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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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beseitigt. Als einzige Gefahr für diese Neubelebung des Prinzips des Inländerschutzes war die<br />

Bestimmung im Betriebsratsgesetz von 1919, wonach bei der Wahl zum Betriebsrat "die<br />

Staatsangehörigkeit (...) für die Wahlberechtigung ohne Bedeutung (war)." (Adler 1925, 44).<br />

Da die Tätigkeit im Betriebsrat der einzige Zugang zur Mitarbeit im ÖGB darstellte, hätten<br />

sich staatsfremde Arbeitnehmer in Betrieben mit hohem Ausländeranteil theoretisch in der<br />

Gewerkschaftshierarchie hocharbeiten können und somit den Versuch starten können, die<br />

Ausgrenzung von Ausländern bei der paritätischen Vergabe von<br />

Beschäftigungsbewilligungen zu untergraben. Diese Haltung haben die tschechisch-<br />

österreichischen Beamten in einer ähnlichen Situation unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg<br />

bekanntlich (siehe oben) eingenommen. Das Betriebsratsgesetz von 28.3.1947 (BGBl. 97)<br />

schob dieser Gefahr einer multikulturellen Gewerkschaftsarbeit einen Riegel vor.<br />

B. Im Geiste des Austrofaschismus - Das Betriebsratsverbot<br />

Das Betriebsratsgesetz von 1919 entstand in der Phase der revolutionären Umwälzungen in<br />

ganz Mittel- und Osteuropa nach dem Zusammenbruch der Romanow, Hohenzollern und<br />

Habsburg Dynastien. Das Betriebsratsrecht entstammt dem Rätegedanken und geht auf die<br />

internationalistischen Bewegungen der Anarchosyndikalisten zurück. Ihre erste praktische<br />

Anwendung fand die Theorie der Rätedemokratie im bolschewistischen Rußland. "Diese<br />

(Rätegedanke, E.S.) von dem französischen Sozialisten P.J. Proudhon (1809 bis 1865)<br />

begründete und von der russischen Revolution 1917 aufgegriffene Idee besteht im<br />

wesentlichen darin, anstelle des parlamentarischen Einheitsstaates eine unmittelbar auf dem<br />

Volkswillen begründete dezentralisierte Ordnung zu schaffen." (Floretta/Strasser 1973, 3)<br />

Nach dem sowjetischen Vorbild wurden Räteregierungen im benachbarten Bayern und<br />

Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg ausgerufen. Auch in Österreich hatte die Rätebewegung<br />

versucht, die Demokratie im Lande von Grund auf zu erneuern. Hierbei spielten jüdische und<br />

tschechische Ausländer 564 eine nicht geringe Rolle (Hautmann 1987, 505). Das 1919<br />

verabschiedete Betriebsratsgesetz gilt als Versuch, die Energie und Kreativität der<br />

Rätebewegung in geordnete, bürgerlich demokratische Bahnen zu lenken (Filla 1981). Hätte<br />

man nach dem rassistischen Prinzip der österreichischen Option nur Menschen mit deutscher<br />

Umgangssprache und Rasse bei den Wahlen zugelassen, wäre dieser Domestizierungsversuch<br />

563 In dieser Verwaltungsausschüsse waren Arbeitnehmer und Arbeitgeber paritätisch vertreten (seihe oben).

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