REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

34 ganz gleichgestellt werden". 28 Er umgeht diese analytisch dornige Frage indem er die Ungarn bewußt und deklariert ignoriert. Im folgenden wird - ganz im Sinne dieser Püttling‟schen Lösung - zwischen "Ausländer im engeren Sinn" 29 und "ungarisch/transleithanischer und bosnisch-herzegowinischer Zuwanderung" unterschieden. Dieses Auseinanderhalten macht aus mehreren Gründen Sinn. Da es zwischen 1848 und 1867 tatsächlich eine eindeutige Trennung zwischen den Ungarn einerseits und den großen Ausländergruppen der staatsfremden Deutschen und Italiener 30 andererseits gab, müßte hier eingangs ohnehin eine Unterscheidung hergestellt werden. Obwohl die transleithanische Bevölkerung nach dem Ausgleich - mit Ausnahme der Belange der Kriegs- und Außenpolitik - rein rechtlich Ausländer waren, scheinen die Leiter der "k.k. statistische Central-Commission und Direction der administrativen Statistik", Dr. von Lorenz (Vorsitzender der Central-Commission) und Dr. von Inama-Sternegg (Direktor der administrativen Statistik) den Zuzug von transleithanischen und bonisch-herzegowinischen Fremden doch in einer gewisser Weise als Binnenwanderung betrachtet zu haben. So wird bei der Volkszählung 1880 die "Anwesende Bevölkerung" der jeweiligen "im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder" in drei Kategorien verteilt. Zu den "Einheimischen" gehören die Anwesenden aus "der Gemeinde des Zählortes", "anderen Gemeinden des Bezirks" und "einem anderen Bezirk desselben Landes". Zu den "Anwesende(n) Fremde(n) (a)us anderen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie" zählen die "im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder" und "die Länder der ungarischen Krone", also "Ungarn- Siebenbürgen, Kroatien-Slavonien, Fiume und Gebiet und Militärgrenz-Gebiet". "Bosnien und Herzegowina" werden zu dieser Zeit noch als eigene Kategorie angeführt. In einer eigenen Tabelle werden "Anwesende Fremde aus dem Auslande" 31 - an erster Stelle die reichsdeutschen Staaten, die Schweiz und Italien - angeführt. Schließlich spricht die Tatsache, dass am Ende der Monarchie für das Kriegsministerium und das gemeinsam Heer keine wesentliche Unterscheidung zwischen Cisleithanier, Transleithanier und Bosnier- Herzegowiner bestand dafür, dass diese Gruppe in der Regel nicht "den Ausländern" im engeren Sinn "ganz gleichgestellt werden". 28 von Püttlingen 1843, 3. 29 Staatsfremde im engeren Sinn können auch als „Reichsfremde“ bezeichnet werden. Siehe weiter unten. 30 Venetien und die Lombardei werden nur am Rande gestreift. 31 Manchmal mit, manchmal ohne den Zusatz „ohne die Länder der ungarische Krone, Bosnien und Herzegowina.

35 2. Von der öffentlichen Mildtätigkeit ausgeschlossen Die Lebensbedingungen der staatsfremden Bevölkerung wurden durch ihre Fremdheit stark beeinflußt. Dieser Fremdheit bestand jedoch zum größten Teil nicht aus ihrer mangelnden Zugehörigkeit zum österreichischen Staatsverband. Wesentlich wichtiger war die Tatsache, dass sie, genauso wie alle anderen Zuwanderer einer fremden Gemeinde zu Beginn nicht im Besitz des Heimatrechtes ihres Aufenthaltsortes waren. Ursprünglicher Zweck des Heimatrechts war es, im "dreiundeinhalb Jahrhundert (währenden) Krieg gegen das Vagantentum und den professionellen Bettel" die Oberhand zu gewinnen. 32 "Die ersten, aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammenden Regelungen betrafen (...) die Abschaffung „fremder‟ Vagabunden und Bettler, also das Schubwesen, sowie Fragen der Stellungspflicht. Obwohl auch schon diese Normen die Zugehörigkeit von Menschen zu bestimmten Gemeinden betrafen, war ihr Regelungszweck doch ein anderer als der späteren Heimatrechtsvorschriften. Die ersten heimatrechtlichen Vorschriften im engeren Sinn enthielt das provisorische Gemeindegesetz von 1849, RGBl 170, sowie eine Reihe von Stadtstatuten an deren Stelle später das Reichsgemeindegesetz 1859, RGBl 58, trat". 33 Diese frühen Bestimmungen waren von der Vorstellung geprägt, dass die Mobilität ärmerer Bevölkerungsschichten ein Ausdruck moralischer Verkommenheit und Arbeitsscheue war. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung blieb durch die Leibeigenschaft gesetzlich an ihren Wohnort gebunden. Wer sich "frei" und mittellos bewegte, befand sich außerhalb der Gesellschaft. 1781 hob das Leibeigenschaftspatent die Leibeigenschaft, Schollenpflicht und Zwangsgesindedienste auf. 1811 beseitigte das Bürgerliche Gesetzbuch die aus dem Mittelalter stammende Muntgewalt (Schutzgewalt) des Hausvaters über Familie und Gesinde. Hierdurch wurden Dienstverträge zu bürgerlichen Verträgen. "Einerseits wurde die bäuerliche Bevölkerung durch diese Reformen von einengenden Bindungen befreit, andererseits verlor sie den Schutz seitens der Grundherrn. Diese 32 Herz 1905, 571, zitiert in Melinz/Zimmerman 1991, 113. 33 Thienel 1989, 45-46.

