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Artikel Geschäftsfelderweiterung A. Ogrizek U.Weinreich in ... - SNPC

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FACHBERICHTE Gaswirtschaft<br />

<strong>Geschäftsfelderweiterung</strong> –<br />

e<strong>in</strong>e Frage der Strategie<br />

Gaswirtschaft, Gasmarkt, Strategie, Energieversorger, Energiemarkt, Neue Geschäftsfelder,<br />

Innovation, Kernkompetenzen, Energie-Effi zienz-Dienstleistungen<br />

Uwe <strong>We<strong>in</strong>reich</strong> und Ann<strong>in</strong>a <strong>Ogrizek</strong><br />

Der Strukturwandel <strong>in</strong> der deutschen Energiewirtschaft<br />

lässt Gas- und Stromversorger nach neuen,<br />

zukunftsfähigen Geschäftsfeldern suchen. Unterschiedliche<br />

Ansätze werden verfolgt. Nur wenige<br />

besitzen das Potential, dass auch mittlere und kle<strong>in</strong>ere<br />

Versorger damit erfolgreich se<strong>in</strong> können. E<strong>in</strong>e<br />

klare strategische Positionierung und e<strong>in</strong>e konsequente<br />

Umsetzung der Strategie s<strong>in</strong>d Voraussetzungen<br />

für erfolgreiche Geschäftsfelderschließung.<br />

Erfahrungen von Unternehmen aus andere Branchen,<br />

die bereits tiefgreifende Strukturveränderungen<br />

bewältigt haben, zeigen, wie es gehen kann und<br />

geben H<strong>in</strong>weise für den erfolgreichen Aus- und Aufbau<br />

neuer Geschäftsfelder. Besonders die konsequente<br />

Weiterentwicklung eigener Kernkompetenzen<br />

und kundenorientierte Gestaltung neuer Angebote<br />

bieten Marktchancen. Energie-Effi zienz-Dienstleistungen<br />

s<strong>in</strong>d dafür e<strong>in</strong> gutes Beispiel.<br />

Zunächst e<strong>in</strong> Ausstieg aus dem Ausstieg der Kernkraft,<br />

dann e<strong>in</strong> Energiekonzept, <strong>in</strong> dem Gas nicht vorkommt.<br />

Die Zukunft für Gasversorger könnte kaum <strong>in</strong> dunkleren<br />

Farben gezeichnet werden. Doch neben Schreckensszenarien,<br />

die <strong>in</strong>nerhalb weniger Jahrzehnte den völligen<br />

Verzicht auf Gas vorsehen, keimt auch die Hoff nung auf,<br />

dass Gas als smarter, wenig belastender und <strong>in</strong> dezentralen<br />

Kraftwerken e<strong>in</strong>setzbarer Energieträger die durch<br />

das Auslaufen von Kernkraft und Kohle entstehende<br />

Lücke schließen kann.<br />

E<strong>in</strong> stetiges Abs<strong>in</strong>ken des Gasverbrauchs e<strong>in</strong>erseits,<br />

e<strong>in</strong> zum<strong>in</strong>dest mittelfristig ansteigender Gasverbrauch<br />

andererseits – beide Entwicklungsrichtungen s<strong>in</strong>d<br />

denkbar. Das stellt Gasversorger wie Stadtwerke vor<br />

Herausforderungen: Die richtigen Prognosen müssen<br />

getroff en und Strategien gegebenenfalls angepasst<br />

werden. Nicht zuletzt ist daran zu denken, die eigenen<br />

Geschäftsfelder zu erweitern, um mehr Sicherheit und<br />

Unabhängigkeit <strong>in</strong> das Geschäft zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Es muss nicht alles neu erfunden werden. Strategien,<br />

mit denen <strong>in</strong> anderen Unternehmen Erfolgsgeschichten<br />

geschrieben wurden, s<strong>in</strong>d adaptierbar. Marktverände-<br />

Oktober 2011<br />

692 gwf-Gas Erdgas<br />

Development of new bus<strong>in</strong>ess areas – a strategic<br />

challenge<br />

The ongo<strong>in</strong>g change <strong>in</strong> Germany’s energy market let<br />

gas and electricity suppliers look for new and susta<strong>in</strong>able<br />

