>in</strong>d ebenfalls symmetrisch, da die<br />

untersuchten Kooperations- und Informationsbeziehungen def<strong>in</strong>itionsgemäss auf Gegenseitigkeit beruhen. In<br />

anderen Fällen kann diese Symmetrie bzw. Asymmetrie e<strong>in</strong>e wichtige empirische Information darstellen. In<br />

Freundschaftsnetzwerken beispielsweise kann es vorkommen, dass A sich als Freund von B, B sich h<strong>in</strong>gegen<br />

nicht als Freund von A sieht. Zudem kann man zwischen gewichteten und ungewichteten Matrizen<br />

unterscheiden. Abbildung 18 zeigt e<strong>in</strong>e ungewichtete Matrix, d. h. es werden nur Aussagen über das<br />

Vorhandense<strong>in</strong> bzw. das Nichtvorhandense<strong>in</strong> von Beziehungen gemacht. Die Intensität der Beziehung wird nicht<br />

berücksichtigt. In der vorliegenden Arbeit wurden zum Teil gewichtete Matrizen erstellt. Dabei wurde e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>s<br />

für e<strong>in</strong>e gelegentliche, e<strong>in</strong>e Zwei für e<strong>in</strong>e häufige Beziehung <strong>in</strong> die Matrix e<strong>in</strong>getragen. Diese Informationen<br />

64 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

widerspiegeln sich später <strong>in</strong> Form von dicken bzw. dünnen L<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der graphischen Repräsentation des<br />

Netzwerks. Bei e<strong>in</strong>igen Analysen hat die Gewichtung e<strong>in</strong>en direkten E<strong>in</strong>fluss auf gewisse Netzwerkkennziffern<br />

(z.B. Freeman’s Degree Centrality); bei anderen Analyseverfahren wird die Gewichtung ganz e<strong>in</strong>fach ignoriert<br />

und hat ke<strong>in</strong>e Auswirkungen auf die entsprechenden Kennzahlen (z.B. Freeman’s Betweenness Centrality,<br />

Closeness Centrality). Später werden wir noch genauer auf diese Netzwerkkennziffern zu sprechen kommen.<br />

Bei der graphentheoretischen Analyse werden mit Hilfe von so genannten Soziogrammen Netzwerke<br />

graphisch dargestellt und analysiert. Dabei werden die Akteure als Punkte und die zwischen ihnen bestehenden<br />

Relationen als L<strong>in</strong>ien dargestellt (Schweers 2002: 10f). In Abbildung 19 ist die Matrix aus Abbildung 18 als<br />

Graph dargestellt. Der Informationsgehalt ist <strong>in</strong> beiden Darstellungen exakt derselbe.<br />

Abbildung 19: Graphische Darstellung von Netzwerk<strong>in</strong>formationen:<br />

Quelle: Schnegg/Lang 2002: 10.<br />

Da es sich bei diesem Beispiel um e<strong>in</strong>e symmetrische Matrix handelt, s<strong>in</strong>d alle Beziehungen mit e<strong>in</strong>em<br />

Doppelpfeil gekennzeichnet. Bei der graphischen Repräsentation spricht man <strong>in</strong> diesem Fall von ungerichteten<br />

Graphen. Mit gerichteten Graphen können auch asymmetrische Beziehungen identifiziert und dargestellt<br />

werden. Auch hier spielt bei gewissen Analysen diese Unterscheidung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, während bei anderen<br />

Analyseverfahren die Richtung e<strong>in</strong>er Beziehung ignoriert, und jeder Graph als ungerichtet behandelt wird<br />

(Schnegg/Lang 2002: 10).<br />

Mit Hilfe von matrix-algebraischen Berechnungen können schliesslich für Knoten, Sub-Graphen oder ganze<br />

Netzwerke deskriptive, netzwerkanalytische Kennzahlen ermittelt werden. Viele dieser Kennzahlen können<br />

nur dann berechnet werden, wenn es sich beim untersuchten Netzwerk um e<strong>in</strong> Gesamtnetzwerk handelt.<br />

Grundsätzlich kann man zwischen akteursbezogenen und netzwerkbezogenen Masszahlen unterscheiden. In der<br />

vorliegenden Untersuchung wurden ausschliesslich akteursbezogene Kennziffern verwendet. E<strong>in</strong>e Berechung<br />

von netzwerkbezogenen Masszahlen macht hier wenig S<strong>in</strong>n, weil man ke<strong>in</strong> zweites Netzwerk zum Vergleich<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 65


7. Methodisches Vorgehen<br />

heranziehen kann. Im Folgenden werden die verwendeten Masse vorgestellt (vgl. Serdült 2005 und Hanneman<br />

2001: 63ff):<br />

Freeman’s Degree Centrality<br />

Ausgehend davon, dass Akteure mit vielen Beziehungen zu andern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er besonders guten Position im<br />

Netzwerk stehen, lässt sich die so genannte Degree Centrality nach Freeman berechnen. Diese misst die Anzahl<br />

der direkten Verb<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>es Akteurs zu den anderen Akteuren. In diesem Falle hätte A5 <strong>in</strong> Abbildung 19<br />

e<strong>in</strong>e Degree Centrality von drei. Zu beachten ist, dass gewichtete Matrizen auf diese Kennziffer e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss<br />

ausüben, d.h. wenn <strong>in</strong> Abbildung 19 alle Beziehungen von A5 <strong>in</strong> der Matrix mit zwei bewertet wären, dann hätte<br />

A5 e<strong>in</strong>e Degree Centrality von sechs. Um die Degree Centrality zwischen mehreren Netzwerken vergleichen zu<br />

können, kann dieses Mass auch standardisiert werden. Dabei werden die vorhanden Degrees d am maximalen<br />

Wert für die Degree Centrality (n-1) relativiert, wobei n für die Anzahl Knoten im Netzwerk und C’D für die<br />

Degree Centrality steht (siehe Gleichung 1).<br />

( 1)<br />

C′ D<br />

d<br />

----------n<br />

– 1<br />

Closeness Centrality<br />

Die Closeness Centrality stellt auf die kürzesten Wege ab, durch die e<strong>in</strong> Akteur alle anderen im Netzwerk<br />

erreichen kann, die so genannte geodätische Distanz (g). Bei der Berechnung der Closeness Centrality wird für<br />

jeden Akteur ermittelt, wie lang die geodätische Distanz zu jedem anderen Akteur ist. Diese Distanzen werden<br />

summiert und an der Grösse des Netzwerkes standardisiert. Betrachten wir der Anschaulichkeit halber Akteur<br />

A1 der Abbildung 13. Die Anzahl Akteure, die A1 im Netz erreichen kann, ist acht. Die Summe der Distanzen zu<br />

diesen acht Akteuren beträgt 2+1+2+3+4+5+5+4=26. Diese Summe kann als Entferntheit (farness) zu allen<br />

anderen Akteuren <strong>in</strong>terpretiert werden. Um die <strong>in</strong>dividuelle E<strong>in</strong>gebundenheit dieses Akteurs zu bestimmen,<br />

dividiert man die Anzahl der Personen, die e<strong>in</strong> Akteur erreichen kann, durch diese Summe und erhält so e<strong>in</strong>e<br />

Closeness Centrality von 8/26=0.308. Manchmal wird das Ergebnis mit 100 multipliziert, so dass man e<strong>in</strong>en<br />

Wert von 30,8 bekommt. Als Formel lässt sich dies folgendermassen zusammenfassen:<br />

( 2)<br />

C′ C<br />

wobei C’C die Closeness Centrality, n die Anzahl Knoten und g die geodätische Distanz widerspiegeln. Zu<br />

beachten ist zudem, dass dieses Mass nur s<strong>in</strong>nvoll berechnet werden kann, wenn alle Akteure im Netzwerk direkt<br />

oder <strong>in</strong>direkt mite<strong>in</strong>ander verbunden s<strong>in</strong>d.<br />

66 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong><br />

=<br />

=<br />

n – 1<br />

----------g<br />

∑<br />

C’D = Degree Centrality<br />

d = Degree<br />

n = Anzahl Knoten<br />

C’C = Closeness Centrality<br />

g = Geodätische Distanz<br />

n = Anzahl Knoten


7. Methodisches Vorgehen<br />

Freeman’s Betweenness Centrality<br />

Die Betweenness Centrality misst den Grad der Kontrolle, die e<strong>in</strong> Akteur über andere Akteure ausüben kann.<br />

Bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Akteur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Position des Netzwerkes, wo viele Akteure, die mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

treten wollen, auf ihn als Vermittler angewiesen s<strong>in</strong>d, so hat dieser Akteur die Möglichkeit, von dieser Position<br />

strategischen Gebrauch zu machen. In Sprache der Graphentheorie zeichnet sich die Position dieses Akteurs<br />

dadurch aus, dass viele geodätische Pfade über ihn führen.<br />

Das Themengebiet der sozialen Netzwerkanalyse ist nahezu unerschöpflich. Das Instrumentarium der<br />

quantitativen Netzwerkanalyse wurde <strong>in</strong> den letzten Jahren laufend weiterentwickelt. Die Palette an Algorithmen<br />

zur Berechnung netzwerkanalytischer Kennziffern wurde erweitert und für die Analyse auf Personalcomputern<br />

zugänglich gemacht. Zur Beantwortung der zentralen Projektfragen dieser Untersuchung genügt allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong><br />

Rückgriff auf die relativ e<strong>in</strong>fachen, aber bewährten netzwerkanalytischen Standartmasse. Insgesamt ist die<br />

quantitative Netzwerkanalyse, die hier angestrebt wird, eher deskriptiv ausgerichtet. Entsprechend Wert soll<br />

darum auf die Visualisierung der wichtigsten Sachverhalte gelegt und die netzwerkanalytischen Kennziffern zur<br />

Unterstützung der Argumentation verwendet werden. Für weitere Informationen über die Soziale<br />

Netzwerkanalyse kann Jansen (2003) oder Scott (2000) empfohlen werden.<br />

7.1 3 Probleme bei der quantitativen Netzwerkanalyse<br />

Wie bei allen empirischen Untersuchungen lassen sich auch bei der Netzwerkanalyse gewisse Schwierigkeiten<br />

feststellen. Klassische Probleme s<strong>in</strong>d beispielsweise Probleme der Repräsentativität oder der begrenzten<br />

Objektivität bei der Datenerhebung. H<strong>in</strong>zu kommen Probleme, die bei Netzwerkanalysen verstärkt auftreten. So<br />

dürften Netzwerkbefragungen oft persönliche Sachverhalte thematisieren, was zu e<strong>in</strong>er beschränkten Offenheit<br />

der Befragten führen kann. Zudem ist die Beurteilung der Bedeutung gewisser Netzwerkbeziehungen und die<br />

damit verbundene Interpretation der Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>es <strong>regionalen</strong> Netzwerkes alles andere als e<strong>in</strong>fach.<br />

Schliesslich ist anzufügen, dass im Rahmen e<strong>in</strong>er Netzwerkanalyse nur komparativ-statische Betrachtungen<br />

möglich, und ke<strong>in</strong>e dynamischen Prozesse erfassbar s<strong>in</strong>d (Schweers 2002: 12f).<br />

7.2 Qualitative Forschungsmethode<br />

Wie die meisten sozialen Prozesse basieren auch Netzwerkprozesse auf der Wahrnehmung handelnder Personen,<br />

ihrer strategischen Entscheidungen und ihrer Handlungsbereitschaft. Um diese subjektiven Sichtweisen und<br />

Beweggründe zu erfassen, verwendet man vorzugsweise e<strong>in</strong>e qualitative Forschungsmethode.<br />

Das wichtigste Grundpr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>es qualitativen Ansatzes ist die Offenheit sowohl gegenüber dem<br />

Gesprächspartner als auch gegenüber dem Untersuchungsgegenstand und der anzuwendenden Methoden<br />

(Lamnek 1995a: 22-23). E<strong>in</strong>e solche Offenheit erlaubt es, unerwartete Informationen zu erfassen und<br />

überraschende Zusammenhänge zu entdecken. Im S<strong>in</strong>ne der Grounded Theory bedeutet Offenheit, dass auf e<strong>in</strong>e<br />

Hypothesenbildung ex-ante verzichtet wird. E<strong>in</strong>e solche würde den Blick auf vermutlich relevante<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 67


7. Methodisches Vorgehen<br />

Zusammenhänge e<strong>in</strong>grenzen. Hypothesen werden <strong>in</strong> der qualitativen Forschung erst auf der Grundlage der im<br />

Forschungsprozess erhobenen Daten entwickelt. Demzufolge versteht sich die qualitative Sozialforschung nicht<br />

als Hypothesen prüfendes, sondern als Hypothesen generierendes Verfahren (Lamnek 1995a: 23). Gemäss der<br />

Grounded Theory von Barney Glaser und Anselm Strauss (1998) bedeutet Offenheit also, dass man sämtliches<br />

Vorwissen ignoriert und gänzlich ohne theoretische Vorüberlegungen an e<strong>in</strong>e empirische Untersuchung heran<br />

geht. Diese Vorgehensweise ist <strong>in</strong> den Augen des Autors kaum realisierbar und <strong>in</strong> der vorliegenden Studie auch<br />

nicht möglich, weil für e<strong>in</strong>e valide Erhebung von Gesamtnetzwerken e<strong>in</strong> zum Teil umfangreiches Vorwissen über<br />

das jeweilige Bezugssystem (Akteursmenge und Beziehungs<strong>in</strong>halte) herrschen muss.<br />

Weiter ist anzumerken, dass bei e<strong>in</strong>em quantitativen Vorgehen der E<strong>in</strong>fluss der Forschenden auf den<br />

Untersuchungsgegenstand als Störung betrachtet wird. Die qualitative Forschung h<strong>in</strong>gegen versteht den Forscher<br />

bzw. die Forscher<strong>in</strong> als konstruktiven Bestandteil des Forschungsprozesses und geht davon aus, dass die Sicht<br />

der Wirklichkeit <strong>in</strong> jedem Fall perspektivenabhängig ist. Sowohl die Forschenden als auch die Untersuchten<br />

br<strong>in</strong>gen unvermeidlich e<strong>in</strong>e subjektive Sichtweise e<strong>in</strong>, die vom persönlichen Vorwissen geprägt ist. Der<br />

Forschungsprozess ist deshalb als gegenseitiges Aushandeln der Wirklichkeit zwischen Forschenden und<br />

Erforschten zu verstehen (Lamnek 1995a: 23f).<br />

Schliesslich geht die qualitative Sozialforschung davon aus, dass jede Bedeutung kontextgebunden ist und<br />

e<strong>in</strong>zelne Daten deshalb immer <strong>in</strong> Bezug auf ihren Kontext <strong>in</strong>terpretiert werden müssen. Ebenfalls s<strong>in</strong>d<br />

Interpretationen stets unter Berücksichtigung des Entstehungszusammenhangs der Daten vorzunehmen (Lamnek<br />

1995a: 25).<br />

7.3 Forschungsstrategie: Triangulation quantitativer und qualitativer<br />

Methoden<br />

Im Vorfeld der empirischen Untersuchung stand e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der vorhandenen<br />

Literatur über regionale Netzwerkstrategien und Policy Netzwerke. Dabei wurde ersichtlich, dass e<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe quantitativer Netzwerkanalysen vorhanden ist, qualitative Aspekte jedoch meist ausgeblendet werden.<br />

Dies widerspiegelt sich auch <strong>in</strong> der Tatsache, dass die quantitative Netzwerkanalyse zum Standard der Methoden<br />

der empirischen Sozialforschung zählt, der E<strong>in</strong>satz qualitativer Methoden <strong>in</strong> Netzwerkstudien jedoch nach wie<br />

vor unüblich ist (Franke/Wald 2006: 153). Dies motivierte den Autoren dazu, neue Dimensionen der<br />

Netzwerkanalyse zu erschliessen und sich der Herausforderung e<strong>in</strong>er Triangualtion quantitativer und qualitativer<br />

Methoden <strong>in</strong> der Netzwerkanalyse zu stellen. Es ist zu vermuten, dass quantitative Ansätze durch ergänzende<br />

qualitative Forschungsstrategien e<strong>in</strong>e genauere Untersuchung von sozialen Prozessen und Kontextfaktoren<br />

ermöglichen.<br />

Der Begriff der Triangulation stammt von der Geodäsie und bezeichnet e<strong>in</strong> Verfahren, mit dem sich die<br />

Entfernung e<strong>in</strong>es Punktes C zu zwei bekannten Punkten A und B bestimmen lässt, sofern die Distanz zwischen A<br />

und B sowie die W<strong>in</strong>kel von A und B zu C bekannt s<strong>in</strong>d. Überträgt man diesen Sachverhalt auf die Methoden der<br />

empirischen Sozialforschung, versteht man darunter die Komb<strong>in</strong>ation unterschiedlicher Methoden, durch welche<br />

68 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

e<strong>in</strong>e umfassendere Erkenntnisgrundlage gewonnen werden kann, als dies durch die alle<strong>in</strong>ige Anwendung e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>zelnen Methode möglich wäre (Franke/Wald 2006: 154).<br />

Zudem ist zu beachten, dass unterschiedliche methodische Zugänge auch unterschiedliche Aspekte der<br />

Wirklichkeit beleuchten. Demnach ist die Auswahl der Methoden <strong>in</strong> Abhängigkeit der Forschungsfrage und des<br />

Forschungsgegenstandes auszuwählen (Franke/Wald 2006: 154). Da die Fragestellung der vorliegenden<br />

Untersuchung sowohl strukturelle und quantitative, als auch strategische und qualitative Aspekte von <strong>regionalen</strong><br />

Unternehmensnetzwerken beleuchten will, drängt sich e<strong>in</strong>e Triangulation der Methoden auf.<br />

Franke/Wald (2006: 172) schlagen vor, e<strong>in</strong>e Triangulation immer dann <strong>in</strong> Betracht zu ziehen, wenn variierende<br />

Relevanzsetzungen vorliegen und wenn von e<strong>in</strong>er hohen Bedeutung der Kontextfaktoren auszugehen ist. E<strong>in</strong>e<br />

Triangualtion <strong>in</strong> der Netzwerkanalyse wird unerlässlich, wenn es darum geht, nicht nur Strukturen und deren<br />

Effekte zu untersuchen, sondern gleichzeitig auch zugrunde liegende Akteursstrategien zu identifizieren, mit<br />

denen sich Netzwerkstrukturen, -effekte und -dynamiken besser erklären und verstehen lassen.<br />

Bezüglich der Ausgestaltung des Zusammenspiels quantitativer und qualitativer Elemente ist hervorzuheben,<br />

dass e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>ander von Methoden nicht per se e<strong>in</strong>e Triangulation def<strong>in</strong>iert. Um Synergieeffekte zu erzielen<br />

ist gemäss Franke/Wald (2006: 172) e<strong>in</strong>e präzise Planung der Forschungsstrategie auf den Ebenen der<br />

Datenerhebung, Analyse und Interpretation notwendig, bei der festgelegt wird, wie qualitative und quantitative<br />

Elemente <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen.<br />

Aufgrund dieser Argumentation wurde für die empirische Untersuchung der vorliegenden Studie folgende<br />

Forschungsstrategie def<strong>in</strong>iert:<br />

Abbildung 20: Angewendete Forschungsstrategie für die empirische Untersuchung.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 69


7. Methodisches Vorgehen<br />

Die Strategie besteht aus zwei parallel verlaufenden Prozessen, e<strong>in</strong>er quantitativen und e<strong>in</strong>er qualitativen<br />

Netzwerkanalyse. Die Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung verläuft gleichzeitig. Am Schluss werden<br />

die Resultate beider Analyseverfahren <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Typologie der beobachteten <strong>Beziehungsverflechtungen</strong><br />

vere<strong>in</strong>t. Dadurch kann garantiert werden, dass es sich beim verwendeten Forschungsdesign wirklich um e<strong>in</strong>e<br />

Triangulation der Methoden handelt.<br />

7.4 Sampl<strong>in</strong>g Strategie<br />

In der qualitativen Sozialforschung werden verschiedene Verfahren zur Fallauswahl angewendet. Im Gegensatz<br />

zu vielen quantitativen Ansätzen, <strong>in</strong> denen Zufallsstichproben gezogen werden, geschieht das Sampl<strong>in</strong>g für<br />

qualitative Studien nach bewussten Kriterien. Das Ziel der verschiedenen Verfahren ist nicht statistische<br />

Repräsentativität, sondern es stellt sich die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass sämtliche für die<br />

Fragestellung relevanten Fälle <strong>in</strong> die Studie mite<strong>in</strong>bezogen werden können (Kelle/Kluge 1999: 39). E<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre die Anwendung der Methode des Theoretischen Sampl<strong>in</strong>gs, welche für e<strong>in</strong><br />

Vorgehen nach der Grounded Theory besonders geeignet wäre (Glaser/Strauss 1998: 53-83). In diesem Verfahren<br />

ist die Anzahl der Probanden zu Beg<strong>in</strong>n nicht festgelegt. Datenerhebung und -auswertung erfolgen parallel,<br />

wobei auf Basis der bereits gewonnenen Erkenntnisse entschieden wird, welche Daten als nächstes gesammelt<br />

werden sollen. Dies geschieht so lange, bis e<strong>in</strong>e theoretische Sättigung e<strong>in</strong>tritt. E<strong>in</strong>e solche ist dann erreicht,<br />

wenn von zusätzlichen Daten ke<strong>in</strong> Beitrag mehr zur Bildung der Theorie zu erwarten ist (Glaser/Strauss 1998:<br />

69).<br />

Dieses Vorgehen ist im Rahmen dieser Arbeit aus verschiedenen Gründen nicht möglich. E<strong>in</strong>erseits ist der<br />

zeitliche Aufwand für e<strong>in</strong> solches Vorgehen nicht zu unterschätzen. Andererseits setzt die quantitative<br />

Netzwerkanalyse e<strong>in</strong>ige Grenzen. So ist es, wie wir später noch sehen werden, für die Erhebung e<strong>in</strong>es<br />

Gesamtnetzwerkes nötig, e<strong>in</strong>e exakte Systemabgrenzung vorzunehmen und die Anzahl der Akteure im<br />

