REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

Arbeitsvermittlung soweit auszubauen, dass sie das Arbeitsnachweiswesen in Zukunft hegemonisieren konnte 118 . Im Rahmen einer Stellungnahme äußerte sich der Gewerkschaftsfunktionär Exner auf dem GewerkschaftsKongress 1896 wie folgend zum erklärten Ziel des "Vereins für Arbeitsvermittlung", einen öffentlichen Nachweis in Wien anzustreben: 86 "Wir wissen, dass eine kommunale Arbeitsvermittlung für uns von keinem Nutzen wäre. Die Arbeitsvermittlung in unseren Händen ist besser als eine kommunale (...). Unsere Hauptaufgabe ist es, gerade jene Arbeitsvermittlungen zu beeinflussen, die zu benützen die indifferente Masse berechtigt ist; sie können dann ein eigentliches Kampfmittel für die Arbeiterschaft werden; die Kommune, wenn sie es ehrlich meint, überlässt das Vermitteln ganz und gar den Gewerkschaften und bietet ihnen die Möglichkeit, es auszubauen. Es wäre eine Selbsttäuschung, wenn die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter glauben würden, dass unter Leitung der Kommunalbehörden eine Verbesserung der bisherigen Arbeitsnachweise erfolgen könnte". 119 Diese Position begann sich zu wandeln, nachdem ab 1896 ohne Beteiligung der Gewerkschaften ein Arbeitsnachweis nach dem anderen eingerichtet wurde. Die Gefährlichkeit solcher gewerkschaftsfreien Vermittlung wurde deutlich, als während des Buchbinderstreiks 1898 der öffentliche Wiener Arbeitsnachweis zur Freude des Bürgermeisters Lueger Streikbrecher vermittelte. Auf dem dritten GewerkschaftsKongress 1900 wurde die ablehnende Haltung gegen Arbeitsnachweise aufgeweicht. 120 Es wurde beschlossen, dass gewerkschaftseigene Nachweise grundsätzlich vorzuziehen wären, öffentlichen Büros würde jedoch nur dann zugestimmt werden, wenn sie paritätisch geführt würden. Nach Meinung der Gewerkschaften war unter einer arbeitsmarktpolitischen Parität folgendes zu verstehen: 117 Schmidt 1991, 42. 118 Die Zentralisierung der gewerkschaftlichen Arbeitsnachweise scheiterte an dem Widerstand der Metallarbeiter, Drechsler und Hutmacher, die ihre eigenen Nachweise nicht aufgeben wollten. vgl. Weidenholzer 1985, 263. 119 Bericht über den Gewerkschaftskongreß 1896, Anton Hueber (Hg.) zitiert in Schmidt (1991). 120 Nach Weidenholzer (1985) spielten auch die Erfahrungen im Arbeitsbeirat bei der Mäßigung der Gewerkschaften eine wichtige Rolle.

"- Verwaltung der Arbeitsvermittlung durch eine in gleicher Zahl von Arbeiter und Unternehmern zusammengesetzte Kommission unter Leitung eines unparteiischen Vorsitzenden; 87 - Wahl der Kommissionsmitglieder durch ihre Klassengenossen unter Berücksichtigung des Groß- und Kleinbetriebes; - Führung der Vermittlungsgeschäfte durch Personen, die aus den Reihen der Arbeiter entnommen sind. Auswahl dieser Personen durch die Kommission; - Beschlußrecht der Kommission, bei bestimmten Fällen, insbesondere bei Arbeitseinstellungen und Aussperrungen, die Vermittlung in diese Betriebe einzustellen; - Verpflichtung der Arbeitgeber, die dem Arbeitsnachweis angegebenen Arbeits- und Lohnbedingungen nach erfolgter Einstellung auch zu erfüllen (...)". 121 Ein weiteres Indiz für die kirchturmperspektivische Verengung der Arbeitsmarktpolitik ist die erste cisleithanische Arbeitslosenzählung von 1900. Hierbei wurden nur jene Teile der Bevölkerung befragt, "bei denen ein besonderer Grad von Urteilsfähigkeit auch innerhalb der arbeitenden Klasse angenommen werden konnte (...)". Die Stichprobe bezog sich auf die alpenländischen und niederösterreichischen Städte Graz, Linz und Wien, wie auch die folgenden Städte außerhalb der heutigen Grenzen von Österreich, Brünn, Krakau, Lemberg, Pilsen, Prag und Reichenberg. Diesbezüglich wurde erstmals eine statistisch erfaßbare Kategorisierung aller Berufszweige erstellt. Obwohl der Begriff "Arbeitslosenrate” 1900 noch völlig unbekannt war, lässt sich anhand dieser Statistik, so Karl Schmidt (1991, 39), aus der Datenlage nach heutigen Rechenmethoden beispielsweise für Wien eine Winterarbeitslosigkeit von 5% errechnen. Im Jahresdurchschnitt lag nach der Statistik der Arbeitslosenzählung und der Berechnungen von Schmidt die Wiener Arbeitslosigkeit im Jahr 1900 bei rund 4%, für die heutigen Verhältnisse bedeutete dies also Vollbeschäftigung. Bei dieser Zählung wurden jedoch nur die Inländer gezählt. Ausländer gehörten also zu dem "urteilsunfähigen" Teil der Arbeitsbevölkerung. Vergleicht man die beschäftigungspolitische Herangehungsweise mit der Ausländerperspektive der 40er Jahre - bei Püttlingen- des