bus<strong>in</strong>ess areas. Different approaches appear<br />

on the market. Only few of them provide the chance<br />

that small and medium sized suppliers could benefi t.<br />

A clearly focused strategy consequently carried <strong>in</strong>to<br />

action, is a necessary condition for a successful<br />

development of new bus<strong>in</strong>ess areas. Experiences of<br />

companies from other branches that already have<br />

managed deep structural changes can help to understand<br />

how to make new bus<strong>in</strong>esses successful. Consequent<br />

improvement of core competencies and customer<br />

oriented design of new services are to be mentioned<br />

as outstand<strong>in</strong>g factors. In this sense energy<br />

effi ciency services are good examples for new services<br />

<strong>in</strong> the energy market.<br />

rungen können dabei wahre Treiber se<strong>in</strong>. Wäre Apple<br />

Marktführer für mobile Player und Musikplattformen<br />

geworden, wenn das Geschäft mit Computern nicht<br />

unter Druck durch die Marktmacht des Wettbewerbers<br />

Microsoft gestanden hätte? Hätte Nokia dieselbe Position<br />

erreicht, wenn es nicht ständig auf sich ergebende<br />

neue Chancen sehr <strong>in</strong>telligent reagiert hätte?<br />

1. Die Situation auf dem Gasmarkt zw<strong>in</strong>gt<br />

zum Umdenken<br />

Energiee<strong>in</strong>sparungen, Wärmedämmungen, Altbausanierungen<br />

und energieeffi ziente Neubauten setzen<br />

Gasversorger unter Druck. Sie müssen sich auf e<strong>in</strong>en<br />

schrumpfenden Markt e<strong>in</strong>stellen und sich daher optimal<br />

für die künftige Marktentwicklung positionieren.<br />

Bis zum Jahr 2022 wird e<strong>in</strong> Rückgang des Gasbedarfs<br />

um 14 % bis 25 % erwartet. Dieser Trend soll sich ab dem<br />

Jahr 2023 weiter fortsetzten.<br />

Insbesondere gesetzliche Vorgaben für energieeffi ziente<br />

Neubauten und die bessere Dämmung bei der<br />

Sanierung von Altbauten führen im Gebäudebereich zu<br />

s<strong>in</strong>kender Wärme- bzw. Gasnachfrage. Aber auch die


zunehmende Substitution des konventionellen Energieträgers<br />

Gas durch Strom, bspw. durch Wärmepumpen,<br />

führt zu Absatzrückgängen. Zweifelsohne verdrängt<br />

auch der Ausbau Erneuerbarer Energien den fossilen<br />

Energieträger. So setzen <strong>in</strong>sbesondere „kle<strong>in</strong>e“ Industriekunden<br />

verstärkt auf Wärmeversorgung durch Biomasse<br />

(Bäderbetriebe, Wohnungsgesellschaften, etc.).<br />

Gasanbieter <strong>in</strong> ländlichen Gebieten spüren zudem die<br />

Folgen e<strong>in</strong>es anhaltenden Bevölkerungsrückgangs.<br />

Obgleich die Wettbewerbssituation auf dem deutschen<br />

Gasmarkt aus Sicht der Monopolkommission<br />

nach wie vor als unzureichend bewertet wird, sehen<br />

sich Versorger mit e<strong>in</strong>er steigenden Zahl neuer Wettbewerber<br />

konfrontiert. E<strong>in</strong>e verständliche Reaktion<br />

besteht dar<strong>in</strong>, die Vertriebsgebiete auszuweiten, allerd<strong>in</strong>gs<br />

mit unerwünschten Langfristfolgen. Das Zusammenspiel<br />

aus rückläufi gem Absatz und steigendem<br />

Wettbewerb führt zu s<strong>in</strong>kenden Margen.<br />

Für Verbraucher s<strong>in</strong>d Gasversorger aufgrund wiederholter<br />

Preissteigerungen häufi g e<strong>in</strong> Ärgernis. Gerade bei<br />

der Ausweitung von Geschäftsaktivitäten müssen Gasversorger<br />

dieses „Imageproblem“ beachten. Dass Preissteigerungen<br />

auf langfristige ölpreisgebundene Verträge<br />

zurückzuführen s<strong>in</strong>d, ist Verbrauchern schwer zu<br />

vermitteln. Gasversorger, die nicht an langfristige<br />

Bezugsverträge gebunden s<strong>in</strong>d bzw. über ausreichende<br />

Speicherkapazitäten verfügen, s<strong>in</strong>d im Vorteil. Alle<br />

anderen müssen durch die aktuellste Ankündigung, die<br />

Gaspreise anzuheben, mit höherer Wechselbereitschaft<br />

der Kunden rechnen. Je höher die Preissteigerungen –<br />

für die W<strong>in</strong>terperiode 2011/2012 s<strong>in</strong>d durchschnittlich<br />

