REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER
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452 Die Debatte über die Ausländerpolitik wird in Europa auf zwei Ebenen geführt (Sensenig 1993, 58-62). Eine öffentliche public agenda stellt die Zuwanderung als soziale Belastung dar und führt die Anwesenheit von Ausländern als potentielle Sicherheitsgefahr an: entweder unmittelbar durch die Ausländerkriminalität oder vermittelt durch die Erzeugung von gewaltbereiter Fremdenfeindlichkeit bei den Inländern. Die public agenda knüpft an die traditionelle Vorstellung des Inländerschutzes an und versteht Ausländerbeschäftigung und Asylpolitik als ein notwendiges Übel, das es zu minimieren gilt. Diese Agenda apelliert an die Menschlichkeit und Toleranz der inländischen Bevölkerung und insistiert, dass es Migration immer gegeben hatte, dass man diese Erscheinung erdulden müsse und dass man die Europäische Union, die einzelnen nationalen Regierungen und die Sozialpartner bei ihren Bemühungen die Zuwanderung zu reduzieren, mit Verständnis begegnen solle. 580 Die interne, hidden agenda der Ausländerpolitik der EU - wie auch der einzelnen Mitgliedsstaaten - wird, trotz seiner allgemeinen Zugänglichkeit 581 , weder von den kommerziellen Medien noch von der öffentlichen politischen Debatte auf regionaler, nationaler oder europäischen Ebene reportiert 582 . Zentrale Prämisse dieser Agenda ist, dass die Ausländerbeschäftigung eine für die Wirtschaft und für die Finanzierung der Sozialversicherung an sich positive Erscheinung ist, die gefördert und überregional gestaltet werden muß. 583 Diese europäische Agenda entwickelte sich in Österreich schubweise in einem gemeinsamen Lernprozeß zwischen den habe, Vorkehrungen für die Aufrechterhaltung eines stabilen Preisgefüges im Rahmen einer paritätischen Kommission zu treffen. 580 Eine der besten Einblicke in die innere Seele dieser Agenda stellt eine Darlegung der österreichischen Ausländerpolitik und ihrer Rolle gegenüber der EU - unmittelbar vor Beginn der FPÖ-Ausländerdebatte - vom Asylverantwortlichen des Innenministeriums Manfred Matzka in der SPÖ Zeitschrift für internationaler Politik International dar (1992). 581 Kritische Berichte über diese hidden agenda finden sich in den einschlägigen Fachzeitschriften zu Migrations- und Asylpolitik des deutsch- und englischsprachigen Raumes. Sie werden, jedoch wie in fast keinen anderen Forschungsbereich der Fall, konsequent übergangen. 582 Einer der wichtigste Mißverständnisse der linksliberalen und grünen Politiker und der, dieser Parteien positiv gegenüber stehenden Medien, ist die These, daß die Ausländerpolitik in Österreich - die auf eine über hundertjährige Tradition zurückblicken kann und seit Mitte der 70er Jahre mit der EG bzw. EU abgestimmt wird - von den Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei, Jörg Haider, im wesentlichen diktiert wird. 583 Biffl et al (1997) zeigt für Österreich, daß analog der Entwicklung in den westlichen Nachbarländern, die heimische Sozialversicherung an der Ausländerbeschäftigung langezeit verdient hat. "In den sechziger und siebziger Jahren (...) (wurden) - im wesentlichen junge - Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben - was der klare Beweise für die Dominanz der Sogkräfte für Zuwanderung war - die Nettozahler für das Sozialsystem waren. Familienzusammenführung gekoppelt mit wirtschaftlichem Strukturwandel und Konjunkturschwäche veränderte die Einnahmen-Ausgaben-Situation der Sozialbudgets der Aufnahmeländer. Die Alterung der 1. Generation Ausländer und der zunehmende Verbleib der Pensionisten im Aufnahmeland verringerte die positive Bilanz der Zuwanderung." (110) Trotzdem sind Ausländer, nicht zuletzt deswegen, weil sie aus bestimmten typischen Umverteilungsmechanismen wie die Notstandshilfe Großteils ausgegrenzt waren, auch in den letzten Jahren Nettozahler. So zahlten 1993 Ausländer 32,5 Mrd. ATS ein und bekamen 26,9 Mrd. ATS heraus aus dem Sozialsystem. Ein Problem für die Zukunft sieht Biffl bei der Pensionszahlungen, da Ausländer erst jetzt anfangen diese zukünftige Verbindlichkeiten in Anspruch zu nehmen (116).
