Die Powerpoint-Präsentation von Prof. Dr. Ute Klammer - Die kfd
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1<br />
Gleichstellung in der Lebensverlaufsperspektive<br />
Der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Ute</strong> <strong>Klammer</strong>, Universität Duisburg-Essen,<br />
Vorsitzende der Sachverständigenkommission zur<br />
Erstellung des<br />
Ersten Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung<br />
Zusammenfassung des Vortrags vom 15. Oktober 2011 in Bad Honnef<br />
Eckdaten zur Entstehung des ersten Gleichstellungsberichtes der<br />
Bundesregierung<br />
23.06.2008<br />
Berufung der Sachverständigenkommission durch Ministerin<br />
<strong>Dr</strong>. Ursula <strong>von</strong> der Leyen (Auftrag des Koalitionsvertrages <strong>von</strong> 2005)<br />
Berichtsauftrag<br />
Handlungsorientierte Empfehlungen zur Gleichstellung <strong>von</strong> Frauen und Männern in<br />
der Lebensverlaufsperspektive zu entwickeln<br />
(in Anknüpfung an den Siebten Familienbericht)<br />
25.01.2011<br />
Übergabe des Sachverständigengutachtens an das BMFSFJ<br />
und Veröffentlichung des Gutachtens auf www.gleichstellungsbericht.de<br />
15.06.2011<br />
Kenntnisnahme des Berichts und Verabschiedung der Stellungnahme der Regierung<br />
durch das Kabinett<br />
Mitglieder der Sachverständigenkommission:<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Ute</strong> <strong>Klammer</strong>, U Duisburg-Essen (Vorsitz) (Politikwissenschaften)<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Gerhard Bosch, U Duisburg-Essen (Arbeits- und<br />
Wirtschaftssoziologie)<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Cornelia Helfferich, Ev. FH Freiburg (Soziologie)<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Uta Meier-Gräwe, U Gießen (Wirtschaftslehre des Privathaushalts<br />
und Familienwissenschaft)<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Paul Nolte, FU Berlin (Neuere Geschichte)<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Margarete Schuler-Harms, HSU Hamburg (Öffentliches Recht)<br />
� <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Martina Stangel-Meseke, BiTS Iserlohn (Wirtschaftspsychologie)<br />
Ausgeschieden: <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Marion Schick; <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Tobias Helms<br />
Aufgaben und Ziele des ersten Gleichstellungsberichts<br />
� Problemorientiert die wesentlichen Aspekte im Bereich (Geschlechter-)<br />
Gleichstellung zu fokussieren
2<br />
� <strong>Die</strong> vorhandenen Forschungsergebnisse zu sondieren, aufzubereiten und in<br />
Handlungsziele zu überführen<br />
� Anregungen aus internationalen Vergleichen und europäische Anstöße zu<br />
nutzen<br />
� Entscheidende Wirkungsfelder für eine zukünftige Gleichstellungspolitik<br />
aufzuzeigen<br />
� Wissenschaftlich untermauerte Best-Practice-Beispiele und<br />
Handlungsempfehlungen zu liefern<br />
� Aufzuzeigen, dass Gleichstellungspolitik keine Nischenpolitik, sondern ein<br />
unverzichtbarer Beitrag zu zukunftsorientierter Innovationspolitik ist<br />
Themenwahl<br />
� Fokussierung auf ausgewählte Kernthemen<br />
� Schwerpunkte: Gleichstellung in der Bildung und im Erwerbsleben<br />
� Weitere Themenfelder: Lebensverlaufsperspektive, Rollenbilder und Recht,<br />
Zeitverwendung im Spannungsfeld <strong>von</strong> Erwerbs- und Sorgearbeit sowie<br />
soziale Sicherung im Alter<br />
� Migration sowie die Situation <strong>von</strong> Jungen/Männern als Querschnittsthemen<br />
� Wichtige Themen wie Gewalt und Gesundheit (inkl. Arbeitsschutz) als<br />
Themenempfehlung für weitere Berichte<br />
<strong>Die</strong> Lebensverlaufsperspektive als Referenzrahmen<br />
<strong>Die</strong> 5 paradigmatischen Prinzipien der Lebenslauftheorie (Elder et al. 2003):<br />