10 % Gaspreiserhöhung angekündigt –, desto eher nutzen<br />

Kunden die Vorteile e<strong>in</strong>es liberalisierten Marktes.<br />

2. Bisherige Lösungsversuche gehen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ähnliche Richtung<br />

2.1 Contract<strong>in</strong>g und regionale Ausweitung:<br />

„Wir weiten unser Liefergebiet auf weitere<br />

Postleitzahlen aus“<br />

Reichte <strong>in</strong> der Vergangenheit e<strong>in</strong>e Portfolio-Optimierung,<br />

müssen heute zusätzlich <strong>in</strong>novative Produkte und<br />

Energiedienstleistungen angeboten werden. Insbesondere<br />

Contract<strong>in</strong>g ist der Branchentrend. Gasversorger<br />

müssen mit Ausweichleistungen und Absatzsteigerungen<br />

reagieren. Gängiges Mittel ist dabei zunächst die<br />

Ausweitung des Marktgebietes. Dass damit wiederum<br />

der Wettbewerbsdruck für die im Marktgebiet ansässigen<br />

Gasversorger steigt, ist selbsterklärend.<br />

2.2 Zusammen ist man weniger alle<strong>in</strong>:<br />

Kooperationen für wettbewerbsfähige Preise<br />

Um auch künftig konkurrenzfähige Preise anbieten zu<br />

können, entscheiden sich immer mehr Stadtwerke und<br />

Gasversorger dazu, Beschaff ungskooperationen e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Diese Verbünde ermöglichen es <strong>in</strong>sbesondere<br />

kle<strong>in</strong>eren Stadtwerken, auf wachsende Herausforderun-<br />

Gaswirtschaft FACHBERICHTE<br />

gen zu reagieren. Desweiteren vermeiden Gasversorger<br />

heute e<strong>in</strong>seitige Vertragsbeziehungen, z. B. durch freie<br />

Beschaff ung.<br />

2.3 Unabhängigkeit durch Speicher<br />

Auch Speicherkapazitäten kommt e<strong>in</strong>e steigende<br />

Bedeutung zu. Damit können bspw. im W<strong>in</strong>ter teure<br />

Zukäufe vermieden werden. Aus genau diesem Grund<br />

bauen immer mehr Stadtwerke und Gasversorger ihre<br />

Gaskavernen aus.<br />

2.4 Ran an den Kunden:<br />

Durch Beratung e<strong>in</strong>en Fuß <strong>in</strong> die Tür bekommen<br />

Um bestehende Kunden zu b<strong>in</strong>den und gleichzeitig neue<br />

Kunden zu akquirieren, setzen Stadtwerke zunehmend<br />

auf Beratungsunterstützungen rund um die Themen<br />

Energieeffi zienz und (Heiz-)Anlagenberatung. Mittels<br />

Aufklärungs- bzw. Market<strong>in</strong>gkampagnen soll Kunden der<br />

Austausch alter Ölheizungen durch neue gasbefeuerte<br />

M<strong>in</strong>i- und Mikro-BHKWs vermittelt werden.<br />

2.5 E<strong>in</strong> Klassiker:<br />

Vertragsgestaltung<br />

E<strong>in</strong>e bewährte und gängige Kundenb<strong>in</strong>dungsmaßnahme<br />

s<strong>in</strong>d außerdem attraktive Preis- bzw. Festpreismodelle.<br />

Sie werden <strong>in</strong>sbesondere dem wichtigen Segment<br />

Gewerbe und Industrie unterbreitet.<br />

3. Geschäftsfeldentwicklung hat<br />

Neben wirkungen<br />

Werden diese Anstrengungen die Zukunftsfähigkeit der<br />

Unternehmen sichern? Nur zum Teil. Nicht alle skizzierten<br />

Strategien besitzen dasselbe Potenzial. E<strong>in</strong>ige basieren<br />

sogar auf Annahmen, die sich als Fehler erweisen können.<br />

E<strong>in</strong> gutes Beispiel ist die Ausweitung des Vertriebsgebietes.<br />

