REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER
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Fremde Ausländer stellten hierbei eine Ausnahme dar. Sie mussten von rechtswegen nach einer eventuellen "Nationalisierung" im Hauptwohnort in Österreich das Heimatrecht automatisch erhalten. Allerdings wurden sie vom Innenministerium in der Regel erst dann 38 eingebürgert, wenn ihre zukünftige Heimatgemeinde in ihre Aufnahme in den Heimatverband einwilligte. Die Stellung sowohl fremder Staatsbürger wie fremder Ausländer unterschied sich in „normalen‟ Zeiten von jener der heimatberechtigten Inländer nur unwesentlich. In Krisenzeiten änderte sich dies jedoch schlagartig. "Nur dann kam das Heimatrecht in Frage, wenn es sich darum handelte, welche Gemeinde den verarmten Staatsbürger (oder Staatsfremde, E.S.) zu versorgen habe. Dann war es aber schon zu spät, um Aufnahme anzusuchen. Denn ein in diesem Zeitpunkte überreichtes Gesuch wäre von vornherein aussichtslos gewesen." 40 In den vier Jahrzehnten (1863-1901), in denen es in Österreich keine Ersitzung des Heimatrechts gab, kam es zu einer eklatanten Schere zwischen den unterstützungswürdigen und -unwürdigen Gemeindebewohnern. Bei Verabschiedung des neuen Heimatrechtsgesetz war im Durchschnitt lediglich jeder vierte Bewohner einer cisleithanischen Gemeinde ein fremder Inländer oder Ausländer. 30 Jahre später war über die Hälfte der Bevölkerung ortsfremd. In manchen typischen Zuwanderergemeinden lag das Verhältnis von Zugehörigen zu Nichtzugehörigen bei ein zu zwei. Diese Entwicklung entsprach dem liberalen Geist des Jahrzehnts nach dem Neoabsolutismus. Verkehrsfreiheit, ausgebaute Verkehrsnetzwerke und die Abschaffung der Ersitzung schaffte eine immer größer werdende Reserve gefügiger Arbeitnehmer. "Mit dem Heimatgesetz stand dem seit Beginn der 1860er Jahre herrschenden liberalen Bürgertum ein funktionelles Rahmeninstrument zur Verfügung, mit dessen Hilfe der städtische Arbeitsmarkt zwar (ausreichend mit) Arbeitskräften versorgt werden konnte, das aber andererseits jederzeit die Möglichkeit offen ließ, „in schlechten Geschäftszeiten oder im Falle von Krankheit, Invalidität und Alter‟ die nicht in Wien Heimatberechtigten - und das 40 Spiegel 1898, 16, zitiert in Rudigier 1995, 171.
war in der liberalen Ära bekanntermaßen mehr als die Hälfte der ortsanwesenden Bevölkerung - wieder aus Wien auszuschaffen beziehungsweise „abzuschaffen‟". 41 Um diese Mobilität der inländischen und ausländischen Arbeitskraft zu realisieren, musste dafür gesorgt werden, dass überschüssige Arbeitskräfte aus den Ballungszentren wieder abwanderten. Dies geschah in der Regel zu einem großen Teil von alleine, da auch ein 39 längerer Aufenthalt in der Gemeinde nicht mehr automatisch zur sozialen Unterstützung in Krisenzeiten führen müßte. Mittellose Ortsfremde konnten aber, für den Fall, dass sie nicht von alleine gehen wollten, mit Gewalt von der Gemeinde abgeschoben werden. Der Gemeinde wurde bereits im Rahmen des provisorischen Gemeindegesetzes von 1849 das Recht eingeräumt die Verkehrsfreiheit und Freizügigkeit bei Nichtzuständigen einzuschränken. Bewirkte die Anwesenheit eines Fremden "Unannehmlichkeiten"für die Einheimischen, konnte ihm die Gemeinde den weiteren Aufenthalt verweigern. Hier ging es unter anderem darum, dem Ersitzen der Heimatberechtigung seitens unerwünschter Personen zuvorzukommen. Nach der Abschaffung des Ersitzungsrechtes 1863 schien zuerst einmal "das Ausweisungsrecht zwecks Verhinderung (der Ersitzungsmöglichkeit) in den Gemeinden bedeutungslos". 42 Die Erwartung, dass mittellose Inländer und Ausländer gleichermaßen immer automatisch ihren Wohnort verlassen würden, wenn sie keine Aussicht mehr auf Mildtätigkeit hatten, erwies sich aber als illusorisch. Die Logik des ständiges Aufenthaltsrechtes im Rahmen der Freizügigkeit war eben nicht nur auf die Wohlhabenden beschränkt. Arme erhofften sich - ohne große Aussicht auf Erfolg - von "ihren” Wohngemeinden weiterhin Mildtätigkeit. Eine willkommene Erleichterung der "Abschaffung" von unerwünschten Fremden bot das Reichsschubgesetz von 1871. Hiernach wurden die Bedingungen genau festgelegt, unten welchen die für Einheimische unangenehme Nichtheimatberechtigte "aus dem Orte ihres zeitlichen Aufenthaltes entweder zeitweilig oder dauernd beseitigt (Abschaffung) und in ihre Heimatgemeinde instradiert werden können (Abschiebung)". 43 "Seit 1871 kam mit dem sog. „Schubgesetz‟ ein Prozeß der Vereinheitlichung bislang unterschiedlicher Regelungen in Gang. Seiner Intention nach war das Gesetz zwar gegen die 41 Melinz/Zimmerman 1991, 112; Zitat: Feldbauer 1980, 128. 42 Rudigier 1995, 182.
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bedeutungslos". 42 Die Erwartung, dass mittellose Inländer und Ausländer gleichermaßen<br />
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Aufenthaltsrechtes im Rahmen der Freizügigkeit war eben nicht nur auf die Wohlhabenden<br />
beschränkt. Arme erhofften sich - ohne große Aussicht auf Erfolg - von "ihren”<br />
Wohngemeinden weiterhin Mildtätigkeit.<br />
Eine willkommene Erleichterung der "Abschaffung" von unerwünschten Fremden bot das<br />
Reichsschubgesetz von 1871. Hiernach wurden die Bedingungen genau festgelegt, unten<br />
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"Seit 1871 kam mit dem sog. „Schubgesetz‟ ein Prozeß der Vereinheitlichung bislang<br />
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42 Rudigier 1995, 182.