REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

14.02.2013 Aufrufe

378 Am 26. Oktober 1914, bereits einige Monate nach Kriegsbeginn, fand die erste interministerielle Verhandlung über die “Beschäftigung von Kriegsgefangenen zu allgemeinen volkswirtschaftlichen Arbeiten” statt. Zwischen dieser Besprechung am Ausgang des Kriegs und die zweite Sitzung dieser Art am 15. Februar 1915 gab es kaum Fortschritte bei der Lösung des Problems der Beschäftigung von feindlichen Kriegsgefangenen (Kgf.) in Cisleithanien. Folgende Gründe wurde für die mangelnde Attraktivität der Kgf. als Arbeitskraft genannt. “Finanzielle Schwierigkeiten, sanitäre Bedenken, Ausschluß von gewissen Arbeiten, für welche eine besondere Qualifikation notwendig ist, strategische Rücksichten, Unterkunftsfrage, ungünstige militärische Bedingungen der Abgabe von Kriegsgefangenen, Bedenken wegen Auseinandersetzung mit der ungarischen Regierung in Bezug auf die Kostenfrage.” (MdI,1915,1813/8007) Hinzu kam die Notwendigkeit gleich mindestens 200 Kriegsgefangenen pro Arbeitgeber dauerhaft zu übernehmen, eine Größenordnung, die für nur wenige industrielle Betriebe und keine landwirtschaftlichen in Frage kam. Beispiele für Bergwerke, die sehr wohl in der Lage waren 200 (und aufwärts) Russen zu beschäftigen und versorgen, waren Erzberg in der Steiermark und die Mitterberger Kupfer AG in Mühlbach am Hochkönig, die vier Monate nach Kriegsbeginn als eine der ersten cisleithanischen Betriebe Kgf. übernahm 522 . Schließlich befürchtet man anfangs nicht zu Unrecht, dass die Organisationsschwierigkeiten zu Kriegsbeginn Arbeitslosigkeit verursachen wurden, die nur schwer in den Griff zu bekommen sein würde. 1915 veröffentlichte die “Montanistische Rundschau” zum Einsatz von Kriegsgefangene im Bergbau eine amtliche Kundmachung. Im folgenden Zitat wird deutlich, dass man sich im zweiten Kriegsjahr keine Sorgen mehr zu machen brauchte, über eine mögliche Verdrängungsgefahr durch die Beschäftigung von Fremden in der heimischen Industrie. Der Arbeitseinsatz von Kgf., Flüchtlingen und politischen Internierten aus den zahlreichen Lagern Cisleithaniens sollte nicht nur der Produktion zugute kommen, sondern auch den Unterbringungsproblemen des Militärs und Innenministeriums begegnen. In vielen Fällen befanden sich ab 1915 die Mehrheit der jeweiligen Belegschaften auf Arbeit außerhalb ihres Stammlagers.

379 “Bekanntlich hat die Zahl der in österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenschaft geratenen Militärpersonen schon in den ersten Monaten des Krieges eine so stattliche Höhe erreicht, dass sich sowohl die militärischen wie die zivilen Zentralstellen bald nach Ausbruch des Krieges sehr intensiv mit der volkswirtschaftlich so bedeutsamen Frage beschäftigten, ob und wie die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen zum allgemeinen Besten verwertet werden könnte. Die Lösung war keine leichte, da hiebei eine Reihe von sozialpolitischen, polizeilichen und hygienischen Umständen zu berücksichtigen war; es sei nur daran erinnert, dass zu Anfang des Krieges allgemein eine große Arbeitslosigkeit als Folge des Krieges befürchtet wurde, so dass man meinte, alles vermeiden zu müssen, was eine Konkurrenzierung der heimischen Arbeiterschaft mit sich bringen könnte. Inzwischen hat sich diese Befürchtung zum großen Teile zerstreut, während andererseits die Zahl der Kriegsgefangenen und damit ihre brachliegende Arbeitskraft sich immer mehr vermehrte.” (Gesetzgebung 1915/14, 510) Dieser Druck hat die Verhandlungen zwischen den Ministerien und der Heeresverwaltung beschleunigt, womit bereits ab 1. März 1915 eine geordnete Beschäftigung von Kriegsgefangenen in der Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe, Industrie und Bergbau möglich wurde (Koch 1981, 332). Grundsätzlich waren Kriegsgefangene nur in großen Partien an die Privatindustrie und den öffentlichen Arbeitgeber abzugeben. Wegen der Kritik vieler Arbeitgeber einerseits und der verführerischen Wirkung auf die Gemeinden, langersehnten, jedoch überflüssige Großprojekte endlich im Angriff zu nehmen andererseits wurde die Mindestzahl der Kriegsgefangenenpartien im Juni 1915 von 200 auf 30 Mann reduziert. Der einzelne Arbeitgeber hatte bei Partien unter 200 die Bewachung selbst beizustellen, für eine ausreichende Bewachung die Verantwortung zu übernehmen und sich bereit zu erklären, die durch die Aufbringung flüchtender Kriegsgefangene entstehenden Kosten selber zu übernehmen. (Gesetzgebung 1915/14, 510) Ende 1915 wurde die Größe der kleinstmöglichen Partie auf 10 Mann hinuntergesetzt. Da dies für die Land- und Forstwirtschaft immer noch zu groß war, wurde in dieser Sparte 1917 eine Reduzierung auf 3 Kriegsgefangenen genehmigt. Im Bereich Bergbau blieb die Untergrenze von 10 Mann aufrecht (Hansak 1991, 124-125). Die Unterbringung von Kriegsgefangenen bei den umliegenden Bauernhöfen, Baustellen oder Bergwerken entlastete die mit chronischer Überfüllung kämpfenden Lagerverwaltungen und 522 Zu dieser Zeit durften Kgf. im Bergbau nur obertags beschäftigt werden.