1. Prinzip der lebenslangen Entwicklung<br />
2. Prinzip des aktiven Gestaltens („agency“)<br />
3. Prinzip <strong>von</strong> Zeit und Ort<br />
4. Prinzip des „Timings“<br />
5. Prinzip der verbundenen Leben („linked lives“)<br />
… und ein weiteres, ergänzt <strong>von</strong> der Kommission:<br />
6. Prinzip der aktiven Lebenslaufpolitik<br />
Methodischer Ansatz: Verwirklichungschancenansatz (Sen, Nussbaum)<br />
<strong>Die</strong> Lebensverlaufsperspektive als Referenzrahmen (Sachverständigengutachten:<br />
S. 25)
4<br />
Gleichstellungspolitik: Mehrwert der Lebensverlaufsperspektive gegenüber<br />
einer Querschnittsbetrachtung<br />
� Lebensverlaufsperspektive ist Längsschnittperspektive<br />
� Sie zeigt langfristig oft nicht vorausgesehene und nicht beabsichtigte<br />
Auswirkungen <strong>von</strong> Entscheidungen, die sich häufig gegenseitig verstärken<br />
bzw. kumulieren<br />
� Durch Einbettung in die Lebensverlaufsperspektive werden<br />
Verwirklichungschancen in ihrer Langfristwirkung betrachtet<br />
� Es wird deutlich, für wen welcher Nutzen und welche Kosten resultieren aus<br />
Entscheidungen, die in früheren Lebensphasen oft gemeinschaftlich bzw.<br />
unter anderen Bedingungen getroffen wurden<br />
� Folgen <strong>von</strong> Lebensentscheidungen unterschiedlicher sozialer Gruppen <strong>von</strong><br />
Frauen und Männern werden deutlich<br />
� Gleichstellungspolitik ist Politik, die Verwirklichungschancen für beide<br />
Geschlechter in biografisch nachhaltiger Weise sichert<br />
Gleichstellung im Erwerbsleben – zentrale Befunde aus der Makroperspektive<br />
� Anstieg der Erwerbstätigenquote <strong>von</strong> Frauen auf 66 %<br />
� Aber: stagnierendes Erwerbsarbeitsvolumen (VZÄQ) <strong>von</strong> Frauen durch<br />
Ausweitung <strong>von</strong> Teilzeitarbeitsverhältnissen und Minijobs<br />
� Gewachsene Schere zwischen den Arbeitszeiten <strong>von</strong> Frauen und Männern<br />
� Gleichzeitig sich annähernde Arbeitszeitwünsche <strong>von</strong> Frauen und Männern im<br />
Bereich kurzer Vollzeit <strong>von</strong> 30 bis 34 Stunden<br />
� Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen mit rund 23 % deutlich<br />
über dem EU-Durchschnitt (18 %)<br />
� Mehr als zwei <strong>Dr</strong>ittel aller Personen, die in Deutschland einen Niedriglohn<br />
beziehen, sind Frauen<br />
� Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor eklatant unterrepräsentiert<br />
� Gleichzeitig sind Männer in der Haus- und Familienarbeit trotz des<br />
gestiegenen Anteils <strong>von</strong> Vätern in Elternzeit immer noch deutlich<br />
unterrepräsentiert
5<br />
Gleichstellung im Erwerbsleben<br />
Wichtige Phasen und Knotenpunkte im Erwerbslebensverlauf<br />
Lebensverlauf Berufswahl<br />
Berufseinstieg Berufstätigkeit Berufsausstieg<br />
Erwerbsunterbrechungen<br />
Auswirkungen<br />
• GeschlechtsspezifischesBerufswahlverhalten<br />
• Unterschiedliche<br />
• Unterschiede bei<br />
Frauen und<br />
+<br />
Karriereerwartungen<br />
+<br />
Männern<br />
• in Führungs- =<br />
<strong>von</strong> Frauen und positionen<br />
Männern<br />
• beim Entgelt<br />
• bei Teilzeit<br />
Alterssicherung<br />
Beeinflussende Faktoren (institutionelle Rahmenbedingungen, Arbeitsmarkt- und Betriebsstrukturen,<br />
Frauen- und Familienbilder)<br />
Befund aus der Mikroperspektive: Retraditionalisierung der familiären Erwerbs-<br />
und Fürsorgearrangements im Eheverlauf (“linked lives”)<br />
Muster der Verteilung <strong>von</strong> Erwerbs- und Sorgearbeiten in Paarhaushalten mit<br />
zunehmender Ehedauer (in %)<br />
Quelle: Sachverständigengutachten (2011, S. 99) nach Blossfeld/Schulz (2006)<br />
Befund: <strong>Die</strong> gelebten Arrangements entsprechen vielfach nicht den Präferenzen!
