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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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417<br />

Monarchie die Zahl der in Österreich lebenden fremden Staatsbürger sehr erhöht hatte, wurde<br />

dieses Gesetz als eine besondere Härte gegen viele von ihnen empfunden. Das Gesetz wurde<br />

über dringendes Verlangen der Freien Gewerkschaften angenommen. Die nichtsozialistischen<br />

Parteien sicherten nur die Möglichkeit, gewisse nicht näher bezeichnete Kategorien<br />

auszunehmen. Der eigentliche Zweck dieser Verordnung war, den Zustrom billiger<br />

Landarbeiter aus der Tschechoslowakei nach Nieder- und Oberösterreich zu verhindern. Es ist<br />

bezeichnend, dass dieses gegen ausländische Arbeiter gerichtete Gesetz von einer<br />

Bewegung 537 eingebracht wurde, die sich feierlich zu internationalen Prinzipien bekannte."<br />

(Gulick 1948/I, 313-314).<br />

1926 setzte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Landarbeitergewerkschaft und<br />

Nationalratsabgeordnete Pius Schneeberger die Einführung eines Paritätischen Beirats bei der<br />

alljährliche Festlegung der kontingentierten Landarbeiter aus der Tschechoslowakei durch<br />

(MfLFW,1926,600?,29945). Diesen Erfolg verdankte der Niederösterreicher Schneeberger<br />

höchst wahrscheinlich seinen guten Beziehungen zur niederösterreichischen<br />

Landwirtschaftskammer und deren zeitweiligen Amtsdirektor Engelbert Dollfuß. 538<br />

Schneeberger nutzte diese Position aus, um die Zahl der durch die Kontingentierung<br />

begünstigten Ausländer möglichst zu verringern; eine Politik, die von der katholisch-<br />

537 Es ist auch von Interesse, daß in dieser von den österreichischen Sozialisten unmittelbar nach dem Krieg forcierten<br />

fünfbändigen Geschichte der Zwischenkriegszeit, eine so SDAP-kritische Stellungnahme steht. Gulick schreibt sonst<br />

ausgesprochen sozialdemokratiefreundlich. Insofern mutet die etwas undifferenzierte Stellungnahme bei Wimmer etwas<br />

befremdend an. Nach Wimmer wird die Position der Freien Gewerkschaften als teilweise berechtigt und elementar<br />

bezeichnet. In dieser Studie hingegen wird argumentiert, daß die Position der Gewerkschaften nicht nur grundsätzlich auf<br />

dem Prinzip des Inländerschutzes auf Kosten der ethnischen Minderheiten am Arbeitsmarkt sich stützt, sie verbindet auch<br />

gleichzeitig diese sozialchauvinistische Position auch mit Fremdenfeindlichkeit. Im Folgenden die Position von Wimmer<br />

(1986, 6).<br />

„Die zum Schluß geäußerte Polemik Gulicks gegen die Politik der freien Gewerkschaften hat jedoch nur zum Teil ihre<br />

Berechtigung, weil sie übersieht, daß die Gewerkschaften in der Tat ein elementares Interesse hatten und auch heute noch<br />

haben, die Zahl der Arbeitskraftanbieter auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten; denn wenn es den Gewerkschaften<br />

gelingt, das Arbeitskräfteangebot für die Unternehmungen knapp zu halten, stärkt dies ihre Verhandlungsmacht gegenüber<br />

den Arbeitgeberverbänden.‟ Somit verabschiedet Wimmer sich gemeinsam mit der Freien Gewerkschaften und SDAP von<br />

der internationalistischen Strategie der II. Internationale, ohne dies zu begründen. Gulicks Polemik mag aus der Perspektive<br />

der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung besser verständlich sein. Die sich anbahnenden antirassistischen Kämpfe<br />

innerhalb der US-Gewerkschaften - u.a. als Ergebnis der Rückkehr Hunderttausenden afrikanischamerikanischen Soldaten<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg - könnten den Blick des amerikanischen Historiker Charles Gulick für die negative<br />

Auswirkungen des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit innerhalb der Arbeiterbewegung geschärft haben.<br />

538 Diese Beziehungen scheinen offensichtlich sehr gut gewesen zu sein und reichten unmittelbar vor Ausbruch des<br />

Bürgerkrieges zu einer Unterredung unter vier Augen mit dem Bundeskanzler. „Die niederösterreichische Landespartei<br />

(SDAP, E.S.) sollte ihre Verhandlungen mit den Vertretern des Bauernbundes und eventuell mit Dollfuß selbst fortsetzen.<br />

Helmer, Schneidmadl, Popp und Schneeberger bildeten den engeren Ausschuß, der diese Verhandlungen führen sollte.‟<br />

(Helmer 1957, 147-148). Dieses Parteikomitee machte verzweifelte Anstrengungen, mit dem Bundeskanzler in Berührung<br />

zu kommen. Aber Dr. Dollfuß lehnte es ab, mit Repräsentanten des Austromarxismus „bolschewistischer Art‟ zu<br />

verhandeln.‟ (Gulick 1948/IV, 298.) „Dollfuß ließ sich auf keine Unterredungen ein; einzig und allein mit dem<br />

Vertrauensmann der sozialdemokratischen Landarbeiter, Schneeberger, hatte er eine etwa einstündige Unterhaltung (am<br />

7.Jänner), deren einziges Ergebnis die Äußerung Dollfuß‟ war, daß er die Arbeiter ihrer sozialpolitischen Errungenschaften<br />

zu berauben nicht die Absicht hege.‟ (Renner 1953, 135)

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