REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

254 beziehungsweise zwangsverpflichteten Fremdarbeiter aus Österreich-Ungarn, Russischpolen und Belgien freiwillig im Reich 368 waren. (Herbert 1985). Das dies im Fall Cisleithaniens nicht zutrifft wird intern offen ausgesprochen. "3.) Ziffernmässige Zuweisung der verzeichneten Professionisten und Aufteilung auf die Fabriken: Nach der Bekanntgabe der ziffernmässigen Anzahl der in den einzelnen Kreiskommandos zur Verfügung stehenden professionskundigen Ausländern durch das Militärgeneralgouvernement an das Kriegsministerium weist die Kontrollkommission für Enthobene nach von ihr bereits vorher gepflogenem Einvernehmen mit den Betrieben diesen die Anzahl der angeworbenen Arbeiter nach Profession zu. (...) Das Kriegsministerium ist der Ansicht, dass die (...) Aufklärung 369 bei Anwerbung nicht stattfinden sollte, weil dies die Gefahr in sich birgt, dass die Arbeiter in Unkenntnis des Gesetzes und auch im Falle der Erläuterung desselbe - dies doch nicht verstehend - von der freien Anwerbung abgeschreckt würden und hiedurch die Zahl der angeworbenen Arbeiter sehr herabgedrückt würde. Nach Ansicht des Kriegsministeriums handelt es sich hier hauptsächlich um die Frage, dass dem angeworbenen Manne auf Kriegsdauer kein Kündigungsrecht zusteht." (MföA,1916,727,24634) Diese im großen Stil vorbereitete und im Frühjahr 1916 eingeleitete Anwerbeaktion scheint vollkommen ohne Wirkung geblieben zu sein. Weder in den Akten des K.u.k. Ministeriums für öffentliche Arbeiten (AVA) noch beim Staatsamt für Kriegs- und Übergangswirtschaft 370 (AdR) werden tatsächlich nach Österreich vermittelte Industriearbeiter erwähnt. Hinsichtlich der Anwerbung von Landarbeitern aus Russischpolen gibt das Innenministerium im Jahr 1916 folgende Auskunft. Hiernach sei die österreichische Werbeaktion "überhaupt ohne jedes Resultat verblieben". Deswegen hat der Werber 371 "mehrfach schriftlich und telegraphisch den Antrag gestellt, ihn der ihm übertragenen Aufgabe zu entheben und die ganze Aktion 367 Vgl.: Verordnung des Etappenoberkommandos von 19. August 1915, betreffend die Art der Anwerbung von Lohnarbeitern durch Organe der österreichischen, der ungarischen oder der deutschen Regierung. (MföA,1916,727,24634) 368 Auch im Dritten Reich wurde dies behauptet (Didier 1943). 369 Das Verteidigungsministerium war andere Meinung: „diese Arbeiter (sollen, E.S.) bereits bei der Anwerbung über die beabsichtigte Unterstellung unter die Vorschriften des K.L.G., wonach insbesondere eine einseitige Lösung des Arbeitsvertrages seitens der Arbeitnehmer untersagt und strafbar ist, (...) genau aufgeklärt werden.‟ (MföA,1916,727,24634) Allerdings leitete das Kriegsministerium und nicht das Verteidigungsministerium diese Aktion im Felde. 370 Das Staatsamt wäre nämlich für die Erfassung und Rückführung dieser Arbeiter nach Kriegsende im März 1918 zuständig gewesen. 371 In diesem Fall ein Vertreter der Landwirtschaft in Galizien.

