REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

Konjunkturzeiten, die dann während der - den "Imperialismus immanenten” - Rezessionszeiten leicht wieder abgebaut werden konnten. Ein Grund für die erstaunlich 64 liberale Position des sonst als extrem fremdenfeindlich bekannten Deutschösterreichers, Otto Bauer, bei diesen Verhandlungen könnte auf diese frühe Tradition der Monarchie zurückzuführen sein, wonach Freizügigkeit zwar grundsätzlich für alle, jedoch im Einzelfall oft nur für Christen, nicht aber für Moslime und Juden galt. Während der Ausländerdebatte der Zweiten Internationale bezogen sich die reichsdeutschen und deutschösterreichischen Delegierten vorwiegend auf "ihre" slawischen, deutschen und italienischen Christen. Die Amerikaner und Engländer hingegen wehrten sich gegen die Einwanderung "kulturfremder Neger und Chinesen". Somit dürfte das oft vorgebrachte Argument, dass die österreichische Sozialdemokratie in der Monarchie antirassistisch war, relativierungsbedürftig sein, da eine tatsächlich Konfrontation mit dem Rassismus innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung zu dieser Zeit gar nicht stattfand. 87 6. Arbeitsvermittlung, "Die Auffindung eines Arbeitsplatzes der Selbstthätigkeit der Interessierten überlassen" 88 Am 14. Juni 1791 wurde der Grundstein für die Liberalisierung des europäischen Arbeitsmarktes gelegt. Das Verbot der Zünfte im damals revolutionären Frankreich erlaubte die schrittweise Entwicklung eines modernen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisses in den Teilen Europas, die von den Reformen Napoleons maßgeblich geprägt wurden. Dies war in Österreich bekanntlich nicht der Fall. Erst als die österreichischen gewerblichen Innungen Mitte des 19. Jahrhunderts ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht durch die fortschreitende Industrialisierung tendenziell verloren, begann sich der heimische Arbeitsmarkt zu liberalisieren. Die Gewerbeordnung von 1859 hatte eher die Funktion, diesen Auslösungsprozeß zu bestätigen, als ihn in irgend einer Weise zu beeinflussen. Die vollständige Freizügigkeit bei der Arbeitsplatzsuche ab Mitte des 19. Jahrhunderts ging mit der allmählichen Etablierung der professionellen Arbeitsvermittlung als eigenständigem Berufszweig Hand in Hand. Im Jahre 1848 wurde es den "Privatagenten" in Österreich erstmals gestattet, sich als "Geschäftsvermittler im Gebiete der Landwirtschaft, des Handels, der technischen Industrie, der Comptabilität, der theatralischen und musikalischen 87 vgl. Seidel 1985.