Vornhere<strong>in</strong> genau festzulegen.<br />

Die Sampl<strong>in</strong>g-Strategie dieser Arbeit wird sehr stark durch die vorgenommene Fallstudie geprägt. Fallstudien<br />

kommen <strong>in</strong> der qualitativen Sozialforschung häufig zum E<strong>in</strong>satz. Das Ziel ist dabei nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die<br />

Quantifizierung, sondern die Darstellung und die Klassifizierung von Zusammenhängen. Ergebnisse von<br />

Fallstudien erheben normalerweise nicht den Anspruch, repräsentativ zu se<strong>in</strong> (vgl. Balthasar: 94). Dies ist für die<br />

Zielsetzung dieser Arbeit auch nicht notwendig. Was <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d nicht Häufigkeitsverteilungen, sondern e<strong>in</strong><br />

vertieftes Verständnis der Kooperationsbeziehungen, um die relevanten Determ<strong>in</strong>anten regionaler<br />

Unternehmensnetzwerke herauskristallisieren und handlungsorientierte Vorschläge für die Politikgestaltung<br />

formulieren zu können. Das Ziel der E<strong>in</strong>zelfallstudie ist also, genaueren E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Zusammenwirken e<strong>in</strong>er<br />

Vielzahl von Faktoren zu erhalten, wobei meistens das Auff<strong>in</strong>den und Herausarbeiten typischer Vorgänge im<br />

Zentrum steht (Lamnek 1995: 7).<br />

Dank der Auswahl der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz als Fallbeispiel, fiel die Entscheidung für die<br />

Auswahl der Interviewpartner nicht schwer. Als Probanden wurden alle Aktionäre der MCCS AG ausgewählt.<br />

70 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

Dies s<strong>in</strong>d zwei Forschungsstandorte, elf Industrieunternehmen, e<strong>in</strong>e Bank und e<strong>in</strong>e Person, welche für das<br />

Netzwerkmanagement verantwortlich ist. Mit 14 Akteuren konnte e<strong>in</strong> persönliches Gespräch geführt werden,<br />

wobei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall die relevanten Daten per Telefon<strong>in</strong>terview erhoben wurden. Nur mit e<strong>in</strong>er Firma war e<strong>in</strong><br />

Gespräch nicht möglich.<br />

Die Auswahl der vorliegenden Fallstudie erwies sich als eigentlicher Glücksfall, da sich die meisten<br />

Interviewpartner äusserst kooperativ verhielten. Re<strong>in</strong> zufällig erfuhr ich von der Mikrotechnologie-Initiative der<br />

MCCS AG. E<strong>in</strong> Telefongespräch mit dem Geschäftsführer genügte, um die Untersuchung starten zu können.<br />

Die Auswahl der MCCS AG als Fallstudie ist aus folgenden Gründen für die Fragestellung dieser Arbeit<br />

besonders ergiebig.<br />

• In methodischer H<strong>in</strong>sicht vere<strong>in</strong>facht die kle<strong>in</strong>e, übersichtliche Netzwerkstruktur die Netzwerkanalyse<br />

erheblich.<br />

• Kle<strong>in</strong>ere Netzwerke ermöglichen e<strong>in</strong>e Vollerhebung und s<strong>in</strong>d mit dem ganzen Arsenal netzwerkanalytischer<br />

Werkzeuge bearbeitbar.<br />

• Dank der Unterstützung sowohl von Seite der Geschäftsführung als auch von Seite des Verwaltungsrates der<br />

MCCS AG herrschten günstige Voraussetzungen für die Akzeptanz der Analyse.<br />

Zur Gewährung der Anonymität wird auf e<strong>in</strong>e detaillierte Beschreibung e<strong>in</strong>zelner Interviewpartner verzichtet.<br />

Ebenfalls weggelassen wird e<strong>in</strong>e Übersichtstabelle über das Sample mit Angaben zu den befragten Personen. Die<br />

Präsentation der Ergebnisse geschieht hauptsächlich auf dem Niveau von Fallgruppen und wird <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Anonymität mit besonderer Sorgfalt überprüft. Um sicher zu stellen, dass die nötige Vertraulichkeit gewährleistet<br />

ist, geschah diese Überprüfung <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Prof. Bruno Waser, dem Geschäftsführer der MCCS AG.<br />

7.5 Datenerhebung<br />

7.5.1 Interviewtechnik<br />

Für die Datenerhebung kamen problemzentrierte Interviews zum E<strong>in</strong>satz. Diese eignen sich besonders zur<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit subjektiven Sichtweisen. Dabei wird mit e<strong>in</strong>em Gesprächsleitfaden gearbeitet, der sich<br />

auf e<strong>in</strong>e ganz spezifische Problemstellung konzentriert und durch e<strong>in</strong>e Abfolge von Fragen und Erzählanreizen<br />

charakterisiert ist (Flick 2002: 135).<br />

Begonnen wurde das Interview mit e<strong>in</strong>em Kurzfragebogen, welcher gewisse Themen, die für den<br />

Gesprächsverlauf nicht relevant waren, separat erfasste. Aus zwei Gründen hat sich der Autor entschieden, den<br />

Fragebogen zu Beg<strong>in</strong>n des Interviews ausfüllen zu lassen: Zum e<strong>in</strong>en wurden damit die Gedächtnis<strong>in</strong>halte des<br />

Befragten aktiviert, was zu e<strong>in</strong>er ersten <strong>in</strong>haltlichen Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den im Interview angesprochenen<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 71


7. Methodisches Vorgehen<br />

Problembereichen führte. Zum anderen konnte man damit garantieren, dass der Befragte dem Fragebogen<br />

genügend Aufmerksamkeit schenkte und bei allfälligen Unklarheiten zurückfragen kann. Inhaltlich bestand er<br />

aus vier Teilen (siehe Anhang):<br />

• In e<strong>in</strong>em ersten Teil wurden allgeme<strong>in</strong>e Fragen über den jeweiligen Betrieb gestellt, wie Anzahl Beschäftigte,<br />

Umsatz etc.<br />

• Der zweite Teil thematisierte Produkt- und Prozess<strong>in</strong>novationen sowie deren Wichtigkeit für den<br />

Betriebserfolg.<br />

• Im dritten Teil g<strong>in</strong>g es darum, gewisse theoretische Aussagen auf ihre Relevanz h<strong>in</strong> zu beurteilen.<br />

• Der vierte Abschnitt des Kurzfragebogens wurde nicht vor, sondern während des Interviews ausgefüllt. Dabei<br />

handelt es sich um e<strong>in</strong>en so genannten Namensgenerator, mit dem die Vernetzung e<strong>in</strong>es Unternehmens erfasst<br />

werden kann (siehe Kapitel 7.5.2).<br />

Manchmal kamen bereits beim Ausfüllen des Kurzfragebogens <strong>in</strong>teressante Gespräche zu Stande, da die<br />

Interviewpartner automatisch das Bedürfnis bekundeten, zu gewissen Fragen noch Ergänzungen geben zu<br />

wollen. Dieser Umstand illustriert nach Me<strong>in</strong>ung des Autors das Problem von standardisierten Fragebogen. Viele<br />

Befragte drückten ihren Unmut gegenüber solchen Fragebogen aus, da sie diese zu Antworten zwängen, die<br />

eigentlich noch Erläuterungen benötigen würden. Das Ausfüllen des Kurzfragebogens nahm höchstens 10<br />

M<strong>in</strong>uten <strong>in</strong> Anspruch.<br />

Der Hauptteil der Befragung bildete das Gespräch anhand des Leitfadens (siehe Anhang). Folgende Themen<br />

wurden behandelt:<br />

• Vorstellen der Unternehmung (Eisbrecherfrage).<br />

• Zu den Innovationsaktivitäten der Unternehmung.<br />

• Zur Vernetzung der Unternehmung.<br />

• Zur Bedeutung des MCCS-Netzwerkes für die Unternehmung.<br />

• Zur Förderung regionaler Unternehmensnetzwerke.<br />

Das Interview begann mit e<strong>in</strong>er so genannten Eisbrecherfrage, bei welcher der Interviewpartner die Möglichkeit<br />

bekam, kurz und prägnant die wichtigsten Aspekte se<strong>in</strong>er Unternehmung herauszustreichen. Danach folgte das<br />

Gespräch e<strong>in</strong>er gewissen Logik. Zuerst wurde ganz allgeme<strong>in</strong> nach den wichtigsten Faktoren des<br />

Innovationsprozesses für die jeweilige Firma gefragt. In e<strong>in</strong>em zweiten Teil kam man spezifisch auf die<br />

Vernetzung des Unternehmens mit andern Firmen und Institutionen zu sprechen. In diesem Teil übernahm der so<br />

genannte Namensgenerator die Funktion des Leitfadens, wobei sich das Gespräch um verschiedene Firmen und<br />

Institutionen drehte, und es darum g<strong>in</strong>g, die Inhalte der Beziehungen sowohl qualitativ als auch quantitativ zu<br />

erfassen. Anschliessend diskutierte man die Bedeutung des MCCS-Netzwerks für die entsprechende<br />

Unternehmung, und im letzten Teil drehte sich das Interview um mögliche Förderungsmassnahmen regionaler<br />

Unternehmensnetzwerke.<br />

72 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

Oftmals wurde der Leitfaden vor den Gesprächen ger<strong>in</strong>gfügig modifiziert, um e<strong>in</strong>erseits auf den spezifischen<br />

H<strong>in</strong>tergrund der befragten Person e<strong>in</strong>zugehen, sowie die gemachten praktischen Interviewerfahrungen umsetzen<br />

zu können. Für die Interviews der verschiedenen Institutionen (Industrieunternehmen, Forschungs<strong>in</strong>stitutionen,<br />

F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutionen, Netzwerkmanagement) wurden unterschiedliche Interviewleitfäden verwendet. Die<br />

Gespräche dauerten zwischen dreiviertel und e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden. Meistens wurden sie im entsprechenden Büro<br />

des Befragten oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sitzungszimmer durchgeführt. Alle Interviews konnten auf Tonband aufgezeichnet<br />

und anschliessend transkribiert werden.<br />

Bevor die Datenerhebung gestartet werden konnte, mussten die Interviewpartner kontaktiert werden. Prof. Bruno<br />

Waser, der Geschäftsführer der MCCS AG, gab die entsprechenden Kontaktpersonen der verschiedenen Firmen<br />

an. Daraufh<strong>in</strong> wurden die Interviewpartner <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt schriftlich kontaktiert. In diesem Schreiben<br />

waren zwei Briefe enthalten. Zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong> Ankündigungsbrief von me<strong>in</strong>er Seite, <strong>in</strong> dem die Situation und die<br />

Inhalte der geplanten Interviews erläutert wurde. Zum andern legte Prof. Bruno Waser e<strong>in</strong> zusätzliches Schreiben<br />

bei, <strong>in</strong> dem die Vertraulichkeit der Untersuchung garantiert und bestätigt wurde, dass die Analyse von der<br />

Geschäftsführung und dem Verwaltungsrat der MCCS AG unterstützt wird. In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt wurde mit<br />

den entsprechenden Personen telefonisch Kontakt aufgenommen, um e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> für die Interviews<br />

abzumachen. Sämtliche Befragungen fanden zwischen Januar und März 2006 statt.<br />

7.5.2 Erhebung der quantitativen Daten<br />

Die Erhebung der quantitativen Daten erfolgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em separaten Block des Interviews, wobei dem<br />

Gesprächspartner die Möglichkeit gegeben wurde, während des Ausfüllens der standardisierten Liste die<br />

Relations<strong>in</strong>halte selbst noch e<strong>in</strong>gehender zu umschreiben. Auf diese Weise wurde e<strong>in</strong>e Situation geschaffen, bei<br />

der sowohl quantitative als auch qualitative Daten über die <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> erhoben werden konnten.<br />

Bei der Erhebung von quantitativen Netzwerkdaten s<strong>in</strong>d zwei Aspekte besonders zu bedenken:<br />

Erstens muss bei der Erhebung von quantitativen Netzwerkdaten beachtet werden, dass e<strong>in</strong>e exakte Def<strong>in</strong>ition<br />

des zu erhebenden Beziehungs<strong>in</strong>haltes formuliert wird (Franke/Wald 2006: 156). Im Rahmen dieser Arbeit<br />

wurden a) Kooperationsbeziehungen und b) Informationsbeziehungen erhoben. Dabei wurden folgende<br />

Def<strong>in</strong>itionen verwendet, welche dem Interviewpartner deutlich kommuniziert wurden:<br />

• E<strong>in</strong>e Kooperationsbeziehung ist def<strong>in</strong>iert als Zusammenarbeit <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen, technologiebasierten<br />

Innovationsprojekten, wobei m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit <strong>in</strong> den letzten drei Jahren stattgefunden<br />

haben muss.<br />

• E<strong>in</strong>e Informationsbeziehung ist def<strong>in</strong>iert als Austausch von geschäfts- und <strong>in</strong>novationsrelevanten<br />

Informationen, wobei m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Informationsaustausch im vergangenen Jahr (2005)<br />

stattgefunden haben muss.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne wurde für die Kooperationsbeziehung e<strong>in</strong>e sehr restriktive Def<strong>in</strong>ition verwendet, bei der weder<br />

politische Gremien noch Verbände/Netzwerke und Transferstellen berücksichtigt werden. Die<br />

Informationsbeziehungen h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d eher grosszügig def<strong>in</strong>iert, was e<strong>in</strong>e umfangreiche Erfassung<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 73


7. Methodisches Vorgehen<br />

verschiedener Informationspartner ermöglicht. Ausserdem kann die Kooperationsbeziehung als e<strong>in</strong>e Art<br />

Teilmenge der Informationsbeziehung verstanden werden.<br />

E<strong>in</strong> zweiter wichtiger Aspekt, der vor allem bei der Analyse von Gesamtnetzwerken e<strong>in</strong>e grosse Bedeutung hat,<br />

ist die exakte Systemabgrenzung, d.h. dass alle relevanten Akteure des Netzwerkes identifiziert werden<br />

müssen. Dabei geht es darum, e<strong>in</strong> vollständiges Netzwerk zwischen sämtlichen Akteuren e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>deutig<br />

abgrenzbaren Bereiches zu erheben (Franke/Wald 2006: 156). Als Systemabgrenzung für die vorliegende<br />

Netzwerkanalyse wurden nicht alle Interviewpartner, sondern nur die elf Industrieunternehmen, die beiden<br />

Niederlassungen des Forschungspartners und das Netzwerkmanagement (MCCS-Geschäftsstelle) gewählt. Auf<br />

Grund der Vertraulichkeit und des Bankgeheimnisses wurde die Obwaldner Kantonalbank als F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitution<br />

und Aktionär der MCCS AG nicht <strong>in</strong> die Untersuchung <strong>in</strong>tegriert. Wie bereits angetönt konnte mit e<strong>in</strong>er Firma<br />

leider ke<strong>in</strong> Gespräch geführt werden. Dies ist für die vorliegende Untersuchung nicht problematisch, da im<br />

Rahmen dieser Arbeit ausschliesslich mit symmetrischen Beziehungen gearbeitet wurde. So konnten die<br />

fehlenden quantitativen Daten auf <strong>in</strong>direktem Weg vollständig eruiert werden.<br />

Hat man die relevanten Akteure und Beziehungs<strong>in</strong>halte identifiziert, erfolgt die Datenerhebung anhand e<strong>in</strong>er<br />

standardisierten Liste, dem so genannten Namensgenerator. Die Liste, welche den Interviewpartnern im Rahmen<br />

dieser Arbeit vorgelegt wurde, enthielt sämtliche MCCS-Firmen sowie genügend freie Zeilen, so dass weitere<br />

wichtige Informations- bzw. Kooperationspartner notiert werden konnten (siehe Anhang). Dieses Vorgehen hat<br />

den Vorteil, dass man mit der Erhebung sowohl das persönliche (egozentrische) Netzwerk jedes Unternehmens<br />

als auch die vollständigen Daten zur Analyse des MCCS-Gesamtnetzwerkes erheben kann. Beim Ausfüllen des<br />

Namensgenerators wurden die Befragten gebeten, für die entsprechenden Institutionen die Art der Beziehung zu<br />

kennzeichnen, d.h. anzukreuzen, ob es sich um e<strong>in</strong>e Kooperations- oder e<strong>in</strong>e Informationsbeziehung handelt. Der<br />

Namensgenerator übernahm für diesen Teil des Interviews zusätzlich die Funktion des Interviewleitfadens. So<br />

konnten weitere qualitative Daten zu den verschiedenen Beziehungen erhoben werden. Schliesslich hatten die<br />

Interviewpartner die Möglichkeit, die Häufigkeit der jeweiligen Beziehung anzugeben. Mit diesen Informationen<br />

konnte später e<strong>in</strong>e gewichtete Matrix und damit e<strong>in</strong> Graph erstellt werden, welcher die unterschiedlichen<br />

Beziehungs<strong>in</strong>tensitäten abbildet.<br />

7.6 Datenaufbereitung<br />

7.6.1 Datenaufbereitung der Interviews<br />

Alle geführten Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und anschliessend transkribiert. Was die Regeln<br />

der Transkription betrifft, so hat sich gemäss Flick (2003: 252) <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher<br />

Standard entwickelt. Zudem ist er der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong> Höchstmass an Genauigkeit ausser <strong>in</strong><br />

sprachanalytischen Zusammenhängen auch gar nicht erstrebenswert ist: "Erstens b<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e zu genaue<br />

Transkription von Daten häufig Zeit und Energie, die sich s<strong>in</strong>nvoller <strong>in</strong> die Interpretation stecken lassen.<br />

Zweitens werden Aussagen und S<strong>in</strong>n des Transkribierten <strong>in</strong> der Differenziertheit der Transkription und der<br />

resultierenden Unübersichtlichkeit der erstellten Protokolle gelegentlich eher verstellt als zugänglich" (Flick<br />

74 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

2002: 253). Die Genauigkeit der Transkription sollte also den entsprechenden Fragestellungen angepasst se<strong>in</strong>.<br />

Aus diesen Gründen hat sich der Autor entschieden, e<strong>in</strong>e relativ pragmatische Transkription vorzunehmen.<br />

Sämtliche lückenfüllende Laute wie "äh" oder "mh" wurden weggelassen. Längere Gesprächspausen wurden mit<br />

drei e<strong>in</strong>zelnen Punkten markiert, e<strong>in</strong> kurzes Absetzen der Stimme mit e<strong>in</strong>em Komma. Falls es Textstellen gab,<br />

die nichts mit dem Forschungsthema zu tun hatten, wurden diese nicht transkribiert und mit drei Punke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Klammer (...) gekennzeichnet. Bei nicht-sprachlichen Äusserungen wie lachen oder husten, oder auch bei<br />

spezifischen Ereignissen wie Telefonanrufen oder Unterbrüchen des Interviews, wurden die entsprechenden<br />

Bemerkungen <strong>in</strong> runden Klammen dem transkribierten Text h<strong>in</strong>zugefügt. Zudem war bei e<strong>in</strong>igen Transkriptionen<br />

e<strong>in</strong>e Übersetzung der Gespräche von Dialekt <strong>in</strong>s Hochdeutsche unumgänglich. Dabei wurde versucht, möglichst<br />

nahe am ursprünglichen Wortlaut zu bleiben, um den S<strong>in</strong>n der Aussagen nicht zu verändern.<br />

7.6.2 Aufbereitung der quantitativen Daten<br />

Die Aufbereitung der quantitativen Daten bestand <strong>in</strong> der Überführung der Informationen der Namensgeneratoren<br />

<strong>in</strong> verschiedene Matrizen. Dies geschah im Softwareprogramm Microsoft Office Excel 2003. Wie bereits<br />

angetönt handelt es sich dabei um gewichtete Matrizen. "Ke<strong>in</strong>e Beziehung" wurde <strong>in</strong> der Matrix mit e<strong>in</strong>er Null,<br />

e<strong>in</strong>e "gelegentliche Beziehung" mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>s und e<strong>in</strong>e "häufige Beziehung" mit e<strong>in</strong>er Zwei gekennzeichnet. Auf<br />

diese Weise wurden <strong>in</strong>sgesamt vier Datenmatrizen produziert.<br />

Da die ermittelten Kooperations- und Informationsbeziehungen <strong>in</strong> der vorliegenden Studie def<strong>in</strong>itionsgemäss auf<br />

Gegenseitigkeit beruhen, handelt es sich stets um symmetrische Beziehungen. Diese Bed<strong>in</strong>gung war bei der<br />

Datenaufbereitung zum Teil mit Problemen verbunden. Verschiedentlich gab es Fälle, bei denen der e<strong>in</strong>e Akteur<br />

von e<strong>in</strong>em andern als Informationspartner bezeichnet wurde, umgekehrt jedoch nicht. Vor allem bezüglich der<br />

Intensität der Beziehungen gab es manchmal unterschiedliche E<strong>in</strong>schätzungen. In dieser Situation war man<br />

gezwungen, e<strong>in</strong>en Kompromiss zu f<strong>in</strong>den. Zur Unterstützung der Entscheidung wurden die Transkriptionen zur<br />

Hilfe genommen und analysiert, was die beiden Akteure übere<strong>in</strong>ander gesagt haben. War auch durch die<br />

Konsultation der qualitativen Daten ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Entscheidung möglich, wurde im Zweifelsfalle bei den<br />

restriktiv def<strong>in</strong>ierten Kooperationsbeziehungen gegen, bei den grosszügig def<strong>in</strong>ierten Informationsbeziehungen<br />

h<strong>in</strong>gegen für e<strong>in</strong>e solche entschieden. Somit konnte e<strong>in</strong> ziemlich genaues Bild der entsprechenden Kooperationsund<br />

Informationsbeziehungen gezeichnet werden. Ausserdem stellt dieser Sachverhalt auch e<strong>in</strong>e wertvolle<br />

empirische Information dar. Offensichtlich werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Fällen die gegenseitigen Beziehungen bezüglich<br />

Inhalt und Intensität unterschiedlich wahrgenommen.<br />

7.7 Datenauswertung<br />

7.7.1 Datenauswertung der Interviews<br />

Die transkribierten Interviews wurden mit e<strong>in</strong>er computerunterstützten qualitativen Inhaltsanalyse mittels der<br />

