REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

464 erstmals in der Geschichte des demokratischen, kapitalistischen Gesellschaftssystems eine Gewerkschaft aktiv als Ausbeuter 601 fremder Arbeitskraft auf. Der Grundstein für das von Gächter (1995) beschriebene System der erzwungenen Komplementarität wurde das mit gelegt. "Wie Ihnen (Dworak/BWK, E.S.) sicher bekannt ist, war der österreichische Gewerkschaftsbund bereit, mit den in Betracht kommenden Arbeitgeber-Verbänden Vereinbarungen über Ausländerkontingente zu treffen. Diese Bereitschaft stieß allerdings auf Seiten der Bundeskammer nicht auf das notwendige Verständnis, so dass sich der ÖGB entschloß, einseitig dem Bundesministerium für soziale Vewaltung mitzuteilen, dass er seinerseits unter gewissen Bedingungen auf die seinerzeit in der Paritätischen Kommission festgelegte Verständigung der Arbeiter- und Arbeitnehmerorganisationen verzichtet. (...) Wie erwähnt, bedeutet die Bekanntgabe der vorgenannten Kontingente an das Bundesministerium für soziale Verwaltung lediglich den Verzicht auf die Vorlage von Ansuchen zur Stellungnahme. Es ist aber selbstverständlich, dass der ÖGB diesen Verzicht nur unter gewissen Bedingungen auf sich nehmen konnte, wie u.a. der Einhaltung der lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften (...). Eine weitere Bedingung sieht vor, dass es sich nur um Ausländer aus den Nachbarländern handeln sollte. Insbesondere sind Griechen und Spanier nicht einbezogen. Der Grund hiefür liegt vor allem darin, dass das Bundesministerium für Inneres die größten Schwierigkeiten hat, wenn notwendig, den Abschub von unerwünschten Ausländern aus diesen Ländern durchführen zu können. Es ist Ihnen sicher bekannt, dass der ÖGB nach dem Schweizer Muster darauf dringen muß, dass ausländische Arbeitskräfte nach Ablauf der Beschäftigungsgenehmigung Österreich wieder verlassen." (Wollner 1996, 61-62) Die hinlänglich bei Wimmer (1984) und Matuschek (1985) beschriebene Vereinbarung im Rahmen des Raab-Olah-Abkommens vom 8. September 1961 bedeutete, dass die Sozialpartner - wie im Falle des Wirtschaftsdirektoriums der Bundesregierung - nun gewillt waren, den außerparlamentarischen Weg mittelfristig einzuschlagen. Innerhalb der nächsten 12 Jahre wurde ohne Kontrolle durch die gewählten Volksvertreter und ohne gesetzliche Basis Einwanderungspolitik zwischen der Paritätischen Kommission einerseits und dem 601 Dies wurde bestätigt einer Studie im Auftrag der EU Kommission. Hiernach trage der ÖGB direkt zur Ausbeutung und Diskriminierung von Fremdarbeiter bei. Aus diesem Grund war die EU eigene Dublin Stiftung (European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions) gezwungen ihre Kriterien zur Erforschung von Rassismus am Arbeitsplatz zu revidieren (Wrench 1996, 118).

465 Sozialministerium, Innenministerium und Außenministerium andererseits informell entwickelt und vollzogen. Die Kontingentvereinbarung schaffte das Konzept des grundsätzlichen Inländerschutzes ab. Innerhalb der vereinbarten Kontingente konnten nun die Arbeitgeber Ausländer auch dann einsetzen, wenn nicht erwiesen war, dass beim Arbeitsamt erfolglos um inländische Kräfte angesucht wurde. Hierfür wurden die Kontingente als jährlichen, wirtschaftspolitischen Steuerungsmechanismus verstanden, die ausschließlich den Sozialpartnern unterstanden und auch ohne staatliche Regulierung auf Null gedruckt werden konnten. Dieser Regelung stand das Rotationsmodell zugrunde, wonach bei auftretenden sozioökonomischen Krisenerscheinungen Gastarbeiter sofort abgebaut werden konnten. Das flexible Konzept des Inländerprimats ersetzte somit das starre System des Inländerschutzes als vorherrschendem Prinzip in der österreichischen Ausländerpolitik. Ausländerbeschäftigung war in den Konjunkturperiode der 60er und früh 70er Jahre ausdrücklich erwünscht, um die Einkommen und Sozialleistungen der inländischen Klientel des ÖGB zu sichern. Angeworben, beschäftigt und abgebaut wurden zwischen 1961 und 1976 nach folgenden paritätisch bestimmten Kriterien. 602 "Mit den Vorschriften zur Kontingentvereinbarung hatte der ÖGB wesentliche Vorstellungen über eine ausländische Arbeitskräfte diskriminierende Beschäftigungsregelung umgesetzt. Die endgültige Fassung der Vereinbarung legte in acht Punkten die Bedingungen der Ausländerbeschäftigung fest: - "Die Rückreise der Ausländer muß sichergestellt sein," wobei im Fall der Abschiebung das Innenministeriums die Bahnkosten nur bis an die österreichische Grenze zu zahlen hatte. Diese Regelung bürdete den einzelnen Ausländern bzw. den Entsendeländern mögliche Rückreisekosten auf. - "Ein ärztliches Gesundheitszeugnis vor der Einreise nach Österreich musste vorliegen." - "Die Laufzeit der Kontingente erstreckt sich vom 1.1. bis 31.12.1962," konnte aber nach Vereinbarung auch kürzer dauern. 602 Diese Darstellung der Entstehungsgeschichte entstammt Großteils der noch unveröffentlichten Diplomarbeit von Eveline Wollner (1996). Diese Aufarbeitung von, für die Wissenschaft bisher noch nicht leicht zugänglichen Datenmaterials stellt für die Zweite Republik ein ähnlicher Fortschritt dar, wie die von Sylvia Pelz (1994) verfaßte Diplomarbeit über das Inlandarbeiterschutzgesetz für die Erste Republik dies ist.