Bei dieser Strategie darf nicht vergessen werden,<br />

dass gerade Stadtwerke deshalb erfolgreich s<strong>in</strong>d,<br />

weil regionale Verwurzelung, die Kunden an das Unternehmen<br />

b<strong>in</strong>det. Jeder Kilometer, der aus dem Stammgebiet<br />

h<strong>in</strong>ausführt, senkt die emotionale Bereitschaft, bei<br />

diesem Anbieter zu kaufen. Die Konsequenz: Je größer<br />

das Versorgungsgebiet ist, desto eher basiert Vertriebserfolg<br />

nur noch auf hartem Preiskampf. Das werden nur<br />

jene überleben, die sowohl über e<strong>in</strong> hervorragendes<br />

Beschaff ungsmanagement als auch e<strong>in</strong>en exzellenten<br />

und schlanken Vertrieb verfügen. Große Unternehmen<br />

und Unternehmensverbünde s<strong>in</strong>d im Vorteil.<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Falle entsteht, wenn sich Anbieter<br />

nicht fokussieren, sondern viele verschiedene Projekte<br />

gleichzeitig starten. Kle<strong>in</strong>ere Unternehmen laufen dann<br />

Gefahr, durch Mittelmäßigkeit gegenüber großen oder<br />

hochspezialisierten Wettbewerbern zu verlieren.<br />

4. Lernen aus anderen Branchen<br />

Märkte <strong>in</strong> Veränderung bieten zahlreiche Beispiele, wie<br />

Unternehmen sich <strong>in</strong> dynamischen Marktbed<strong>in</strong>gun-<br />

Oktober 2011<br />

gwf-Gas Erdgas 693


FACHBERICHTE Gaswirtschaft<br />

gen neu erfi nden. Das Beispiel Apple wurde bereits<br />

genannt. Nicht zuletzt durch die visionäre Führung<br />

von Steve Jobs und den harten Wettbewerb mit<br />

Microsoft kam das Unternehmen nie zur Ruhe. Es gab<br />

e<strong>in</strong>en stetigen Antrieb, D<strong>in</strong>ge völlig neu zu denken.<br />

Vorurteilsfrei und abseits e<strong>in</strong>gefahrener Denkweisen.<br />

E<strong>in</strong> Element durchzieht die Geschichte von Apple: Es<br />

ist der konsequente Blick aus Kundensicht. Wie muss<br />

e<strong>in</strong> Computer gestaltet se<strong>in</strong>, damit Menschen damit<br />

<strong>in</strong>tuitiv umgehen können? Wie wird es bequem für<br />

Menschen, Musik zu hören, auch und gerade unterwegs?<br />

Und wie lassen sich all diese Funktionen plus<br />

Internet und mobiler Sprachkommunikation für<br />

moderne und mobile Menschen komb<strong>in</strong>ieren? Die<br />

Antworten hat Apple mit se<strong>in</strong>en Produkten geliefert,<br />

vom Mac<strong>in</strong>tosh über iPod, iPhone bis zum iPad.<br />

Gerade der Blick aus der Kundenperspektive ist<br />

etwas, das <strong>in</strong> der Energiebranche noch viel zu unterentwickelt<br />

ist. Natürlich beschäftigen sich jetzt alle mit Vertrieb<br />

und Kundenb<strong>in</strong>dung. Aber wer denkt Produkte,<br />

Leistungen und Geschäftsmodelle konsequent aus Kundensicht?<br />

Gerade hier liegen Chancen wirkliche Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmale<br />

zu liefern.<br />

E<strong>in</strong> zweites Beispiel liefert die fi nnische Firma Nokia.<br />

Der Weg kann als konsequente Kernkompetenzerweiterung<br />

zusammengefasst werden. Wer hätte <strong>in</strong> den 70er<br />

Jahren daran gedacht, dass e<strong>in</strong> mittelständisches Unternehmen,<br />

das Reifen und Gummistiefel produziert, Weltmarktführer<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em völlig anderen, damals <strong>in</strong>existenten<br />