453 Sozialpartnern und der Großen Koalition. 584 Die Vervollkommnung der aktiven 585 österreichischen Ausländerpolitik wurde im Februar 1993 - nach dreißigjähriger Vorarbeit - erreicht. Im gleichen Monat erzielte das Ausländervolksbegehren ein für ihre Veranstalter - die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - enttäuschendes Ergebnis. Die Forderungen der Freiheitlichen wurden also am Ende des politischen Entstehungsprozesses gestellt. Jörg Haider hat somit die Ausländerpolitik der Bundesregierung und der Sozialpartner eher bestätigt als diese hegemonisiert oder gar diktiert. 586 "Im Febraur 1993 hat Willibald Pahr (Sonderbeauftragter für Flüchtlings- und Wanderungsfragen) der österreichischen Zuwanderungspolitik ein positives Zeugnis ausgestellt: "Die Regierung ist seit etwas mehr als zwei Jahren im Amt und hat in diesen zwei Jahren vom ersten Monat an ein Wanderungskonzept gehabt. (...) Wir sind, so glaube ich, das erste Land in Europa, das eine alle Bereiche umfassende Wanderungspolitik in seiner Rechtsordnung verankert hat." (Davy/Gächter 1993/1, 155)" Diese umfassende Wanderungspolitik deckte sich nicht zufällig mit den 12 Forderungen des Parteivorsitzender der FPÖ, Jörg Haider. Vor allem die Forderungen 1) Österreich ist kein Einwanderungsland; 2) Koppelung von Zuwanderung und Arbeitslosigkeit; 5) Schaffung eines ständigen Grenzschutzes; 8) Kein Ausländerwahlrecht; 10) kein Mißbrauch von Sozialleistungen und 12) Verhinderung von Wanderungsbewegungen aus Osteuropa gehörten schon seit längerem zu den Kernsäulen der Ausländerpolitik der Sozialpartner und Großer Koalition. Im folgenden wird dargestellt, wie die österreichische Ausländerpolitik im Laufe der 40er bis 80er Jahren zur vollen Reife gelangte. In diesem Prozeß spielte die Freiheitliche Partei kaum eine Rolle. A. Operation Jugo - zur Erfindung der Wirtschaftsflüchtlinge 584 Die Koalition zwischen ÖVP und SPÖ existierte während 33 der 53 Jahren seit Kriegsende 1945. In der zwei Jahrzehnten der Alleinregierung der ÖVP 1966 bis 1970, der SPÖ 1970 bis 1983 und der Kleinkoalition 1983 bis 1986, sorgte die außerparlamentarische Sozialpartnerschaft für Kontinuität. Hierfür ist gerade der Ausländerpolitik eine Paradebeispiel. Die Zeit der ÖVP-Alleinregierung gehört zu den liberalsten dieses Jahrhunderts; die SPÖ-Alleinregierung hingegen zog in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise 1973 einer der radikalsten Gastarbeitabbauprojekte aller westeuropäischen Industrieländern durch. Zwischen 1973 und 1984 wurden nämlich fast die Hälfte aller ausländischen Arbeitnehmer in Österreich abgebaut. 585 Man kann erst ab 1961 (Raab-Olah-Kontingentierung) von einer aktiven, konzipierten Ausländerpolitik sprechen. 586 Die - nach Meinung dieses Autors als äußerst unseriöse und unsachkundige zu beschreibende - Annahme, daß die Grundzüge der Ausländerpolitik durch die Wahlerfolge der FPÖ maßgeblich geändert werden könnten ist aber weitverbreitet. Es ist anzunehmen, daß die Bundesregierung und die Sozialpartner keine Kolaric-Kampagne (Feichtelbauer