Software Atlas/ti ausgewertet. Atlas/ti wurde speziell für qualitative Textanalysen entwickelt und ermöglicht<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 75


7. Methodisches Vorgehen<br />

sowohl die Zuweisung von Codes an ausgewählte Textstellen, als auch das Aggregieren und Verknüpfen von<br />

Kategorien sowie diverse Abfragen, mit welchen sämtliche für e<strong>in</strong>e Thematik relevanten Textstellen<br />

übersichtlich dargestellt werden können. Für die qualitative Inhaltsanalyse gibt es ke<strong>in</strong> standardisiertes<br />

Vorgehen. Dieses muss dem jeweiligen Forschungsgegenstand angepasst werden. Gemäss Mayr<strong>in</strong>g (2003: 43)<br />

muss die Systematik und Nachvollziehbarkeit der Analyse gewährleistet se<strong>in</strong> und die e<strong>in</strong>zelnen Analyseschritte<br />

und -regeln genau festgelegt werden. Die Analyse erfolgte demnach <strong>in</strong> drei Schritten. Dabei stützte sich der<br />

Autor auf die Literatur und Vorschläge von Mayr<strong>in</strong>g (2003) sowie Kelle/Kluge (1999).<br />

• In e<strong>in</strong>em ersten Schritt wurde aufgrund der Fragestellung und des Vorwissens aus der Literatur e<strong>in</strong> grobes<br />

Codierschema erstellt. Dieses orientierte sich grundsätzlich am Interviewleitfaden und wurde im Verlauf der<br />

Codierung fortlaufend angepasst und erweitert.<br />

• In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt erfolgte die Codierung der Interviewdaten. Unter codieren versteht man die<br />

Zuordnung von Kategorien zu entsprechenden Textpassagen. Entscheidend für die Abgrenzung e<strong>in</strong>er solchen<br />

Textpassage ist die thematische E<strong>in</strong>heit, welche aus m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em Satzteil besteht, sich aber auch über<br />

längere Erzählabschnitte oder mehrere Wortwechsel erstrecken kann. Atlas/ti ermöglicht dabei e<strong>in</strong>e äusserst<br />

flexible Handhabung der Codes, wobei beliebige Überschneidungen im codierten Material möglich s<strong>in</strong>d.<br />

Parallel zur Codierung wurde das Codierschema laufend verändert und ergänzt (zum Codierschema siehe<br />

Anhang). Zusätzlich wurden die verschiedenen Codes zu so genannten Familien zusammengefasst. Dies<br />

ermöglichte e<strong>in</strong>en ersten Überblick über das Material und allfällige Zusammenhänge.<br />

• Im dritten Schritt geschah dann die eigentliche Interpretation der Daten. Atlas/ti erlaubt e<strong>in</strong>e effiziente<br />

Extraktion von Textstellen zu e<strong>in</strong>zelnen Codes, Familien sowie zu verschiedenen Komb<strong>in</strong>ationen von Codes.<br />

Während der Interpretation konnte immer wieder auf das Rohmaterial zurückgegriffen und die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Aussagen im grösseren Kontext betrachtet werden.<br />

Dieses Vorgehen ermöglichte e<strong>in</strong>e äusserst <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem qualitativen Datenmaterial.<br />

Atlas/ti erwies sich dabei als e<strong>in</strong> sehr hilfreiches Instrumentarium. Trotz der riesigen Datenmenge konnte so der<br />

Überblick stets bewahrt und mit dem Textmaterial umfassend gearbeitet werden, ohne dass die Rohdaten<br />

verändert wurden.<br />

7.7.2 Datenauswertung der quantitativen Daten<br />

Die Auswertung der quantitativen Netzwerkdaten erfolgte mittels UCINET, e<strong>in</strong>em umfangreichen und<br />

benutzerfreundlichen Computerprogrammpaket, das von Borgatti, Everett und Freeman entwickelt wurde<br />

(Borgatti /Everett /Freeman 2002). Die <strong>in</strong> Microsoft Excel aufbereiteten Daten konnten problemlos <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

UCINET-Datafile umgewandelt werden.<br />

Das Ziel der quantitativen Netzwerkanalyse <strong>in</strong> dieser Untersuchung bestand dar<strong>in</strong>, die formale Netzwerkstruktur<br />

des MCCS-Unternehmensnetzwerkes zu beschreiben. Dazu kamen sowohl graphentheoretische Analysen mit<br />

Soziogrammen, als auch netzwerkanalytische Kennzahlen zum E<strong>in</strong>satz.<br />

Durch den Namensgenerator wurde bei der Datenerhebung für jede befragte Firma das persönliche<br />

(egozentrische) Netzwerk erhoben, und zwar sowohl für die entsprechend def<strong>in</strong>ierten Kooperations- als auch die<br />

76 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


7. Methodisches Vorgehen<br />

Informationsbeziehungen. Bei der Erhebung der egozentrischen Netzwerke wurde also für jeden befragten<br />

MCCS-Aktionär festgestellt, mit welchen anderen Akteuren Beziehungen bestehen, egal ob diese zur MCCS AG<br />

gehören oder nicht. Solch egozentrische Netzwerke können nur beschränkt mit netzwerkanalytischen<br />

Kennziffern analysiert werden. Darum beschränken wir uns <strong>in</strong> diesem Fall auf e<strong>in</strong>e Netzwerkvisualisierung.<br />

Dank den gewichteten Matrizen können mittels L<strong>in</strong>iendicke die Intensitäten der Beziehungen abgebildet werden.<br />

Das entstehende Kooperations- und Informationsnetzwerk eruiert die wichtigsten Partner und gibt zudem e<strong>in</strong>e<br />

Übersicht über alle erwähnten Akteure. Die Netzwerkvisualisierung wurde mit dem Softwarepaket NetDraw von<br />

Borgatti (2002) vorgenommen.<br />

Die spezielle Konzeption des Namensgenerators ermöglichte zudem die Erhebung des MCCS-Gesamtnetzwerks.<br />

Dabei untersuchte man für alle 14 MCCS-Akteure (siehe Kapitel 7.5.2), ob e<strong>in</strong>e Beziehung zu jedem anderen<br />

Akteur besteht oder nicht. Beziehungen ausserhalb des MCCS-Gesamtnetzwerkes werden dabei nicht<br />

berücksichtigt. Dies gibt zwar e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e graphische Darstellung, dafür ist diese übersichtlicher und kann mittels<br />

netzwerkanalytischer Kennzahlen genauer unter die Lupe genommen werden. Folgende akteursbezogene<br />

Kennziffern wurden für diese Untersuchung berechnet: Freeman’s Degree Centrality, Closeness Centrality,<br />

Freeman’s Betweenness Centrality (siehe Kapiel 7.1.2).<br />

7.7.3 Typologisierung der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> als Triangulation qualitativer und<br />

quantitativer Methoden<br />

Als letzter Schritt der Datenanalyse wurde e<strong>in</strong>e Typologisierung vorgenommen, welche die verschiedenen<br />

Unternehmen und ihre <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> s<strong>in</strong>nvoll ordnen. Die Konstruktion von Typen bildet e<strong>in</strong>e<br />

s<strong>in</strong>nvolle Methode, um komplexe soziale Zusammenhänge zu verstehen und zu erklären (Kelle/Kluge 1999: 75).<br />

Mit dem Begriff Typus wird dabei e<strong>in</strong>e Gruppe von Fälle bezeichnet, die geme<strong>in</strong>same Eigenschaften aufweisen<br />

und h<strong>in</strong>sichtlich bestimmter Merkmale ähnlicher s<strong>in</strong>d als andere. E<strong>in</strong>e Typologie soll <strong>in</strong>nerhalb der Typen<br />

möglichst homogen, zwischen den Typen h<strong>in</strong>gegen möglichst heterogen se<strong>in</strong> (Kelle/Kluge 1999: 78).<br />

In Anlehnung an Kelle/Kluge (1999) wurde bei der Typologisierung <strong>in</strong> drei Stufen vorgegangen.<br />

In e<strong>in</strong>er ersten Stufe g<strong>in</strong>g es um die Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen. Dabei wurden jene<br />

Merkmale erarbeitet, mit deren Hilfe Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den untersuchten Firmen erfasst<br />

werden konnten. Für die vorliegende Untersuchung wurden folgende zwei Vergleichdimensionen def<strong>in</strong>iert (siehe<br />

Abbildung 15):<br />

• Wahrgenommener technologischer Deckungsgrad mit dem MCCS-Unternehmensnetzwerk.<br />

• Freeman’s Degree Centrality der Informationsbeziehungen im MCCS-Gesamtnetzwerk.<br />

Die erste Vergleichsdimension wurde aus den qualitativen Daten der Interviews extrahiert. Dazu erwies sich das<br />

Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse mit Hilfe der Software Atlas/ti, wie es <strong>in</strong> Kapital 7.7.1 erklärt wurde,<br />

als äusserst hilfreich. Die zweite Vergleichsdimension ist e<strong>in</strong>e akteursbezogene Netzwerkkennziffer und stammt<br />

von der quantitativen Netzwerkanalyse. Erst durch diese Komb<strong>in</strong>ation der qualitativen und quantitativen<br />

Ergebnisse wird die Triangulation der Methoden vollendet und garantiert, dass quantitative und qualitative<br />

Elemente <strong>in</strong> angemessenem Ausmass <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 77


7. Methodisches Vorgehen<br />

In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt wurden die verschiedenen Fälle anhand der def<strong>in</strong>ierten Vergleichsdimensionen und<br />

ihrer Ausprägungen gruppiert sowie die ermittelten Gruppen h<strong>in</strong>sichtlich empirischer Regelmäßigkeiten<br />

untersucht. Dabei ist zu beachten, dass die Fälle <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Typus möglichst homogen, die Typen<br />

untere<strong>in</strong>ander jedoch möglichst heterogen s<strong>in</strong>d. Für die Dimensionalisierung der Merkmale wurde e<strong>in</strong>e relativ<br />

e<strong>in</strong>fache Strategie verwendet. Für beide Vergleichsdimensionen wurden die Ausprägungen "ger<strong>in</strong>g" und "hoch"<br />

unterschieden (siehe Abbildung 21).<br />

In e<strong>in</strong>em letzten Schritt wurden die konstruierten Typen möglichst präzise beschrieben. Dabei stellt sich die<br />

Frage, wie e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Typ treffend charakterisiert werden soll. E<strong>in</strong>erseits besteht die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en so<br />

genannten Prototypen, d.h. e<strong>in</strong> realer Fall auszuwählen, welcher die Charakteristika des entsprechenden Typus<br />

am besten repräsentiert. Andererseits kann man e<strong>in</strong>en fiktiven Idealtypus beschreiben, welcher die markanten<br />

Eigenschaften aus mehreren Fällen <strong>in</strong> der Gruppe komb<strong>in</strong>iert.<br />

Wie man anhand dieser drei Schritte beobachten kann, bestehen Typen aus e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation von verschiedenen<br />

Merkmalen. Aus diesem Grund gestaltet sich der Prozess der Typenbildung am übersichtlichsten, wenn man die<br />

Komb<strong>in</strong>ation der Kategorien mit Hilfe von zwei- oder mehrdimensionalen Kreuztabellen bildet (Kelle/Kluge<br />

1999: 100). Die folgende Abbildung soll diesen Sachverhalt illustrieren und das erläuterte Vorgehen bei der<br />

Typologisierung veranschaulichen.<br />

Abbildung 21: Zweidimensionale Kreuztabelle für die Typologisierung.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

78 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

8.1 Innovationsfaktoren für Industrieunternehmen<br />

Das Ziel der ersten Forschungsfrage (vgl. Kapitel 5.2) besteht dar<strong>in</strong>, diejenigen Innovationsfaktoren zu<br />

identifizieren, welche von den untersuchten Industriefirmen als relevant erachtet werden. Dazu fokussieren wir<br />

zuerst auf die wichtigsten Innovationsakteure. Anschliessend werden die am meist genannten<br />

<strong>in</strong>novationsfördernden bzw. <strong>in</strong>novationshemmenden Faktoren diskutiert.<br />

8.1. Innovationsakteure<br />

Anhand der Interviews kann man vier wichtige Innovationsakteure identifizieren:<br />

Die wichtigsten Akteure s<strong>in</strong>d die Mitarbeitenden. Immer wieder wird deren fundamentale Stellung im<br />

Innovationsprozess betont. Ohne <strong>in</strong>novative Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter, die sich aktiv e<strong>in</strong>setzen und<br />

immer wieder neue Ideen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, s<strong>in</strong>d Innovationen nicht denkbar. Zudem werden die Mitarbeitenden<br />

strategisch e<strong>in</strong>gesetzt, damit das personengebundene Wissen <strong>in</strong> der Firma umgesetzt werden kann.<br />

"Der Mitarbeiter ist natürlich der Wichtigste (...). Alle <strong>in</strong>ternen Mitarbeiter, die schlussendlich ihren<br />

Arbeitsplatz mit <strong>in</strong>novativen Ideen und Lösungen für die Zukunft sichern sollten."<br />

Betrachtet man die firmenexternen Akteure, so werden Kund<strong>in</strong>nen und Kunden als die Wichtigsten bezeichnet.<br />

Neben den Interviews bestätigen dies auch die Resultate der Kurzfragebogen, <strong>in</strong> denen die Kunden sowohl als<br />

Impulsgeber für den Innovationsprozess als auch als Quelle des Wissens die Spitzenposition e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Die Zulieferer spielen ebenfalls e<strong>in</strong>e gewisse Rolle, wenn auch eher e<strong>in</strong>e ambivalente. Von den e<strong>in</strong>en werden<br />

sie als die geradezu wichtigsten Innovationsakteure bezeichnet, während dem sie von anderen als nicht allzu<br />

bedeutungsvoll wahrgenommen werden. Besonders bei Systemanbietern, wo die Innovation nicht im<br />

Endprodukt, sondern vor allem <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Komponenten enthalten ist, sche<strong>in</strong>en sie e<strong>in</strong>e grosse Bedeutung<br />

zu haben.<br />

"Mit unserem Open Innovation Prozess s<strong>in</strong>d es vor allem auch die Zulieferer, die e<strong>in</strong>en grossen Teil der<br />

Innovation machen." (zum Open Innovation Prozess siehe später).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 79


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Abbildung 22: Kunden als Quellen des Wissens und Impulsgeber für den Innovationsprozess.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

Schliesslich wird auch die Wissenschaft als Innovationsakteur anerkannt. Allerd<strong>in</strong>gs eher als Quelle des<br />

Wissens und weniger als Impulsgeber für Innovationsprozesse. Dies bestätigen ebenfalls die Resultate der<br />

Kurzfragebogen. Als Quelle des Wissens bef<strong>in</strong>det sich die Wissenschaft h<strong>in</strong>ter den Kunden und den Zulieferern<br />

<strong>in</strong> der Spitzengruppe, währenddem sie sich als Impulsgeber für Innovationsprozesse im Vergleich zu anderen<br />

externen Akteuren lediglich im Mittelfeld bef<strong>in</strong>det.<br />

Abbildung 23: Hochschulen als Quellen des Wissens und Impulsgeber für den Innovationsprozess.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

80 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

8.1.2 Faktoren, die den Innovationsprozess begünstigen<br />

Neben Akteuren wurden während den Interviews auch Faktoren genannt, die den Innovationsprozess<br />

begünstigen.<br />

E<strong>in</strong>er der wichtigsten Faktoren ist die gelebte Kultur <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens. E<strong>in</strong>e Firmenkultur, welche<br />

Offenheit sowohl gegen Aussen als auch gegen Innen praktiziert wird als besonders <strong>in</strong>novationsfördernd<br />

erachtet. E<strong>in</strong>e aufnahmewillige Haltung gegenüber Kundenbedürfnissen, sowie e<strong>in</strong>e offene Kommunikation mit<br />

externen Partnern, werden von vielen Befragten als zentrale Voraussetzung für die Innovationsfähigkeit e<strong>in</strong>es<br />

Unternehmens bezeichnet. Aber nicht nur Offenheit gegen Aussen, auch e<strong>in</strong>e tolerante und angeregte <strong>in</strong>terne<br />

Kommunikation wird als essentiell e<strong>in</strong>gestuft.<br />

"Im Bereich Innovation geben wir uns Mühe, offen zu se<strong>in</strong>, offen zu kommunizieren, den Mitarbeitern<br />

mitzuteilen, an was wir arbeiten (...). Es ist auch so, dass wir offene Türen haben, sei das bei der<br />

Geschäftsleitung, sei das im Bereich Forschung und Entwicklung. Da können die Leute kommen und<br />

ihre Ideen anbr<strong>in</strong>gen".<br />

Neben der Offenheit sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Firmenkultur den Innovationsprozess zu stimulieren, welche den<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern Freiraum für freche Ideen und genügend Zeit für <strong>in</strong>novative Gedanken zur<br />

Verfügung stellt. Auch e<strong>in</strong>e gesunde Streitkultur und e<strong>in</strong>e gewisse Toleranz gegenüber chaotischen, dafür umso<br />

geistreicheren Mitarbeitern müssen <strong>in</strong> den Augen der Firmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen Milieu se<strong>in</strong>en Platz haben.<br />

"Ohne Firmenkultur, wo man Ideen haben darf, welche frech s<strong>in</strong>d, passiert sowieso nichts (...). Jemand,<br />

der mit se<strong>in</strong>en Ideen se<strong>in</strong>e Kompetenz überschreitet, und e<strong>in</strong>mal zwei Tage an etwas studiert, wo er nicht<br />

sollte, der wird belohnt und nicht bestraft".<br />

E<strong>in</strong> zweiter wichtiger Aspekt ist die Firmenstruktur, welche sich positiv auf das Arbeitsklima und damit auch<br />

auf den Innovationsprozess <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens auswirken kann. Verschiedentlich wurden flache<br />

Hierarchien erwähnt, die den Informationsfluss erleichtern, so dass man nicht unzählige Stufen durchlaufen<br />

muss, um e<strong>in</strong>e Innovation zu platzieren. Zudem verfolgen e<strong>in</strong>ige Firmen die Strategie, e<strong>in</strong>e eigene starke F&E-<br />

Abteilung zu etablieren. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, e<strong>in</strong>erseits neue Forschungsergebnisse von<br />

Universitäten und anderen technischen Hochschulen schnell verarbeiten und für sich nutzbar machen,<br />

andererseits <strong>in</strong> gewissen Bereichen e<strong>in</strong>e Technologieführerschaft aufzubauen und spezifische Kernkompetenzen<br />

zu erarbeiten. Aus Geheimhaltungsgründen werden solche Sonderkompetenzen oft nur <strong>in</strong>tern verwertet und<br />

nicht mittels Kooperationen mit anderen Partnern ausgetauscht.<br />

Als dritte <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>flussgrösse werden verschiedenste <strong>in</strong>stitutionalisierte Instrumente zur Förderung des<br />

Innovationsprozesses erwähnt. In vielen der untersuchten Firmen wurden Innovationsgremien etabliert, welche<br />

entweder die Funktion von re<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternen Ideengeneratoren übernehmen, oder <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit externen<br />

Partnern nach Innovationen suchen. Auch Instrumente zur Prozessoptimierung oder spezifische Strategien zur<br />

Förderung der <strong>in</strong>ternen Wissensgenerierung und -diffusion (Knowledge Management) werden als bedeutsame<br />

Hilfsmittel für Innovationsprozesse angesehen. E<strong>in</strong> Beispiel e<strong>in</strong>es solchen Instrumentes ist das Konzept der Open<br />

Innovation, welche e<strong>in</strong>en offenen Innovationsprozess propagiert und sich dem klassischen geschlossenen<br />

Prozess (closed <strong>in</strong>novation) gegenüberstellt, <strong>in</strong> dem Unternehmen nur Ideen nutzen, die aus ihrer eigenen<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 81


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Domäne stammen: "Open <strong>in</strong>novation is characterised by cooperation for <strong>in</strong>novation with<strong>in</strong> wide horizontal and<br />

vertical networks of universities, start-ups, suppliers, customers, and competitors. Companies can and should<br />

use external ideas as well as those from their own R&D departments, and both <strong>in</strong>ternal and external paths to the<br />

market, <strong>in</strong> order to advance their technology" (Laursen/ Salter 2004: 3, <strong>in</strong>: Reichwald/ Piller 2005: 4).<br />

Schliesslich wird auch der Markt als Innovationsförderer bezeichnet, welcher die Unternehmen zw<strong>in</strong>gt, immer<br />

wieder neue Produkte zu entwickeln, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Durch <strong>in</strong>tensive<br />

Marktbeobachtung und ständige Interaktion mit Kund<strong>in</strong>nen und Kunden werden vorhandene Bedürfnisse erfasst<br />

und zu befriedigen versucht.<br />

8.1.3 Faktoren, die den Innovationsprozess beh<strong>in</strong>dern<br />

Im Rahmen der problemzentrierten Interviews wurde auch die Frage nach <strong>in</strong>novationshemmenden Faktoren<br />

gestellt. Auch hier wird die <strong>in</strong>terne Firmenkultur als wichtig erachtet. Phänomene, wie e<strong>in</strong>e ausgeprägte<br />

Risikoaversion oder das not-<strong>in</strong>vented-here Syndrom sche<strong>in</strong>en sich hemmend auf den Innovationsprozess<br />

auszuwirken.<br />

"Not-<strong>in</strong>vented-here (...), <strong>in</strong>dem man die Haltung hat, weil es nicht von mir kommt, ist es nicht gut (...).<br />

Ich würde sagen, wenn not-<strong>in</strong>vented-here nicht wäre, dann wären wir doppelt oder dreifach so<br />

<strong>in</strong>novativ".<br />

Vere<strong>in</strong>zelt werden auch Berührungsängste oder das fehlende Unternehmertum, d.h. der mangelnde Wille, sich<br />

neuen Herausforderungen zu stellen, als Beh<strong>in</strong>derung der Kreativität bezeichnet.<br />

" ...die Anzahl der Unternehmer ist leider wohl <strong>in</strong>sgesamt zurückgegangen. Also von Menschen, die<br />

bereit s<strong>in</strong>d, diesen Weg zu gehen (...). Diese Personen, die e<strong>in</strong>fach die Herausforderung suchen, diese<br />