Markt wird? Nokia hat dieses Meisterstück durch konsequentes<br />

Erkennen von Chancen und dem gezielten Ausbau<br />

von Kompetenzen vollbracht. Wer <strong>in</strong> der Lage ist,<br />

souverän mit Gummi umzugehen, kann auch Isolationen<br />

liefern. Wer Kabel und Bauteile isoliert, lernt auch, wie<br />

elektronische Geräte fabriziert werden. Und für den, der<br />

das beherrscht, ist der Sprung <strong>in</strong> M<strong>in</strong>iaturisierung nur<br />

logisch. Nokia hat mittlerweile an Boden verloren. E<strong>in</strong><br />

Grund ist, dass durch den Erfolg der Blick über den Tellerrand<br />

vernachlässigt wurde. So verpasste das Unternehmen<br />

das Klapphandy und das eigene Telefonbetriebssystem<br />

Symbian war <strong>in</strong> die Jahre gekommen und erfüllte<br />

nicht mehr die gewachsenen Kundenbedürfnisse.<br />

5. <strong>Geschäftsfelderweiterung</strong>en managen<br />

Die Erfahrungen anderer Industrien ermöglichen Energieversorgern,<br />

sich schnell an wechselnde Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

anzupassen. Fehler, die woanders bereits<br />

gemacht wurden, brauchen nicht wiederholt werden.<br />

An dieser Stelle können zwar nicht alle mittlerweile verfügbaren<br />

Best Practices dargestellt werden, aber grundsätzliche<br />

Eckpfeiler möchten wir beschreiben.<br />

5.1 Off enere und dynamische Märkte brauchen<br />

e<strong>in</strong> tiefes Marktverständnis<br />

Der Wettbewerb im Gas- und Strommarkt hat e<strong>in</strong> Maß<br />

erreicht, das Kunden mehr Gestaltungsspielraum zuge-<br />

Oktober 2011<br />

694 gwf-Gas Erdgas<br />

steht, als es noch vor wenigen Jahren möglich war. Der<br />

Markt wird enger. Zwei Strategien können hier mehr<br />

Sicherheit und höhere Gew<strong>in</strong>nmargen schaff en: Die<br />

Besetzung neuer Nischen und die Spezialisierung auf<br />

Teile der Gesamtwertschöpfungskette mit dem Ziel<br />

höchster Effi zienz und technisch-operativer Marktführerschaft.<br />

Beide Strategien erfordern e<strong>in</strong>e genaue<br />

Kenntnis des Marktes. Dazu gehören die Kundenanforderungen,<br />

die Marktstruktur, aber auch die derzeitige<br />

und zukünftige Wettbewerbssituation sowie regulatorische<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen. Ohne Marktanalyse wird<br />

der Erfolg neuer Geschäftsfelder schnell zum Glücksspiel.<br />

5.2 Der Blick durch die Brille des Kunden schaff t<br />

die erfolgreichsten Geschäftsmodelle<br />

Seien wir ehrlich. Bis vor kurzem war es <strong>in</strong> der Energieversorgung<br />

ziemlich egal, was Kunden wollten oder<br />

dachten. Gas und Strom wurde gebraucht und geliefert.<br />

Wenn es dann bei der Rechnung zum Aufstöhnen kam,<br />

war das e<strong>in</strong>e aushaltbare, weil wirkungslose Situation.<br />

Dieser Zustand ändert sich radikal. Der Oldenburger<br />

Energieversorger EWE musste im letzten Jahr bitter erleben,<br />

dass Gaspreise nicht nur unerwartet starken öff entlichen<br />

Protest hervorgerufen haben, sondern dass e<strong>in</strong>e<br />

Serie von Widersprüchen auch gerichtlich durchgesetzt<br />

werden konnte. Rückzahlungen belasten die Bilanz<br />

erheblich und das Image bei Kunden im Versorgungsgebiet<br />

ist nachhaltig geschädigt. Dem Markt ist es egal,<br />

welcher Anbieter welche Nachteile aus vertraglichen<br />

B<strong>in</strong>dungen an Vorlieferanten hat.<br />

Wer heutzutage an Kunden vorbei agiert, fi ndet sich<br />

schnell im Abseits wieder. Kundenorientierte Unternehmensführung,<br />

der Blick durch die Brille des Kunden<br />

sowie Produkt<strong>in</strong>novationen, die Kunden e<strong>in</strong>en echten,<br />

bisher nicht vorhandenen Mehrwert liefern, werden<br />

Kennzeichen künftig erfolgreicher Unternehmen se<strong>in</strong>.<br />

5.3 Fokussierte, klare und gelebte Strategien werden<br />

zum Erfolgsfaktor<br />

Unternehmen <strong>in</strong> dynamischem Marktumfeld müssen<br />

Entscheidungen rasch und sicher treff en können und<br />

selbst <strong>in</strong> stürmischen Zeiten das Ziel vor Augen behalten.<br />

Für all das ist nichts hilfreicher als e<strong>in</strong>e klare strategische<br />