379<br />

“Bekanntlich hat die Zahl der in österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenschaft geratenen<br />

Militärpersonen schon in den ersten Monaten des Krieges eine so stattliche Höhe erreicht,<br />

dass sich sowohl die militärischen wie die zivilen Zentralstellen bald nach Ausbruch des<br />

Krieges sehr intensiv mit der volkswirtschaftlich so bedeutsamen Frage beschäftigten, ob und<br />

wie die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen zum allgemeinen Besten verwertet werden könnte.<br />

Die Lösung war keine leichte, da hiebei eine Reihe von sozialpolitischen, polizeilichen und<br />

hygienischen Umständen zu berücksichtigen war; es sei nur daran erinnert, dass zu Anfang<br />

des Krieges allgemein eine große Arbeitslosigkeit als Folge des Krieges befürchtet wurde, so<br />

dass man meinte, alles vermeiden zu müssen, was eine Konkurrenzierung der heimischen<br />

Arbeiterschaft mit sich bringen könnte. Inzwischen hat sich diese Befürchtung zum großen<br />

Teile zerstreut, während andererseits die Zahl der Kriegsgefangenen und damit ihre<br />

brachliegende Arbeitskraft sich immer mehr vermehrte.” (Gesetzgebung 1915/14, 510)<br />

Dieser Druck hat die Verhandlungen zwischen den Ministerien und der Heeresverwaltung<br />

beschleunigt, womit bereits ab 1. März 1915 eine geordnete Beschäftigung von<br />

Kriegsgefangenen in der Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe, Industrie und Bergbau möglich<br />

wurde (Koch 1981, 332). Grundsätzlich waren Kriegsgefangene nur in großen Partien an die<br />

Privatindustrie und den öffentlichen Arbeitgeber abzugeben. Wegen der Kritik vieler<br />

Arbeitgeber einerseits und der verführerischen Wirkung auf die Gemeinden, langersehnten,<br />

jedoch überflüssige Großprojekte endlich im Angriff zu nehmen andererseits wurde die<br />

Mindestzahl der Kriegsgefangenenpartien im Juni 1915 von 200 auf 30 Mann reduziert. Der<br />

einzelne Arbeitgeber hatte bei Partien unter 200 die Bewachung selbst beizustellen, für eine<br />

ausreichende Bewachung die Verantwortung zu übernehmen und sich bereit zu erklären, die<br />

durch die Aufbringung flüchtender Kriegsgefangene entstehenden Kosten selber zu<br />

übernehmen. (Gesetzgebung 1915/14, 510) Ende 1915 wurde die Größe der kleinstmöglichen<br />

Partie auf 10 Mann hinuntergesetzt. Da dies für die Land- und Forstwirtschaft immer noch zu<br />

groß war, wurde in dieser Sparte 1917 eine Reduzierung auf 3 Kriegsgefangenen genehmigt.<br />

Im Bereich Bergbau blieb die Untergrenze von 10 Mann aufrecht (Hansak 1991, 124-125).<br />

Die Unterbringung von Kriegsgefangenen bei den umliegenden Bauernhöfen, Baustellen oder<br />

Bergwerken entlastete die mit chronischer Überfüllung kämpfenden Lagerverwaltungen und<br />

522 Zu dieser Zeit durften Kgf. im Bergbau nur obertags beschäftigt werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!