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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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Die Gewerkschaften und Arbeiterkammer - und mit ihr das sozialdemokratisch kontrollierte<br />

Sozialministerium - setzten ihre Ablehnung des Mißbrauchs von Zuwanderern nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg fort. Fremde Arbeitnehmer sollten von den gut bezahlten<br />

Arbeitsmarktsegmenten fern gehalten werden. Aus diesem Grund versuchte man jahrelang,<br />

die hunderttausenden Volksdeutschen in Österreich in einer arbeitsmarktpolitischen Randlage<br />

zu halten. Diese Ausgrenzungspolitik gegenüber den gleichsprachigen Staatsfremden wurde<br />

im Laufe der 50er Jahre überwunden. Das wesentlich neue Element an der<br />

Beschäftigungspolitik der 60er Jahre war die Abkehr von dieser grundsätzlich ablehnenden<br />

Haltung gegenüber der Ausländerbeschäftigung. Von gewerkschaftlicher Seite wurde<br />

erstmals der Versuch unternommen, staatsfremde Arbeitskräfte gezielt im Interesse der<br />

österreichischen Nationalwirtschaft zum Einsatz zu bringen. Bei dieser strategischen Wende<br />

in der Beschäftigungspolitik waren zwei Entwicklungen ausschlaggebend, nämlich die<br />

Anerkennung der österreichischen Nation 576 und die Entstehung des Regulierungssystems der<br />

Sozialpartnerschaft. Zusammengenommen ermöglichten diese zwei neuen Aspekte des<br />

österreichischen politischen Systems die Überwindung des sozialpolitisch auszehrenden<br />

Deutschnationalismus und die Abschwächung des wirtschaftlich und gesellschaftlich<br />

zerstreuenden Klassenantagonismus.<br />

Exemplarisch für den neuen Nationalstolz des wiederbelebten Österreichbewußtseins ist die<br />

Äußerung des Bundeskanzlers im Jahr der Unabhängigkeit 1955. "Mit dem heutigen Tag wird<br />

der Unterschied gegenüber der seelischen Verfassung des österreichischen Volkes im Jahre<br />

1918 voll sichtbar. Unser Selbstbewußtsein hat sich bis zu einem eigenständigen<br />

österreichischen Nationalbewußtsein gesteigert." (Bundeskanzler Julius Raab, Das Kleine<br />

Volksblatt, 27.10.1955) Spätestens mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags scheint der<br />

Gründungsmythos der österreichischen Nation bei den politischen Eliten verankert gewesen<br />

zu sein.<br />

576 Wann genau die österreichische Nation endgültig als durchschlagendes Konzept in der Politik und politischen<br />

Strategieentwicklung anerkannt wurde ist einer der umstrittensten Fragen der österreichischen Zeitgeschichte und<br />

Politikwissenschaft. Die Jahren 1867 (Ausgleich), 1871 (kleindeutsche Lösung), 1918 (Erste Republik), 1938<br />

(vaterländische Volksabstimmung), 1943 (Moskauer Erklärung) und 1945 (Zweiter Republik) werden von wesentlichen<br />

Teile der wissenschaftlichen "community" in Frage gestellt. Von keine Seite wird jedoch abgestritten, daß bei der<br />

Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955 Österreich nicht nur eine unabhängige Republik sondern auch eine selbständige<br />

Nation geworden war. Somit bezog sich die Name des österreichischen Parlaments - Nationalrat - nicht mehr auf die<br />

deutsche, sondern zum ersten Mal auf die österreichischen Nation.

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