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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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315<br />

Die ersten quellenmäßig gut belegten Berichte über den reichsbezogenen,<br />

ausländerpolitischen Diskussionsprozeß stammen jedoch aus dem Jahr 1922 463 , als das<br />

Deutsche Reich dazu überging, in zwölfmonatlichen Abständen den Aufenthalt und die<br />

Beschäftigung sämtlicher Ausländer regelmäßig zu prüfen.<br />

Ausländer waren zu dieser Zeit nicht gleich Ausländer. Bei der Debatte über eine<br />

angemessene Reaktion auf die Ausländerbestimmung der benachbarten Staaten wurde eine<br />

geteilte Strategie eingeschlagen. Hierbei wurde beschlossen, gegenüber den Reichsdeutschen<br />

grösstmöglichstes Entgegenkommen zu beweisen, während den anderen Staaten, vor allem<br />

der Tschechoslowakei, mit möglichster Entschlossenheit zu begegnen war. Die<br />

reichsdeutschen Arbeiter waren lediglich bei der Neuzuwanderung - gekoppelt mit<br />

Erstbeschäftigung - zu kontrollieren, um festzustellen, ob sie inländische Arbeitskräfte<br />

verdrängten 464 . Für den Umgang mit Staatsangehörigen aus der Tschechoslowakei wurde eine<br />

ganze Palette von Maßnahmen überlegt. Diese lassen sich, was ihre Wirkung anbelangt, in<br />

drei Kategorien einteilen, keine davon übertrifft die Politik des Reiches in ihrer Radikalität:<br />

1) Ablehnung der Verlängerung von Sichtvermerken; 2) Abschaffung von Mittellosen; 3)<br />

Nachreihungen von Ausländern bei der Arbeitsvermittlung. 1922 wurde in Österreich, im<br />

Gegensatz zum Deutschen Reich noch nicht erwägt, direkt in den Arbeitsmarkt einzugreifen<br />

und die Einführung einer Beschäftigungs- beziehungsweise Arbeitserlaubnis einzuführen. 465<br />

Vor allem gegen Reichsdeutsche wollte man so nicht vorgehen. Zu tief saßen zu dieser Zeit<br />

zwei Traditionen: wirtschaftliche Freizügigkeit und Deutschnationalismus.<br />

In einem Bericht an das Sozialministerium - "Information für den Herrn Bundesminister für<br />

soziale Verwaltung" - vom Dezember 1922 skizzierte das Innenministerium die drei Stufen<br />

der Ausländerbekämpfung. Hierbei wurde das Ergebnis des Meinungsbildungsprozesses<br />

Staatsangehörigkeit aus, die spätestens ab 1921 durch den paritätischen Ausländerabbau genauso hart betroffen waren wie<br />

rassisch Nichtdeutsche aus Polen, Italien oder Rußland.<br />

463 „Im Angelegenheit der Ausweisung österreichischer Bundesbürger aus dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei<br />

fanden beim Ministerium für Inneres (Ministerialrat Dr. Montel) bisher zwei Besprechungen (vor September 1922, E.S.)<br />

zwischen den Vertretern der in Frage kommenden Zentralstellen und der Polizeidirektion Wien statt, bei welchen die<br />

Möglichkeit und der Umfang von Gegenmassregeln erörtert wurden.‟ (MfSVer,1922,494,43324)<br />

464 Wie oben erwähnt wurde galt diese Bestimmung für Österreicher im Deutschen Reich bereits ab dem Jahr 1919.<br />

465 Im Gegensatz zu Cisleithanien kannte das Deutsche Reich vor dem Ersten Weltkrieg sowohl im Beschäftigungs- wie im<br />

Aufenthaltsbereich Ausländerbeschränkungen. Die Deutschen im Deutschen Reich konnten an eine Rechtstradition<br />

gegenüber Österreicher anknüpfen, die für die Deutschen in Österreich als unangebracht erschien. Nicht zuletzt sollte man<br />

bedenken, daß die Österreicher, die vor dem Krieg vorwiegend in Preußen arbeiten, keine Deutschösterreicher waren. Somit<br />

stellte sich wahrscheinlich für den Reichsdeutschen nach dem Krieg die Rassenfrage nicht unmittelbar.

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