14.02.2013 Aufrufe

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

296<br />

beschwichtigend weiter festgestellt, 'bei Optionen tschechoslowakischer Staatsangehöriger -<br />

auch wenn es sich um Bekenner des mosaischen Glaubens handelte - von Anfang an und<br />

ausnahmslos' die Vollzugsanweisung im Sinne des Brünner Vertrages angewendet."<br />

(Grandner 1995, 78).<br />

Dass die Behandlung der jüdischen Galizier genau umgekehrt gehandhabt werden sollte, hatte<br />

sich bereits Wochen vor der Veröffentlichung der Vollzugsanweisung angekündigt. Die<br />

einzige politisch relevante Parlamentspartei, die nicht offiziell antisemitisch war, war die<br />

SDAP. Mit der Unterstützung des niederösterreichischen sozialdemokratischen<br />

Landeshauptmannes 427 Albert Sever für diese Rassenbestimmung und seine antisemitische<br />

Anwendung ist die letzte antirassistische Bastion Österreichs gefallen. 428 "Am 6. Juli 1920<br />

hatte sich der niederösterreichische Landeshauptmann Albert Sever mit dem "dringenden<br />

Ersuchen" an das Staatsamt des Innern gewandt, "die Artikel 80 des Staatsvertrages von St.<br />

Germain eine solche strenge Auslegung zu geben, welche das Optionsrecht der israelitischen<br />

Flüchtlinge aus dem Osten der ehemaligen Monarchie und aus Ungarn ausschliesst."<br />

(Grandner 1995, 75)<br />

Die Christlichsozialen sprachen eine noch deutlichere Sprache. Im folgenden wird ein<br />

Auszug aus einer Anfrage (14.12.1920) einiger christlichsozialen Abgeordneter kurz vor<br />

Ablauf der Anmeldungsfrist für die Option am 15. Jänner 1921 dargestellt. "(D)och nie und<br />

nimmer (wird) jemand behaupten dürfen, dass die Ostjuden unserer Rasse angehören (...)". In<br />

bezug auf diese Anfrage ersuchte die Großdeutsche Volkspartei den Innenminister, "alles<br />

vorzukehren, dass die Optionsgesuche von Ostjuden im Sinne der klaren Bestimmungen des<br />

Friedensvertrages von St. Germain abschlägig beschieden werden." (Grandner 1995, 78-79)<br />

Das gesamte politische Spektrum der Ersten Republik hatte sich somit de facto zum<br />

des Sever-Erlaß waren sehr gering (Besenböck 1992, 55). In Gegensatz zu der Tschechoslowakei, Italien, Ungarn und das<br />

Königreich SHS führte Polen keine gesonderten Verhandlungen mit Österreich über die Option (Mussak 1995, 307-336).<br />

427 Das traditionell katholisch-konservative Reichsrats- bzw. Bundesland Niederösterreich hatte zu dieser Zeit eine SDAP<br />

Landeshauptmann, weil das Rote Wien erst am 1.1.1922 den Status eines eigenen Bundeslandes erhielt.<br />

428 Das die Aufgabe des Antirassismus und die Übernahme des amtlichen Antisemitismus den Weg zur Vertreibung der<br />

Juden aus Mitteleuropa ebnete, „ahnte‟ der reichsdeutsche Rechtsgelehrte Hans Liermann in einem 1928 erschienen<br />

grundsätzliche Kritik an die österreichische Option. „Der Verwaltungsgerichtshof war vor die Frage gestellt, ob ein Jude<br />

optieren könne, und verneinte sie zu Unrecht. Es kam auf die Auslegung des Begriffes Rasse in dem Passus an „personnes<br />

parlant al meme langue et ayant la meme race’. Das Gericht legte hier Rasse als anthropologische Rasse aus. Die Folge ist,<br />

daß Juden für keinen Staat ein Optionsrecht haben, weil keiner der Nachfolgestaaten eine jüdische Mehrheit hat. (Liermann<br />

1928, 311, zitiert nach Besenböck 1992, 117-118) Es sollte aber hier betont werden, daß dieser Dreiparteienkonsens bei der<br />

Frage Antisemitismus in keiner unmittelbaren Zusammenhang mit der physischen Vernichtung der Juden steht. Die Haltung<br />

der SDAP war rein opportunistisch, mit Ausnahme von offenen Rassisten wie Albert Sever. Auch die Antisemitismus der

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!