REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

14.02.2013 Aufrufe

52 Ausländische Wanderbücher wurden zwar bei der Einreise anerkannt, aber Ausländer ohne gültigem heimatlichen Wanderbuch mussten sich von den Grenzwachen ein österreichisches Wanderbuch ausstellen lassen. Herbei waren besonders strenge Normen vorgeschrieben, um den "Unfuges" der illegalen Zubringer (nicht konzessionierten Wanderungsagenten), korrupter Behörden und "arbeitsscheuer" Migranten zu unterbinden. Das Wanderbuch hatte also nicht nur rationalisierende sondern genau so stark disziplinierende Funktionen erfüllt. "Um den mancherlei Unfuges zu steuern, welche durch die, an Handwerksgesellen und Arbeiter ausgestellten Kundschaften, Zeugnisse und Wanderpässe herbeigeführt wurden, sind an deren Stelle seit dem 1. Mai 1829 in der österreichischen Monarchie Wanderbücher eingeführt (...). Später (1833, E.S.) wurde allgemein angeordnet, dass jeder ausländischer Handwerksbursche schon an der Grenze zurückgewiesen werden solle, der sich mit einem ordentlichen Wanderbuche oder Reisepasse entweder nicht ausweisen vermag, oder in sittlicher oder polizeilicher Hinsicht bedenklich erscheint; der ferner mehr als zwei Monate von dem Zeitpuncte seines Erscheinens an der Grenze gar nicht in Arbeit gestanden ist, oder sich nicht legal auszuweisen vermag, dass der Grund davon bloß in einer Erkrankung lag; der bei dem Übertritte der Grenze sich nicht in dem Besitze von wenigstens 8 fl.C.M. befindet; der endlich die, für die Wanderbücher bestimmten Stämpel= und Ausfertigungs=Gebühren nicht erlegen kann". 61 Ausländer, die die oben genannten verwaltungstechnischen und finanziellen Einwanderungsbedingungen erfüllen konnten, genossen am Arbeitsmarkt volle Freizügigkeit. Das Jahrhundert der kontrollierten offenen Tür im Beschäftigungsbereich war angebrochen. Von 1829 bis 1926 wurden die Arbeitsmigranten an der Grenze zwar kontrolliert, genügten sie aber den je nach weltpolitischer Wetterlage unterschiedlichen grenzpolizeilichen Erfordernissen, so war ihr Zugang zur Beschäftigung in einer breiten Palette von Berufen und Industrien gesichert. Wurde der Anteil der Ausländer in einem bestimmten Berufszweig oder Industrie als zu hoch angesehen, so konnten Empfehlungen erlassen werden, um "eine hinlängliche Zahl inländischer Gesellen zu bilden und deshalb die Zahl der inländischen Jungen zu vermehren". 60 Die Zitate über die Wanderbuchbestimmungen stammen vorwiegend von „§234 Wanderbücher“ bei Püttlingen 1842, 332- 334.

Diese Bestimmung richtete sich jedoch nicht gegen die Ausländerbeschäftigung, sondern 53 ausschließlich gegen die Gefahr der Veranlassung zur "Verbindungen mit fremden Zünften". Es wurde nämlich befürchtet, dass ein zu hoher Anteil ausländischer "zünftigen(r) Gewerbsleute" aus einem bestimmten Land dazu führen könnte, dass die inländischen Zunftläden in die ausländischen Zünfte "einverleibt" werden könnten. Die Freizügigkeit war hierbei nicht betroffen. Ausnahmen bei dieser Regel der generellen Freizügigkeit gab es nur in zwei Anlaßfällen, nämlich Seuchen und Gewerkschaften. "Zu Zeiten, wo bedenkliche Krankheiten sich im Volke zeigen, pflegt der Eintritt den ausländischen Handwerksburschen nach Österreich auch ganz untersagt zu seyn, wie dies (von) der bestandenen Sanitäts=Hofcommission zur Zeit der Cholera verfügt wurde (...)". Die deutschen Bundes=Regierungen haben sich überdies vereinigt, übereinstimmende Maßregeln hinsichtlich derjenigen Handwerksgesellen zu treffen, welche durch Theilnahme an unerlaubten Gesellen=Verbindungen, Gesellen=Gerichten, Verrufs=Erklärungen und dergleichen Mißbräuchen gegen die Landesgesetze sich vergangen haben. Das Vergehen wird im Wanderbuche oder Reisepässe bemerkt, der schuldige Handwerksgeselle nach überstandener Strafe mir gebundener Reise=Route in seine Heimat gewiesen, dort unter geeigneter Aufsicht gehalten, und sonach in keinem anderen Bundesstaate zur Arbeit zugelassen". 62 30 Jahre nach der Einführung des Wanderbuchzwanges für Gesellen, Hilfs- und Fabriksarbeiter wurde 1859 die Ausweisfrage neu geregelt. Die Gewerbeordnung für Österreich, Kaiserliches Patent vom 20. Dezember 1859 löste das Gewerbegesetz von 1835 ab. Mit seinem Inkrafttreten am 1. Mai 1860 wurde die Beschäftigung einer ständig wachsenden Beschäftigungsgruppe gesondert geregelt, nämlich jener der gewerblichen Hilfsarbeiter. Diesen Arbeitnehmern wurde von der Gemeinde des Aufenthalts- und Arbeitsortes ein Arbeitsbuch ausgestellt, das mit Reise- und Legitimationsklauseln versehen werden konnte. Dieses Dokument war unbedingte Voraussetzung für die Beschäftigung und wurde ab Beginn einer Anstellung vom Arbeitgeber aufbewahrt. Nach Beendigung einer 61 Püttlingen 1842, 332 und 333. 62 Püttlingen 1842, 334.

