REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

336 Arbeitslosenfürsorge, Altersfürsorge, Notstandshilfe 490 und Sozialhilfe unterzeichnet. (Kunz 1930; Lederer 1929; Métall 1936) Hierdurch wurde Reichsdeutsche im Bereich der Notstandshilfe von der diskriminierenden Praxis der Verweigerung der Unterstützung für alle Ausländern, die erst nach 1923 in Österreich legal zum Arbeiten angefangen haben, ausgenommen. 491 Zusammen gesehen bewirkten die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gegenseitigkeitsübereinkommen in ersten Ansätzen die Herstellung eines gesamtdeutschen Binnenmarktes. Hierbei gab es für den österreichischen Wanderarbeiter nur einen Wermutstropfen, die Landwirtschaft. Ähnlich wie im Fall des österreichisch- tschechoslowakischen Ressortübereinkommens über Ausländerkontingente in der Landwirtschaft, sah das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und Polen eine Karenzpflicht vor, wonach diese Fremdarbeiter im Winter nach Hause reisen mussten. Trotz der rassenmäßigen Bevorzugung der Deutschen aus Österreich, bestand das Deutsche Reich auf einer Gleichstellung von ausländischen Deutschen und Polen. "Naturlich habe man lieber Österreicher als fremdsprachige Ausländer; dabei müsse aber das ziffernmäßige Kontingent eingehalten werden". (MfSVer,1928,494,76555) Hiergegen wehrten sich die österreichischen Landarbeitervertretungen und Auslandsvertreter mit der ganzen Empörung 492 der gekränkten deutschen Rasse. "Während Deutschland auch den österreichischen Angestellten und Industriearbeitern die in Österreich praktisch völlig gewährte Freizügigkeit gibt, und diese dadurch auf dem Arbeitsmarkt zu gleichberechtigten Partnern macht, während in der deutschen und österreichischen Sozialversicherung die Gegenseitigkeit in Rechten und Pflichten beinahe 489 Zahlreiche Beispiele dieser Gleichschaltung der Arbeitsmärkte beider deutscher Staaten bereits Ende der 20er Jahre gibt es in der Sammlung des Sozialministerium beim Österreichischen Staatsarchiv/AdR/SozPol/Sammelmappe 18, Karton 494/Deutschland/Danzig. 490 Im Gegenseitigkeitsabkommen von 1932 hieß es: „Die öffentliche Fürsorge für die in Deutschland befindlichen hilfsbedürftigen österreichischen Staatsangehörigen ist in entgegenkommender Weise zu handhaben. Hilfsbedürftige österreichische Staatsangehörige sollen auf dem Gebiete der allgemeinen Fürsorge den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt werden. Heimschaffung und Verlangen nach Kostenersatz zwecks Verzichts auf Heimschaffung soll unterbleiben (...). (MfSVer,1933,494,14719) 491 „Auch Ausländer können bei Wahrung der Reziprozität die Notstandshilfe erhalten. Ausgenommen sind nur jene ausländischen Arbeitnehmer, die gemäß § 2 des Inlandarbeiterschutzgesetzes vom 19. Dezember 1925, B. 457, ohne behördliche Bewilligung nicht beschäftigt werden dürfen. Es wird sich also bei den ausländischen Beziehern der Notstandshilfe zumeist um Arbeiter oder Angestellte handeln, die sich seit wenigstens 1. Jänner 1923 im Bundesgebiet dauernd aufhalten.‟ (Lederer 1929, 690) 492 Es wurde nämlich bemängelt, daß die für die Polen zuständige Landarbeiterzentrale „eine ganz andere Behandlung der Arbeitskräfte gewöhnt sei und die von ihnen vermittelten Arbeitskräfte von vornherein als kulturell weniger hochstehende Massenarbeitskräfte stigmatisiere.‟ Die Vermittlung der Deutschen aus Österreich sollte „durch die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter erfolgen, die im allgemeinen die Vermittlung der einheimischen (hierbei sind wohl die deutschsprachigen Einheimischen gemeint, E.S.) Arbeitskräfte besorgen.‟ (MfSVer,1928,494,76555) Es sollte hier betont werden, daß es den österreichischen Verhändler auf gar keinen Fall darum ging, das rassistische Verhalten der reichsdeutschen Behörden