Unternehmungen" zu betätigen. 89 Bald begannen auch Fabriken und Großbaustellen sich dieser neuen Dienstleistung zu bedienen bis viele Unternehmungen schließlich feststellen 65 mussten, dass sie besser und billiger fahren würden, wenn sie die Rekrutierung ortsfremder Arbeiter selber organisierten. So wurden Vertreter der Unternehmungsleitung aber auch einfache Vorarbeiter und Handwerker beauftragt, außerhalb des unmittelbaren Einzugsgebietes der jeweiligen Firmen fremde Arbeiter zu suchen. Im großen Stil wurde die Arbeitsvermittlung jedoch nur dort organisiert, wo der Arbeits- und Produktionsvorgang eine "während bestimmter, periodisch wiederkehrender Zeiten (eine) größere Anzahl von Arbeiter(n)" erfordert und "demzufolge gewöhnlich auf den periodischen Zuzug fremder Arbeiter angewiesen" ist. 90 Auf staatsfremde und fremdsprachige Arbeitnehmer wirkte diese Entwicklung äußerst anziehend aus. Der "pull effect" der phasenweise prosperierenden österreichischen Wirtschaft war enorm. Einerseits wurde sie zusätzlich begünstigt durch die weiter oben erwähnte rechtliche Gleichstellung von Inländern und Ausländern am Arbeitsmarkt. Andererseits bedeutete die durchgreifende Liberalisierung der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen, dass ortsfremde im allgemeinen und fremdsprachige Ausländer im besonderen, sich bei der Arbeitsuche und beruflichen Etablierung immer leichter taten. Wanderarbeiter suchten nun auf Initiative konzessionierter oder illegaler Arbeitsagenten, Angehöriger eines Unternehmens oder immer öfter auf eigene Faust Beschäftigung in den urbanen und ländlichen Industriezentren, bei den großen und mittleren Landwirten sowie am Bau eine saisonale oder dauerhaften Beschäftigung. Dies fing zunächst im Kleinen an. Ab der 1870er Jahre wurde die Anwerbung dann im großen Stil betrieben. Somit bildete sich der Fremdarbeiter als neuer Arbeitnehmertypus heraus und begann am Arbeitsmarkt als freihandelnder Agent ernst genommen zu werden. Da weder bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt im allgemeinen noch bei der unmittelbaren Anstellung im einzelnen bis 1926 zwischen Inländern und Ausländern unterschieden werden durfte 91 , ist eine genaue Darstellung der Staatsfremdenbeschäftigung äußerst problematisch. Das Konzept "Fremd-Arbeit" wurde kaum angewendet und wenn dann in bezug auf alle 88 Mataja 1898, 109. 89 Mataja 1898, 46. 90 Mataja 1898, 291.

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liberale Position des sonst als extrem fremdenfeindlich bekannten Deutschösterreichers, Otto<br />

Bauer, bei diesen Verhandlungen könnte auf diese frühe Tradition der Monarchie<br />

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oft nur für Christen, nicht aber für Moslime und Juden galt. Während der Ausländerdebatte<br />

der Zweiten Internationale bezogen sich die reichsdeutschen und deutschösterreichischen<br />

Delegierten vorwiegend auf "ihre" slawischen, deutschen und italienischen Christen. Die<br />

Amerikaner und Engländer hingegen wehrten sich gegen die Einwanderung "kulturfremder<br />

Neger und Chinesen". Somit dürfte das oft vorgebrachte Argument, dass die österreichische<br />

Sozialdemokratie in der Monarchie antirassistisch war, relativierungsbedürftig sein, da eine<br />

tatsächlich Konfrontation mit dem Rassismus innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung zu<br />

dieser Zeit gar nicht stattfand. 87<br />

6. Arbeitsvermittlung, "Die Auffindung eines Arbeitsplatzes der Selbstthätigkeit der<br />

Interessierten überlassen" 88<br />

Am 14. Juni 1791 wurde der Grundstein für die Liberalisierung des europäischen<br />

Arbeitsmarktes gelegt. Das Verbot der Zünfte im damals revolutionären Frankreich erlaubte<br />

die schrittweise Entwicklung eines modernen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisses in den<br />

Teilen Europas, die von den Reformen Napoleons maßgeblich geprägt wurden. Dies war in<br />

Österreich bekanntlich nicht der Fall. Erst als die österreichischen gewerblichen Innungen<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht durch die<br />

fortschreitende Industrialisierung tendenziell verloren, begann sich der heimische<br />

Arbeitsmarkt zu liberalisieren. Die Gewerbeordnung von 1859 hatte eher die Funktion, diesen<br />

Auslösungsprozeß zu bestätigen, als ihn in irgend einer Weise zu beeinflussen.<br />

Die vollständige Freizügigkeit bei der Arbeitsplatzsuche ab Mitte des 19. Jahrhunderts ging<br />

mit der allmählichen Etablierung der professionellen Arbeitsvermittlung als eigenständigem<br />

Berufszweig Hand in Hand. Im Jahre 1848 wurde es den "Privatagenten" in Österreich<br />

erstmals gestattet, sich als "Geschäftsvermittler im Gebiete der Landwirtschaft, des Handels,<br />

der technischen Industrie, der Comptabilität, der theatralischen und musikalischen<br />

87 vgl. Seidel 1985.

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