REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

338 Österreichischerseits blieben nur Appelle an die gemeinsame Rasse übrig, um die Gleichstellung von (Deutsch)Österreichern und Polen abzuwehren. Indirekte Androhungen, man könnte die Zusammenarbeit der regionalen und lokalen Arbeitsnachweise beenden, wurden von den Reichsdeutschen nicht ernstgenommen. "Wie ein eisiger Reif ist in die angeknüpften guten Beziehungen zwischen einigen österreichischen und deutschen Arbeitsamtbehörden diese Verordnung hineingefallen, beinahe droht sie diese gänzlich zu zerstören. Die Österreicher sollen nach der Verordnung nunmehr, trotz ihrer Stammeszugehörigkeit zum deutschen Volke, wie die polnischen Wanderarbeiter nach einem umständlichen Genehmigungsverfahren nur in einer beschränkten Anzahl und auch nicht mehr durch die amtlichen Vermittlungsstellen hereingebracht und vermittelt werden, sondern durch die seinerzeit von Großgrundbesitzern geschaffene und noch aufrecht erhaltene Saisonarbeiter-Vermittlungsstelle, die die Vermittlung und Rückführung der sicher für manche Arbeiten im Hackfruchtbau noch notwendigen polnischen Wanderarbeiter regelt." (Einspinner 1928, 17) 496 Die Gegenseitigkeitsabkommen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt und der Anerkennung von Sozialversicherungs- und Mildtätigkeitsleistungen gingen - mit Ausnahme des unmittelbaren Grenzbereichs zu Bayern - fast ausschließlich zum Vorteil der Ersten Republik. Aus dem Protokoll einer am 4 Feber 1933 497 abgehaltenen Länderkonferenz 498 zur Besprechung der Fragen der gegenseitigen Befürsorgung Hilfsbedürtiger zwischen Oesterreich und Deutschland geht hervor, dass es "viel mehr Österreicher in der deutschen Fürsorge als Deutsche in der österreichischern Fürsorge" gab. "Ausser den Deutschen, die in der öffentlichen Armenfürsorge in Österreich stehen, (kamen) noch die Ausgaben für deutsche Wanderer in den Wanderherbergern und Ausgaben der Bevölkerung für die 496 Obwohl dieser Artikel gewiß kein amtliche Stellungnahme darstellt, widerspiegelt er den Grundtenor der staatlichen Verhandlungsposition. 497 Obwohl Hitler bereits fünf Tage zuvor zum Reichskanzler genannt wurde, änderte sich in den ersten Wochen für die überwiegende Mehrzahl der Österreicher im Reich nicht sehr viel. Erst nach dem Reichstagsbrandt am 27 Feber begannen die Nazis langsam ihre Agenda umzusetzen. 498 Bei dieser Konferenz waren alle Bundesländer mit Ausnahme des Burgenlands vertreten. Neben dem Problem der Aufrechterhaltung der Gegenseitigkeit wurde die Frage diskutiert, wie das Deutsche Reich für die Versorgung mittelloser Österreicher zu entschädigen sei. Während Bundesländer mit vielen Zuständigen im Reich für eine Pauschalisierung plädierten, sprachen sich die Länder mit weniger betroffenen Angehörigern dafür aus, daß die Heimatgemeinden die Reichsdeutschen direkt entschädigen sollten. Angesichts der verstrickten Lage wurde entschieden, „daß man bei der Sachlage die Verhandlungen mit dem Deutschen Reich nicht forcieren soll, sondern abwarten, daß die Deutschen die Verhandlungen urgieren. In der Zwischenzeit soll die österreichischen Gesandtschaft eine Denkschrift übermitteln, in der die österreichischen Wünsche und Beschwerden dargestellt werden (...).‟ (MfSVer,1933,494,14719)

339 zahlreichen reisenden deutschen Arbeitssuchenden." Mit Ausnahme von Vorarlberg waren allen Bundesländer für die Beibehaltung der Gegenseitigkeit. Niederösterreich: "Wir schneiden hier sehr schlecht ab, denn es sind weit mehr Niederösterreicher in Deutschland, als Reichsdeutsche in Niederösterreich; die Deutschen die hier leben, sind nicht bedürftig, deshalb wäre die weitere Durchführung der Richtlinie sehr begrüssenswert." Steiermark: "In der Steiermark sind 78 Reichsdeutsche unterstützt worden, aber in Deutschland halten sich viel mehr Steiermärker auf (...)." Oberösterreich: "Das Übereinkommen ist unbedingt notwendig, weil mehr Oesterreicher draussen sind, als Deutsche in Oesterreich." Tirol: "Tiroler Gemeinde wollen die Deutschen nicht unterstützen." dennoch; "Es wohnen ungefähr 180 Tiroler Familien in Deutschland mit einer Unterstützung von monatlich ungefähr 2500 S. In Deutschland aber leben ungefähr 10 mal so viel Tiroler." Kärnten: "(E)s sind z.B. 150 Kärntner in Deutschland und 2 Deutsche in Kärnten, die Unterstützung von Deutschen in Kärten ist also gleich null." Salzburg: Die Richtlinien seien wertvoll, man müsse sie weiter ausbauen, die Höhe der Unterstützungen vermindern und auf die Lage der Gebirgsgemeinden Rücksicht nehmen. Lediglich die Bundesländer Wien und Vorarlberg profitierten nicht von der Gegenseitigkeit. "In Wien wirk(t)en sich die Richtlinien nicht ungünstig aus, (...) die gegenseitige Unterstützung (hielt) sich die Waage (...)." Die Vorarlberger hingegen waren eindeutiger Nettozahler. Aus diesem Grund plädierten sie für eine Änderung des Abkommens, blieben jedoch ohne Fürsprecher bei den anderen Bundesländern. Hier zeigt sich wieder, dass die Ethnisierung der Ausländerpolitik vor allem zu Lasten der Vorarlberger - und zum einem weitaus geringeren Maße der Salzburger - gingen. "Die Verhältnisse in den Gemeinden sind verschieden, die meisten Gemeinden aber haben sehr schlechte Erfahrungen gemacht; ein Vertreter der Regierung habe sich mit den Bürgermeistern besprochen, deren Ansicht allgemein dahin gehe, dass sich die Richtinien sehr schlecht auswirken; besonders in Bregenz sei das Verhältnis 1:6, d.h. auf einen Bregenzer in Deutschland fallen 6 Reichsdeutsche, für die Bregenz sorgen muss." 499 499 „Dies erhelle daraus dass Bregenz z.B. für 24 Reichsdeutsche sorgt, wogegen in Deutschland für 4 Bregenzer gesorgt wird, dies sei ein Beweis, dafür, wie ungünstig sich die Richtlinien auswirken. Die Deutschen bezahlen rund 3000 S.,