Challengers, die s<strong>in</strong>d leider zurückgegangen".<br />

E<strong>in</strong>e weitere Schwierigkeit, die immer wieder angesprochen wird, ist der schwache <strong>in</strong>terne Informationsfluss.<br />

Lange Entscheidungswege sowie Konflikte zwischen Entwicklung und Verkauf stellen vor allem <strong>in</strong> grossen,<br />

hierarchisch strukturierten Unternehmen e<strong>in</strong> Problem dar. Stellenweise wird sogar von e<strong>in</strong>em Grabenkampf<br />

zwischen der Entwicklungs- und der Verkaufsabteilung gesprochen. Die Entwickler, welche e<strong>in</strong>e Invention<br />

kreiert haben, prallen oftmals bei den Verkäufern und Market<strong>in</strong>gverantwortlichen ab, weil diese die Neuigkeit<br />

am Markt nicht absetzen können.<br />

"Ich rede jetzt primär auch von <strong>in</strong>ternen H<strong>in</strong>derungsgründen, <strong>in</strong>dem man also e<strong>in</strong>en relativ<br />

komplizierten Prozess hat, bis man e<strong>in</strong> Produkt auslösen kann. Viel zu viele Wege durch muss, viel zu<br />

viele Abklärungen treffen muss, und am Schluss vor lauter Bäume den Wald nicht mehr sieht".<br />

Auch der zunehmende adm<strong>in</strong>istrative Aufwand wird beschuldigt, die erf<strong>in</strong>derischen Kräfte e<strong>in</strong>es<br />

Unternehmens zu schwächen. Die permanenten Dokumentationen, die Risikoabschätzungen, der adm<strong>in</strong>istrative<br />

Aufwand für KTI-Projekte oder Geistiges Eigentum, all das wird als lästige Arbeit aufgefasst. In diesem<br />

Zusammenhang kann e<strong>in</strong> gewisser Konflikt zwischen dem kurzfristigen Wunsch e<strong>in</strong>es hohen Umsatzes und dem<br />

langfristigen Ziel der nachhaltigen Innovationskraft entstehen. Um e<strong>in</strong>en hohen Umsatz zu erreichen ist das<br />

82 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Tagesgeschäft, wie die Akquisition von Aufträgen, das Verfassen von Kostenvoranschlägen etc., von grosser<br />

Bedeutung. Dieser adm<strong>in</strong>istrative Aufwand absorbiert jedoch auch kostbare Zeit, die bei der Entwicklung von<br />

Innovationen verloren geht. Der Marktdruck sche<strong>in</strong>t also nicht <strong>in</strong> jedem Falle dem Entwickeln von Innovationen<br />

förderlich zu se<strong>in</strong>.<br />

"... man hat natürlich sehr viele marktgetriebene Entwicklungen, wo der Kunde direkt schreit, das<br />

möchte ich gerne. Das s<strong>in</strong>d aber ke<strong>in</strong>e grossen Innovationen. Man bekommt dadurch e<strong>in</strong>e Menge Ideen,<br />

was man als echte Innovationen angehen könnte, hat aber wenig Zeit, das dann auch zu verfolgen, weil<br />

der Druck durch das Tagesgeschäft sehr hoch ist. Wenn wir unsere Tools weiterentwickeln, neue<br />

Elektronik, neue Software e<strong>in</strong>setzen, bessere Algorithmen, das s<strong>in</strong>d alles kle<strong>in</strong>e Schritte. Wenn es darum<br />

geht, für die Grundidee besser zu werden, dann braucht es da glaube ich e<strong>in</strong>en anderen Prozess".<br />

Der letzte wichtige Innovationshemmer, über den <strong>in</strong> vielen Interviews immer wieder diskutiert wurde, s<strong>in</strong>d die<br />

fehlenden F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten. Die Ursachen dieses Problems s<strong>in</strong>d sowohl firmen<strong>in</strong>terner als auch<br />

firmenexterner Natur. Firmen<strong>in</strong>tern besteht oft das Problem, dass man bei schlechter Konjunkturlage die<br />

Entwicklungskosten massiv herunterfährt, so dass man mit der Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en technologischen Rückstand gerät,<br />

den man nicht mehr aufholen kann. Wiederum besteht e<strong>in</strong> Spannungsfeld zwischen kurz- und langfristiger<br />

Betrachtungsweise, wie das folgende Zitat illustriert:<br />

"..., dass man das Geld irgendwo anders e<strong>in</strong>setzten muss als <strong>in</strong> die Innovation, das ist natürlich der<br />

langfristige Tod e<strong>in</strong>es Unternehmens. Kurzfristig kann es natürlich zur Optimierung des Ertrags führen,<br />

gerade wenn man das Unternehmen verkaufen will".<br />

F<strong>in</strong>anzierungsprobleme können aber auch vom F<strong>in</strong>anzmarkt (Kredit- und Venture-Capital Markt) her kommen.<br />

So haben vor allem kle<strong>in</strong>e Unternehmen oftmals Schwierigkeiten an Kapital heranzukommen. KMU s<strong>in</strong>d darum<br />

selten <strong>in</strong> der Lage, eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen aufzubauen. Auch hier besteht e<strong>in</strong><br />

Spannungsfeld zwischen der F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitution, die das Risiko e<strong>in</strong>er Kreditvergabe möglichst ger<strong>in</strong>g halten will,<br />

und dem Unternehmer, der bereit ist, e<strong>in</strong> gewisses Risiko e<strong>in</strong>zugehen, um aus se<strong>in</strong>er Idee Wertschöpfung zu<br />

erzielen. Um dieses Problem zu lösen s<strong>in</strong>d kreative Rezepte gefragt, welche die Kommunikation zwischen<br />

Geldgeber und Unternehmer vere<strong>in</strong>fachen und die Konsensf<strong>in</strong>dung fördern.<br />

8.1.4 Fazit zur ersten Forschungsfrage<br />

Die obigen Ausführungen zeigen deutlich, dass die Unternehmen selber zu den wichtigsten Akteuren e<strong>in</strong>es<br />

Innovationssystems gehören. H<strong>in</strong>sichtlich ihrer Branchenzugehörigkeit und ihrer Grösse s<strong>in</strong>d sie jedoch <strong>in</strong><br />

unterschiedlicher Intensität im Innovations- und Wirtschaftsprozess positioniert. Auch die verschiedenen<br />

Abteilungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Unternehmens nehmen nicht im gleichen Ausmasse am<br />

Innovationsprozess teil. Wie wir gesehen haben, kann es vor allem bei Grossunternehmen vorkommen, dass<br />

zwischen F&E-Abteilungen und dem Vertrieb wenig Austausch stattf<strong>in</strong>det und Rückkoppelungsschleifen nicht<br />

<strong>in</strong>stitutionalisiert s<strong>in</strong>d. Ebenfalls haben wir gesehen, dass <strong>in</strong> KMU häufig der Fall e<strong>in</strong>tritt, dass im täglichen<br />

Rout<strong>in</strong>egeschäft kaum Ressourcen für Entwicklungen bleiben. Sowohl die Interviews als auch die Resultate der<br />

Kurzfragebogen zeigen deutlich, dass die Unternehmen primär auf sich und ihre direkten vor- bzw.<br />

nachgelagerten Partner (Zulieferer und Kunden) <strong>in</strong> der Wertschöpfungskette konzentriert s<strong>in</strong>d. Intern versucht<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 83


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

man e<strong>in</strong>e geeignete Firmenkultur zu etablieren, e<strong>in</strong>e günstige Firmenstruktur aufzubauen, Innovationsprozesse<br />

zu optimieren und den adm<strong>in</strong>istrativen Aufwand kle<strong>in</strong> zu halten. Kontakte mit den Wettbewerbern, mit Firmen<br />

der gleichen Branche, haben <strong>in</strong> den Augen der Unternehmen e<strong>in</strong>e vergleichsweise ger<strong>in</strong>ge Bedeutung. Der<br />

Netzwerkgedanke hat sich kaum etabliert. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>novatives Milieu im S<strong>in</strong>ne der Theorie (vgl. Kapitel 2.3.2),<br />

konstituiert durch e<strong>in</strong>e gefühlsmässige E<strong>in</strong>heit und Geschlossenheit nach aussen wie nach <strong>in</strong>nen, ist nicht<br />

vorhanden. Obwohl die meisten Firmen e<strong>in</strong>e offene Firmenkultur als wichtiger Faktor im Innovationsprozess<br />

betrachten, f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> aktives Engagement <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken nur beschränkt statt. Nun<br />

stellt sich die Frage, warum sich dieser Netzwerkgedanke nicht aufbauen kann, und welche H<strong>in</strong>dernisse nach<br />

Me<strong>in</strong>ung der Firmen e<strong>in</strong>e engere Kooperation <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Netzwerken verh<strong>in</strong>dern? Durch e<strong>in</strong>e genaue Analyse<br />

und e<strong>in</strong>e entsprechende Charakterisierung der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> soll im nächsten Kapitel auf diese<br />

Frage e<strong>in</strong>e Antwort gefunden werden.<br />

8.2 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> der Mikrotechnologie-Initiative<br />

Zentralschweiz<br />

Das Ziel der zweiten Forschungsfrage (vgl. Kapitel 5.2) besteht <strong>in</strong> der Analyse der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong><br />

der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz. In e<strong>in</strong>em ersten Teil werden die formalen Netzwerkstrukturen<br />

graphisch dargestellt und e<strong>in</strong>zelne akteurzentrierte Kennziffern präsentiert. Anschliessend werden die<br />

wahrgenommenen Chancen und Risiken der <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> dargelegt und diskutiert. Zum Abschluss<br />

dieses Teils sollen die verschiedenen <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> mittels e<strong>in</strong>er Typologie charakterisiert werden.<br />

8.2.1 Formale Netzwerkstruktur<br />

Wie <strong>in</strong> Kapitel 7.5.2 erwähnt, muss bei der Erhebung von quantitativen Netzwerkdaten auf e<strong>in</strong>e exakte Def<strong>in</strong>ition<br />

der Beziehungs<strong>in</strong>halte geachtet werden. Darum werden wir im Folgenden zuerst auf die<br />

Informationsbeziehungen, und anschliessend auf die Kooperationsbeziehungen der analysierten Firmen zu<br />

sprechen kommen.<br />

Informationsbeziehungen<br />

Bei der Datenerhebung wurde e<strong>in</strong>e Informationsbeziehung folgendermassen def<strong>in</strong>iert:<br />

E<strong>in</strong>e Informationsbeziehung ist def<strong>in</strong>iert als Austausch von geschäfts- und <strong>in</strong>novationsrelevanten Informationen,<br />

wobei m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Informationsaustausch im vergangenen Jahr (2005) stattgefunden haben muss.<br />

Diese weite Def<strong>in</strong>ition ermöglichte e<strong>in</strong>e umfangreiche Erfassung von verschiedenen Informationspartnern. Das<br />

daraus entstandene Informationsnetzwerk ist dementsprechend umfassend.<br />

Abbildung 24 illustriert dieses umfassende Informationsnetzwerk und widerspiegelt e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aller<br />

egozentrischen Netzwerke der untersuchten Firmen.<br />

84 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Abbildung 24: Informationsnetzwerk der MCCS-Firmen.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 85


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Beim Betrachten dieses Netzwerkes muss man sich im Klaren se<strong>in</strong>, dass dies nicht die absolute Wirklichkeit<br />

widerspiegelt. Die Abbildung ist sehr stark von den Auskünften der jeweiligen Interviewpartnern abhängig.<br />

Ausserdem ist zu beachten, dass es sich bei all diesen Akteuren um externe Partner handelt. Wie wir im<br />

vorherigen Kapitel gesehen haben, spielen diese im Vergleich zu Kunden, Zulieferern und <strong>in</strong>ternen<br />

Innovationsakteuren e<strong>in</strong>e eher untergeordnete Rolle. Dennoch ist zu erwarten, dass die Netzwerkdarstellung<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e brauchbare Annäherung an die tatsächliche Netzwerkstruktur ist. Der wichtigste Vorzug dieser<br />

Abbildung besteht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ersten Sichtung der verschiedenen Akteure, welche beim Austausch von<br />

<strong>in</strong>novationsrelevanten Informationen e<strong>in</strong>e gewisse Rolle spielen. Durch die Typisierung anhand der<br />

verschiedenen Symbole ist ersichtlich, dass Institutionen der Lehre und Forschung im Vergleich zu anderen<br />

Akteuren sehr oft als Informationspartner gewählt werden. Dies wird auch von den Resultaten der<br />

Kurzfragebogen bestätigt, wo Universitäten und Fachhochschulen als deutlich wichtigere Quellen des Wissens<br />

bezeichnet werden, als beispielsweise private Firmen der gleichen Branche oder Technologietransferstellen.<br />

Weiter fällt auf, dass sehr viele <strong>in</strong>tensive Beziehungen zu Forschungs<strong>in</strong>stitutionen und Universitäten ausserhalb<br />

der Schweiz bestehen. Vergleicht man die Beziehungen zu Forschungs<strong>in</strong>stitutionen und Universitäten (ohne<br />

Fachhochschulen und andere Bildungse<strong>in</strong>richtungen), so halten sich <strong>in</strong>ländische und ausländische Anstalten <strong>in</strong><br />

etwa die Waage. Vor allem zur Fraunhofer-Gesellschaft <strong>in</strong> Deutschland bestehen viele und häufige Kontakte<br />

(dicke L<strong>in</strong>ien).<br />

Abbildung 25 zeigt e<strong>in</strong> Netzwerk, welches aus den elf Industrieunternehmen, den beiden Forschungsstandorten<br />

(csem ZCH und csem NE) sowie dem Netzwerkmanagement (MCCS) besteht. Bei diesem Netzwerk handelt es<br />

sich um e<strong>in</strong> Gesamtnetzwerk, bei dem für jeden Akteur ermittelt wurde, ob e<strong>in</strong>e Beziehung zu jedem anderen<br />

Akteur der untersuchten Menge besteht (vgl. Kapitel 7.1.1). Bei der Illustration des Netzwerks wurden die<br />

verschiedenen Akteure mit Absicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Oval angeordnet, weil dadurch die Informationsbeziehungen<br />

zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedern am deutlichsten sichtbar werden. Re<strong>in</strong> graphisch fällt auf, dass es sich hier,<br />

wenn man die dicken Verb<strong>in</strong>dungen ignoriert, um e<strong>in</strong> absolut symmetrisches Netzwerk handelt. Dies<br />

widerspiegelt die Tatsache, dass zum<strong>in</strong>dest theoretisch jeder Akteur m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal im Jahr die Gelegenheit<br />

hat, alle anderen an e<strong>in</strong>er der verschiedenen Veranstaltungen der MCCS AG zu treffen und Informationen<br />

auszutauschen. Mehr Informationsgehalt steckt <strong>in</strong> den dicken L<strong>in</strong>ien, welche häufige Beziehungen<br />

repräsentieren.<br />

Gesamtnetzwerke haben den Vorteil, dass sie mit dem ganzen Arsenal an netzwerkanalytischen Kennziffern<br />

analysiert werden können. Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel 7.1.2 erwähnt, werden für die vorliegende Untersuchung relativ<br />

e<strong>in</strong>fache, akteurzentrierte Standartmasse verwendet. Das Gewicht liegt vor allem <strong>in</strong> der Visualisierung der<br />

wichtigsten Sachverhalte, wobei die netzwerkanalytischen Kennziffern zur Unterstützung der Argumentation<br />

verwendet werden. Abbildung 26 zeigt die Freeman Degree Centrality (vgl. Kapitel 7.1.2) für jeden Akteur des<br />

MCCS-Gesamtnetzwerkes.<br />

Die Freeman Degree Centrality ist e<strong>in</strong> sehr e<strong>in</strong>faches Mass und misst die Anzahl der direkten Verb<strong>in</strong>dungen<br />

e<strong>in</strong>es Akteurs zu den andern Akteuren, wobei die Gewichtung der Beziehungen ebenfalls berücksichtigt wird.<br />

Wie aus Abbildung 25 zu erwarten ist, besitzt das csem ZCH die beste Position im Netzwerk. Erstaunlich ist die<br />

eher schwache Position des Netzwerkmanagements (MCCS).<br />

86 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Abbildung 25: Informationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS Netzwerks.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

Abbildung 26: Freeman Degree Centrality für die Informationsbeziehungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb des MCCS-Netzwerkes.<br />

Quelle: eigene Berechnung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 87


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Kooperationsbeziehungen<br />

E<strong>in</strong>e Kooperationsbeziehung wurde bei der Datenerhebung folgendermassen def<strong>in</strong>iert:<br />

E<strong>in</strong>e Kooperationsbeziehung ist def<strong>in</strong>iert als Zusammenarbeit <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen, technologiebasierten<br />

Innovationsprojekten, wobei m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit <strong>in</strong> den letzten drei Jahren stattgefunden<br />

haben muss.<br />

Politische Gremien, Verbände/Netzwerke und Transferstellen werden <strong>in</strong> dieser Def<strong>in</strong>ition nicht berücksichtigt.<br />

Im Gegensatz zu den Informationsbeziehungen handelt es sich hier um e<strong>in</strong>e sehr restriktive Def<strong>in</strong>ition. Dies hat<br />

unter anderem zur Folge, dass das Netzwerkmanagement (MCCS) und die Firma K aus der Analyse<br />

verschw<strong>in</strong>den. Bei diesen beiden Akteuren s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e technologischen Kooperationsbeziehungen im S<strong>in</strong>ne der<br />

Def<strong>in</strong>ition vorhanden.<br />

Abbildung 27 zeigt das Kooperationsnetzwerk der MCCS-Firmen. Dabei handelt es sich wiederum um e<strong>in</strong>e<br />

Komb<strong>in</strong>ation aller egozentrischen Netzwerke. Wie schon bei Abbildung 24 muss man auch diese Darstellung mit<br />

den nötigen Vorsichtsmassnahmen <strong>in</strong>terpretieren. Dennoch können e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante Beobachtungen gemacht<br />

werden. Als Kooperationspartner tauchen jetzt nur noch die Kategorien "private Unternehmen" und "Lehre/<br />

Forschung" auf. Grundsätzlich kann aber e<strong>in</strong> ähnliches Muster wie bei den Informationsbeziehungen eruiert<br />

werden. So ist auch hier e<strong>in</strong> Überhang an Bildungs- und Forschungse<strong>in</strong>richtungen zu verzeichnen. Diesmal s<strong>in</strong>d<br />

sogar marg<strong>in</strong>al mehr ausländische Forschungs<strong>in</strong>stitutionen und Universitäten (ohne Fachhochschulen) vertreten,<br />

und auch die Fraunhofer-Gesellschaft spielt neben der ETH und der FH Zentralschweiz wiederum e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Rolle. Innerhalb des MCCS-Netzwerkes fällt auf, dass die Firmen G und L häufige Kooperationsbeziehungen zu<br />

ausländischen Forschungs<strong>in</strong>stitutionen pflegen. Weiter ist zu beobachten, dass die Forschungspartner (csem ZCH<br />

und csem NE) sowohl <strong>in</strong>nerhalb des MCCS als auch gegen aussen gut vernetzt s<strong>in</strong>d, allerd<strong>in</strong>gs nur vere<strong>in</strong>zelt mit<br />

ausländischen Institutionen.<br />

In Abbildung 28 s<strong>in</strong>d schliesslich die Kooperationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS-Netzwerkes dargestellt.<br />

Wie <strong>in</strong> Abbildung 25 handelt es sich auch hier um e<strong>in</strong> Gesamtnetzwerk, das mit verschiedenen<br />

netzwerkanalytischen Kennziffern analysiert werden kann. Abbildung 29 zeigt drei verschiedene<br />

Zentralitätsmasse. Neben der Freeman Degree Centrality s<strong>in</strong>d zusätzlich die Closeness Centrality und die<br />

Freeman Betweenness Centrality aufgeführt. Die Closeness Centrality misst die kürzesten Wege, durch die e<strong>in</strong><br />

Akteur alle anderen erreichen kann. In der Tabelle bedeutet dies: je kle<strong>in</strong>er die Zahl, desto kürzer die Wege. Die<br />

Freeman Betweenness Centrality kann als Mass der Kontrolle <strong>in</strong>terpretiert werden, die e<strong>in</strong> Akteur über andere<br />

Akteure ausüben kann (vgl. Kapitel 7.1.2). Um die Argumentation zu vere<strong>in</strong>fachen, wurden die Akteure für jede<br />

Kennziffer nach der Zentralität geordnet, um nachher die jeweils ersten drei Ränge mit grüner und die letzten<br />

zwei mit roter Farbe zu kennzeichnen. Das Mittelfeld wurde gelb e<strong>in</strong>gefärbt, wobei aufgrund der starken<br />

Polarisierung der Resultate <strong>in</strong> Tabelle III. ke<strong>in</strong> Mittelfeld ausgeschieden werden konnte. Auffallend ist, dass bei<br />

allen drei Masszahlen das csem ZCH mit grossem Vorsprung die Spitzenposition e<strong>in</strong>nimmt, gefolgt vom csem<br />

NE, dem zweiten Forschungszentrum. Die etablierte Position des csem ZCH wird auch von den qualitativen<br />

Daten bestätigt. Die Leistungen des Innovationszentrums geniessen grosse Akzeptanz und immer wieder wurde<br />

das csem ZCH als eigentlicher Kristallisationspunkt des Netzwerkes bezeichnet.<br />

88 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Abbildung 27: Kooperationsnetzwerk der MCCS-Firmen.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 89


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Abbildung 28: Kooperationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS Netzwerks.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

Abbildung 29: Verschiedene Zentralitätsmasse für die Kooperationsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb des MCCS-<br />

Netzwerkes.<br />

Quelle: eigene Berechnung.<br />

90 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Interessant ist die Firma L, welche sich <strong>in</strong> Tabelle I. und II. <strong>in</strong> der Spitzengruppe bef<strong>in</strong>det, und <strong>in</strong> III. nur knapp<br />

dah<strong>in</strong>ter liegt. Firma C ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vergleichbaren Situation, was sich auch graphisch ganz deutlich äussert. Firma<br />