"- Verwaltung der Arbeitsvermittlung durch eine in gleicher Zahl von Arbeiter und<br />

Unternehmern zusammengesetzte Kommission unter Leitung eines unparteiischen<br />

Vorsitzenden;<br />

87<br />

- Wahl der Kommissionsmitglieder durch ihre Klassengenossen unter Berücksichtigung des<br />

Groß- und Kleinbetriebes;<br />

- Führung der Vermittlungsgeschäfte durch Personen, die aus den Reihen der Arbeiter<br />

entnommen sind. Auswahl dieser Personen durch die Kommission;<br />

- Beschlußrecht der Kommission, bei bestimmten Fällen, insbesondere bei<br />

Arbeitseinstellungen und Aussperrungen, die Vermittlung in diese Betriebe einzustellen;<br />

- Verpflichtung der Arbeitgeber, die dem Arbeitsnachweis angegebenen Arbeits- und<br />

Lohnbedingungen nach erfolgter Einstellung auch zu erfüllen (...)". 121<br />

Ein weiteres Indiz für die kirchturmperspektivische Verengung der Arbeitsmarktpolitik ist die<br />

erste cisleithanische Arbeitslosenzählung von 1900. Hierbei wurden nur jene Teile der<br />

Bevölkerung befragt, "bei denen ein besonderer Grad von Urteilsfähigkeit auch innerhalb der<br />

arbeitenden Klasse angenommen werden konnte (...)". Die Stichprobe bezog sich auf die<br />

alpenländischen und niederösterreichischen Städte Graz, Linz und Wien, wie auch die<br />

folgenden Städte außerhalb der heutigen Grenzen von Österreich, Brünn, Krakau, Lemberg,<br />

Pilsen, Prag und Reichenberg. Diesbezüglich wurde erstmals eine statistisch erfaßbare<br />

Kategorisierung aller Berufszweige erstellt. Obwohl der Begriff "Arbeitslosenrate” 1900 noch<br />

völlig unbekannt war, lässt sich anhand dieser Statistik, so Karl Schmidt (1991, 39), aus der<br />

Datenlage nach heutigen Rechenmethoden beispielsweise für Wien eine<br />

Winterarbeitslosigkeit von 5% errechnen. Im Jahresdurchschnitt lag nach der Statistik der<br />

Arbeitslosenzählung und der Berechnungen von Schmidt die Wiener Arbeitslosigkeit im Jahr<br />

1900 bei rund 4%, für die heutigen Verhältnisse bedeutete dies also Vollbeschäftigung. Bei<br />

dieser Zählung wurden jedoch nur die Inländer gezählt. Ausländer gehörten also zu dem<br />

"urteilsunfähigen" Teil der Arbeitsbevölkerung. Vergleicht man die beschäftigungspolitische<br />

Herangehungsweise mit der Ausländerperspektive der 40er Jahre - bei Püttlingen- des

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