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Österreichischerseits blieben nur Appelle an die gemeinsame Rasse übrig, um die<br />

Gleichstellung von (Deutsch)Österreichern und Polen abzuwehren. Indirekte Androhungen,<br />

man könnte die Zusammenarbeit der regionalen und lokalen Arbeitsnachweise beenden,<br />

wurden von den Reichsdeutschen nicht ernstgenommen.<br />

"Wie ein eisiger Reif ist in die angeknüpften guten Beziehungen zwischen einigen<br />

österreichischen und deutschen Arbeitsamtbehörden diese Verordnung hineingefallen,<br />

beinahe droht sie diese gänzlich zu zerstören. Die Österreicher sollen nach der Verordnung<br />

nunmehr, trotz ihrer Stammeszugehörigkeit zum deutschen Volke, wie die polnischen<br />

Wanderarbeiter nach einem umständlichen Genehmigungsverfahren nur in einer<br />

beschränkten Anzahl und auch nicht mehr durch die amtlichen Vermittlungsstellen<br />

hereingebracht und vermittelt werden, sondern durch die seinerzeit von Großgrundbesitzern<br />

geschaffene und noch aufrecht erhaltene Saisonarbeiter-Vermittlungsstelle, die die<br />

Vermittlung und Rückführung der sicher für manche Arbeiten im Hackfruchtbau noch<br />

notwendigen polnischen Wanderarbeiter regelt." (Einspinner 1928, 17) 496<br />

Die Gegenseitigkeitsabkommen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt und der Anerkennung<br />

von Sozialversicherungs- und Mildtätigkeitsleistungen gingen - mit Ausnahme des<br />

unmittelbaren Grenzbereichs zu Bayern - fast ausschließlich zum Vorteil der Ersten Republik.<br />

Aus dem Protokoll einer am 4 Feber 1933 497 abgehaltenen Länderkonferenz 498 zur<br />

Besprechung der Fragen der gegenseitigen Befürsorgung Hilfsbedürtiger zwischen<br />

Oesterreich und Deutschland geht hervor, dass es "viel mehr Österreicher in der deutschen<br />

Fürsorge als Deutsche in der österreichischern Fürsorge" gab. "Ausser den Deutschen, die in<br />

der öffentlichen Armenfürsorge in Österreich stehen, (kamen) noch die Ausgaben für<br />

deutsche Wanderer in den Wanderherbergern und Ausgaben der Bevölkerung für die<br />

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Obwohl dieser Artikel gewiß kein amtliche Stellungnahme darstellt, widerspiegelt er den Grundtenor der staatlichen<br />

Verhandlungsposition.<br />

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Obwohl Hitler bereits fünf Tage zuvor zum Reichskanzler genannt wurde, änderte sich in den ersten Wochen für die<br />

überwiegende Mehrzahl der Österreicher im Reich nicht sehr viel. Erst nach dem Reichstagsbrandt am 27 Feber begannen<br />

die Nazis langsam ihre Agenda umzusetzen.<br />

498<br />

Bei dieser Konferenz waren alle Bundesländer mit Ausnahme des Burgenlands vertreten. Neben dem Problem der<br />

Aufrechterhaltung der Gegenseitigkeit wurde die Frage diskutiert, wie das Deutsche Reich für die Versorgung mittelloser<br />

Österreicher zu entschädigen sei. Während Bundesländer mit vielen Zuständigen im Reich für eine Pauschalisierung<br />

plädierten, sprachen sich die Länder mit weniger betroffenen Angehörigern dafür aus, daß die Heimatgemeinden die<br />

Reichsdeutschen direkt entschädigen sollten. Angesichts der verstrickten Lage wurde entschieden, „daß man bei der<br />

Sachlage die Verhandlungen mit dem Deutschen Reich nicht forcieren soll, sondern abwarten, daß die Deutschen die<br />

Verhandlungen urgieren. In der Zwischenzeit soll die österreichischen Gesandtschaft eine Denkschrift übermitteln, in der die<br />

österreichischen Wünsche und Beschwerden dargestellt werden (...).‟ (MfSVer,1933,494,14719)

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