Fokussierung. Bisher war das <strong>in</strong> der Energiewirtschaft<br />

nicht von Bedeutung, da auch noch genug Geld<br />

übrig blieb, wenn das Unternehmen sich <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Aktivitäten defokussiert hatte. Aus dieser Zeit<br />

stammt auch e<strong>in</strong> gewisses Beharrungsvermögen, nicht<br />

wirklich ertragreiche und zukunftsfähige Aktivitäten<br />

beizubehalten. Diejenigen Unternehmen, die sich jetzt<br />

e<strong>in</strong>em Strategieprozess unterziehen und radikal alle bisher<br />

verfolgten Aktivitäten <strong>in</strong> Frage stellen, erhöhen ihre<br />

Marktchancen erheblich. Das fokussierte Unternehmen<br />

ist dann wesentlich besser <strong>in</strong> der Lage, se<strong>in</strong>e Kernkompetenzen<br />

gezielt auszubauen.


5.4 Steuerung der Unternehmensentwicklung <strong>in</strong><br />

neuen Geschäftsfeldern: mit Fehlern rechnen und<br />

umgehen können<br />

Neue Geschäftsfelder erschließen bedeutet Neuland zu<br />

betreten. Dieser Weg birgt immer e<strong>in</strong> gewisses Risiko,<br />

selbst dann, wenn die empfohlene Marktanalyse und<br />

die strategische Positionierung stattgefunden haben.<br />

Bereits bei der Planung muss das Risiko berücksichtigt<br />

werden, <strong>in</strong>dem Steuerungsmöglichkeiten für ungeplante<br />

Entwicklungen geschaff en werden. Bei Abweichungen<br />

vom Zielpfad muss off enen Auges über Auswirkungen<br />

und Handlungsmöglichkeiten verhandelt<br />

werden. Dabei darf es ke<strong>in</strong>e Tabus geben. Auch der<br />

rechtzeitige Ausstieg aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>geschlagenen<br />

Weg kann e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle strategische Option se<strong>in</strong>.<br />

Versuch-und-Irrtum-Strategien können sogar sehr<br />

fruchtbar werden, wenn sie bewusst durchgeführt<br />

werden. Unternehmen gel<strong>in</strong>gt es so leichter, Innovationen<br />

zu kreieren, die wirklichen Neuheitscharakter<br />

be sitzen.<br />

5.5 Kooperationen erreichen e<strong>in</strong>e neue Dimension<br />

Je spezialisierter Unternehmen agieren, desto höher<br />

wird die Arbeitsteilung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Wertschöpfungskette.<br />

Die Notwendigkeit mit anderen Spezialisten<br />

zu kooperieren steigt. Erfolg kann durch Kooperationspartner<br />

wesentlich erhöht werden. Die Wirkung ist auch<br />

umgekehrt denkbar. Wer nach geeigneten Kooperationspartnern<br />

sucht, kann se<strong>in</strong> Unternehmen frühzeitig<br />

von Prozessen entlasten, die nicht Kern des Geschäfts<br />

s<strong>in</strong>d. Damit werden Ressourcen frei, um sich auf vielversprechendere<br />

Geschäftsfelder zu konzentrieren.<br />

5.6 Der <strong>in</strong>ternationale Blickw<strong>in</strong>kel muss mitgedacht<br />

werden<br />

Der bisherige nationale Charakter des Energiemarktes<br />

wirkt immer noch fort. Dabei sollte der Blick jedoch über<br />

nationale Grenzen h<strong>in</strong>weggehen. Internationale Konzerne<br />

werden <strong>in</strong> Deutschland aktiv, suchen Beteiligungen<br />

oder bauen eigene Firmen auf. Das erzeugt zusätzliche<br />

Marktdynamik und schaff t teilweise auch Chancen<br />

gerade für mittelgroße Energieversorger. Kooperationen<br />

mit <strong>in</strong>ternationalen Partnern können strategische<br />

Neupositionierungen und die Marktreichweite erheblich<br />

stärken. Auf der anderen Seite s<strong>in</strong>d auch Engagements<br />

deutscher Unternehmen im Ausland <strong>in</strong>teressant.<br />

5.7 Kommunikation mit der Politik macht Projekte<br />

erfolgreicher<br />

Die regulatorischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Deutschland<br />

und Europa defi nieren den Handlungsrahmen für<br />

neue Geschäftsfelder. Gesetze und Richtl<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d aber<br />

nicht <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> gemeißelt. Gesellschaft, Politik und Energieversorger<br />

können davon profi tieren, wenn es gel<strong>in</strong>gt,<br />

die zukünftige Gestaltung von Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

auf e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Verständnis von Versorgern,<br />

