REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

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3. Chauvinismus 259 In zwei Bereichen ist der im Nationalitätenstreit übliche Chauvinismus und die Fremdenfeindlichkeit auf die Ausländerfrage indirekt und vermutlich unbeabsichtigt übertragen worden. Bei der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Zigeunerbekämpfung nutzte man die kriegsbedingten diktatorischen Sonderbestimmungen bei gleichzeitig ausgeschaltetem Parlament aus, um die romani Österreicher ihrer Staatsbürgerrechte zu berauben. Durch Zwangsansiedlung und Zwangsarbeit erhoffte man sich, einen Großteil der Roma zu erwerbslosen Staatsfremden zu erklären, um sie dann ins Ausland - vor allem nach Ungarn - abschieben zu können. Die oben geschilderten Assimilierungsbestimmungen, die es feindlichen Ausländer ermöglichen sollten, in Cisleithanien nach Ausbruch des Krieges bleiben zu können verdeutlichen, dass man bereits vor Ausrufung der Republik Deutschösterreich, Österreich als deutschen Staat verstand. Diese 1916 manifestierte deutschnationale Entstellung der Behörden fügte sich zwei Jahre später nahtlos in die Staatsbürgerschaftsdebatte des deutschösterreichischen Nationalrats ein, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird. Was beim Deutschnationalismus der Monarchie noch fehlte ist die sozialpolitische Komponente. Um Nationalismus und Sozialpolitik einwanderungswirksam zusammenzuführen ist nicht nur eine ausgeprägte und mehrheitsfähige Ideologie des Nationalismus von zentraler Bedeutung; eine klar umrissene Einwanderungspolitik und ein gesellschaftlicher Konsens über den groben Raster der Sozialpolitik sind genauso unbedingte Voraussetzungen dafür. Mit der kurzfristigen Hegemonialstellung der deutschösterreichischen Sozialdemokratie im sozialpolitischen Bereich (1918-1920) wurden nach dem Krieg die Fundamente eines modernen Sozialstaats gelegt. Auf Basis dieser nationalstaatlichen Sozialpolitik wurde dann erstmals eine österreichische Ausländerpolitik entworfen. 372 372 Diese Politik wurden anschließend vom Ständestaat und den deutschen Reichsbehörden in der Ostmark übernommen.

3. Chauvinismus<br />

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In zwei Bereichen ist der im Nationalitätenstreit übliche Chauvinismus und die<br />

Fremdenfeindlichkeit auf die Ausländerfrage indirekt und vermutlich unbeabsichtigt<br />

übertragen worden. Bei der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Zigeunerbekämpfung<br />

nutzte man die kriegsbedingten diktatorischen Sonderbestimmungen bei gleichzeitig<br />

ausgeschaltetem Parlament aus, um die romani Österreicher ihrer Staatsbürgerrechte zu<br />

berauben. Durch Zwangsansiedlung und Zwangsarbeit erhoffte man sich, einen Großteil der<br />

Roma zu erwerbslosen Staatsfremden zu erklären, um sie dann ins Ausland - vor allem nach<br />

Ungarn - abschieben zu können.<br />

Die oben geschilderten Assimilierungsbestimmungen, die es feindlichen Ausländer<br />

ermöglichen sollten, in Cisleithanien nach Ausbruch des Krieges bleiben zu können<br />

verdeutlichen, dass man bereits vor Ausrufung der Republik Deutschösterreich, Österreich als<br />

deutschen Staat verstand. Diese 1916 manifestierte deutschnationale Entstellung der<br />

Behörden fügte sich zwei Jahre später nahtlos in die Staatsbürgerschaftsdebatte des<br />

deutschösterreichischen Nationalrats ein, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird.<br />

Was beim Deutschnationalismus der Monarchie noch fehlte ist die sozialpolitische<br />

Komponente. Um Nationalismus und Sozialpolitik einwanderungswirksam<br />

zusammenzuführen ist nicht nur eine ausgeprägte und mehrheitsfähige Ideologie des<br />

Nationalismus von zentraler Bedeutung; eine klar umrissene Einwanderungspolitik und ein<br />

gesellschaftlicher Konsens über den groben Raster der Sozialpolitik sind genauso unbedingte<br />

Voraussetzungen dafür. Mit der kurzfristigen Hegemonialstellung der<br />

deutschösterreichischen Sozialdemokratie im sozialpolitischen Bereich (1918-1920) wurden<br />

nach dem Krieg die Fundamente eines modernen Sozialstaats gelegt. Auf Basis dieser<br />

nationalstaatlichen Sozialpolitik wurde dann erstmals eine österreichische Ausländerpolitik<br />

entworfen. 372<br />

372 Diese Politik wurden anschließend vom Ständestaat und den deutschen Reichsbehörden in der Ostmark übernommen.

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