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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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416<br />

V. ÜBER DREI POLITISCHE SYSTEME HINWEG -<br />

ÖSTERREICHISCHE AUSLÄ<strong>NDER</strong>POLITIK AM<br />

ANFANG DER ZWEITEN REPUBIK<br />

Die Gestaltung der Ausländerpolitik obliegt traditionsgemäß 534 der österreichischen<br />

Sozialdemokratie. Die Initiativen zur paritätischen Lenkung der Arbeitsplatzvermittlung,<br />

sozialpartnerschaftlichen Bestimmung der Zuwanderung und Segmentierung des<br />

Arbeitsmarktes entlang eines ethnischen und staatsbürgerschaftlichen Kriterienregisters<br />

kamen am Ende des Ersten Weltkrieges von den Freien Gewerkschaften und der SDAP<br />

Deutschösterreichs. Entsprechend der Logik der Option sollte bei der Zulassung von<br />

zusätzlichen Arbeitskräften zum Arbeitsmarkt der Gesichtspunkt deutsche Sprach und<br />

deutsche Rasse eine zentrale Rolle spielen. Hinzu kamen mit Beginn der<br />

Massenarbeitslosigkeit im Deutschen Reich 1923 sozialpolitische 535 Gesichtspunkte hinzu.<br />

Mit der Verabschiedung des Inlandarbeiterschutzgesetzes wurden beide Prinzipien -<br />

Ethnizität und sozialpolitisches Binnendenken - zusammengeführt. Das Prinzip des<br />

Internationalismus wurde endgültig 536 aufgegeben.<br />

"Die große Arbeitslosigkeit zwang zu der gesetzlichen Regelung vom 19. Dezember 1925,<br />

welche die Anstellung von Ausländern verbot, wenn sie nicht eine spezielle Erlaubnis vom<br />

Ministerium des Innern besaßen oder ihren ordentlichen Wohnsitz vor dem 1. Jänner 1923 in<br />

Österreich angemeldet hatten. Die Bedingungen dieses Gesetzes waren besonders streng.<br />

Schon eine dreiwöchige Abwesenheit von Österreich zog den Verlust der<br />

Arbeitsberechtigung nach sich. Da sich durch den Zusammenbruch der österreichischen<br />

534 Bis zum Ersten Weltkrieg gab es keine Versuche, die Migrationspolitik zu gestalten. Bereits in den Jahren unmittelbar<br />

nach der letzten Jahrhundertwende forderten jedoch marxistisch orientierte Sozialdemokraten und linksliberale<br />

Kathedersozialisten (wie oben erwähnt) einen gesellschaftlichen Diskurs, verbindliche Regeln, und paritätische<br />

Mitbestimmung beim Entwurf eines umfassenden cisleithanischen Migrationskonzepts. Vgl. Fischer 1909; Fischer 1914;<br />

Philippovich 1913.<br />

535 Anfang der 1920er Jahre herrschte in Deutschösterreich Vollbeschäftigung. Ausgrenzung von arbeitslosen Inländer und<br />

arbeitswilligen Ausländern geschah ausschließlich nach dem Kriterium der Ethnizität, d.h. daß vor allem Tschechoslowaken<br />

und Juden benachteiligt und Reichsdeutsche bevorzugt wurden. Wie oben erwähnt wurde, waren (Deutsch)Österreicher und<br />

Reichsdeutsche bis 1923 zwar in Österreich gleichberechtigt, diese Politik basiert jedoch nicht auf Gegenseitigkeit. Es ist<br />

überhaupt auffallend, daß das Prinzip der Reziprozität nur dann Anwendung fand, wenn es als zusätzliches Argument für<br />

ohnehin vorher getroffene Politikentscheidungen brauchbar war. So wurden Österreicher im Deutschen Reich in der Regel<br />

genauso behandelt wie Polen oder Italiener, trotz der deutschnationalen Gleichstellungspolitik in Österreich. Die<br />

Benachteiligung Tschechoslowaken hingegen wurden damit begründet, daß (Deutsch)Österreicher in der Tschechoslowakei<br />

nicht mit der einheimischen Bevölkerung gleichgestellt waren. Reichsdeutsche und Tschechoslowaken konnten - obwohl<br />

dies nicht umgekehrt der Fall war - in Österreich Mitglied des Betriebsrates werden.<br />

536 In der Diplomarbeit von Monika Pelz (1994), die dieser Autor in ihrer Anfangsphase mit betreute, wird überzeugend<br />

dargestellte, daß die Sozialdemokratie die Prinzipien des Internationalismus und der Freizügigkeit am Arbeitsmarkt (Politik<br />

der offenen Tür) ursprünglich nur vorübergehend aufgeben wollte. Durch das rasante Stiegen der Arbeitslosigkeit in der<br />

30er Jahre zementierte sich die Politik des Inländerschutzes und wurde nach 1945 fortgesetzt.

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