REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER
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Der Grazer Arbeitsnachweis war ein typisches Produkt dieser Kirchturmperspektive der damaligen Arbeitsmarktpolitiker. Die "Arbeitsvermittlungsanstalt des steirischen 82 Landesverband für Wohltätigkeit in Graz" nahm am 5. Juli 1897 seine Vermittlungstätigkeit auf. Ursprünglicher Zweck dieses ersten öffentlichen Arbeitsnachweises war es, das Klientel der Armenpflegevereine, Gemeinden und öffentlichen und sonstigen Körperschaften mit Arbeitsstellen zu versorgen. Das Arbeitsfeld war also, geographisch gesehen, eindeutig lokal beziehungsweise regional ausgerichtet. Die Organisationskultur dieser Anstalt ist aus der Mildtätigkeitstradition der Heimatgemeinden entstanden, und zwar zu einer Zeit, wo das Ersitzen der Gemeindezugehörigkeit - unter massivem Widerstand der Gemeinden - wieder eingeführt wurde. Wie weiter oben bereits geschildert wurde, hat der Reichsrat die Heimatsrechtnovelle im Dezember 1896 verabschiedet. Graz, wie auch die anderen Ballungszentren der Steiermark, war also mit dem Horrorszenario 110 konfrontiert, dass ab 1901 ihre armen und arbeitslosen Orts- beziehungsweise Staatsfremden nicht mehr automatisch und unangefochten abgeschoben werden konnten. Obwohl geographisch außerhalb des Untersuchungsraumes, sollte die am 1. Mai 1898 eröffnete, "bei der Armenoberdirection (angesiedelte Prager) Anstalt für kostenlose Vermittlung von Arbeit und Dienst" hier erwähnt werden. Ihre Gründung widerspiegelt die sich abzeichnende Konfrontation zwischen den national beziehungsweise christlichsozial gesinnten Stadtverwaltungen einerseits und der sozialdemokratische Partei und Gewerkschaften andererseits. Darüber hinaus war Böhmen das einzige Reichsratsland in dem per Landesgesetz eine flächendeckende Arbeitsmarktverwaltung eingerichtet wurde. Eine zentrale Rolle hierbei spielte der Arbeitsnachweis in Prag. "Derselben waren mannigfachen Verhandlungen vorangegangen, insbesondere lag der Gemeindeverwaltung das Elaborat eines Stadtrathmitgliedes vor, welches die Errichtung der Anstalt dem Zusammenwirken der Gewerbegenossenschaften und Arbeitervereine überlassen, die Gemeinde auf die Leistung einer entsprechenden Unterstützung und die Entstehung von Delegierten in den im übrigen paritätisch aus Unternehmern und Arbeitern zusammengesetzten Vorstand beschränken wollte. 110 Melinz/Zimmermann 1991, 110
83 "Ein Gutachten der Oberdirection des Armeninstitutes empfahl jedoch eine städtische Anstalt, die eine Ergänzung des bereits durch die Natural-Verpflegsstation über Böhmen (exclusive Prager Polizeirayon) ausgebreiteten Netzes von Arbeitsnachweisstellen bilden und mit der zu gründenden Landes-Centralvermittlungsanstalt leicht in Verkehr treten könnte." 111 Die Arbeitervereine, seien sie sozialdemokratisch oder christlichsozial, wurde bei der Gründung der zunehmend wichtiger werdenden öffentlichen Arbeitsplatzvermittlungen nicht nur in Prag ausgegrenzt. Bei dem ein Jahr zuvor eröffneten Grazer Arbeitsnachweis stammten acht der zehn Anstaltsleitungsmitglieder aus den Kreisen der staatlichen Verwaltung, der Kirche und dem Unternehmertum. Die "beiden Mitglieder aus dem Arbeiterstand (wurden) durch die Verbandsleitung bestellt, wobei in erster Linie die Mitglieder des Vorstandes und des Schiedsgerichts der Unfallversicherung für Steiermark und Kärnten zu berücksichtigen" waren. 112 Mitte 1898 wurde schließlich auch in Wien ein städtischer Arbeitsnachweis eingerichtet. Er ist aus dem 1885 gegründeten "Verein für Arbeitsvermittlung" hervorgegangen. Da dieser traditionsreiche privatrechtliche Verein als eine "von modernen socialpolitischen Ideen geleitete Schöpfung" galt und er seinen "Statuten nach strenge den Grundsatz der Parität" wahrte, gingen die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie (SDAP) davon aus, dass beim Arbeitsnachweis der Reichshauptstadt endlich "zur Milderung der Classengegensätze" das "Unternehmerthum und (die) Arbeiter zu gemeinsamem Wirken vereint" werden würden. Der Vorstand dieses von den Kathedersozialisten stark hegemonisierten Vereins sollte als Modell für den städtischen Nachweis dienen. In diesem Verein gehörten von den sechs Vertretern der Arbeiterschaft im Vereinsvorstand zwei zu den wichtigsten Persönlichkeiten der damaligen Sozialdemokratie, Victor Adler und Engelbert Pernersdorfer. Ein paritätischer Wiener Arbeitsnachweis galt also als ziemlich sicher. Der Gemeinderat war jedoch fest in Händen der Anhänger des christlichsozialen Bürgermeisters Karl Lueger. Die absolute Hegemonie dieser Elite der "alten Kämpfer" und Honoratioren konnte erst zehn Jahre später von christlichsozialen Sozialreformern - wie dem ersten österreichischen Sozialminister(1917-1918) Heinrich Mataja und Leopold Kunschak, 111 Mataya 1898, 275-276. 112 Mataya 1898, 275.
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Obwohl geographisch außerhalb des Untersuchungsraumes, sollte die am 1. Mai 1898<br />
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110 Melinz/Zimmermann 1991, 110