REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER
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30 befand sich im krassen Widerspruch zum liberalen Konzept der staatsbürgerlichen Gleichheit und Freizügigkeit. Andererseits hat sich seit Abschaffung der amtlichen - ethnisch beziehungsweise religiös motivierten - Benachteiligung (1848 bis 1967) Österreich stark urbanisiert. Die Reethnisierung der Politik Anfang des 20. Jahrhundert stellt also den Versuch dar, auch die Probleme der modernen Industriegesellschaft durch den Rückgriff auf die völkische (sprich ethnische) Segmentierung der Bevölkerung besser administrieren zu können. B. Zur Lage der reichsfremden Bevölkerung der Monarchie 144 Jahre liegen zwischen der ersten und der zweiten großen Veröffentlichung zur Ausländerpolitik in Österreich; das ist ein zu langer Zeitraum, um einen Zusammenhang zwischen den beiden Publikationen herzustellen. Während der von Hannes Wimmer 1986 in Frankfurt herausgegebene Sammelband von dem als ausländerfreundlich bekannten liberalsozialistischen Minister für Arbeit und Soziales, Alfred Dallinger (SPÖ) in Auftrag gegeben wurde, stammte der Auftrag für die von Johann Vesque von Püttlingens 22 1842 in Wien verfasste und erschienene Ausländerstudie von "Seine(r) Durchlaucht dem hochgeborenen Herrn Clemens Wenzel Lothar Fürsten von Metternich-Winneburg, Sr.k.k. apostolischen Majestät geheimen Haus=, Hof= und Staatskanzler". Im Zeitraum dazwischen sind keine vom Staat geförderten, groß angelegten Forschungsvorhaben im Ausländerbereich durchgeführt worden. Obwohl Püttlingens Ausländerstudie bereits vor Beginn des Untersuchungszeitraumes publiziert wurde, stellt es die einzige Gesamtdarstellung im 19 Jahrhundert zu dieser Thematik dar. Viele Aussagen in diesem Abschnitt stützen sich deshalb auf Püttlingens Forschungen. Ergänzend dazu wurden sowohl einschlägige zeitgenössische wie moderne Studien zu Einzelthemen herangezogen. Von zentraler Bedeutung war auch die Normalien-Sammlung für den politischen Verwaltungsdienst, die einen nach Schlagwörtern gestalteten schnellen Zugriff zu ausländerrelevanten Fragestellungen ermöglicht. Es sollte hier nicht unerwähnt bleiben, dass die Wissenschaft im Habsburger Reich ganz im Gegensatz zu jener in der Zweiten Republik die Forscherfreundlichkeit besaß, ihre Publikationen mit einem Sachregister zu versehen. 22 Püttlingen war hoher Wiener Staatsbeamte und ein Verehrer von Schubert. Er hat selber unter den Namen Hoven gedichtet und komponiert, vgl. Otto Brusatti (1979). Schubert im Wiener Vormärz, Graz. Nach telefonischer Auskunft Busattis gab es keinem Zusammenhang zwischen Püttlingens ausländerpolitischen Forschungsschwerpunkt und seiner Kunst.