B zeigt ebenfalls erstaunliche Resultate. Bei der Degree Centrality (Anzahl direkter Verb<strong>in</strong>dungen) bef<strong>in</strong>det sie<br />

sich <strong>in</strong> der Schlussgruppe. Bereits bei der Closeness Centrality (kürzeste Wege) ist sie bis <strong>in</strong>s Mittelfeld<br />

aufgestiegen. In Tabelle III schliesslich (Kontrolle über andere Akteure) hat sie es bis <strong>in</strong> die Spitzengruppe<br />

geschafft. Betrachtet man die graphische Darstellung, macht dieses Resultat durchaus S<strong>in</strong>n, müssen doch alle<br />

anderen Akteure, um zur Firma F zu gelangen, den Weg über die Firma B nehmen. E<strong>in</strong>e ähnliche Position nimmt<br />

Firma H e<strong>in</strong>; der e<strong>in</strong>zige Unterschied besteht dar<strong>in</strong>, dass Firma H e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Beziehung zu Firma I pflegt<br />

und dadurch e<strong>in</strong>en höheren Degree-Centrality-Wert erreicht.<br />

Abschliessend kann festgehalten werden, dass die formalen <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong>nerhalb des<br />

untersuchten Netzwerkes sehr unterschiedlich s<strong>in</strong>d. Je nach Grösse der Firmen, ihrer strategischen<br />

Ausrichtungen, ihrer Unternehmensphilosophien und ihrer technologischen Fragestellungen, besetzen sie<br />

verschiedenartige Positionen <strong>in</strong>nerhalb des Netzwerkes.<br />

8.2.2 Chancen e<strong>in</strong>er Netzwerkstrategie<br />

Je nach Stellung im Netzwerkgefüge werden die Chancen von Netzwerkstrategien unterschiedlich<br />

wahrgenommen. Diejenigen Akteure, die e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Zusammenarbeit praktizieren, sehen die Chance vor<br />

allem <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>samen Entwicklung neuer Produkte oder Prozesse.<br />

"Im Endeffekt geht es [bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven Kooperation] um zwei Sachen. Neue <strong>in</strong>novative Produkte,<br />

und allenfalls Produktionstechnologien mite<strong>in</strong>ander austauschen. Und unter Produktionstechnologien<br />

verstehe ich auch Ideen im Bereich der Logistik (...). Dass man gewisse Modelle e<strong>in</strong>ander vorstellt, und<br />

probiert, die <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en oder andern Form anzuwenden."<br />

Bei der Zusammenarbeit mit den Forschungspartnern geht es mitunter darum, tief reichende, neue Technologien<br />

zu entwickeln. E<strong>in</strong> schneller Zugang zur Forschung wirkt sich dadurch unterstützend und fördernd auf den<br />

Innovationsprozess <strong>in</strong> den Firmen aus.<br />

"...das ist so e<strong>in</strong>e richtige grundsätzliche Produkt-Entwicklung, also nicht nur e<strong>in</strong> Produkt, sondern e<strong>in</strong>e<br />

Basis, e<strong>in</strong>e Technologie."<br />

Viele Unternehmen streben jedoch gar ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Kooperation mit anderen Netzwerkpartnern an, sondern<br />

sehen die Chancen der Netzwerkstrategie vor allem im gelegentlichen Informationsaustausch, bei dem<br />

schwache Verb<strong>in</strong>dungen im Zentrum stehen. Aus theoretischer Sicht s<strong>in</strong>d solche Beziehungen ebenso wichtig, da<br />

sie die Erschliessung neuer Wissensquellen ermöglichen und die Offenheit e<strong>in</strong>es Netzwerkes garantieren.<br />

"Informationsaustausch, wissen was läuft, wissen was für Projekte unterwegs s<strong>in</strong>d. Und immer mit dem<br />

H<strong>in</strong>blick natürlich, was können wir vielleicht e<strong>in</strong>mal übernehmen, wo können wir mitarbeiten, wo<br />

können wir mal etwas bieten?"<br />

E<strong>in</strong>ige Interviewpartner sehen Vorteile vor allem <strong>in</strong> der Kapazitätserweiterung, d.h. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art verlängerten<br />

Werkbank. Dabei werden nur Aufträge ausser Haus gegeben, welche für die Firma ke<strong>in</strong>e Kernkompetenzen s<strong>in</strong>d.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 91


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Sobald der entsprechende Bereich zu e<strong>in</strong>em Kerngeschäft wird, werden eigene Mitarbeiter e<strong>in</strong>gestellt, die sich <strong>in</strong><br />

diesem Sektor auskennen.<br />

"Dort, wo wir mit unserer Kapazität nicht klar kommen (...). Wo es e<strong>in</strong> Bereich ist, wo wir bis jetzt noch<br />

überhaupt nicht abgedeckt haben. Wo wir sagen, lass uns da e<strong>in</strong>mal Erfahrung von Aussen e<strong>in</strong>kaufen,<br />

dass wir <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Basis bekommen. Und wenn es dann für das<br />

Kerngeschäft wichtig ist, dann holen wir uns Leute, die das selber können (...)."<br />

Netzwerkstrategien ermöglichen auch Chancen für den lokalen Wirtschaftsraum. Während den Interviews<br />

wurde e<strong>in</strong>ige Male der Clusterbegriff im S<strong>in</strong>ne Porters (1998: 78) angesprochen, bei dem die geographische<br />

Konzentration von verbundenen Firmen und Institutionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spezifischen Branche im Zentrum steht.<br />

Solche Clusterungsprozesse können Multiplikatoreffekte auslösen, welche für den gesamten <strong>regionalen</strong><br />

Wirtschaftsraum e<strong>in</strong>en Nutzen generieren.<br />

"Was für e<strong>in</strong>e Region natürlich sehr wertvoll ist, ist e<strong>in</strong> so genanntes Cluster<strong>in</strong>g, dass sich ähnliche<br />

Firmen an e<strong>in</strong>em ähnlichen Ort ansiedeln und nahe s<strong>in</strong>d, und mite<strong>in</strong>ander beg<strong>in</strong>nen zu kommunizieren."<br />

Im Falle des untersuchten Netzwerkes wurde aber auch gesagt, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich<br />

noch nicht um e<strong>in</strong>en derartigen Cluster handle.<br />

"Ich glaube nicht, dass wir heute schon e<strong>in</strong>en Cluster haben wie <strong>in</strong> Basel. Ich würde das nicht als<br />

Cluster bezeichnen, obwohl das manchmal auch vorne drauf steht. Aber Anfänge s<strong>in</strong>d gemacht und es<br />

floriert eigentlich gut (...). Aber es bleibt schwierig."<br />

8.2.3 Risiken e<strong>in</strong>er Netzwerkstrategie<br />

Neben den Chancen wurden auch Risiken von Netzwerkstrategien angesprochen. Die erwähnten<br />

Schwierigkeiten lassen sich zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Beziehungskonflikte zweier Parteien, zum andern <strong>in</strong><br />

Netzwerkprobleme, welche das Netzwerk als Gesamtes betreffen, unterscheiden.<br />

Im Falle von Beziehungskonflikten steht die Problematik im Vordergrund, dass von Seiten der Akteure zu<br />

wenige Geme<strong>in</strong>samkeiten wahrgenommen werden, und dass dadurch e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit als nicht<br />

lohnenswert erachtet wird. Als Grund werden unvere<strong>in</strong>bare Unternehmensphilosophien, verschiedene<br />

unternehmerische Grössenordnungen sowie unterschiedliche technologische Fragestellungen angegeben.<br />

"Wie gesagt, im MCCS s<strong>in</strong>d wir ja auch <strong>in</strong>volviert, wir s<strong>in</strong>d ja Aktionäre, machen aktiv mit, so gut es<br />

geht, aber ich kann e<strong>in</strong>fach nicht künstliche Aktivitäten entwickeln, die der Firma nicht viel nützen. Ich<br />

me<strong>in</strong>e, ich würde gerne Mikrorobotik machen, aber wenn sie unsere Masch<strong>in</strong>en anschauen, dann hat<br />

das nicht viel mit Mikrorobotik zu tun."<br />

Oder anders gesagt: e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit wird erst möglich, wenn Firmen <strong>in</strong> ähnlichen Branchen tätig s<strong>in</strong>d und<br />

dadurch genügend Berührungspunkte haben.<br />

92 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

"Sie[e<strong>in</strong> enger Kooperationspartner] s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ähnlichen Branche dr<strong>in</strong>, wir konkurrenzieren<br />

e<strong>in</strong>ander zwar nicht, aber wir s<strong>in</strong>d beide im so genannten Komponentengeschäft, s<strong>in</strong>d beide e<strong>in</strong><br />

Zulieferer, wir haben beide etwa ähnliche Probleme".<br />

Zu viele Berührungspunkte können sich allerd<strong>in</strong>gs auch negativ auf das Kooperationsverhalten auswirken, und<br />

zwar dann, wenn man auf dem Absatzmarkt zu direkten Konkurrenten wird. In diesem S<strong>in</strong>ne ist die Strategie,<br />

sich als Gesamtnetzwerk auf e<strong>in</strong>e möglichst breite Querschnittstechnologie zu konzentrieren, e<strong>in</strong>e berechtigte<br />

Entscheidung. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob e<strong>in</strong>e Technologie, wie die Mikrotechnologie, nicht<br />

zu allumfassend ist, denn auch die Resultate dieser Studie zeigen, dass sich Wettbewerb und Marktdruck<br />

durchaus positiv auf den Innovationsprozess auswirken. Auch Porter (1990) argumentiert, dass<br />

Wettbewerbsdruck die Unternehmen zu Produktivitätssteigerungen und Innovationen zwängen. Dazu sagte e<strong>in</strong><br />

Interviewpartner:<br />

"Damit wir zu e<strong>in</strong>em Cluster werden, müssen die Firmen mehr <strong>in</strong> denselben Branchen arbeiten. Es<br />

reicht nicht, dass sie Mikrotechnologie e<strong>in</strong>setzen, sondern sie müssten zum Beispiel die meisten aus der<br />

Mediz<strong>in</strong>technik se<strong>in</strong>, mit Mikrotechnik. Oder aus der Robotik mit Mikrotechnik. Und das ist heute nicht<br />

der Fall. Heute s<strong>in</strong>d die alle unterschiedlich"<br />

E<strong>in</strong> zweiter wichtiger Beziehungskonflikt dreht sich um das Geheimhaltungsproblem. Konflikte betreffend<br />

Geistigen Eigentums und Patentierungspraktiken kommen gemäss Aussagen der Interviewpartner oft vor. Am<br />

häufigsten sche<strong>in</strong>en Interessenskonflikte zwischen Hochschulen und der Industrie aufzutreten.<br />

"Kürzlich hat man mit e<strong>in</strong>em Professor e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit machen wollen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em grösseren<br />

Forschungsgebiet, wo wir sehr <strong>in</strong>tensiv arbeiten. Er ist sehr <strong>in</strong>teressiert daran gewesen. Es ist dann<br />

aber nicht zustande gekommen, aus dem e<strong>in</strong>zigen Grund, weil er dann verlangt hat, dass er sich am<br />

Resultat beteiligen wolle. Das ist für uns nicht akzeptabel (...). Das ist dann nicht zustande gekommen,<br />

wir haben dann e<strong>in</strong>e andere Uni gefunden, Deutschland."<br />

Dieser Missstand ist vor allem auf die unterschiedlichen Interessenslagen und Ideologien der beiden Akteure<br />

zurückzuführen. Akademische Forscher<strong>in</strong>nen und Forscher gew<strong>in</strong>nen durch die Veröffentlichung ihrer<br />

Forschungsresultate Reputation, während die Industrie versucht, ihre Resultate geheim zu halten, um daraus<br />

möglichst lange Wertschöpfung zu erzielen. Dieser Konflikt wurde <strong>in</strong> den letzten Jahren durch die zunehmende<br />

Drittmittelf<strong>in</strong>anzierung der Forschung an Hochschulen verschärft. Um diesem Problem Vorhand zu leisten,<br />

bedarf es e<strong>in</strong>er schlagkräftigen Regelung im Umgang mit Geistigem Eigentum und e<strong>in</strong>e Grundsatzdiskussion,<br />

<strong>in</strong>wiefern die Forschung an Hochschulen mittels Drittmittel f<strong>in</strong>anziert werden soll.<br />

Als letzter Beziehungskonflikt seien F<strong>in</strong>anzierungsdifferenzen erwähnt. Dabei spielen sowohl Kontroversen<br />

bei der F<strong>in</strong>anzierung geme<strong>in</strong>samer Projekte (Überziehen e<strong>in</strong>es festgelegten Budgets), als auch Une<strong>in</strong>igkeiten<br />

bezüglich Entschädigung von Produkten oder Dienstleistungen e<strong>in</strong>e Rolle. E<strong>in</strong>e lange F&E-Phase verteuert das<br />

Endprodukt derart, dass die Firmen nicht mehr bereit s<strong>in</strong>d, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen. So<br />

kommt es vor, dass wegen zu teuren Angeboten e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit bzw. e<strong>in</strong> Handel gar nicht erst zustande<br />

kommt.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 93


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Neben Beziehungskonflikten zwischen zwei oder mehreren Akteuren wurden auch Netzwerkprobleme<br />

angesprochen, die das Netzwerk als Gesamtes betreffen.<br />

E<strong>in</strong>es der dr<strong>in</strong>gendsten Probleme des untersuchten Netzwerkes besteht <strong>in</strong> der undeutlichen Abgrenzung<br />

zwischen dem Netzwerkmanagement (MCCS) und dem Innovationszentrum (csem ZCH). Die beiden<br />

Firmenabkürzungen werden oftmals mite<strong>in</strong>ander verwechselt und auch bei den Tätigkeitsbereichen gibt es e<strong>in</strong>ige<br />

Überschneidungen. Von Seiten der MCCS-Aktionäre herrscht e<strong>in</strong>e gewisse Unklarheit bezüglich der<br />

Rollenverteilung dieser beiden Institutionen <strong>in</strong>nerhalb des Netzwerkes. E<strong>in</strong>erseits stehen für die<br />

Industrieunternehmen die Leistungen des csem ZCH im Vordergrund, weil diese den Firmen am ehesten e<strong>in</strong>en<br />

direkten Nutzen br<strong>in</strong>gen. Andererseits ist das csem ZCH von der MCCS AG als überkantonale<br />

Unterstützungsgesellschaft von höchster Bedeutung, weil nur dadurch die erforderlichen f<strong>in</strong>anziellen Mittel von<br />

den verschiedenen Kantonen e<strong>in</strong>gehandelt werden können. Dieses Problem kann <strong>in</strong> den Augen des Autors nur<br />

gelöst werden, wenn Klarheit über die verschiedenen Rollen geschaffen wird. Würde der Staat, d.h. die<br />

Zentralschweizer Kantone und allenfalls auch der Bund, e<strong>in</strong>en Teil der Forschung des csem ZCH direkt<br />

mitf<strong>in</strong>anzieren, so könnte sich das Innovationszentrum unnötige Koord<strong>in</strong>ationsaufgaben mit der MCCS AG<br />

sparen und sich besser auf se<strong>in</strong>e eigentlichen Kernaufgaben konzentrieren. Diese Teilf<strong>in</strong>anzierung könnte<br />

beispielsweise an e<strong>in</strong>en klar def<strong>in</strong>ierten Leistungsauftrag gebunden werden, bei dem Projekte im Rahmen des<br />

Technologietransfers durchgeführt werden müssten. Dazu wäre im csem ZCH e<strong>in</strong>e entsprechende Stelle zu<br />

schaffen, welche die Kontakte nach Aussen organisiert und die Abläufe im gesamtwirtschaftlichen<br />

Innovationsprozess kennt. Die MCCS AG könnte sich dadurch von der blossen Interessensvertretung lösen und<br />

sich auf e<strong>in</strong>e aktive Moderatorenfunktion zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik konzentrieren. Diese<br />

anspruchsvolle und zeit<strong>in</strong>tensive Arbeit setzt das Vorhandense<strong>in</strong> geeigneter Innovationsmanager mit<br />

entsprechender Ausbildung und Erfahrung voraus. Mehr zu den verschiedenen Rollen der Akteure <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Innovationssystem folgt <strong>in</strong> Kapitel 10.<br />

E<strong>in</strong>e zweite Schwierigkeit, welche das Netzwerk als Gesamtes betrifft, ist das Problem der kritischen Masse,<br />

welche durch die föderale Struktur <strong>in</strong> der Schweiz schwierig zu erreichen ist. Die räumliche Abgrenzung des<br />

untersuchten Netzwerkes wurde <strong>in</strong> vielen Interviews als H<strong>in</strong>dernis bezeichnet, weil dadurch die nötigen<br />

Informationen für schlagkräftige Innovationen gar nicht erst zusammen kommen können. Hier gilt es diejenige<br />

Grösse und Struktur des Netzwerks zu f<strong>in</strong>den, so dass möglichst viele Informationen zur Verfügung stehen ohne<br />

die Übersichtlichkeit und die Beziehungsqualitäten negativ zu bee<strong>in</strong>flussen. Auch bezüglich der F<strong>in</strong>anzierung<br />

von solchen überkantonalen Initiativen stellt der zersplitterte funktionale Wirtschaftsraum e<strong>in</strong> Problem dar. Das<br />

folgende Zitat repräsentiert e<strong>in</strong>e der vielen Aussagen, die sich gegenüber e<strong>in</strong>er allzu dezentralisierten<br />

Innovationspolitik kritisch äusserten.<br />

"Ich b<strong>in</strong> persönlich e<strong>in</strong> absoluter Gegner vom Regionalen. Ich f<strong>in</strong>de, der Raum Schweiz ist absolut<br />

genügend kle<strong>in</strong>, um Innovationskooperationen zu betreiben, um Transfernetzwerke zu betreiben."<br />

Abschliessend kann man sagen, dass die Chancen und Risiken e<strong>in</strong>er <strong>regionalen</strong> Netzwerkstrategie, wie sie von<br />

der Mikrotechnologie-Initiative verfolgt wird, sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Je nach Position und<br />

Rolle <strong>in</strong>nerhalb des Netzwerkes werden unterschiedliche Argumente hervorgebracht. Als Forscher muss man<br />

sich dessen bewusst se<strong>in</strong> und bedenken, dass die Interviewpartner aus unterschiedlichen Kontexten heraus<br />

reagieren und unter Umständen auch strategische Antworten geben.<br />

94 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Zur Vere<strong>in</strong>fachung und Ordnung der gewonnenen Erkenntnisse wird im Folgenden e<strong>in</strong>e Typologisierung der<br />

beobachteten <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> vorgenommen.<br />

8.2.4 Beziehungstypologie<br />

Der Begriff des Typus bezeichnet e<strong>in</strong>e Gruppe von Fällen, die geme<strong>in</strong>same Eigenschaften aufweisen und<br />

h<strong>in</strong>sichtlich bestimmter Merkmale ähnlicher s<strong>in</strong>d als andere (Kelle/Kluge 1999: 78). Als Vergleichsdimensionen<br />

wurden der wahrgenommene technologische Deckungsgrad mit dem Gesamtnetzwerk (qualitative Ergebnisse),<br />

und die Freeman Degree Centrality der Informationsbeziehungen (quantitative Ergebnisse) mite<strong>in</strong>ander<br />

komb<strong>in</strong>iert (siehe Abbildung 30). Dieses Vorgehen f<strong>in</strong>alisiert die angestrebte Triangulation der Methoden. Zur<br />

Beschreibung der konstruierten Typen wurde e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation der Prototyp-Strategie und der Idealtypus-<br />

Strategie verwendet. Für die Konstruktion e<strong>in</strong>es Idealtypus wurde von e<strong>in</strong>em möglichst optimalen Fall<br />

ausgegangen. Dabei wurden die Eigenschaften des ausgewählten Fallbeispiels zugespitzt und zum Teil mit<br />

Charakteristiken anderer Fälle komb<strong>in</strong>iert. Weitere Informationen bezüglich des methodischen Vorgehens bei der<br />

Typologisierung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Kapitel 7.7.3 zu f<strong>in</strong>den.<br />

Abbildung 30: Typologisierung der Beziehungen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 95


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Kooperations-Networker<br />

Der Kooperations-Networker besitzt e<strong>in</strong>en hohen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch<br />

abgegrenzten Netzwerk (Mikrotechnologie) sowie viele <strong>in</strong>tensive Informationsbeziehungen (Degree Centrality -<br />

Information) mit anderen Akteuren. Dabei handelt es sich ausschliesslich um <strong>in</strong>stitutionalisierte<br />

Projektzusammenarbeiten, bei denen man e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiven Dialog über konkrete Innovationen führt, sich<br />

regelmässig trifft und Meilenste<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>iert. Die Beziehungen beruhen stark auf Wechselseitigkeit und die<br />

gegenseitige Unterstützung wird gelebt. Für den Kooperations-Networker s<strong>in</strong>d Beziehungen zu<br />

Innovationszentren und Forschungslabors von fundamentaler Wichtigkeit, und auch e<strong>in</strong> funktionierendes<br />

Netzwerkmanagement wird als notwendig und wichtig erachtet. Kooperations-Networker s<strong>in</strong>d von den positiven<br />

Wirkungen regionaler Netzwerkstrategien überzeugt und engagieren sich auch politisch für die Idee solcher<br />

Projekte. Häufig wird e<strong>in</strong>e noch aktivere Rolle vom Netzwerkmanagement verlangt. In der vorliegenden<br />

Untersuchung wurden das csem ZCH, das csem NE und die Firma C als Kooperations-Networker ermittelt.<br />

Informations-Networker<br />

Der Informations-Networker besitzt e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen technologischen Deckungsgrad mit dem thematisch<br />

abgegrenzten Netzwerk, hat aber trotzdem etliche Informationsbeziehungen mit anderen Mitgliedern. Die<br />

Beziehungen charakterisieren sich durch regelmässigen Informationsaustausch an Veranstaltungen, oder auch<br />

durch direkte <strong>in</strong>formelle Kontakte <strong>in</strong> Form von Kaderaustausch oder Entwicklernetzwerken. Bei Informations-<br />

Networkern handelt es sich um sehr aktive Firmen, welche sich <strong>in</strong> Verbänden engagieren und e<strong>in</strong>e offene<br />