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österreichischen Ausländerpolitik wurde im Februar 1993 - nach dreißigjähriger Vorarbeit -<br />
erreicht. Im gleichen Monat erzielte das Ausländervolksbegehren ein für ihre Veranstalter -<br />
die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - enttäuschendes Ergebnis. Die Forderungen der<br />
Freiheitlichen wurden also am Ende des politischen Entstehungsprozesses gestellt. Jörg<br />
Haider hat somit die Ausländerpolitik der Bundesregierung und der Sozialpartner eher<br />
bestätigt als diese hegemonisiert oder gar diktiert. 586<br />
"Im Febraur 1993 hat Willibald Pahr (Sonderbeauftragter für Flüchtlings- und<br />
Wanderungsfragen) der österreichischen Zuwanderungspolitik ein positives Zeugnis<br />
ausgestellt: "Die Regierung ist seit etwas mehr als zwei Jahren im Amt und hat in diesen zwei<br />
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erste Land in Europa, das eine alle Bereiche umfassende Wanderungspolitik in seiner<br />
Rechtsordnung verankert hat." (Davy/Gächter 1993/1, 155)" Diese umfassende<br />
Wanderungspolitik deckte sich nicht zufällig mit den 12 Forderungen des Parteivorsitzender<br />
der FPÖ, Jörg Haider. Vor allem die Forderungen 1) Österreich ist kein Einwanderungsland;<br />
2) Koppelung von Zuwanderung und Arbeitslosigkeit; 5) Schaffung eines ständigen<br />
Grenzschutzes; 8) Kein Ausländerwahlrecht; 10) kein Mißbrauch von Sozialleistungen und<br />
12) Verhinderung von Wanderungsbewegungen aus Osteuropa gehörten schon seit längerem<br />
zu den Kernsäulen der Ausländerpolitik der Sozialpartner und Großer Koalition. Im<br />
folgenden wird dargestellt, wie die österreichische Ausländerpolitik im Laufe der 40er bis<br />
80er Jahren zur vollen Reife gelangte. In diesem Prozeß spielte die Freiheitliche Partei kaum<br />
eine Rolle.<br />
A. Operation Jugo - zur Erfindung der Wirtschaftsflüchtlinge<br />
584 Die Koalition zwischen ÖVP und SPÖ existierte während 33 der 53 Jahren seit Kriegsende 1945. In der zwei<br />
Jahrzehnten der Alleinregierung der ÖVP 1966 bis 1970, der SPÖ 1970 bis 1983 und der Kleinkoalition 1983 bis 1986,<br />
sorgte die außerparlamentarische Sozialpartnerschaft für Kontinuität. Hierfür ist gerade der Ausländerpolitik eine<br />
Paradebeispiel. Die Zeit der ÖVP-Alleinregierung gehört zu den liberalsten dieses Jahrhunderts; die SPÖ-Alleinregierung<br />
hingegen zog in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise 1973 einer der radikalsten Gastarbeitabbauprojekte aller<br />
westeuropäischen Industrieländern durch. Zwischen 1973 und 1984 wurden nämlich fast die Hälfte aller ausländischen<br />
Arbeitnehmer in Österreich abgebaut.<br />
585 Man kann erst ab 1961 (Raab-Olah-Kontingentierung) von einer aktiven, konzipierten Ausländerpolitik sprechen.<br />
586 Die - nach Meinung dieses Autors als äußerst unseriöse und unsachkundige zu beschreibende - Annahme, daß die<br />
Grundzüge der Ausländerpolitik durch die Wahlerfolge der FPÖ maßgeblich geändert werden könnten ist aber<br />
weitverbreitet. Es ist anzunehmen, daß die Bundesregierung und die Sozialpartner keine Kolaric-Kampagne (Feichtelbauer