REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

310 wird sowohl vom Betriebsrat wie von der zuständigen IBK (September) bestätigt. Nach sowohl arbeitsmarktpolitischen wie auch betriebstechnischen Überlegungen schien also die Beschäftigung von über 70 italienischen Spezialisten gerechtfertigt (MfSVer,1921,61,22642). Warum es den Gewerkschaften und AK im Wirklichkeit geht, wird erst in der Stellungnahme des Landeshauptmannstellvertreters 454 (Oktober) deutlich: "Die von der Kammer beklagten Zustände, namentlich die Einstellung reichsitalienischer Arbeiter, wodurch natürlich bedeutende nationale und volkswirtschaftliche Gefahren heraufbeschworen werden, bestehen tatsächlich, die Landesregierung sieht sich jedoch ausser Stande, wirksame Massregeln zu ergreifen, da es hiebei um Fragen des Arbeiterrechtes handelt, die noch dazu sehr mit Fragen der äusseren Politik verbunden sind." (MfSVer,1921,61,27081) 455 Anfang Jänner 1922 macht das Sozialministerium die Position der Salzburger und Wiener AK zur eigenen. "Unter Bezugnahme auf die Eingabe der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Salzburg" und weil "die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Oesterreich für die nächste Zeit überhaupt nicht mit einiger Sicherheit beurteilt werden kann” beschloß das Sozialministerium "die Einreise von fremdländischen Arbeitern der erwähnten Kategorie (Bauarbeiter, E.S.) in das Gebiet der Republik vorläufig zu verhindern." (MfSVer,1921,61,27788) Anfang Feber 1922 wendet sich das Sozialministerium an das Innenministerium mit der Bitte, ohne geographische oder branchenspezifische Begrenzung "die Zuwanderung fremdländischer Arbeiter nach Möglichkeit hintanzustellen". 456 Ausgenommen von dieser erstmals in der Ersten Republik eingeleiteten formalen Beschränkung des Zuganges zum Arbeitsmarkt waren lediglich Angehörige des Deutschen Reiches. (...). Diese Begründung hat auch der Betriebsrat anerkannt und daher gegen die Heranziehung auswärtiger Mineure und Steinmaurer bis zu der von uns angestellten Zahl keinen Einwand erhoben. (MfSVer,1921,61,27788) 454 Der SDAP Landeshauptmannstellvertreter Robert Preußler (1866-1942) verhielt sich in dieser Angelegenheit 1921 eher zurückhaltend. Er entstammte einer deutschböhmischen Arbeiterfamilie und arbeitete als ausgebildeter Glasbläser bevor er seine Karriere als Journalist der sozialdemokratischer Arbeiterpresse begann. 455 kursiv, E.S. 456 Vgl.: (MfSVer,1922,61,1875); (MfSVer,1922,61,21391).

. die ethnische Außengrenze 311 Im Juli 1922 berichtete das österreichische Konsulat in Bratislava, dass in den großen Betrieben der Stadt hunderte österreichische Arbeiter entlassen werden. "Die Aufforderung zu diesen Entlassungen erfolgte von offizieller Regierungsstelle; ungefähr Anfang Mai hat eine Kommission, bestehend aus dem Referenten des Ministeriums für soziale Fürsorge, Ministerialrat Dr. Fritsch, aus dem Vorstande des Pressburger Arbeitsamtes (zemsky urad prace) und aus dem Sekretär der Pressburger Ortsgruppe der national- sozialistischen Partei, einen Rundgang durch die Pressburger Fabriken unternommen und die Fabriksleitungen aufgefordert, die bei ihnen beschäftigten Ausländer zu entlassen." (MfSVer,1922,61,18585) Diese sowohl aus nationalen wie volkswirtschaftlichen Überlegungen eingeleitete Ausgrenzungsstrategie der Slowakei läuft zu der bereits sechs Monate davor eingeschlagenen Ausländerpolitik Österreichs parallel. Die Slowaken bieten aber hierdurch dem österreichischen Sozialministerium endlich die Möglichkeit an, die Verschärfung ihrer eigenen Zuwanderungsbestimmungen als Notwehr auszugeben. Als "Gegenmaßnahme" auf die Diskriminierung von Ausländern in der Slowakei - wie auch im tschechischen Landesteil - leitete das Sozialministerium im Einklang mit dem Innen- und Außenministerium eine schrittweise Reduzierung der nichtdeutschen staatsfremden Bevölkerung ein. Noch im Spätsommer 1922 werden im Erlasse Zl. 21.391 (6. September) österreichische und reichsdeutsche Staatsangehörige bei der Arbeitslosenvermittlung allen anderen Arbeitnehmer vorgereiht. Hier ging es vor allem darum, die bereits legal im Inland wohnhaften tschechoslowakischen Arbeiter zu treffen. 457 Gegen diese ganz offensichtlich nationalistische Strategie wehrten sich unter anderem zahlreiche tschechische Arbeitsvermittlungsbeamte, die "insbesondere in Wien, wo sich die Arbeitsnachweise zum größten Teil in den Händen der 457 Dieser Runderlaß des Sozialministeriums bedeutet einen Meilenstein. Hier wird der Inländerschutz zum ersten Mal von neuzugewanderte auf integrierte tschechische Staatsangehörige ausgedehnt. Ausländische Arbeitslose sollen offensichtlich solange ohne Arbeit gehalten werden, bis sie von alleine abwandern. Als Begründung für diese Maßnahme werden ähnliche Benachteiligungen gegen Ausländer in der Slowakei angeführt. „Dem Ministerium für soziale Verwaltung wurde durch das Ministerium des Innern mitgeteilt, dass über behördliche Anordnung die in der Slowakei beschäftigten Arbeiter fremder Staatsangehörigkeit entlassen werden. Da durch diese Maßregel besonders österreichische Arbeiter betroffen werden, hat die Industrielle Bezirkskommission angewiesen, die Arbeitsämter mit Rücksicht auf das Vorgehen der tschechischen Industrie den zwecks Arbeitsvermittlung vorgemerkten Arbeitslosen möglichst österreichische bezw. reichsdeutsche Staatsangehörige zu bevorzugen.‟ (NB: Die amtliche Ergänzung „ohne Rücksicht darauf, ob Arbeitslose fremder (insbesondere tschechischer)