6<br />
Gleichstellungspolitik: Zentraler Befund<br />
� Analyse zeigte, dass es der Gleichstellungspolitik in Deutschland unter dem<br />
Fokus Lebensverlaufsperspektive trotz erheblicher Fortschritte in den letzten<br />
Jahren an einem gemeinsamen Leitbild mangelt …<br />
� … und Interventionen in unterschiedlichen Lebensphasen unverbunden<br />
nebeneinander stehen.<br />
� Der Mangel an Konsistenz führt dazu, dass gleichzeitig Anreize für ganz<br />
unterschiedliche Lebensmodelle gesetzt werden oder dass oft die<br />
Unterstützung in der einen Lebensphase in der nächsten abbricht oder in eine<br />
andere Richtung weist. <strong>Die</strong>se Brüche, die einer unvollendeten Baustelle mit<br />
vielen Sackgassen gleichen, sind in Deutschland an vielen Stellen zu finden.<br />
Beispiele für Inkonsistenzen in der Lebenslaufpolitik<br />
� Ausbau vorschulischer Erziehung zur Verringerung sozialer Ungleichheit -<br />
gleichzeitig Anreize für Geringverdiener/innen, Kinder nicht daran teilnehmen<br />
zu lassen.<br />
� Frauen besser ausgebildet als je zuvor - gleichzeitig Anreize, diese Potenziale<br />
im Beschäftigungssystem nicht voll zu nutzen.<br />
� Erhöhung des Arbeitsangebots durch längere Lebensarbeitszeit und<br />
Erleichterung der Zu-wanderung - gleichzeitig starke Anreize zur Begrenzung<br />
des Arbeitsangebots <strong>von</strong> Frauen.<br />
� Förderung der Erwerbstätigkeit <strong>von</strong> Frauen durch Elterngeld - danach keine<br />
Garantie <strong>von</strong> Kinderbetreuung oder flexiblen Arbeitszeiten.<br />
� Anreize für die Wahl eines Allein- oder Zuverdienermodells für verheiratete<br />
Paare, in denen ein Partner ein gutes Erwerbseinkommen erwirtschaftet. Bei<br />
Arbeitslosigkeit des Partners/Bedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft (SGB II)<br />
oder nach Scheidung (neues Unterhaltsrecht) jedoch Erwartung einer<br />
vollumfänglichen Erwerbsbeteiligung.<br />
� FOLGEN: z. B: Problematische Lebensverhältnisse <strong>von</strong> Alleinerziehenden,<br />
Familienernährerinnen, Niedrigrenten <strong>von</strong> Frauen.