Diese Bestimmung richtete sich jedoch nicht gegen die Ausländerbeschäftigung, sondern<br />

53<br />

ausschließlich gegen die Gefahr der Veranlassung zur "Verbindungen mit fremden Zünften".<br />

Es wurde nämlich befürchtet, dass ein zu hoher Anteil ausländischer "zünftigen(r)<br />

Gewerbsleute" aus einem bestimmten Land dazu führen könnte, dass die inländischen<br />

Zunftläden in die ausländischen Zünfte "einverleibt" werden könnten. Die Freizügigkeit war<br />

hierbei nicht betroffen. Ausnahmen bei dieser Regel der generellen Freizügigkeit gab es nur<br />

in zwei Anlaßfällen, nämlich Seuchen und Gewerkschaften.<br />

"Zu Zeiten, wo bedenkliche Krankheiten sich im Volke zeigen, pflegt der Eintritt den<br />

ausländischen Handwerksburschen nach Österreich auch ganz untersagt zu seyn, wie dies<br />

(von) der bestandenen Sanitäts=Hofcommission zur Zeit der Cholera verfügt wurde (...)".<br />

Die deutschen Bundes=Regierungen haben sich überdies vereinigt, übereinstimmende<br />

Maßregeln hinsichtlich derjenigen Handwerksgesellen zu treffen, welche durch Theilnahme<br />

an unerlaubten Gesellen=Verbindungen, Gesellen=Gerichten, Verrufs=Erklärungen und<br />

dergleichen Mißbräuchen gegen die Landesgesetze sich vergangen haben. Das Vergehen wird<br />

im Wanderbuche oder Reisepässe bemerkt, der schuldige Handwerksgeselle nach<br />

überstandener Strafe mir gebundener Reise=Route in seine Heimat gewiesen, dort unter<br />

geeigneter Aufsicht gehalten, und sonach in keinem anderen Bundesstaate zur Arbeit<br />

zugelassen". 62<br />

30 Jahre nach der Einführung des Wanderbuchzwanges für Gesellen, Hilfs- und<br />

Fabriksarbeiter wurde 1859 die Ausweisfrage neu geregelt. Die Gewerbeordnung für<br />

Österreich, Kaiserliches Patent vom 20. Dezember 1859 löste das Gewerbegesetz von 1835<br />

ab. Mit seinem Inkrafttreten am 1. Mai 1860 wurde die Beschäftigung einer ständig<br />

wachsenden Beschäftigungsgruppe gesondert geregelt, nämlich jener der gewerblichen<br />

Hilfsarbeiter. Diesen Arbeitnehmern wurde von der Gemeinde des Aufenthalts- und<br />

Arbeitsortes ein Arbeitsbuch ausgestellt, das mit Reise- und Legitimationsklauseln versehen<br />

werden konnte. Dieses Dokument war unbedingte Voraussetzung für die Beschäftigung und<br />

wurde ab Beginn einer Anstellung vom Arbeitgeber aufbewahrt. Nach Beendigung einer<br />

61 Püttlingen 1842, 332 und 333.<br />

62 Püttlingen 1842, 334.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!