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erstmals in der Geschichte des demokratischen, kapitalistischen Gesellschaftssystems eine<br />

Gewerkschaft aktiv als Ausbeuter 601 fremder Arbeitskraft auf. Der Grundstein für das von<br />

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"Wie Ihnen (Dworak/BWK, E.S.) sicher bekannt ist, war der österreichische<br />

Gewerkschaftsbund bereit, mit den in Betracht kommenden Arbeitgeber-Verbänden<br />

Vereinbarungen über Ausländerkontingente zu treffen. Diese Bereitschaft stieß allerdings auf<br />

Seiten der Bundeskammer nicht auf das notwendige Verständnis, so dass sich der ÖGB<br />

entschloß, einseitig dem Bundesministerium für soziale Vewaltung mitzuteilen, dass er<br />

seinerseits unter gewissen Bedingungen auf die seinerzeit in der Paritätischen Kommission<br />

festgelegte Verständigung der Arbeiter- und Arbeitnehmerorganisationen verzichtet. (...) Wie<br />

erwähnt, bedeutet die Bekanntgabe der vorgenannten Kontingente an das Bundesministerium<br />

für soziale Verwaltung lediglich den Verzicht auf die Vorlage von Ansuchen zur<br />

Stellungnahme. Es ist aber selbstverständlich, dass der ÖGB diesen Verzicht nur unter<br />

gewissen Bedingungen auf sich nehmen konnte, wie u.a. der Einhaltung der lohn- und<br />

arbeitsrechtlichen Vorschriften (...). Eine weitere Bedingung sieht vor, dass es sich nur um<br />

Ausländer aus den Nachbarländern handeln sollte. Insbesondere sind Griechen und Spanier<br />

nicht einbezogen. Der Grund hiefür liegt vor allem darin, dass das Bundesministerium für<br />

Inneres die größten Schwierigkeiten hat, wenn notwendig, den Abschub von unerwünschten<br />

Ausländern aus diesen Ländern durchführen zu können. Es ist Ihnen sicher bekannt, dass der<br />

ÖGB nach dem Schweizer Muster darauf dringen muß, dass ausländische Arbeitskräfte nach<br />

Ablauf der Beschäftigungsgenehmigung Österreich wieder verlassen." (Wollner 1996, 61-62)<br />

Die hinlänglich bei Wimmer (1984) und Matuschek (1985) beschriebene Vereinbarung im<br />

Rahmen des Raab-Olah-Abkommens vom 8. September 1961 bedeutete, dass die<br />

Sozialpartner - wie im Falle des Wirtschaftsdirektoriums der Bundesregierung - nun gewillt<br />

waren, den außerparlamentarischen Weg mittelfristig einzuschlagen. Innerhalb der nächsten<br />

12 Jahre wurde ohne Kontrolle durch die gewählten Volksvertreter und ohne gesetzliche<br />

Basis Einwanderungspolitik zwischen der Paritätischen Kommission einerseits und dem<br />

601 Dies wurde bestätigt einer Studie im Auftrag der EU Kommission. Hiernach trage der ÖGB direkt zur Ausbeutung und<br />

Diskriminierung von Fremdarbeiter bei. Aus diesem Grund war die EU eigene Dublin Stiftung (European Foundation for the<br />

Improvement of Living and Working Conditions) gezwungen ihre Kriterien zur Erforschung von Rassismus am Arbeitsplatz<br />

zu revidieren (Wrench 1996, 118).

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