7<br />
Das <strong>von</strong> der Kommission entwickelte Leitbild:<br />
Wir streben eine Gesellschaft mit Wahlmöglichkeiten an.<br />
<strong>Die</strong> Beschäftigungsfähigkeit <strong>von</strong> Männern und Frauen wird durch eine gute<br />
Ausbildung gesichert.<br />
Sie werden befähigt, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und auch eine<br />
eigene soziale Sicherung aufzubauen.<br />
<strong>Die</strong> beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen <strong>von</strong> Frauen und Männern werden<br />
gleichermaßen geschätzt und entgolten.<br />
Durch eine angemessene Infrastruktur für Kinderbetreuung, schulische Erziehung<br />
und Pflege sowie flexible Arbeitszeiten in den Unternehmen wird die Vereinbarkeit<br />
für Beruf und Familie gewährleistet.<br />
<strong>Die</strong> Erwerbsverläufe werden durch Optionen auf eine Unterbrechung der<br />
Erwerbstätigkeit oder eine vorübergehende und reversible Verkürzung der Arbeitszeit<br />
flexibilisiert.<br />
<strong>Die</strong> Gesellschaft unterstützt die Wahrnehmung dieser Optionen zur<br />
Kindererziehung und -betreuung, Pflege und Weiterbildung.<br />
Es werden besondere Anreize gesetzt, damit die Optionen in den gesellschaftlich<br />
gewünschten Feldern sowohl <strong>von</strong> Frauen als auch <strong>von</strong> Männern genutzt werden.<br />
<strong>Die</strong> Nutzung dieser Optionen darf nicht zu Nachteilen in der Alterssicherung führen.<br />
Zentrale Handlungsempfehlungen<br />
� Rollenbilder modernisieren, Recht konsistent am Leitbild der<br />
Gleichberechtigung ausrichten<br />
� Bildung: Wahlmöglichkeiten in allen Lebensphasen und lebenslanges Lernen<br />
fördern<br />
� Im Erwerbsleben Fehlanreize beseitigen, Entgeltgleichheit und gleiche<br />
Aufstiegschancen schaffen<br />
� Förderung der Minijobs beenden<br />
� Ausstiegs- und (Wieder-)einstiegsmöglichkeiten sowie<br />
Arbeitszeitanpassungen fördern und flankieren (Übergangsmanagement,<br />
Wahlarbeitszeiten/kurze VZ)<br />
� Auch andere Formen <strong>von</strong> Arbeit wie Sorge- und Pflegearbeit angemessen<br />
stärken und Flexibilität ermöglichen<br />
� Alterssicherung armutsfest machen und Pflegearbeit besser im Rentensystem<br />
anrechnen und honorieren<br />
� Kooperation verschiedener Akteure nötig, Änderung der Arbeitskultur in<br />
Unternehmen fördern (Problem „Verfügbarkeitskultur“)
8<br />
Fazit<br />
� Gleichstellungspolitik in Lebensverlaufsperspektive ermöglicht, gleiche<br />
tatsächliche - und nicht nur formale - Wahlmöglichkeiten zu schaffen<br />
� Durch die Erwerbstätigkeit <strong>von</strong> Frauen entstehen wirtschaftliche Nachfrage<br />
und neue Beschäftigungsverhältnisse, zugleich werden die Sozialsysteme<br />
stabilisiert<br />
� Notwendig ist eine konsistente Gleichstellungspolitik über den Lebensverlauf,<br />
die <strong>von</strong> einem Leitbild gleicher Verwirklichungschancen <strong>von</strong> Männern und<br />
Frauen ausgeht<br />
� <strong>Die</strong> Kosten der gegenwärtigen Nicht-Gleichstellung übersteigen die einer<br />
zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik bei weitem<br />
� Gleichstellung bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung unter<br />
Einbindung unterschiedlicher Akteure<br />
� Gleichstellungspolitik ist Bestandteil moderner Innovationspolitik!<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />
Weitere Informationen zum Gleichstellungsbericht:<br />
Vorsitzende der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
Sachverständigenkommission Geschäftsstelle<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Ute</strong> <strong>Klammer</strong> Gleichstellungsbericht<br />
Universität Duisburg-Essen <strong>Dr</strong>. Markus Motz<br />
ute.klammer@uni-due.de Hansastr. 27c<br />
80686 München<br />
Tel.: 089 1205 2006<br />
www.gleichstellungsbericht.de