Unternehmensphilosophie sowohl gegen Innen als auch gegen Aussen praktizieren. Oft werden bei der<br />

Entwicklung von Innovationen Firmen aus anderen Branchen <strong>in</strong>tegriert. Die Chancen e<strong>in</strong>es Engagements <strong>in</strong><br />

<strong>regionalen</strong> Netzwerken werden vor allem <strong>in</strong> der Zukunft gesehen. Aufgrund des ger<strong>in</strong>gen technologischen<br />

Deckungsgrades spielen Prozess-Innovationen, wie beispielsweise organisatorische Ideen im Personalbereich,<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Grundsätzlich haben auch Informations-Netzworker e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>stellung gegenüber der<br />

Grundidee regionaler Netzwerke und s<strong>in</strong>d auch zufrieden mit den Leistungen des Netzwerkmanagements. Im<br />

Falle der vorliegenden Studie s<strong>in</strong>d die Firmen L und I als Informations-Networker eruiert worden.<br />

Auftrags-Networker<br />

Der Auftrags-Networker hat zwar e<strong>in</strong>en hohen technologischen Deckungsgrad, die Anzahl<br />

Informationsbeziehungen mit anderen Akteuren des Netzwerkes hält sich jedoch <strong>in</strong> Grenzen. Bei den<br />

Beziehungen handelt es sich meistens um klassische Kunden-Lieferanten Interaktionen, oder es werden Aufträge<br />

<strong>in</strong> Bereichen erteilt, <strong>in</strong> welchen die entsprechende Firma ke<strong>in</strong>e Kernkompetenzen besitzt. Auftrags-Networker<br />

s<strong>in</strong>d meistens grosse, global agierende Firmen, welche transnationale Strategien verfolgen. Dabei wird e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>tensive weltweite Vernetzung angestrebt, damit die Vorteile der Internationalität, d.h. globale Ressourcen an<br />

Arbeitskräften, Kapital, Produktionsstandorte etc. optimal koord<strong>in</strong>iert werden können. Regionale Netzwerke<br />

haben für solche Firmen e<strong>in</strong>e untergeordnete Bedeutung, allenfalls werden die positiven Auswirkungen auf den<br />

lokal verfügbaren Arbeitsmarkt begrüsst. Grundsätzlich stehen Auftrags-Networker <strong>regionalen</strong> Netzwerken<br />

gleichgültig bis kritisch gegenüber. Meistens besitzen sie eigene, grosse F&E-Abteilungen und verfügen über<br />

e<strong>in</strong> gut ausgebautes Technologie-Monitor<strong>in</strong>g, mit dem sie die besten Kooperationspartner der Welt auff<strong>in</strong>den<br />

können. Häufig s<strong>in</strong>d Auftrags-Networker derart f<strong>in</strong>anzstark, dass sie <strong>in</strong>novative Firmen aufkaufen oder sich die<br />

96 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Lizenz für das entsprechende Produkt erwerben. Beim MCCS-Netzwerk fallen die Firmen A, B, D, E, G und H<br />

<strong>in</strong> diese Kategorie. Trotz des eher ger<strong>in</strong>gen Engagements dieser Firmen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken,<br />

übernehmen sie dennoch e<strong>in</strong>e wichtige Funktion. Wie die Informations-Networker sorgen sie für die nötige<br />

Offenheit des Netzwerkes und eröffnen durch ihre weltweiten Kontakte potentielle Türen zum umfangreichen<br />

Weltmarkt.<br />

Solidaritäts-Networker<br />

Der Solidaritäts-Networker hat sowohl e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen technologischen Deckungsgrad als auch e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge<br />

Anzahl Informationsbeziehungen zu den anderen Akteuren. Das Engagement beschränkt sich auf e<strong>in</strong>e ideelle<br />

und f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung des Netzwerkgedankens, womit regionale und wirtschaftspolitische Interessen<br />

vertreten werden. Das Netzwerk hat für den geschäftlichen Erfolg dieser Firmen kaum e<strong>in</strong>e Bedeutung,<br />

höchstens <strong>in</strong> Form von gelegentlichen Kunden-Lieferanten Kontakten. Solidaritäts-Networker s<strong>in</strong>d stark im<br />

<strong>regionalen</strong> Umfeld verankert und engagieren sich häufig <strong>in</strong> regional- und wirtschaftspolitischen Gremien.<br />

Vielfach bestehen auch private Beziehungen zu anderen Unternehmer der Region. In dieser Untersuchung<br />

wurden die Firmen K und F als Solidaritäts-Networker ermittelt.<br />

8.2.5 Fazit zur zweiten Forschungsfrage<br />

Die Untersuchung der Mikrotechnologie-Initiative Zentralschweiz zeigt deutlich, welche formalen Strukturen<br />

das Unternehmensnetzwerk aufweist, und welche unterschiedlichen Rollen die e<strong>in</strong>zelnen Akteure dar<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>nehmen. Aufgrund der Analyse können vier verschiedene Firmentypen mit unterschiedlichen<br />

Netzwerkstrategien charakterisiert werden: Kooperations-Networker, Informations-Networker, Auftrags-<br />

Netzworker und Solidaritäts-Networker. Abbildung 31 zeigt die Positionen der verschiedenen Firmentypen<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Kooperationsnetzwerkes. Zu beachten ist, dass für die obige Typologie die Degree Centrality der<br />

Informationsbeziehungen verwendet wurde, die Graphik jedoch die Kooperationsbeziehungen abbildet. Die<br />

Illustration bestätigt, dass die Kooperations-Networker tatsächlich zentrale Netzwerkpositionen e<strong>in</strong>nehmen. Bei<br />

den Informations-Networkern fällt auf, dass sich der e<strong>in</strong>e ganz Aussen (Firma I) und der andere im <strong>in</strong>neren<br />

Bereich (Firma L) des Kooperationsnetzwerkes bef<strong>in</strong>den. Betrachtet man Abbildung 31 und stellt sich<br />

konzentrische Kreise um den Mittelpunkt des Netzwerkes vor, so wird deutlich, dass sich die Auftrags-<br />

Networker regelmässig um den Kern formieren, währenddem sich die Solidaritäts-Networker ganz an der<br />

Peripherie positionieren (Firma K ist aus def<strong>in</strong>itorischen Gründen sogar ganz aus dem Kooperationsnetzwerk<br />

verschwunden).<br />

Auch die Chancen und die Risiken regionaler Netzwerkstrategien werden von den verschiedenen Typen<br />

unterschiedlich beurteilt. Kooperations-Networker sehen <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> Unternehmensnetzwerken e<strong>in</strong>e viel<br />

versprechende Chance um neue Produkte und Technologien zu entwickeln, währenddem Informations-<br />

Networker eher an schwachen Verb<strong>in</strong>dungen und regelmässigem Informationsaustausch <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d.<br />

Auftrags-Networker profitieren von den positiven Effekten auf dem Arbeitsmarkt und von den<br />

Kapazitätserweiterungen, die durch lokal vorhandene Innovationszentren ermöglicht werden. Solidaritäts-<br />

Networker sehen die Chancen vor allem <strong>in</strong> den vorteilhaften Auswirkungen für die regionale<br />

Wirtschaftsentwicklung. Die Risiken werden von den meisten Akteuren ähnlich e<strong>in</strong>geschätzt. Die Informations-<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 97


8. Präsentation der Ergebnisse<br />

Networker zeigen sich h<strong>in</strong>sichtlich des Umgangs mit Problemen am flexibelsten, da sie sich auf e<strong>in</strong>en lockeren<br />

Informationsaustausch konzentrieren und sich nicht auf feste Kooperationsbeziehungen versteifen. Solche<br />

Beziehungen s<strong>in</strong>d gemäss der Netzwerktheorie von Granovetter (1973) besonders wertvoll, da gerade diese<br />

schwachen Relationen die Erschliessung neuer Wissensquellen fördern und die Verkrustung des Netzwerkes<br />

verh<strong>in</strong>dern. Weitere Verb<strong>in</strong>dungen zu theoretischen Ansätzen werden <strong>in</strong> Kapitel 9 vorgenommen.<br />

Abbildung 31: Positionen der Firmentypen <strong>in</strong>nerhalb des Kooperationsnetzwerkes der MCCS AG.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

98 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


3. Teil:<br />

Synthese und Beurteilung<br />

Im ersten Teil dieser Arbeit wurden die wichtigsten theoretischen Ansätze identifiziert,<br />

die im Zusammenhang wirtschaftlicher Regionalentwicklung e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle spielen. Dabei zeigte sich, dass sich territoriale Innovationsmodelle<br />

und Netzwerkansätze immer mehr <strong>in</strong>s Zentrum der wissenschaftlichen Debatte<br />

stellen, und dass sich die Praxis die Ideen dieser Konzepte schon rege zunutze<br />

macht. Im zweiten Teil wurde darum sehr stark auf die Praxis fokussiert und e<strong>in</strong>e<br />

ausführliche Netzwerkanalyse e<strong>in</strong>es spezifischen Fallbeispiels durchgeführt. Im<br />

dritten und letzten Teil wird nun e<strong>in</strong>e Synthese der beiden ersten Teile angestrebt,<br />

<strong>in</strong>dem die durchgeführte Fallstudie im Lichte der neusten theoretischen Ansätze<br />

betrachtet und beurteilt wird. Zum Abschluss wird <strong>in</strong> Kapitel 10 auf Grundlage der<br />

theoretischen Diskussion und der praktischen Erfahrungen die dritte Forschungsfrage<br />

beantwortet und mögliche Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte<br />

Netzwerkstrategie vorgeschlagen.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 99


100 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie<br />

9.1 Die Fallstudie im Lichte des Cluster-Ansatzes<br />

Die Argumentation des Cluster-Ansatzes von Porter (1990) konzentriert sich auf den berühmten Diamanten (vgl.<br />

Kapitel 2.3.1). Gemäss diesem Konzept stehen vier Bed<strong>in</strong>gungen im Zentrum, welche die Innovations- und<br />

Wettbewerbsfähigkeit von Firmen antreiben.<br />

Als erstes spielen die vorherrschenden Faktorbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Faktoren, wie hoch<br />

qualifiziertes Personal und universitäre Forschungslabors <strong>in</strong> modernen Diszipl<strong>in</strong>en, aber auch Spezialisten,<br />

spezielle Infrastrukturen und e<strong>in</strong>e spezifische Wissensbasis im high-tech Bereich, s<strong>in</strong>d gemäss Porter<br />

entscheidend, um e<strong>in</strong>en übergeordneten Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Anhand der Auswertung des<br />

Kurzfragebogens kann gezeigt werden, dass auch die befragten Firmen dieser Argumentation mehrheitlich<br />

zustimmen (siehe Abbildung 32).<br />

Abbildung 32: Beurteilung theoretischer Aussagen: Faktorbed<strong>in</strong>gungen (Porter).<br />

Quelle. eigene Darstellung.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 101


9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie<br />

Das untersuchte Netzwerk schneidet bezüglich dieser Faktorbed<strong>in</strong>gungen sehr gut ab. Mit den beiden<br />

Forschungspartnern und den Industrieunternehmen, von denen e<strong>in</strong>ige zur weltweiten Spitzengruppe <strong>in</strong> ihren<br />

Bereichen gehören, besitzt das MCCS-Netzwerk e<strong>in</strong>e hervorragende Ausgangsposition.<br />

E<strong>in</strong>e zweite E<strong>in</strong>flussgrösse s<strong>in</strong>d gemäss Porter die Nachfragebed<strong>in</strong>gungen. Durch anspruchsvolle <strong>in</strong>ländische<br />

Kunden kann sich e<strong>in</strong> Unternehmen frühzeitig e<strong>in</strong> Bild der Käuferbedürfnisse machen, und dies als<br />

Ausgangspunkt für allfällige Spezialisierungen nutzen. Dass anspruchsvolle Kunden für den Innovationsprozess<br />

wichtig s<strong>in</strong>d, widerspiegeln auch die Resultate der Kurzfragebogen (siehe Abbildung 33). Ob diese<br />

anspruchsvollen Kunden jedoch vom In- oder vom Ausland kommen, kann nicht e<strong>in</strong>deutig beantwortet werden.<br />

Tatsache ist, dass die meisten Industrieunternehmen des MCCS-Netzwerkes global tätige Firmen s<strong>in</strong>d, und die<br />

Käuferbedürfnisse auf der ganzen Welt beobachten und <strong>in</strong> ihre Produkte e<strong>in</strong>fliessen lassen.<br />

Abbildung 33: Beurteilung theoretischer Aussagen: Nachfragebed<strong>in</strong>gungen (Porter).<br />

Quelle. eigene Darstellung.<br />

Als dritter wichtiger Faktor s<strong>in</strong>d verwandte und unterstützende Branchen zu erwähnen. Die räumliche Nähe<br />

von vor- bzw. nachgelagerten Industrien begünstigt gemäss Porter e<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>uierlichen Informationsaustausch<br />

über Innovationen und verschafft dadurch Kosten-, Koord<strong>in</strong>ations- und Verflechtungsvorteile. Verwandte und<br />

unterstützende Branchen konnten sich im untersuchten Netzwerk bis jetzt kaum konstituieren. Dies hat zur<br />

Folge, dass man sich bis heute mit e<strong>in</strong>em eher kle<strong>in</strong>en Netzwerk zufrieden geben muss. Zudem sche<strong>in</strong>t für die<br />

Industrieunternehmen die räumliche Nähe zu anderen Firmen wenig Bedeutung zu haben (siehe Abbildung 34).<br />

Dies kann mitunter e<strong>in</strong> Grund für das eher schwache Engagement im Netzwerk se<strong>in</strong>. Andererseits darf man nicht<br />

vergessen, dass sehr wohl Informationsbeziehungen zwischen Unternehmen bestehen, diese s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />

<strong>in</strong>formeller Natur und nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em spezifischen Netzwerk <strong>in</strong>stitutionalisiert.<br />

102 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie<br />

Abbildung 34: Beurteilung theoretischer Aussagen: Verwandte und unterstützende Branchen (Porter).<br />

Quelle. eigene Darstellung.<br />

Schliesslich betont Porter die Unternehmensstrategie, -struktur und die Rivalität zwischen den<br />

Unternehmen. Insbesondere e<strong>in</strong> starker Inlandwettbewerb ist für Porter e<strong>in</strong>e besonders wichtige Ursache für die<br />

Entstehung e<strong>in</strong>es nationalen bzw. <strong>regionalen</strong> Wettbewerbsvorteils. Dass die Unternehmensstrategie und die<br />

Firmenstruktur entscheidende Faktoren im Innovationsprozess s<strong>in</strong>d, ist unbestritten und wird von dieser<br />

Untersuchung bestätigt (siehe Kapitel 8.1.2). Der E<strong>in</strong>fluss des Marktes muss jedoch differenziert betrachtet<br />

werden. Für kle<strong>in</strong>e Innovationen und kont<strong>in</strong>uierliche Verbesserungsprozesse setzt der Markt die richtigen<br />

Anreize. Für die Entwicklung von revolutionären Erf<strong>in</strong>dungen, die zu Basis<strong>in</strong>novationen werden könnten,<br />

braucht es e<strong>in</strong>en Prozess, der vom Wettbewerb zum<strong>in</strong>dest teilweise verschont bleibt. Diese Aufgabe wird <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen von staatlichen und privaten Forschungs<strong>in</strong>stitutionen wahrgenommen. Die Herausforderung<br />

besteht dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Situation zu schaffen, <strong>in</strong> der sich die verschiedenen Firmen zwar konkurrenzieren, aber<br />

dennoch zu kooperieren bereit s<strong>in</strong>d. Dies kann erreicht werden, <strong>in</strong>dem mehr Firmen von der gleichen Branche<br />

und mit ähnlichen Absatzmärkten <strong>in</strong>s Netzwerk <strong>in</strong>tegriert werden. Um die Kooperationsbereitschaft zwischen<br />

den Firmen hoch zu halten, s<strong>in</strong>d lockere Beziehungen zu bevorzugen. Um den Zugang zu wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen zu gewährleisten, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>tensive Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den privaten Unternehmen und den<br />

Forschungs<strong>in</strong>stitutionen anzustreben. Dies ist aus wettbewerbstechnischer Sicht problemlos, solange die<br />

Schnittstelle zwischen der Forschungs<strong>in</strong>stitution und der Industriefirma vertraglich geregelt ist.<br />

9.2 Die Fallstudie im Lichte des Milieu-Ansatzes<br />

Das Konzept des kreativen Milieus der GREMI verfolgt e<strong>in</strong>en ganz anderen Ansatz. Innovationen werden als<br />

sozial und territorial e<strong>in</strong>gebettete Prozesse betrachtet, welche nur im kulturellen und <strong>in</strong>stitutionellen Kontext<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 103


9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie<br />

verstanden werden können. Netzwerke werden dabei als komplexe, auf Gegenseitigkeit beruhende und eher<br />

kooperative als kompetitive Beziehungen beschrieben. Gemäss Abbildung 6 im Kapitel 2.3.2 entsteht e<strong>in</strong><br />

kreatives Milieu erst, wenn e<strong>in</strong>e Überschneidung e<strong>in</strong>es <strong>regionalen</strong> Milieus mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>novativen Netzwerk<br />

entsteht. Im Falle des untersuchten Netzwerkes kann man sagen, dass Ansätze e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>novativen Netzwerks zwar<br />

vorhanden s<strong>in</strong>d, sich e<strong>in</strong> regionales Milieu aber kaum etablieren konnte. E<strong>in</strong> regionales Milieu konstituiert sich<br />

gemäss GREMI durch e<strong>in</strong> räumlich abgegrenztes Netz <strong>in</strong>formeller Beziehungen, sowie durch e<strong>in</strong>e<br />

gefühlsmässige E<strong>in</strong>heit und Geschlossenheit nach aussen wie nach <strong>in</strong>nen. E<strong>in</strong> solches Milieu, wie es<br />

beispielsweise <strong>in</strong> der Uhren<strong>in</strong>dustrie im Schweizerischen Jura vorhanden ist, kann im vorliegenden<br />

Untersuchungsgebiet nicht beobachtet werden. Die Zentralschweiz ist geprägt durch sehr heterogene<br />

Gebietskörperschaften, was die Verwirklichung e<strong>in</strong>es <strong>regionalen</strong> Milieus kaum realisierbar macht. Die e<strong>in</strong>zige<br />

Möglichkeit, e<strong>in</strong> kreatives Milieu zum<strong>in</strong>dest ansatzweise aufzubauen, besteht im E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es geeigneten<br />

Netzwerkmanagements, mit der Hoffnung, dass sich über die Etablierung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>novativen Netzwerkes e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>dustriespezifische, regionale Identifikation fördern lässt. Dabei spielen <strong>in</strong> den Augen der GREMI so genannte<br />

mehrdimensionale Akteure e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle, welche als B<strong>in</strong>deglied zwischen verschiedenen Branchen<br />

agieren und milieurelevante Beziehungen herstellen können. Solche <strong>in</strong>tegrierende Aufgaben könnten<br />

beispielsweise die MCCS AG oder auch andere gut vernetzte Persönlichkeiten übernehmen. Der wenig<br />

prägnante und schwierig zu fassende Milieu-Ansatz der GREMI wurde von den Interviewpartnern eher kritisch<br />

beurteilt (siehe Abbildung 35).<br />

Abbildung 35: Beurteilung theoretischer Aussagen: GREMI.<br />

Quelle. eigene Darstellung.<br />

104 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie<br />

9.3 Die Fallstudie im Lichte des Konzeptes der lernenden Region<br />

Das Konzept der lernenden Region argumentiert mit ähnlichen Inhalten wie das kreative Milieu, fokussiert<br />

jedoch mehr auf Lernprozesse und bildet e<strong>in</strong> konkreteres Gedankengebäude, welches besser fassbar und<br />

e<strong>in</strong>facher <strong>in</strong> die Praxis umgesetzt werden kann. Der Grundgedanke des Konzeptes ist, dass e<strong>in</strong> wichtiger Teil des<br />

Wissens nur implizit vorhanden und an Personen gebunden ist, so dass es nur <strong>in</strong> kooperativen Interaktionen<br />

zugänglich gemacht werden kann. In Japanischen Firmen wird dieses <strong>in</strong>teraktive und kooperative Lernens kaizen<br />

genannt, e<strong>in</strong> Prozess der kont<strong>in</strong>uierlichen Verbesserung durch <strong>in</strong>teraktive Problemlösungsverfahren. In<br />

verschieden Interviews wurde dieser Prozess direkt angesprochen, und es bestehen verschiedentlich<br />

Bemühungen, die Ideen dieses Vorgehens firmen<strong>in</strong>tern umzusetzen.<br />

Abbildung 36: Beurteilung theoretischer Aussagen: Lernende Region.<br />

Quelle. eigene Darstellung.<br />

Damit implizites Wissen zwischen Unternehmungen ausgetauscht werden kann, braucht es gemäss Morgan<br />

(1997: 494) e<strong>in</strong>e dynamische und flexible Netzwerkorganisation mit vielen horizontalen und schwachen<br />

Verb<strong>in</strong>dungen. Solchen Beziehungen werden aufgrund ihrer Flexibilität und Offenheit e<strong>in</strong> grosses<br />

Innovationspotential zugeschrieben. Zur Realisierung von Lernprozessen <strong>in</strong> Netzwerken braucht es gemäss<br />

Pommeranz (2000: 185) unter anderem e<strong>in</strong>e Netzwerkarchitektur, die e<strong>in</strong>en offenen Zugang und lose<br />

Koppelungen zwischen den Akteuren ermöglicht, sowie e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch motivierte Handlungskoord<strong>in</strong>ierung<br />

mittels wechselseitigen face-to-face Kontakten fördert. Dazu ist e<strong>in</strong> strategisch orientiertes, nicht eigenen<br />

Interessen verpflichtetes Management erforderlich, das mit der lokal vorhandenen Soziokultur e<strong>in</strong>e<br />

lernorientierte Entwicklung mittels Moderationstechniken anzuregen versucht. In dieser H<strong>in</strong>sicht entwickelt sich<br />

das untersuchte Netzwerk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e positive Richtung. In den lokal vorhandenen Ausbildungsstätten<br />

