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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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312<br />

sozialdemokratischen Gewerkschaften befinden" eine ethnische Gegenstrategie 458 entwickeln<br />

konnten (MfSVer,1922,494,1922).<br />

Die Nichtvermittlung und Ausweisung von arbeitslosen Ausländern wurden aus zwei<br />

Gründen nicht als Dauerlösung in Betracht gezogen. Sie traf einerseits einzelne lang<br />

ansässige Minderheiten aus der Zeit der Monarchie mit ungewöhnlicher Schärfe und rief<br />

dadurch die Solidarität des tschechisch-österreichischen Beamtentums hervor; andererseits<br />

war diese Strategie als Mittel zum radikalen Ausländerabbau ungeeignet. Da ein Großteil der<br />

staatsfremden Beschäftigten in Branchen oder Regionen arbeiteten, in denen sie kaum von<br />

Inländern ersetzt werden konnten, war es nicht zu erwarten, dass sie in vorhersehbarer Zeit<br />

arbeitslos werden würden. Um den Zuzug von neuen Arbeitsmigranten zu unterbinden und<br />

die bereits im Lande beschäftigten Ausländer so schnell wie möglich abzubauen, griff das<br />

Innenministerium auf das Instrument der Visumerteilung bzw. -verlängerung zurück. Hierbei<br />

wurde die Verschärfung der Einreisebestimmung auf alle Ländern der ehemaligen<br />

Donaumonarchie offiziell ausgeweitet. Auch die Erteilung von Sichtvermerken an<br />

Arbeitsmigranten aus Ungarn - die bis September 1922 von der strengen Ausländerkontrolle<br />

befreit blieben - wurde nun stark eingeschränkt. Die völkerrechtliche Deckung hierfür bot das<br />

am 17.1.1922 unterzeichneten "Grazer Paßübereinkommen" zwischen Italien, Österreich,<br />

Polen, Rumänien, dem Serbisch-kroatisch-slowenischen Staat, der Tschechoslowakei und<br />

Ungarn. §17 dieses Abkommens sah bei der Erteilung von Sichtvermerken vor: "Im Falle<br />

(…) interner Schwierigkeiten wirtschaftlicher Natur (z.B. um den Arbeitsmarkt zu regulieren)<br />

können Erhebungen vorgenommen werden."<br />

Staatsangehörigkeit länger in Vormerkung stehen‟ wurde durchgestrichen, wurde aber weiterhin intendiert.) Diese Strategie<br />

wird heute gegen Staatsangehörige der südslawischen Staaten praktiziert (Gächter 1995).<br />

458 Es gibt selten ein so eindeutiges Beispiel des Zusammenhaltes inländischer und ausländischer Tschechen in Österreich.<br />

Obwohl die ethnische Brückenkopffunktion bei den Behörden immer wieder als Gefahr heraufbeschworen wurde, ist es<br />

nicht klar, wie oft die rechtlich unterschiedlich gestellten Tschechen, Italiener und Juden wirklich zusammengehalten haben.<br />

Die Sozialdemokratie wurde v.a. von ihren Gegnern als internationalistischer eingeschätzt als sie in der Tat war. Bezüglich<br />

der Einführung von Zuwanderungsbeschränkungen befürchtete man im Mai 1923 im Innenministerium: „wobei<br />

insbesondere von vornherein mit dem Widerstande der sozialdemokratischen Partei zu rechnen sein müßte‟. Von größerer<br />

Bedeutung ist die Einschätzung des MdI, daß die Wiener Tschechen, die Anordnung, arbeitslose Österreicher und<br />

Reichsdeutsche den tschechischen Staatsangehörigen vorzureihen, sabotierten könnten. Wie in diesem Zitat deutlich wird,<br />

war die internationale Solidarität stets ambivalent. „Der Erfolg dieser Anordnung (...) steht insbesondere in Wien, wo sich<br />

die Arbeitsnachweise zum größten Teil in den Händen der sozialdemokratischen Gewerkschaften befinden, die - von ihrer<br />

internationale Gesinnung abgesehen, zahlreiche tschechische Arbeitsvermittlungsbeamte beschäftigen - dahin. Die Vertreter<br />

der Arbeitsnachweise haben auch in einer am 25. September 1922 bei der Industriellen Bezirkskommission Wien<br />

stattgefundenen „Aemterkonferenz‟, in welcher ihnen die ho. Anordnung mitgeteilt wurde, gegen diese Stellung genommen<br />

und sie als unausführbar bezeichnet, in einer späteren Aemterkonferencz (6.November 1922) ihre Notwendigkeit jedoch<br />

selbst zugegeben.‟ (MfSVer,1923,61,32579) (eigene Hervorhebung)

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