Die Zuwanderung von Staatsfremden in der Monarchie war - gemessen an der 31 fremdsprachigen Binnenwanderung im gleichen Zeitraum oder die "Gast"arbeitermigration der Zweiten Republik - eine Randfrage. Zeitgenössische Darstellungen belegen, dass die Ausländerfrage zwar ernst genommen wurde, jedoch von wichtigeren Probleme, wie etwa der Nationalitätenfrage oder dem Antisemitismus im politischen Leben wie auch im persönlichen Alltag weitgehend verdrängt wurde 23 . Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Ausländeranteil an der Bevölkerung Cisleithaniens lediglich ein und zwei Prozent der Wohnbevölkerung betrug und die Beschäftigung von Staatsfremden zu dieser Zeit keinen besonderen Beschränkungen unterlag. Darüber hinaus waren Fragen wie Aufenthalt und soziale Fürsorge ohnehin großteils Gemeindesache. Fremde Inländer und Ausländer wurden hierbei gleichermaßen diskriminiert. Die Darstellung der Ausländerfrage über den gesamten hier zu untersuchenden Zeitraum - 1848 bis 1918 scheint von einem Dauerthema begleitet worden zu sein, nämlich die Suche nach einem angemessenen Umgang mit den ungarischen beziehungsweise transleithanischen Staatsangehörigen einerseits und Bürgern des Deutschen Bundes andererseits. Formalrechtlich waren die Ungarn bis zum Ausgleich 1867 Österreicher. Wegen ihres Sonderstatus in diesen Jahren wurden sie jedoch in der Ausländerforschung weder als "Eingeborene" noch als "fremde Landeskinder" behandelt, sondern "mit Stillschweigen übergangen". Bei den Volkszählungen nach dem Ausgleich zählten sie zwar zu den "Anwesenden Fremde(n)", in der tabellarischen Darstellung wurden sie aber noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts - im Gegensatz zu den Reichsdeutschen, Reichsitalienern und Russen - als "Anwesende Fremde (aus) anderen Ländern der österreichisch-ungarischen Monarchie" geführt. Für die gemeinsame Heeresführung, die Kriegs- und Außenministerien waren sie in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eindeutig als Inländer zu behandeln. In dieser Studie werden die Untertanen der ungarischen Krone je nach ihrer Bedeutung für den zur Untersuchung stehenden Fragenkomplex unterschiedlich behandelt; jedoch in der Regel gemeinsam mit den Bosnier-Herzegowinern nicht zu den Staatsfremden der Monarchie gezählt. In den ersten 20 zu untersuchenden Jahren - also bis zum Krieg zwischen Österreich und Preußen (1866) - könnte man umgekehrt argumentieren, dass die Mitgliedschaft zum
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Die Zuwanderung von Staatsfremden in der Monarchie war - gemessen an der<br />
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fremdsprachigen Binnenwanderung im gleichen Zeitraum oder die "Gast"arbeitermigration<br />
der Zweiten Republik - eine Randfrage. Zeitgenössische Darstellungen belegen, dass die<br />
Ausländerfrage zwar ernst genommen wurde, jedoch von wichtigeren Probleme, wie etwa der<br />
Nationalitätenfrage oder dem Antisemitismus im politischen Leben wie auch im persönlichen<br />
Alltag weitgehend verdrängt wurde 23 . Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der<br />
Ausländeranteil an der Bevölkerung Cisleithaniens lediglich ein und zwei Prozent der<br />
Wohnbevölkerung betrug und die Beschäftigung von Staatsfremden zu dieser Zeit keinen<br />
besonderen Beschränkungen unterlag. Darüber hinaus waren Fragen wie Aufenthalt und<br />
soziale Fürsorge ohnehin großteils Gemeindesache. Fremde Inländer und Ausländer wurden<br />
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Die Darstellung der Ausländerfrage über den gesamten hier zu untersuchenden Zeitraum -<br />
1848 bis 1918 scheint von einem Dauerthema begleitet worden zu sein, nämlich die Suche<br />
nach einem angemessenen Umgang mit den ungarischen beziehungsweise transleithanischen<br />
Staatsangehörigen einerseits und Bürgern des Deutschen Bundes andererseits.<br />
Formalrechtlich waren die Ungarn bis zum Ausgleich 1867 Österreicher. Wegen ihres<br />
Sonderstatus in diesen Jahren wurden sie jedoch in der Ausländerforschung weder als<br />
"Eingeborene" noch als "fremde Landeskinder" behandelt, sondern "mit Stillschweigen<br />
übergangen". Bei den Volkszählungen nach dem Ausgleich zählten sie zwar zu den<br />
"Anwesenden Fremde(n)", in der tabellarischen Darstellung wurden sie aber noch in den 80er<br />
Jahren des vorigen Jahrhunderts - im Gegensatz zu den Reichsdeutschen, Reichsitalienern<br />
und Russen - als "Anwesende Fremde (aus) anderen Ländern der österreichisch-ungarischen<br />
Monarchie" geführt. Für die gemeinsame Heeresführung, die Kriegs- und Außenministerien<br />
waren sie in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eindeutig als Inländer zu behandeln. In<br />
dieser Studie werden die Untertanen der ungarischen Krone je nach ihrer Bedeutung für den<br />
zur Untersuchung stehenden Fragenkomplex unterschiedlich behandelt; jedoch in der Regel<br />
gemeinsam mit den Bosnier-Herzegowinern nicht zu den Staatsfremden der Monarchie<br />
gezählt. In den ersten 20 zu untersuchenden Jahren - also bis zum Krieg zwischen Österreich<br />
und Preußen (1866) - könnte man umgekehrt argumentieren, dass die Mitgliedschaft zum