(Fachhochschule Zentralschweiz, Berufsbildung Zug, HöFA Mediz<strong>in</strong>technik) steckt jedoch noch viel<br />

ungenutztes Potential, welches das Netzwerk <strong>in</strong> Richtung lernende Region weiterentwickeln könnte. Das<br />

Netzwerkmanagement sollte dabei die Rolle e<strong>in</strong>es unabhängigen und diskreten Moderators übernehmen, welcher<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 105


9. Die Fallstudie im Lichte der Theorie<br />

vor allem <strong>in</strong> der Initiierungsphase aktiv ist. Wie Abbildung 36 zeigt, wurden die Erkenntnisse der lernenden<br />

Region von den Interviewpartnern mehrheitlich als zutreffend bezeichnet.<br />

9.4 Die Fallstudie im Lichte des NIS-Ansatzes<br />

Beim Ansatz Nationaler Innovationssysteme handelt es sich um e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation verschiedener Konzepte. So<br />

werden auch Elemente des Cluster-Ansatzes, soziokulturelle Aspekte des Milieu-Ansatzes sowie<br />

Betrachtungsweisen der lernenden Region <strong>in</strong>tegriert. Der Schwerpunkt liegt allerd<strong>in</strong>gs bei den Institutionen,<br />

wobei häufig über die Rolle der Unternehmen, der Universitäten und der Staaten diskutiert wird. Investitionen <strong>in</strong><br />

das Wissenssystem (F&E, Aus- und Weiterbildung) sowie der Technologie- und Wissenstransfer zwischen den<br />

Akteuren (Personen, Unternehmen, Hochschulen, Forschungse<strong>in</strong>richtungen etc.) spielen ebenfalls e<strong>in</strong>e<br />

entscheidende Rolle. Zur Optimierung der Aufnahmekapazität von Innovationen <strong>in</strong> Unternehmen wird<br />

vorgeschlagen, dass neben der Lancierung von Netzwerken auch die Fähigkeiten von Innovationsmanagern<br />

verbessert werden sollte. Dies wird im untersuchten Netzwerk getan, <strong>in</strong>dem die MCCS AG geme<strong>in</strong>sam mit dem<br />

csem ZCH an der Fachhochschule Zentralschweiz gewisse Module zum Thema Innovationsmanagement<br />

anbieten. Dieses Potential kann und muss noch besser ausgeschöpft werden. Um die Schnittstelle zwischen den<br />

verschiedenen Netzwerkakteuren zu verbessern, braucht es bei jedem Mitglied e<strong>in</strong>en geeigneten<br />

Innovationsmanager (Entwickler <strong>in</strong> leitender Position), welcher technologierelevante Kontakte nach Aussen<br />

pflegt und die gewonnen Erkenntnisse im Unternehmen vermittelt und umsetzt. Dem Staat wird im NIS-Konzept<br />

e<strong>in</strong>e relativ zentrale Rolle zugestanden. So sollte er zusätzlich zur Korrektur des Marktversagens im<br />

Innovationsbereich Verantwortung übernehmen und die <strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für den<br />

Wissensaustausch unter Firmen sowie zwischen markt- und nicht-marktorientierten Organisationen verbessern<br />

(siehe Kapitel 3.2). Wie die polarisierten Antworten der Kurzfragebogen zeigen, wurde diese Ansicht nicht von<br />

allen Interviewpartnern geteilt (siehe Abbildung 37).<br />

Abbildung 37: Beurteilung theoretischer Aussagen: NIS-Ansatz.<br />

Quelle. eigene Darstellung.<br />

106 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Sowohl <strong>in</strong> den Sozialwissenschaften als auch <strong>in</strong> der Politik ist e<strong>in</strong> Trend zu pragmatischen und<br />

anwendungsfreundlichen Problemlösungsstrategien zu beobachten. Das Ziel besteht dar<strong>in</strong>, sich komplexen<br />

Herausforderungen mit möglichst e<strong>in</strong>fachen und schlagkräftigen Lösungen zu stellen. In diesem S<strong>in</strong>ne werden<br />

auch hier pragmatische Ansatzpunkte präsentiert. Sie basieren auf den neusten theoretischen Erkenntnissen der<br />

Innovations- und Regionalforschung (vgl. erster Teil dieser Arbeit) sowie den Erfahrungen aus der vorliegenden<br />

empirischen Untersuchung. Aus Sicht der Theorie erfolgen Innovationen aufgrund e<strong>in</strong>er günstigen Konstellation<br />

zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Aus diesem Grund werden im Folgenden die entsprechenden<br />

Rollen dieser Akteure thematisiert und konkrete Vorschläge formuliert, wie regionale Unternehmensnetzwerke<br />

wirkungsvoll und effizient gestärkt werden können. Die Ausführungen s<strong>in</strong>d als Anregungen für e<strong>in</strong>e regionale,<br />

<strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie zu verstehen und beziehen sich nicht direkt auf die Mikrotechnologie-<br />

Initiative Zentralschweiz. Die föderalistische Struktur der Schweiz erfordert e<strong>in</strong>e fallspezifische Anpassung der<br />

gemachten Vorschläge an kantonale Gegebenheiten. Dennoch können die Empfehlungen als Ansatzpunkte für<br />

e<strong>in</strong>e Strategie gesehen werden, <strong>in</strong> welcher der volkswirtschaftliche Nutzen und die Innovationsfähigkeit der<br />

<strong>regionalen</strong> Wirtschaft im Zentrum stehen.<br />

10.1 Die Rolle der Politik<br />

Grundsätzlich muss sich die Politik auf das Setzen von Anreizen und geeigneten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

konzentrieren. Dieser Anspruch wird sowohl von den Interviewpartnern als auch von vielen theoretischen<br />

Ansätzen erhoben. Insbesondere Porter plädiert für Zurückhaltung von Seiten des Staates (vgl. Kapitel 2.3.1).<br />

Ganzheitliche Innovationspolitik als übergeordnete Strategie<br />

• Als übergeordnete Strategie ist e<strong>in</strong>e ganzheitliche Innovationspolitik anzustreben, die sämtliche politische<br />

Anstrengungen zur Verbesserung der Innovationskraft fördert.<br />

• E<strong>in</strong>e Förderung spezifischer Technologien ist abzulehnen, die Gefahr e<strong>in</strong>er Fehlallokation ist zu gross.<br />

Selbstorganisierte Initiativen mit e<strong>in</strong>em bottom-up Ansatz s<strong>in</strong>d zu bevorzugen (vgl. Argumentation von<br />

Porter <strong>in</strong> Kapitel 2.3.1).<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 107


10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

• Der Innovationsmarkt benötigt landesweit schlagkräftige Regeln für den Umgang mit geistigem Eigentum.<br />

Das Geheimhaltungsproblem wurde <strong>in</strong> den Interviews als erhebliches Konfliktpotential identifiziert (vgl.<br />

Kapitel 8.2.3).<br />

Hochschulpolitik mit klar def<strong>in</strong>ierten Rollen<br />

• Die Rollen der verschiedenen Hochschulen und ausbildungsunabhängigen F&E-E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d genau zu<br />

differenzieren (siehe dazu Kapitel 10.2).<br />

• An den Universitäten bzw. Fachhochschulen s<strong>in</strong>d Module zu kreieren, die sich im Rahmen der Ingenieurbzw.<br />

Betriebswirtschaftsausbildung auf gesamtwirtschaftliche Innovationsprozesse und<br />

Innovationsmanagement konzentrieren. Vor allem das NIS-Konzept betont, dass nur durch spezifische<br />

Managementfähigkeiten die Aufnahmekapazität von Innovationen <strong>in</strong> Unternehmen erhöht werden kann (vgl.<br />

Kapitel 3.2).<br />

Innovationsorientierte Regionalpolitik<br />

• Um Ineffizienzen zu verh<strong>in</strong>dern ist e<strong>in</strong>e Abstimmung der Innovations- mit der Regionalpolitik vorzunehmen.<br />

• Regionale Entwicklungspotentiale sollen durch selbst organisierte Innovationsprojekte erschlossen und<br />

weiterentwickelt werden. Dieser bottom-up Gedanke wird von der Theorie sehr stark unterstützt (vgl.<br />

Theoretische Grundlagen) und vom untersuchten Fallbeispiel auch klar umgesetzt, da es sich bei der MCCS<br />

AG um e<strong>in</strong>e von der Wirtschaft lancierte Initiative handelt (vgl. Kapitel 6.1).<br />

Projektträgerschaften mit variabler Geometrie und def<strong>in</strong>ierten Spielregeln<br />

Auf Projektebene s<strong>in</strong>d Trägerschaften mit e<strong>in</strong>er variablen Geometrie zu schaffen. Je nach Projektzielen soll die<br />

Organisation aus <strong>in</strong>ter<strong>regionalen</strong>, <strong>in</strong>terkantonalen oder <strong>in</strong>ternationalen Akteuren zusammengesetzt se<strong>in</strong> (vgl.<br />

dazu das Konzept der MCCS AG <strong>in</strong> Kapitel 6.1).<br />

• Die E<strong>in</strong>igung über Projektziele erfolgt im partnerschaftlichen Austausch zwischen Bund, Kantonen und<br />

Projektträgern und muss <strong>in</strong> Leistungsvere<strong>in</strong>barungen festgehalten werden.<br />

• Innovationsprojekte s<strong>in</strong>d auf überprüfbare Wirkungsziele auszurichten. Für Misserfolgsfälle müssen<br />

Abbruchregeln def<strong>in</strong>iert werden.<br />

• Die Ressourcen sollen durch Bund, Kanton und Projektträger komb<strong>in</strong>iert und <strong>in</strong> Form von Globalbeiträgen<br />

e<strong>in</strong>gebracht werden. Die Beteiligung Dritter ist anzustreben.<br />

• Die Unterstützung lokaler Innovationsprojekte muss zeitlich begrenzt und soll nur mitf<strong>in</strong>anziert werden,<br />

wenn sie breit abgestützt s<strong>in</strong>d und sich an vorhandenen Clusterstrukturen sowie am Diffusions- bzw.<br />

Transfergedanke orientieren.<br />

• Schliesslich waren sich die Interviewpartner e<strong>in</strong>ig, dass e<strong>in</strong>e gezielte start-up Förderung für<br />

Jungunternehmen unerlässlich ist.<br />

108 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


10.2 Die Rolle der Wissenschaft<br />

10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Die Wissenschafts- und Ausbildungslandschaft im Innovationsbereich setzt sich aus Universitäten,<br />

Fachhochschulen und privaten bzw. halbprivaten Innovationszentren zusammen. Erstere haben e<strong>in</strong>en<br />

Ausbildungsauftrag, Innovationszentren (z.B. csem) s<strong>in</strong>d ausbildungsunabhängig. Entscheidend ist die Frage<br />

nach der fachgerechten Rollenverteilung und der optimalen Struktur dieser Wissenschafts- und<br />

Ausbildungslandschaft. Die Wichtigkeit der Wissenschaft im Innovationsprozess wird <strong>in</strong> allen neueren<br />

Theorieansätzen anerkannt. Am deutlichsten wird das Problem der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

<strong>in</strong> wirtschaftliche Wertschöpfung vom NIS-Konzept thematisiert. Der Transfergedanke spielt dort e<strong>in</strong>e<br />

entscheidende Rolle (vgl. Kapitel 3.2). Auch <strong>in</strong> den Augen e<strong>in</strong>iger Interviewpartner steckt <strong>in</strong> der Optimierung<br />

des Wissenstransfers zwischen Hochschulen und Unternehmen e<strong>in</strong> grosses, noch unausgeschöpftes<br />

wirtschaftliches Potential.<br />

Universitäten: Ausbildung und Forschung aus wissenschaftlicher Perspektive<br />

• Der Ausbildungs- und Forschungsauftrag der Universitäten ist sowohl erkenntnis- (z.B.<br />

Grundlagenforschung Physik) als auch umsetzungsorientiert (z.B. Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g) und hat e<strong>in</strong>e<br />

wissenschaftliche Perspektive e<strong>in</strong>zunehmen.<br />

• Der Forschungsauftrag an Universitäten soll sich auf mittel- und langfristige Forschung konzentrieren.<br />

• Ausbildung und Forschung an Universitäten sollen grundsätzlich mit öffentlichen Mitteln f<strong>in</strong>anziert werden.<br />

• Die Erhöhung der Drittmittelforschung an Universitäten muss geprüft werden, denn nicht jedes Fachgebiet<br />

hat dieselben Marktchancen.<br />

• Um den Technologietransfer zu fördern, müssen an Universitäts<strong>in</strong>stituten Personen e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />

(Innovationsmanager), die externe Kontakte pflegen und zusammen mit anderen Akteuren des<br />

Innovationssystems flexible Arbeitsgruppen (Task Force) bilden können.<br />

Fachhochschulen: Ausbildung und Problemlösung aus praxisorientierter Perspektive<br />

• Der Ausbildungsauftrag der Fachhochschulen ist anwendungsorientiert und hat e<strong>in</strong>en Praxisbezug aus der<br />

Perspektive der Unternehmen herzustellen.<br />

• Fachhochschulen sollen sich auf angewandte Forschung sowie mittel- und kurzfristige<br />

Problemlösungsaufgaben z.B. für KMU konzentrieren. E<strong>in</strong>e Spezialisierung auf Spitzenforschung macht,<br />

auch im S<strong>in</strong>ne der Interviewergebnisse, ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n.<br />

• Zusätzlich sollen Fachhochschulen e<strong>in</strong> praxisorientiertes Weiterbildungsangebot bereitstellen und dadurch<br />

bekannte Applikationen verbreiten.<br />

• Die F<strong>in</strong>anzierung der Aus- und Weiterbildung <strong>in</strong> Fachhochschulen muss mit öffentlichen Mitteln geschehen.<br />

Für Konkrete Problemlösungsaufgaben s<strong>in</strong>d Drittmittelf<strong>in</strong>anzierungen angebracht.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 109


10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

• Auch bei den Instituten der Fachhochschulen s<strong>in</strong>d Personen zu bestimmen, welche für den<br />

Technologietransfer und den Kontakt nach Aussen verantwortlich s<strong>in</strong>d und sich <strong>in</strong> allfälligen Arbeitsgruppen<br />

engagieren können.<br />

Innovationszentren: B<strong>in</strong>deglied zwischen Wirtschaft und Forschung<br />

• Innovationszentren konzentrieren sich auf umsetzungsorientierte Forschung und erarbeiten zusammen mit<br />

Industriepartnern angewandte Problemlösungsverfahren. Damit übernehmen sie die Funktion e<strong>in</strong>es<br />

B<strong>in</strong>degliedes zwischen Wissenschaft und Praxis.<br />

• Innovationszentren können Partner<strong>in</strong>stitute von Universitäten se<strong>in</strong> und müssen für Universitätsaufgaben<br />

(umsetzungsorientierte Forschung, Weiterbildung, Organisation von Sem<strong>in</strong>arien und Diskussionsforen etc.)<br />

entsprechend entschädigt werden.<br />

• Um die Funktion e<strong>in</strong>es B<strong>in</strong>degliedes zwischen Wirtschaft und Forschung wahrnehmen zu können, müssen<br />

auch hier Innovationsmanager im S<strong>in</strong>ne der anderen Institutionen e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

10.3 Die Rolle der Wirtschaft<br />

Die Unternehmen gehören zu den wichtigsten Akteuren im Innovationssystem, stellen h<strong>in</strong>sichtlich Grösse,<br />

Branchenzugehörigkeit und Position jedoch e<strong>in</strong>e sehr heterogene Gruppe dar. Grundsätzlich verhalten sich<br />

private Unternehmen pragmatisch und wissen, was sie brauchen und wie sie es bekommen können. Anhand der<br />

empirischen Resultate bieten sich zwei Möglichkeiten an, den Innovationsprozess <strong>in</strong> Unternehmen zu verbessern<br />

(vgl. Kapitel 8.1.2):<br />

Schlanke Firmenstruktur mit kurzen Innovationswegen<br />

• Die Firmenstruktur muss so organisiert se<strong>in</strong>, dass die Informationswege kle<strong>in</strong> und die Kontaktmöglichkeiten<br />

zwischen F&E und Vertrieb gross s<strong>in</strong>d.<br />

• Auch <strong>in</strong> Unternehmen müssen Innovationsmanager e<strong>in</strong>gesetzt werden, um Innovationsprozesse übergreifend<br />

zu organisieren, Kreativitätspotentiale im Unternehmen zu entdecken sowie Kontakte nach Aussen zu<br />

<strong>in</strong>itiieren.<br />

Offene Firmenkultur gegen Innen und Aussen<br />

• Interne Innovations<strong>in</strong>itiativen eignen sich für die Initiierung von Innovationen <strong>in</strong>nerhalb des Unternehmens<br />

und fördern das Innovationsbewusstse<strong>in</strong> bei den Mitarbeitern.<br />

• Die Herausbildung von Clusterstrukturen können Unternehmen dadurch unterstützen, <strong>in</strong>dem sie die von<br />

ihnen f<strong>in</strong>anzierten Verbandse<strong>in</strong>richtungen dazu anhalten, geeignete firmenübergreifende<br />

Innovationsplattformen zu schaffen, die ihren Bedürfnissen entsprechen.<br />

110 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

10.4 Die Rolle des Netzwerkmanagements<br />

Das Netzwerkmanagement übernimmt die Rolle e<strong>in</strong>es Intermediären und kann von Verbänden,<br />

Wirtschaftsförderern, privaten oder öffentlichen Transferstellen übernommen werden. Wichtig s<strong>in</strong>d dabei die<br />

Professionalität und das Vorhandense<strong>in</strong> genügender Ressourcen. Die verschiedenen Interviews zeigten deutlich,<br />

dass die Moderationsfunktion des Netzwerkmanagers zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik e<strong>in</strong>em<br />

realen Bedürfnis entspricht. Aufgrund des aufwändigen Tagesgeschäfts haben die Unternehmen kaum Zeit,<br />

firmenübergreifende Arbeitsgruppen zu lancieren und e<strong>in</strong>en regelmässigen Kontakt zur Politik zu pflegen (vgl.<br />

dazu auch das Codierschema im Anhang).<br />

Der Netzwerkmanager als Moderator von Innovationsprozessen<br />

• Das Netzwerkmanagement übernimmt die Rolle e<strong>in</strong>es unabhängigen und diskreten Moderators, welcher vor<br />

allem <strong>in</strong> der Initiierungsphase aktiv und nicht eigenen Interessen verpflichtet ist.<br />

• Neben der Bereitstellung von Informationsmaterial müssen sich Netzwerkmanager auf das Organisieren von<br />

Veranstaltungen und Weiterbildungen konzentrieren.<br />

• Bei der Moderation von Innovationsprozessen muss darauf geachtet werden, dass genügend technologische<br />

Schnittstellen zwischen den beteiligten Unternehmen bestehen.<br />

• Neben der Initiierung regionaler Kooperationsbündnisse s<strong>in</strong>d auch Plattformen zu schaffen, wo lockere<br />

Beziehungen gepflegt werden können. Gemäss Granovetter (1973) s<strong>in</strong>d schwache Verb<strong>in</strong>dungen für die<br />

Entwicklung neuer Wissensquellen von besonderer Bedeutung (vgl. Kapitel 4.2).<br />

Der Netzwerkmanager als Vermittler zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik<br />

• Netzwerkmanager müssen e<strong>in</strong>e aktive Vermittlerrolle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik<br />

übernehmen.<br />

• Auf Projektebene übernimmt das Netzwerkmanagement die wichtige Aufgabe, den <strong>in</strong>ter<strong>regionalen</strong> bzw.<br />

<strong>in</strong>terkantonalen Austausch zu fördern und die erforderlichen Ressourcen für die Erreichung der Projektziele<br />

zu garantieren (vgl. MCCS AG).<br />

Hohe Anforderungen an Innovations- und Netzwerkmanager<br />

• Die anspruchsvolle und zeit<strong>in</strong>tensive Arbeit des Netzwerkmanagers setzt das Vorhandense<strong>in</strong> geeigneter<br />

Innovationsmanager mit entsprechender Ausbildung und Erfahrung voraus.<br />

• Als strategische Handlungsfelder empfiehlt sich e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Netzwerkmanagement,<br />

Innovationsmanagement, Standortentwicklung und Standortpromotion (siehe Abbildung 38). Diese Aufgabe<br />

setzt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Zusammenarbeit mit anderen Wirtschafts- und Innovationsförderungsstellen voraus.<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 111


10. Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novationsorientierte Netzwerkstrategie<br />

Abbildung 38: Strategische Ausrichtung des Netzwerkmanagements.<br />

Quelle: eigene Darstellung.<br />

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Wilson, P.A. (1997): Build<strong>in</strong>g Social Capital: A Learn<strong>in</strong>g Agenda for the Twenty-first Century. In: Urban<br />

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Woolcock, M. (2001): The place of Social Capital <strong>in</strong> Understand<strong>in</strong>g Social and Economic Outcomes. In:<br />

ISUMA, Canadian Journal of Policy Research, Vol. 2, No 1, 11-17.<br />

Z<strong>in</strong>kl, W. (2005): E<strong>in</strong> Innovationsmarkt für Wissen und Technologie. Diskussionsbeitrag zur Neuausrichtung der<br />