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bewußt und deklariert ignoriert.<br />

Im folgenden wird - ganz im Sinne dieser Püttling‟schen Lösung - zwischen "Ausländer im<br />

engeren Sinn" 29 und "ungarisch/transleithanischer und bosnisch-herzegowinischer<br />

Zuwanderung" unterschieden. Dieses Auseinanderhalten macht aus mehreren Gründen Sinn.<br />

Da es zwischen 1848 und 1867 tatsächlich eine eindeutige Trennung zwischen den Ungarn<br />

einerseits und den großen Ausländergruppen der staatsfremden Deutschen und Italiener 30<br />

andererseits gab, müßte hier eingangs ohnehin eine Unterscheidung hergestellt werden.<br />

Obwohl die transleithanische Bevölkerung nach dem Ausgleich - mit Ausnahme der Belange<br />

der Kriegs- und Außenpolitik - rein rechtlich Ausländer waren, scheinen die Leiter der "k.k.<br />

statistische Central-Commission und Direction der administrativen Statistik", Dr. von Lorenz<br />

(Vorsitzender der Central-Commission) und Dr. von Inama-Sternegg (Direktor der<br />

administrativen Statistik) den Zuzug von transleithanischen und bonisch-herzegowinischen<br />

Fremden doch in einer gewisser Weise als Binnenwanderung betrachtet zu haben. So wird bei<br />

der Volkszählung 1880 die "Anwesende Bevölkerung" der jeweiligen "im Reichsrathe<br />

vertretenen Königreiche und Länder" in drei Kategorien verteilt. Zu den "Einheimischen"<br />

gehören die Anwesenden aus "der Gemeinde des Zählortes", "anderen Gemeinden des<br />

Bezirks" und "einem anderen Bezirk desselben Landes". Zu den "Anwesende(n) Fremde(n)<br />

(a)us anderen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie" zählen die "im Reichsrathe<br />

vertretenen Königreiche und Länder" und "die Länder der ungarischen Krone", also "Ungarn-<br />

Siebenbürgen, Kroatien-Slavonien, Fiume und Gebiet und Militärgrenz-Gebiet". "Bosnien<br />

und Herzegowina" werden zu dieser Zeit noch als eigene Kategorie angeführt. In einer<br />

eigenen Tabelle werden "Anwesende Fremde aus dem Auslande" 31 - an erster Stelle die<br />

reichsdeutschen Staaten, die Schweiz und Italien - angeführt. Schließlich spricht die Tatsache,<br />

dass am Ende der Monarchie für das Kriegsministerium und das gemeinsam Heer keine<br />

wesentliche Unterscheidung zwischen Cisleithanier, Transleithanier und Bosnier-<br />

Herzegowiner bestand dafür, dass diese Gruppe in der Regel nicht "den Ausländern" im<br />

engeren Sinn "ganz gleichgestellt werden".<br />

28 von Püttlingen 1843, 3.<br />

29 Staatsfremde im engeren Sinn können auch als „Reichsfremde“ bezeichnet werden. Siehe weiter unten.<br />

30 Venetien und die Lombardei werden nur am Rande gestreift.<br />

31 Manchmal mit, manchmal ohne den Zusatz „ohne die Länder der ungarische Krone, Bosnien und Herzegowina.

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