337 ganz durchgeführt ist, bemerken wir bei der in diesem Jahr mit gutem Erfolg getätigten Vermittlung von österreichischen Staatsangehörigen als Landarbeiter sogar einen Rückschritt. Diese der deutschen Landwirtschaft fehlenden, durch die Arbeitsämter vermittelten österreichischen Landarbeiter sollen nämlich auf Grund einer Verordnung des Herrn Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, die die bisherige mildere Auffassung der deutschen Landesarbeitsbehörden negiert, den polnischen Wanderarbeitern gleichgestellt werden." (Einspinner 1928, 17). 493 Diese Rechtspraxis der Gleichbehandlung von slawischen und deutschen Ausländer war im Deutschen Reich immer mehrheitsfähig und kaum umstritten. Die Gleichstellung aller Rassen wurde auch von den Sozialpartner gefordert und getragen, da es bei der reichsdeutschen Arbeitsmarktpolitik nicht um die Legitimierung ihres Nationalstaates, sondern lediglich um den Schutz ihrer regionalen Arbeitsmärkte unabhängig der Sprach und Rasse 494 ging. "Die Verteilung dieser ausländischen Saisonarbeiter müsse von einer einheitlichen Stelle aus erfolgen, wobei insbesonders die Oesterreicher in national gefährdete Bezirke (Grenzbezirke) gebracht werden sollen. Die Landarbeiterzentrale sei heute paritätisch durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer verwaltet und kümmere sich um eine entsprechende Behandlung der Arbeitskräfte. (...) Die Karenzpflicht soll auch für österreichische Arbeiter gelten, die ja von vorneherein nur für die Saison vermittelt werden. (...) Die Vermittlung ausländischer Saisonarbeiter müsse in einer Hand konzentriert sein, sonst würde man den Einfluss auf diese Wanderung verlieren." 495 (MfSVer,1928,494,76555) gegenüber „kulturell tiefstehenden Polen‟ anzuprangern, sondern lediglich die Anmaßung der Gleichstellung von kulturell hochstehenden Deutschösterreichern und Slawen zu kritisieren. 493 Hervorhebung im Original. 494 Die reichsdeutsche Politik war somit sogar eigennütziger wie die, der Deutschösterreichern, da sie rein sozialchauvinistisch war und keinen Rücksicht auf den rassenpolitischen Empfindungen der südlichen Nachbar nahm. Die rassistischen Ansätze, die bei der österreichischen Ausländerpolitik bis 1923 und wieder ab 1926 vorherrschten waren im Deutschen Reich - nach Herbert (1985) - lediglich in der Zeit der Monarchie und im Dritten Reich dominant. Die bei den Verhandlungen zwischen beiden Ländern erwähnte nationale Gefährdung bestimmte Regionen - gemeint ist die Grenze zu Polen - wirkte nicht abmildernd auf die harte reichsdeutsche Verhandlungsposition. 495 Bei diesen Verhandlungen über eine Änderung des Geheimabkommens über Ausländerbeschäftigung gingen die Reichsdeutschen in ihren Forderungen noch viel weiter, bis man schließlich dann doch zu einem Kompromiß kam. „Die Wünsche der deutschen Regierung auf Einhaltung der Karenzpflicht durch die österreichischen Saisonarbeiter gehen so weit, daß von deutscher Seite der Vorschlag gemacht wurde, die Saisonarbeiter ausdrücklich in dem (geheimen, E.S.) Vertrage über die Regelung des Arbeitsmarktes auszunehmen, so dass sie keine Genehmigung zur Beschäftigung erhalten dürfen; diese letztere Forderung wurde österreichischerseits gegen eine Kompensation in der Dauer des Aufenthaltes abgewehrt, nach welcher österreichische Arbeiter den Befreiungsschein erhalten sollen. Von österreichischer Seite wurde schließlich erklärt, daß die im Entstehen begriffene Wanderbewegung erstickt würde, wenn man die österreichischen Arbeitskräfte wie die polnischen Saisonarbeiter behandelt. Diese Wanderbewegung dürfte nicht als eine Massensaisonwanderung aufgefasst werden, sondern müsse sich in Einzelvermittlungen auflösen, wobei der Unterbringung und Behandlung der Arbeitskräfte besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.‟ (MfSVer,1928,494,76555)