Innovationspolitik <strong>in</strong> der Schweiz. Zürich.<br />

118 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Index<br />

A<br />

Anonymität 71<br />

Atlas/ti 75<br />

Auftrags-Networker vi, 96<br />

B<br />

Berührungsmatrix 64<br />

Bodenrente 10<br />

branchenspezifischer<br />

Regionaleffekt 54, 55<br />

branchenspezifischer<br />

Standorteffekt 54, 55<br />

branchenspezifischer<br />

Struktureffekt 54, 55<br />

Index<br />

C<br />

Christaller 11<br />

Closeness Centrality 65, 66, 77, 88<br />

Cluster 18<br />

Cluster-Ansatz 17, 101<br />

csem SA 52<br />

D<br />

Diamanten-Konzept 17, 19<br />

Diffusion 16<br />

E<br />

Egozentrisches Netzwerk 63, 76<br />

embeddedness iv, 3, 40<br />

Evolutionäre Pfade 31<br />

Evolutionsökonomie iv, 5, 29<br />

Evolutionstheorie 29<br />

F<br />

Fallstudie 2, 70<br />

Fordismus 39<br />

Freeman’s Betweenness<br />

Centrality 65, 67, 77, 88<br />

Freeman’s Degree Centrality 65, 66,<br />

77, 86, 87, 95<br />

G<br />

Genotyp 30<br />

Geodätische Distanz 66<br />

Gesamtnetzwerk 63, 77<br />

Gleichgewichtsmodell 15<br />

Granovetter iv, 5, 39, 40, 98<br />

GREMI 22, 103<br />

Grounded Theory 67, 70<br />

H<br />

Hirschman 14<br />

I<br />

Implizites Wissen 25<br />

Industriestandorttheorie 11<br />

<strong>in</strong>fant <strong>in</strong>dustries 35<br />

Informationsbeziehungen 73<br />

Informations-Networker v, 96<br />

Innovation 2, 30, 45<br />

Innovationsnetz 23<br />

Innovationsprozess 45<br />

K<br />

kaizen 25<br />

Komparative Kostenvorteile 9<br />

Kooperationsbeziehungen 73<br />

Kooperations-Networker v, 96<br />

Kreatives Milieu 23<br />

Krugman 14<br />

Kurzfragebogen 71<br />

L<br />

Lasuén 14<br />

Leitfaden 72<br />

Lernende Region 25, 105<br />

Lernendes Innovationsmodell 26<br />

Lernprozesse 31<br />

L<strong>in</strong>eares Innovationsmodell 26<br />

lock-<strong>in</strong> 26, 41<br />

Lösch 11<br />

M<br />

make-or-buy-Problem 39<br />

Marktnetze 11<br />

MCCS AG iv, 2, 49<br />

Milieu 16, 22<br />

Milieu-Ansatz 22, 103<br />

Myrdal 14<br />

N<br />

Namensgenerator 74<br />

Nationale Innovationssysteme 33<br />

NetDraw 77<br />

Neue Handelstheorie 15<br />

New Economic Geography 14<br />

New Economic Sociology iv, 5, 39,<br />

40<br />

New Institutional Economics 39<br />

NIS-Ansatz 106<br />

NOGA 54<br />

not-<strong>in</strong>vented-here Syndrom 82<br />

O<br />

Open Innovation 81<br />

P<br />

Perroux 13<br />

Persönliches Netzwerk 63<br />

Pfadabhängigkeit 32<br />

Phänotyp 29<br />

Pionierunternehmer 30<br />

Polarisationstheorien iii, 7, 12<br />

Porter 17, 101<br />

Problemzentrierte Interviews v, 71<br />

Q<br />

Qualitative Inhaltsanalyse v, 75<br />

R<br />

Raumwirtschaftslehre 9<br />

Regionale Innovationssysteme 33<br />

Regionale Polarisationstheorie 14<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 119


Ricardo 9<br />

S<br />

Sampl<strong>in</strong>g Strategie 70<br />

Schumpeter iv, 13, 29, 30<br />

Sektorale Polarisationstheorie 13<br />

Shift-Analyse iv, 3, 54<br />

Skalenerträge 15<br />

Social Network Analysis 63<br />

Solidaritäts-Networker vi, 97<br />

Soziale Netzwerkanalyse 63<br />

Soziogramm 65<br />

Spillover-Effekte 15<br />

strong ties 41<br />

Index<br />

T<br />

tacit knowledge 25<br />

Technologischer<br />

Entwicklungspfad iv, 31<br />

Territoriale Innovationsmodelle iii, 7,<br />

16<br />

Theoretisches Sampl<strong>in</strong>g 70<br />

Theorie der zentralen Orte 11<br />

Traditionelle Standorttheorien iii, 7<br />

Trajektorien iv, 31<br />

Transaktionskosten 39<br />

Transkription 74<br />

Triangulation v, 2, 68, 77<br />

Typologie v, 3, 77<br />

Typologisierung 77<br />

Typus 77<br />

U<br />

UCINET 76<br />

Unternehmergew<strong>in</strong>n 30<br />

V<br />

von Thünen 10<br />

W<br />

weak ties 41<br />

Weber 11<br />

Williamson 39<br />

120 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Anhänge<br />

• Interviewleitfaden<br />

• Kurzfragebogen<br />

• Codierschema<br />

• NOGA-Branchen<br />

• Berechnungen Shift-Analyse<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 121


122 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Interviewleitfaden<br />

Leitfaden für die Gespräche mit den Industrieunternehmen (Frühjahr 2006)<br />

I. E<strong>in</strong>stieg<br />

• Begrüssung und Dank für die Bereitschaft, an der Untersuchung teilzunehmen.<br />

• Angaben zum H<strong>in</strong>tergrund des Interviews (Diplomarbeit Uni ZH, <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit MCCS AG).<br />

• Erläuterungen zum Interviewablauf.<br />

• Versicherung der Anonymität.<br />

• E<strong>in</strong>verständnis für Tonband Aufnahme.<br />

• Ausfüllen des Kurzfragebogens.<br />

II. Vorstellen der Unternehmung<br />

• Könnten Sie mir als erstes Ihre Unternehmung kurz vorstellen? Wie ist das Unternehmen strukturiert, was<br />

produzieren Sie etc.?<br />

III. Zu den Innovationsaktivitäten<br />

Als nächstes möchte ich Sie grundsätzlich zu Ihren Innovationsaktivitäten befragen.<br />

• Welche Akteure bee<strong>in</strong>flussen den Innovationsprozess Ihres Unternehmens am meisten?<br />

• Welche Faktoren begünstigen den Innovationsprozess?<br />

• Welche Faktoren beh<strong>in</strong>dern den Innovationsprozess?<br />

IV. Zur Vernetzung des Unternehmens<br />

Das Ziel der folgenden Frage besteht dar<strong>in</strong>, Ihr Kooperations- und Informationsnetzwerk zu erfassen. Dafür<br />

haben Sie auf der letzten Seite des Kurzfragebogens e<strong>in</strong>e Liste.<br />

(Erklären der Aufgabe und Def<strong>in</strong>ition der Begriffe Kooperationsbeziehung und Informationsbeziehung)<br />

• Bitte kreuzen Sie die entsprechenden Akteure an.<br />

• Können Sie die verschiedenen Beziehungen noch e<strong>in</strong>gehender charakterisieren?<br />

• Wie f<strong>in</strong>den die Interaktionen statt?<br />

• Welche Ziele verfolgen sie damit?<br />

• Gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit?<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 123


Interviewleitfaden<br />

V. Zur Bedeutung des MCCS-Netzwerkes<br />

Welche Bedeutung haben die MCCS-Beziehungen für Ihre Unternehmung (im Vergleich mit Kunden,<br />

Zulieferern und anderen Firmen bzw. Institutionen)?<br />

VI. Zur Förderung regionaler Unternehmensnetzwerke<br />

• Sollen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach regionale Innovationsnetzwerke gefördert werden?<br />

• Welche Rolle soll der Staat übernehmen?<br />

• Welche Rolle sollen die Unternehmen übernehmen?<br />

• Welche Rolle soll das Netzwerkmanagement übernehmen?<br />

• Wo gibt es im MCCS-Netzwerk noch Optimierungspotential?<br />

VII. Interviewabschluss<br />

• Haben Sie weitere Bemerkungen? Gibt es Aspekte, die Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach nicht ausreichend zur Sprache<br />

gekommen s<strong>in</strong>d?<br />

• Bedanken für die Mitarbeit.<br />

124 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Kurzfragebogen<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 125


Kurzfragebogen<br />

126 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Kurzfragebogen<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 127


Kurzfragebogen<br />

128 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Kurzfragebogen<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 129


Kurzfragebogen<br />

130 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Codierschema (Anzahl Zitate, Anzahl Befragte)<br />

Familie Supercode I Supercode II Code<br />

Innovationsfaktoren<br />

Innovationsakteure Externe Akteure (33,10) Kunde (13,9)<br />

Zulieferer (12,4)<br />

Wissenschaft (5,5)<br />

Verbände (3,2)<br />

Interne Akteure (8,6) Mitarbeiter (8,6)<br />

Innovationsfördernd Firmenkultur (20,7) Freiraum (3,2) Freiraum für freche Ideen (1,1)<br />

Zeit für <strong>in</strong>novative Gedanken (2,1)<br />

Offenheit gegen Aussen 1 Offen gegenüber externen Ideen (3,2)<br />

(12,6)<br />

Offene externe Kommunikation (2,2)<br />

Offen gegenüber Kunden (7,5)<br />

Offenheit gegen Innen (7,3) Offene <strong>in</strong>terne Kommunikation (4,2)<br />

Offene GL (3,2)<br />

Firmenstruktur (5,4) Flache Hierarchien (2,2)<br />

Matrixorganisation (1,1)<br />

Interne F&E (3,3)<br />

Innovationstools (15,6) Innovationsgremien (7,4) Innovationsgremien mit <strong>in</strong>ternen und<br />

externen Akteuren (3,2)<br />

Interne Ideengeneratoren (5,3)<br />

Prozessoptimierung (4,3) Kont<strong>in</strong>uierlicher Verbesserungsprozess<br />

(KVP) / Kaizen (2,2)<br />

Open Innovation (2,1)<br />

Wissensgenerierung und – Technology Monitor<strong>in</strong>g (4,2)<br />

speicherung (5,2)<br />

Knowledge Management (1,1)<br />

Marktdruck (5,4) Markt (5,4)<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 131


Innovationshemmend<br />

Chancen und Risiken<br />

Codierschema<br />

Interne Innovationshemmer<br />

(29,10)<br />

Externe<br />

Innovationshemmer (10,7)<br />

Chancen Chancen im<br />

Innovationsbereich (39,11)<br />

Schwacher<br />

Informationsfluss (7,5)<br />

Innovationshemmende<br />

Unternehmenskultur (15,7)<br />

Adm<strong>in</strong>istrativer Aufwand<br />

(9,7)<br />

Konflikt zw. Entwicklung und Verkauf (3,3)<br />

Lange Entscheidungswege (4,3)<br />

Not <strong>in</strong>vented here (2,2)<br />

Risikoaversion (5,3)<br />

Berührungsängste (3,2)<br />

Fehlendes Unternehmertum (5,3)<br />

Tagesgeschäft (4,4)<br />

Adm<strong>in</strong>istrative Hürden (5,4)<br />

Fehlende Ressourcen (9,6) Fehlende Leute (2,2)<br />

Fehlende F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten (8,6)<br />

Transferprobleme (1,1) Fehlender Technologietransfer (1,1)<br />

Chancen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven<br />

Zusammenarbeit (15,7)<br />

Schneller Zugang zur Forschung (3,1)<br />

Unterstützung des Innovationsprozesses (3,1)<br />

Entwicklung von Innovationen (9,6)<br />

Chancen e<strong>in</strong>er<br />

Informationsaustausch (15,9)<br />

gelegentlichen<br />

Arbeitsmarkt (4,3)<br />

Zusammenarbeit (26,10)<br />

Benutzung von Geräten (1,1)<br />

Kapazitätserweiterung (6,5)<br />

Chancen für die Region (18,6) Multiplikatoreffekt (8,4)<br />

Clustereffekt (10,4)<br />

132 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Codierschema<br />

Probleme Beziehungskonflikte<br />

(69,13)<br />

Netzwerkprobleme<br />

(63,10)<br />

Geheimhaltungsprobleme<br />

(32,9)<br />

Wenig Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

(29,10)<br />

Konflikte bezüglich Geistigen Eigentums (16,<br />

7)<br />

Patentierungspraktiken (12,3)<br />

Unterschiedliche Unternehmensphilosophien<br />

(4,2)<br />

Unterschiedliche technologische<br />

Fragestellungen (9,6)<br />

Unterschiedliche Industriebranchen als<br />

Kooperationshemmer (18,8)<br />

Unterschiedliche Industriebranchen als<br />

Chance (8,7)<br />

Qualitätsprobleme (4,4) Qualitätssicherung (4,4)<br />

F<strong>in</strong>anzierungsdifferenzen Zu teure Angebote (2,2)<br />

(5,3)<br />

Überziehen des Budgets (3,1)<br />

Unklare Rollenverteilung Verwirrung zwischen MCCS und csem (4,3)<br />

(25,6)<br />

Abhängigkeit des csem ZCH vom MCCS (8,2)<br />

Csem steht im Zentrum (4,2)<br />

Unklare Rolle des MCCS Verwaltungsrates<br />

(7,3)<br />

Konkurrenz zwischen csem und HTA (3,1)<br />

Kritische Masse (25,6) Föderalismus (18,5)<br />

Kritische Grösse des MCCS (7,4)<br />

Wenig Engagement (5,2) Probleme aufgrund Restrukturierung (3,2)<br />

Fehlendes Engagement (2,1)<br />

Fehlende Mittel (8,3) Fehlende Kantonsgelder (3,2)<br />

Fehlende Bundesgelder (5,2)<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 133


Rollenverteilung<br />

Codierschema<br />

Rolle des Staates F<strong>in</strong>anzierungsrolle (18,9) Unterstützung der Forschung (6,3)<br />

Investitionen <strong>in</strong> messbare E<strong>in</strong>heiten (2,1)<br />

F<strong>in</strong>anzielle Mittel bereitstellen (10,7)<br />

Anschubrolle (6,4) Start-up Förderung (3,2)<br />

Starthilfe für Netzwerkprojekte (3,2)<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen (9,5) Tiefe Steuern (4,4)<br />

Günstige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen (5,4)<br />

Raumplanung (1,1)<br />

Rolle des Netzwerkmanagements<br />

Rolle der<br />

Unternehmen<br />

Rollenverteilung<br />

zwischen<br />

Hochschulen,<br />

Fachhochschulen und<br />

csem.<br />

Network<strong>in</strong>g (16,8) Horizontales Network<strong>in</strong>g (7,6)<br />

Vertikales Network<strong>in</strong>g (9,3)<br />

Promotion (1,1)<br />

Coach<strong>in</strong>g/ Moderation (15,8) Organisation von Meet<strong>in</strong>gs (5,5)<br />

Diskrete Plattform (3,2)<br />

Unterstützungsfunktion (6,1)<br />

Informieren (2,2)<br />

Transferfunktion (12,3) Transferstelle (12,3)<br />

Aktive Rolle (16,9) Offenheit gegen Aussen 2<br />

(7,5)<br />

Offen gegenüber externen Ideen (3,2)<br />

Offene externe Kommunikation (2,2)<br />

Zusammenarbeit mit dem csem (2,2)<br />

Engagement auf<br />

Engagement <strong>in</strong> Verbänden (4,3)<br />

verschiedenen Ebenen<br />

(9,7)<br />

Engagement im Netzwerk (3,3)<br />

Politischer E<strong>in</strong>fluss ausüben (2,1)<br />

Pragmatische Rolle (2,1) Pragmatisch (2,1)<br />

Konzentration auf Kernkompetenzen (12,3) Rolle der Hochschulen (6,2)<br />

Rolle der Fachhochschulen (8,3)<br />

Rolle csem (3,1)<br />

134 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


NOGA-Branchen<br />

II. Sektor<br />

Branchen NOGA 2 Aktivitäten<br />

Bergbau 10, 11, 13, 14 • Gew<strong>in</strong>nung von Ste<strong>in</strong>en, Erden<br />

• Sonstiger Bergbau<br />

High-Tech Branchen<br />

30, 31, 32, 33,<br />

(ohne Chemische Industrie)<br />

35.3<br />

Herstellung von sonstigen Waren 15, 16, 17, 18,<br />

19, 20, 21, 22,<br />

23, 24, 25, 26,<br />

27, 28, 29, 34,<br />

36, 37<br />

• Herstellung von Büromasch<strong>in</strong>en, Datenverarbeitungsgeräten und -<br />

e<strong>in</strong>richtungen.<br />

• Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung und<br />

ähnliches.<br />

• Herstellung von Geräten der Radio-, Fernseh- und<br />

Nachrichtentechnik<br />

• Herstellung von mediz<strong>in</strong>ischen Geräten, Präzisions<strong>in</strong>strumenten;<br />

optischen Geräten und Uhren.<br />

• Luft- und Raumfahrzeugbau.<br />

• Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln, Tabakverarbeitung<br />

• Herstellung von Textilien und Bekleidung<br />

• Herstellung von Leder und Lederwaren<br />

• Herstellung von Holz sowie Holz-, Kork- und Flechtwaren<br />

• Herstellung von Papier, Pappe; Verlags- und Druckereierzeugnisse<br />

• Kokerei; M<strong>in</strong>eralölverarbeitung; Herstellung und Verarbeitung von<br />

Spalt- und Brutstoffen<br />

• Herstellung von Chemischen Erzeugnissen<br />

• Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren<br />

• Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von<br />

Ste<strong>in</strong>en und Erden<br />

• Metallerzeugung und -bearbeitung<br />

• Masch<strong>in</strong>enbau<br />

• Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musik<strong>in</strong>strumenten,<br />

Sportgeräten, Spielwaren usw.<br />

• Rückgew<strong>in</strong>nung und Recycl<strong>in</strong>g<br />

Energie- und Wasserversorgung 40, 41 • Gew<strong>in</strong>nung von energetischen Produkten<br />

• Gew<strong>in</strong>nung und Verarbeitung von Erdöl und Erdgas<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 135


III. Sektor<br />

NOGA-Branchen<br />

Baugewerbe 45 • Hoch- und Tiefbau<br />

• Zimmerei<br />

• Dachdeckerei<br />

• Bauspenglerei<br />

• Bau<strong>in</strong>stallation<br />

• Ausbaugewerbe<br />

Handel- und Reparatur 50, 51, 52 • Handel- und Reparatur von Automobilen<br />

Gastgewerbe 55 • Hotels<br />

Verkehr- und<br />

Nachrichtenübermittlung<br />

60, 61, 62, 63,<br />

64<br />

Kredit<strong>in</strong>stitute und Versicherungen 65, 66, 67 • Banken<br />

• Tankstellen<br />

• Handelsvermittlung und Grosshandel<br />

• Detailhandel<br />

• Reparatur von Gebrauchsgütern<br />

• Restaurants<br />

• Camp<strong>in</strong>g<br />

• Herbergen<br />

• Bars<br />

• Kant<strong>in</strong>en<br />

• Cater<strong>in</strong>g<br />

• Personenbeförderung<br />

• Güterverkehr<br />

• Frachtumschlag und Lagerung<br />

• Reisebüros<br />

• Nachrichtenübermittlung<br />

• Versicherungen<br />

• Krankenkassen<br />

136 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Dienstleistungen für Unternehmen,<br />

Informatik, Forschung und<br />

Entwicklung<br />

NOGA-Branchen<br />

72, 73, 74 • Hardwarebearbeitung<br />

• Softwareentwicklung und -beratung<br />

• Datenverarbeitung und Datenbanken<br />

• Rechts- und Unternehmensberatung<br />

• Buchführung<br />

• Architektur und Ingenieurbüros<br />

• Laboruntersuchungen<br />

• Werbung<br />

• Personal- und Stellenvermittlung<br />

• Überwachung<br />

• Re<strong>in</strong>igung<br />

Öffentliche Verwaltung 75 • Öffentliche Verwaltung<br />

• Landesverteidigung<br />

• Zivilschutz<br />

• Gerichte<br />

• Polizei<br />

• Feuerwehr<br />

• Sozialversicherungen<br />

Erziehung- und Unterricht 80 • K<strong>in</strong>dergärten<br />

Gesundheitswesen 85 • Krankenhäuser<br />

• Grundschulen<br />

• Weiterführende Schulen<br />

• Berufsschulen<br />

• Hochschulen und höhere Ausbildung<br />

• Erwachsenenbildung<br />

• Ärzte, Zahnärzte<br />

• Anderes Gesundheitswesen<br />

• Veter<strong>in</strong>ärwesen<br />

• Alters- und Pflegeheime<br />

• Andere Wohnheime<br />

• Institutionen des Sozialwesens ohne Beherbergung<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 137


NOGA-Branchen<br />

Sonstige Dienstleistungen 70, 71, 90, 91,<br />

92, 93<br />

• Immobilienwesen<br />

• Vermietung beweglicher Sachen ohne Bedienungspersonal<br />

• Abwasserre<strong>in</strong>igung<br />

• Abfallbeseitigung und sonstige Entsorgung<br />

• Interessensvertretung und sonstige Vere<strong>in</strong>igungen<br />

• Unterhaltung, Kultur und Sport<br />

138 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>


Berechnungen Shift-Analyse<br />

Symbole 1<br />

b: Beschäftigung im Teilraum<br />

B: Beschäftigung im Vergleichsraum<br />

0: Bezugszeitpunkt<br />

t: Beobachtungszeitpunkt<br />

i: Sektor<br />

Sektorspezifischer Regionaleffekt (R):<br />

Bi ∑ t<br />

i<br />

B<br />

0<br />

R bi t bi 0<br />

– 0---------------<br />

--------------- B i ⎛<br />

=<br />

– ⎜<br />

⎝<br />

∑<br />

Sektorspezifischer Standorteffekt (STA):<br />

Sektorspezifischer Struktureffekt (STU):<br />

STU<br />

=<br />

bi 0<br />

Bi ------- B<br />

0<br />

i ⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

1. Die Berechnungen beruhen auf Schätzl (2000: 82).<br />

b i<br />

∑<br />

Bi 0<br />

∑<br />

STA b i t b i B<br />

0<br />

i t<br />

Bi = – -------<br />

0<br />

t Bi B<br />

0<br />

i ∑ t<br />

–<br />

i<br />

B 0<br />

--------------- ⎠ ⎟ ⎞<br />

∑<br />

b i<br />

∑ 0<br />

Bi 0<br />

--------------- B i ⎛<br />

– ⎜<br />

⎝<br />

∑<br />

t Bi B<br />

0<br />

i ∑ t<br />

–<br />

i<br />

B 0<br />

--------------- ⎠ ⎟ ⎞<br />

∑<br />

t Bi B<br />

0<br />

i ∑ t<br />

–<br />

i<br />

B 0<br />

--------------- ⎠ ⎟ ⎞<br />

∑<br />

<strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong> 139


Berechnungen Shift-Analyse<br />

140 <strong>Beziehungsverflechtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>regionalen</strong> <strong>Innovationssystemen</strong>

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