255 einzustellen." Die Ursachen für das vollständige Scheitern der Aktion werden als folgende angegeben: - "die völlig ablehnende Haltung, welche seitens der kompetenten militärischen Stellen gegenüber seinen Bitten (...) eingenommen wurde"; - "die konkurrierende von der Militärverwaltung durchgeführte Anwerbung"; - "die unlautere Konkurrenz durch den ungarischen Werber." "Wenn nun auch das Min. d. Innern, als dieser Antrag beim A.O.K. in Diskussion stand, im Hinblicke auf das eminente Interesse, das vom Gesichtspunkte der Heeres- und Volksapprovisionierung auch einer gedeihlichen Durchführung der Ernte in Ungarn entgegengebracht wird veranlaßt sah, jede in Aussicht genommene Maßnahme für die Sicherung der Arbeitskräfte für die ungarische Landwirtschaft seinerseits zu unterstützen, muß es dennoch als bedauerlich bezeichnet werden, dass eben wegen Mangel an entsprechenden Vorkehrungen in Ungarn seitens der Heeresverwaltung ein Weg gewählt wurde, der die mit aller Vorsicht getroffenen österreichischen Vorkehrungen für das eigene Land lahmgelegt und die gesamte österreichische Aktion mehr oder weniger illusorisch gemacht hat." (MdI, 1916,13/6,33576) Ein von Herbert (1985, 28-35) für die reichsdeutsche Zwangsarbeiteraktion im Ersten Weltkrieg angeführter Aspekt, der bei den cisleithanischen Akten keine Erwähnung findet, ist die Notwendigkeit extremer Gewaltanwendung, um die Zivilarbeiter zu zwingen, ins Deutsche Reich zu fahren und auch dort zu bleiben. Angesichts der Brutalität (Mentzel 1985), die gegen die eigene polnische und jüdische Bevölkerung im österreichischen Teil von Polen zu Kriegsbeginn eingesetzt wurde, fehlte es den Behörden zu dieser Zeit offensichtlich nicht an Gewaltbereitschaft. Diese jedoch in den Dienst der Arbeitskräfterekrutierung zu stellen, setzte wahrscheinlich eine gesamtgesellschaftliche Skrupellosigkeit voraus, die bei der k.u.k. Militärverwaltung zu dieser Zeit womöglich doch weniger entwickelt war als bei den reichsdeutschen Kollegen.

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einzustellen." Die Ursachen für das vollständige Scheitern der Aktion werden als folgende<br />

angegeben:<br />

- "die völlig ablehnende Haltung, welche seitens der kompetenten militärischen Stellen<br />

gegenüber seinen Bitten (...) eingenommen wurde";<br />

- "die konkurrierende von der Militärverwaltung durchgeführte Anwerbung";<br />

- "die unlautere Konkurrenz durch den ungarischen Werber."<br />

"Wenn nun auch das Min. d. Innern, als dieser Antrag beim A.O.K. in Diskussion stand, im<br />

Hinblicke auf das eminente Interesse, das vom Gesichtspunkte der Heeres- und<br />

Volksapprovisionierung auch einer gedeihlichen Durchführung der Ernte in Ungarn<br />

entgegengebracht wird veranlaßt sah, jede in Aussicht genommene Maßnahme für die<br />

Sicherung der Arbeitskräfte für die ungarische Landwirtschaft seinerseits zu unterstützen,<br />

muß es dennoch als bedauerlich bezeichnet werden, dass eben wegen Mangel an<br />

entsprechenden Vorkehrungen in Ungarn seitens der Heeresverwaltung ein Weg gewählt<br />

wurde, der die mit aller Vorsicht getroffenen österreichischen Vorkehrungen für das eigene<br />

Land lahmgelegt und die gesamte österreichische Aktion mehr oder weniger illusorisch<br />

gemacht hat." (MdI, 1916,13/6,33576)<br />

Ein von Herbert (1985, 28-35) für die reichsdeutsche Zwangsarbeiteraktion im Ersten<br />

Weltkrieg angeführter Aspekt, der bei den cisleithanischen Akten keine Erwähnung findet, ist<br />

die Notwendigkeit extremer Gewaltanwendung, um die Zivilarbeiter zu zwingen, ins<br />

Deutsche Reich zu fahren und auch dort zu bleiben. Angesichts der Brutalität (Mentzel 1985),<br />

die gegen die eigene polnische und jüdische Bevölkerung im österreichischen Teil von Polen<br />

zu Kriegsbeginn eingesetzt wurde, fehlte es den Behörden zu dieser Zeit offensichtlich nicht<br />

an Gewaltbereitschaft. Diese jedoch in den Dienst der Arbeitskräfterekrutierung zu stellen,<br />

setzte wahrscheinlich eine gesamtgesellschaftliche Skrupellosigkeit voraus, die bei der k.u.k.<br />

Militärverwaltung zu dieser Zeit womöglich doch weniger entwickelt war als bei den<br />

reichsdeutschen Kollegen.

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