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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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307<br />

beschleunigte Einwanderung von Tschechen und Slowaken vor allem nach Oberösterreich,<br />

Niederösterreich und dem Burgenland bilateral vereinbart 446 . So gelang es den heimischen<br />

Landwirten, die 1922/1923 nur 6% des österreichischen Zuckerbedarfes 447 decken konnten,<br />

innerhalb 15 Jahre ihre Produktion um 1.000% auszuweiten. Möglich war diese<br />

volkswirtschaftliche Glanzleistung durch das legale und illegale Heranziehen von Tausenden<br />

staatsfremden Saisonarbeitern aus dem benachbarten Ausland (Pelz 1994, 30).<br />

Die Begünstigung und teilweise sogar Förderung der Arbeitsmigration seitens der<br />

Landwirtschafts-, Innen- und Sozialministerien in den Jahren 1920 und 1921 war nicht<br />

unumstritten. Kritik kam sowohl von seiten der Arbeitsmarkbehörden und Vertreter der<br />

einheimischen Arbeitnehmer (Gewerkschaften und AK) wie auch von seiten der<br />

Landesregierungen und betroffenen Bürgermeister. Von größter Bedeutung ist die Tatsache,<br />

dass dieser Widerstand mehrheitlich nicht rein sozialpolitisch begründet wurde. Die früheste<br />

derzeit dokumentierbare Stellungnahme gegen die Beschäftigung von staatsfremden<br />

Arbeitern stammt von der IBK Klagenfurt (Juni 1921) und bezieht sich auf die vom<br />

Sozialministerium ab Mai 1921 geförderte Zuwanderung von vorwiegend italienischen Erd-<br />

und Ziegelarbeitern. Die Kärntner Behörden kritisierten die Zulassungspolitik der<br />

Bundesregierung, v.a. deswegen, weil es zu dieser Zeit kaum möglich war Fremdarbeiter zu<br />

bekommen, ohne sie in einer ausländischen Währung auszuzahlen. Die lakonische<br />

Erwiderung des Sozialministeriums ließ nicht lange auf sich warten. Da diese finanzielle<br />

Belastung die Zuwanderung aus Italien ohnehin auf ein Mindestmaß begrenzen würde, schien<br />

"die Zuwanderung der Arbeiter in sozialpolitischer Hinsicht unbedenklich.”<br />

(MfSVer,1921,61,15286) 448 In der Steiermark, Wien, Vorarlberg und Kärnten wurden in der<br />

Metall- und Ziegelindustrie, Zuckerindustrie, Textilindustrie und Ziegel- und<br />

446 vgl. Pelz 1994, 35: „In die Verhandlung des jährlich zu erneuernden Vertrages waren Vertreter beider Ministerien für<br />

Landwirtschaft, des Wiener Generalkonsulates, der Berufsvereinigungen österreichischer Arbeitgeber und schließlich<br />

Vertreter tschechoslowakischer Arbeitnehmer eingebunden.”<br />

447 In Zusammenhang mit der notwendigen Hebung der Zuckerproduktion bekam die Anwerbung staatsfremder Arbeiter fast<br />

eine patriotische Legitimation. Dies war auch einer der Hauptgründe, warum - mit Ausnahme des Burgenlandes -<br />

landwirtschaftliche Arbeiter bei der Verabschiedung des Inlandarbeiterschutzgesetzes ausgenommen wurden. Um dieser<br />

Schwäche wenigstens ansatzweise beizukommen, verlangte der Vorsitzende der sozialdemokratischen<br />

Landarbeitergewerkschaft und Nationalratsabgeordneter Pius Schneeberger die Einführung eines Paritätischen Beirats bei<br />

der Festlegung der ausländischen Saisonierkontingente. Dies konte er, trotz anfänglicher Ablehnung der Arbeitgeberseite<br />

und des Ministeriums, auch durchsetzen. (MfLFW,1926,600?,29945)<br />

448 Daß dies tatsächlich der Fall war, bestätigt ein Brief des Holzindustriellen S. Glesinger, der Anfang Dezember 1921<br />

folgendes über die Bezahlung seiner Fremdarbeiter berichtet: „Bei dem heutigen Kurse hat sich dieser Lohn mehr als<br />

verzehnfacht (…).” Der Wechselkurs Lire-Krone ist nämlich in kürzester Zeit von 1-30 auf 1-300 geklettert.<br />

(MfSVer,1922,61,32194)

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