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Arbeitslosenfürsorge, Altersfürsorge, Notstandshilfe 490 und Sozialhilfe unterzeichnet. (Kunz<br />

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Notstandshilfe von der diskriminierenden Praxis der Verweigerung der Unterstützung für alle<br />

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ausgenommen. 491 Zusammen gesehen bewirkten die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen<br />

Gegenseitigkeitsübereinkommen in ersten Ansätzen die Herstellung eines gesamtdeutschen<br />

Binnenmarktes. Hierbei gab es für den österreichischen Wanderarbeiter nur einen<br />

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tschechoslowakischen Ressortübereinkommens über Ausländerkontingente in der<br />

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Karenzpflicht vor, wonach diese Fremdarbeiter im Winter nach Hause reisen mussten. Trotz<br />

der rassenmäßigen Bevorzugung der Deutschen aus Österreich, bestand das Deutsche Reich<br />

auf einer Gleichstellung von ausländischen Deutschen und Polen. "Naturlich habe man lieber<br />

Österreicher als fremdsprachige Ausländer; dabei müsse aber das ziffernmäßige Kontingent<br />

eingehalten werden". (MfSVer,1928,494,76555) Hiergegen wehrten sich die österreichischen<br />

Landarbeitervertretungen und Auslandsvertreter mit der ganzen Empörung 492 der gekränkten<br />

deutschen Rasse.<br />

"Während Deutschland auch den österreichischen Angestellten und Industriearbeitern die in<br />

Österreich praktisch völlig gewährte Freizügigkeit gibt, und diese dadurch auf dem<br />

Arbeitsmarkt zu gleichberechtigten Partnern macht, während in der deutschen und<br />

österreichischen Sozialversicherung die Gegenseitigkeit in Rechten und Pflichten beinahe<br />

489 Zahlreiche Beispiele dieser Gleichschaltung der Arbeitsmärkte beider deutscher Staaten bereits Ende der 20er Jahre gibt<br />

es in der Sammlung des Sozialministerium beim Österreichischen Staatsarchiv/AdR/SozPol/Sammelmappe 18, Karton<br />

494/Deutschland/Danzig.<br />

490 Im Gegenseitigkeitsabkommen von 1932 hieß es: „Die öffentliche Fürsorge für die in Deutschland befindlichen<br />

hilfsbedürftigen österreichischen Staatsangehörigen ist in entgegenkommender Weise zu handhaben. Hilfsbedürftige<br />

österreichische Staatsangehörige sollen auf dem Gebiete der allgemeinen Fürsorge den deutschen Staatsangehörigen<br />

gleichgestellt werden. Heimschaffung und Verlangen nach Kostenersatz zwecks Verzichts auf Heimschaffung soll<br />

unterbleiben (...). (MfSVer,1933,494,14719)<br />

491 „Auch Ausländer können bei Wahrung der Reziprozität die Notstandshilfe erhalten. Ausgenommen sind nur jene<br />

ausländischen Arbeitnehmer, die gemäß § 2 des Inlandarbeiterschutzgesetzes vom 19. Dezember 1925, B. 457, ohne<br />

behördliche Bewilligung nicht beschäftigt werden dürfen. Es wird sich also bei den ausländischen Beziehern der<br />

Notstandshilfe zumeist um Arbeiter oder Angestellte handeln, die sich seit wenigstens 1. Jänner 1923 im Bundesgebiet<br />

dauernd aufhalten.‟ (Lederer 1929, 690)<br />

492 Es wurde nämlich bemängelt, daß die für die Polen zuständige Landarbeiterzentrale „eine ganz andere Behandlung der<br />

Arbeitskräfte gewöhnt sei und die von ihnen vermittelten Arbeitskräfte von vornherein als kulturell weniger hochstehende<br />

Massenarbeitskräfte stigmatisiere.‟ Die Vermittlung der Deutschen aus Österreich sollte „durch die Landesarbeitsämter und<br />

Arbeitsämter erfolgen, die im allgemeinen die Vermittlung der einheimischen (hierbei sind wohl die deutschsprachigen<br />

Einheimischen gemeint, E.S.) Arbeitskräfte besorgen.‟ (MfSVer,1928,494,76555) Es sollte hier betont werden, daß es den<br />

österreichischen Verhändler auf gar keinen Fall darum ging, das rassistische Verhalten der reichsdeutschen Behörden

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