Gaswirtschaft FACHBERICHTE<br />

Politik und Unternehmen <strong>in</strong> Angriff zu nehmen. Die Verbände<br />

der Energiewirtschaft arbeiten daran.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus wird es für <strong>in</strong>novative Unternehmen<br />

immer auch notwendig se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en direkten Dialog mit<br />

Politik und Gesellschaft zu führen. Die gegenwärtigen<br />

Diskussionen und Protestbewegungen gegen Kraftwerksbauten<br />

und Trassenführungen zeigen, dass Versorger<br />

e<strong>in</strong>e wirksame öff entlich-politische Kommunikation<br />

pfl egen müssen.<br />

5.8 E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong> zukunftsfähiges<br />

Geschäftsfeld: Energie-Effi zienz-Dienstleistungen<br />

Welche Geschäftsfelder s<strong>in</strong>d aber nun besonders<br />

zukunftsträchtig unter dem Blickw<strong>in</strong>kel der dargestellten<br />

Entwicklungen? E<strong>in</strong>ige, wie e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Ausweitung<br />

des Vertriebsgebietes, haben zu wenig <strong>in</strong>novatives<br />

Potenzial. E<strong>in</strong>ige wirklich marktverändernde Innovationen<br />

s<strong>in</strong>d wahrsche<strong>in</strong>lich noch nicht entwickelt.<br />

Die derzeitig erfolgversprechendste Entwicklung<br />

stellen Energie-Effi zienz-Dienstleistungen dar. Sie<br />

decken gleich mehrere Aspekte ab. Zum e<strong>in</strong>en gel<strong>in</strong>gt<br />

es, e<strong>in</strong>e noch wenig beackerte Nische zu besetzen. Zum<br />

anderen verändern sie die Beziehung zu Kunden grundlegend.<br />

Bildlich gesprochen endete die Leistung bisher<br />

eher im Keller der Kunden. Anbieter von Energie-Effi zienz-Dienstleistungen<br />

schaff en den Sprung <strong>in</strong>s Wohnzimmer.<br />

E<strong>in</strong>e ideale Voraussetzung, um Leistungen aus<br />

Sicht der Kunden aufzubauen.<br />

Auch das Kernkompetenzmanagement spielt e<strong>in</strong>e<br />

Rolle. Viele bereits vorhandene Kompetenzen von Gasanbietern<br />

können genutzt werden. Know-how ist vorhanden.<br />

Es muss nur neu strukturiert, organisiert und<br />

mit weiteren Kompetenzen angereichert werden.<br />

Energie-Effi zienz-Dienstleistungen stellen damit<br />

e<strong>in</strong>e richtungweisende Entwicklung beim Ausbau neuer<br />

Geschäftsfelder dar. Weitere werden folgen.<br />

Vortrag anlässlich der Gasfachlichen Aussprachetagung 2011,<br />

Hamburg.<br />

Autoren<br />

Uwe <strong>We<strong>in</strong>reich</strong><br />

Diplom-Psychologe, Senior-Strategieberater |<br />

<strong>SNPC</strong> GmbH |<br />

Berl<strong>in</strong> |<br />

Tel.: + +49 30 / 89 06 93 – 53 |<br />

E-Mail: uwe.we<strong>in</strong>reich@snpc.de<br />

Ann<strong>in</strong>a <strong>Ogrizek</strong><br />

Diplom-Volkswirt<strong>in</strong>, Strategieberater<strong>in</strong> |<br />

<strong>SNPC</strong> GmbH |<br />

Berl<strong>in</strong> |<br />

Tel.: + +49 30 / 89 06 93 – 55 |<br />

E-Mail: ann<strong>in</strong>a.ogrizek@snpc.de<br />

Oktober 2011<br />

gwf-Gas Erdgas 695

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