. die ethnische Außengrenze<br />

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Im Juli 1922 berichtete das österreichische Konsulat in Bratislava, dass in den großen<br />

Betrieben der Stadt hunderte österreichische Arbeiter entlassen werden.<br />

"Die Aufforderung zu diesen Entlassungen erfolgte von offizieller Regierungsstelle; ungefähr<br />

Anfang Mai hat eine Kommission, bestehend aus dem Referenten des Ministeriums für<br />

soziale Fürsorge, Ministerialrat Dr. Fritsch, aus dem Vorstande des Pressburger Arbeitsamtes<br />

(zemsky urad prace) und aus dem Sekretär der Pressburger Ortsgruppe der national-<br />

sozialistischen Partei, einen Rundgang durch die Pressburger Fabriken unternommen und die<br />

Fabriksleitungen aufgefordert, die bei ihnen beschäftigten Ausländer zu entlassen."<br />

(MfSVer,1922,61,18585)<br />

Diese sowohl aus nationalen wie volkswirtschaftlichen Überlegungen eingeleitete<br />

Ausgrenzungsstrategie der Slowakei läuft zu der bereits sechs Monate davor eingeschlagenen<br />

Ausländerpolitik Österreichs parallel. Die Slowaken bieten aber hierdurch dem<br />

österreichischen Sozialministerium endlich die Möglichkeit an, die Verschärfung ihrer<br />

eigenen Zuwanderungsbestimmungen als Notwehr auszugeben. Als "Gegenmaßnahme" auf<br />

die Diskriminierung von Ausländern in der Slowakei - wie auch im tschechischen Landesteil<br />

- leitete das Sozialministerium im Einklang mit dem Innen- und Außenministerium eine<br />

schrittweise Reduzierung der nichtdeutschen staatsfremden Bevölkerung ein.<br />

Noch im Spätsommer 1922 werden im Erlasse Zl. 21.391 (6. September) österreichische und<br />

reichsdeutsche Staatsangehörige bei der Arbeitslosenvermittlung allen anderen Arbeitnehmer<br />

vorgereiht. Hier ging es vor allem darum, die bereits legal im Inland wohnhaften<br />

tschechoslowakischen Arbeiter zu treffen. 457 Gegen diese ganz offensichtlich nationalistische<br />

Strategie wehrten sich unter anderem zahlreiche tschechische Arbeitsvermittlungsbeamte, die<br />

"insbesondere in Wien, wo sich die Arbeitsnachweise zum größten Teil in den Händen der<br />

457 Dieser Runderlaß des Sozialministeriums bedeutet einen Meilenstein. Hier wird der Inländerschutz zum ersten Mal von<br />

neuzugewanderte auf integrierte tschechische Staatsangehörige ausgedehnt. Ausländische Arbeitslose sollen offensichtlich<br />

solange ohne Arbeit gehalten werden, bis sie von alleine abwandern. Als Begründung für diese Maßnahme werden ähnliche<br />

Benachteiligungen gegen Ausländer in der Slowakei angeführt. „Dem Ministerium für soziale Verwaltung wurde durch das<br />

Ministerium des Innern mitgeteilt, dass über behördliche Anordnung die in der Slowakei beschäftigten Arbeiter fremder<br />

Staatsangehörigkeit entlassen werden. Da durch diese Maßregel besonders österreichische Arbeiter betroffen werden, hat die<br />

Industrielle Bezirkskommission angewiesen, die Arbeitsämter mit Rücksicht auf das Vorgehen der tschechischen Industrie<br />

den zwecks Arbeitsvermittlung vorgemerkten Arbeitslosen möglichst österreichische bezw. reichsdeutsche Staatsangehörige<br />

zu bevorzugen.‟ (NB: Die amtliche Ergänzung „ohne Rücksicht darauf, ob Arbeitslose fremder (insbesondere tschechischer)

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