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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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297<br />

Rassismus und Antisemitismus bekannt. 429 Dieser politischer Konsens fand dann in einer<br />

Verwaltungsgerichtsentscheidung vom 9. Juni 1921 seine rechtliche Entsprechung. Mit<br />

diesem Erkenntnis lehnte das Gericht die Bewerbung des jüdischgalizischen Deutschen<br />

Moses Dym - wohnhaft in Wien, heimatberechtigt in Lisko - ab, weil er zwar in der Lage war<br />

den Nachweis zu erbringen, dass er Deutsch als Umgangssprache verwendete, nicht aber dass<br />

er zur deutschen Rasse gehörte. Nach Meinung des Gerichts lag es auf der Hand, "dass die<br />

Norm sich hier nicht etwa nur einer bedeutungslosen Tautologie bedient, sondern dass an<br />

dieser Stelle das Optionsrecht tatsächlich von zwei Voraussetzungen abhängig machen<br />

wollte, die beide gegeben sein müssen, soll der Anspruch Rechtsbestand haben." In der vom<br />

fünfköpfigen Gericht nicht einheitlich vertretenen Meinung 430 bezüglich der Bedeutung von<br />

Rasse und Sprache heißt es sinngemäß, dass Juden nur in dem Nachfolgerstaat der<br />

Habsburger Monarchie a priori eine Optionsrecht hätten, in dem sie nach Sprache und Rasse<br />

die Mehrheit bildeten. Da dies jedoch in keinem der Nachfolgerstaaten der Fall war, hätten<br />

sie nach geltender Rechtsauffassung nirgends das Recht zu optieren. Sie stellten somit rein<br />

rechtlich gesehen einen ethnischen Fremdkörper in Mitteleuropa dar 431 . Auf diese fatale<br />

Logik hinaus hätte es zwei mögliche Schlußfolgerungen gegeben. Man hätte erstens die<br />

verzerrende Übersetzung von race in Rasse durch die Vollzugsanweisung als<br />

Optionskriterium verwerfen können und sie mit dem richtigen Begriff Volksgruppe oder<br />

Nation ersetzen können. Zweitens, und dies ist leider dann tatsächlich passiert, daraus<br />

schließen können, dass Juden tatsächlich in Mitteleuropa fehl am Platz sind.<br />

Christlichsozialen blieb im Kerne religiös und klassenspezifisch motiviert. Nur die Deutschnationale waren bereits zu dieser<br />

Zeit offen für den biologistischen und wohlgemerkt auch im Grundtenor antiklerikalen Ansätze der Rassenhygiene.<br />

429 Somit handelten alle drei Parlamentsparteien gesetzwidrig, da das Judentum seit 1868 bzw. 1890 durch die Anerkennung<br />

als österreichische Religionsgemeinschaft nicht nur als Teil des österreichischen Volkes, sondern eben als<br />

Religionsgemeinschaft - ähnlich der Protestanten A.C und H.C - und nicht als Rasse anerkannt war. Es wäre niemanden auf<br />

die Idee gekommen, protestantische Galizier beim Ansuchen um die österreichische Staatsbürgerschaft abzulehnen, weil sie<br />

als Protestanten zwar sprachlich aber nicht rassisch deutsch waren. 1910 hatte es in Galizien neben der Rasse der Katholiken<br />

(3.731.569/Römisch, 3.379.613/Griechisch, 1.392 Armenisch, 37 Alt), noch 11 weiteren Rassen gegeben: u.a. 871.906<br />

Angehörige der israelitischen Rasse, 33.210 der protestantischen Rasse (Augsburger Bekenntnis), 3.935 der protestantischen<br />

Rasse (helvetischer Bekenntnis), 2.770 der griechisch-orientalischen Rasse und 497 der mennonitischen Rasse<br />

(Volkszählung 1912, 54).<br />

430 Diese Position wurde zwar nach Besenböck nicht rechtskräftig, widerspiegelt jedoch die Einstellung der Mehrheit des<br />

Gerichts. Es ist in der Ersten Republik zur einer definitiven Erklärung des Begriffs deutsche Rasse nie gekommen. Im<br />

Referentenantrag des Gerichts steht, „daß diese beiden Begriffe einen natürlichen Zusammenhang haben, denn die Sprache<br />

wird im Verkehr mit den Mitmenschen, unter denen er (der Mensch) ständig oder gewöhnlich lebt für ihn und seine<br />

Nachkommen zur Umgangssprache, denn die kann von ihm frei gewählt werden. Anders verhält es sich mit der Rasse des<br />

Menschen. Sie ist eine ihm angestammte, ihm inhärente, durch physische oder psychische Momente bestimmte und<br />

charakterisierte Eigenart dauernden Charakters, ein ihm anhaftender Zustand, der nicht willkürlich abgelegt und nicht nach<br />

Belieben verändert werden kann.‟ (Besenböck 1992, 101)<br />

431 Diese Auslegung hatte im wahrsten Sinn des Wortes fatale Folgen für die in Mitteleuropa lebenden Juden, die aber mit<br />

Sicherheit von den Richtern nicht beabsichtigt wurden. Auch die frühen österreichischen Nationalsozialisten - die Deutsche<br />

Arbeiterpartei, die in Mai 1918 in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) umbenannt wurde und somit<br />

älter als die bayrische NSDAP (1919) war - waren sich nicht im Klaren auf welche Weise sie Österreich judenrein machen

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