REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

248 - der Aufenthalt für das Land kein wirtschaftlicher Nachteil - Mittellosigkeit nicht zu befürchten Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs mussten alle wehrfähigen, feindlichen Männer zuerst nach Katzenau oder einem anderen Internierungslager geschickt werden und mussten von dort aus um Umwandlung ihres Status in den eines Konfinierten ansuchen 360 . Nach der sprunghaften Zunahme der Internierungsfälle nach dem Kriegseintritt Italiens wurde den Behörden erlaubt, besonders assimilierten und vertrauenswürdigen feindlichen Ausländern gleich im Wohnort den Konfiniertenstatus zu bewilligen. Bei Frauen aus Feindstaaten, die nicht vollständig assimiliert oder politisch bedenklich waren, war die Ausweisung vorsehen. Wenn das Familienoberhaupt wehrfähig war und wegen Unzuverlässigkeit interniert wurde, mussten alle abhängigen Familienangehörigen ausgewiesen werden. Alleinstehende Frauen oder Frauen von konfinierten Männer wurden in der Regel genauso konfiniert. Da sie weder zur Gruppe der Rädelsführer noch zu jener der gefährlichsten Personen gehörten, wurden sie durch die Tageszeitungen und über öffentliche Aushänge aufgefordert, sich freiwillig zu melden. "Ferner wurde verfügt, dass alle von der Internierung nicht betroffenen Reichsitaliener beiderlei Geschlechts konfiniert werden. Unter anderem wurde als Ergänzung zu den vorliegenden Meldeamtsdaten im Wege der Tagesblätter und mittels einer bei den Kommissariaten und Wachzimmern zu affigierenden Kundmachung eine Aufforderung an die Reichsitaliener gerichtet, sich unverzüglich bei den Polizei-Kommissariaten ihres Wohnsitzes zu melden." (MdI,1915,19/3,1814,10778) Für Frauen von internierten feindlichen Ausländern war es auch möglich, die Umwandlung ihres Status von Konfinierten oder Flüchtlingen in die eines Internierten zu beantragen. Die wenigen aktenkundigen diesbezüglichen Fälle deuten daraufhin, dass ausländische Frauen dies taten, um einerseits mit ihren internierten Ehemännern wiedervereinigt zu werden. Es ist 360 Vgl. Bericht Polizeikommissariat Wien: „Am 24. und 25. Mai wurden von den Polizeikommissariaten 665 Reichsitaliener in Gewahrsam genommen und von diesen 402 dem Polizeigefangenenhause zur Internierung übersiedelt, der Rest nach Perlustrierung wegen besonders rücksichtswürdiger Gründe, insbesondere wegen vieljähriger Sesshaftigkeit und vollkommener Unbedenklichkeit wieder entlassen und konfiniert‟ (MdI,1915,19/3,1814,10779).

249 aber andererseits nicht auszuschließen, dass dies auch eine Möglichkeit bot, eine bevorstehende Ausweisung abzuwenden. Bei Frauen kam eine zusätzliche Verschlechterung ihrer Lage hinzu, die allgemein als Härtefall erkannt wurde. Da Frauen nach der Heirat nach dem geltenden Heimat- und Staatsbürgerschaftsrecht die Zuständigkeit ihres Mannes annahmen, bedeutete die Festnahme eines reichsitalienischen Zuwanderers für seine cisleithanische Frau die Abschiebung ins Ausland. Dies traf für alle Frauen zu ,unabhängig ihrer Mutter- oder Umgangssprache. Deutschösterreichische Frauen wurden durch eine Ausnahmebestimmung von dieser Ausweisungsverordnungen befreit. "Der dortige Bericht wird mit dem Beifügen zur Kenntnis genommen, dass von der Abschiebung der Frauen und Kinder internierter Reichsitaliener in das Ausland aus humanitären Gründen ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn dieselben der einheimischen deutschen Bevölkerung angehören, nur durch Heirat die italienische Staatsbürgerschaft erworben haben und in jeder Beziehung unbedenklich sind." (BH- Feldkirch,1914-18,569,2254/713) Die Handhabung der Assimilierungsfrage im zweiten Kriegsjahr war ein Vorbote der ethnischen 361 Ausgrenzung von Staatsfremden unmittelbar nach dem Krieg. Zum ersten Mal wurde der Nationalitätenstreit innerhalb der cisleithanischen Bevölkerung systematisch und im großen Umfang auf die ausländische Bevölkerung übertragen. Das unausgesprochene Fundament dieser Politik war, dass Österreicher Deutsche wären. Feindliche Ausländer konnten sich nur dann vor Inhaftierung oder Ausweisung retten, wenn sie nachweisen konnten, dass sie nicht mehr Italiener, Russen oder Serben, sondern Deutsche geworden waren. Österreichische Frauen, die mit feindlichen Ausländern verheiratet waren, wurden durch eine solche Ehe automatisch zu feindlichen Ausländerinnen. Für den Fall, dass sie weder irredentistisch, panslawistisch noch russophil eingestellt waren, konnten sie jedoch mit ihren Kindern in Österreich bleiben, vorausgesetzt dass sie Deutsche waren. Diese Bestimmung befindet sich mit den Ausschlußbestimmungen der Option (1920-1925) im Einklang und stellt eines von vielen Beispielen von Kontinuität in der österreichischen Ausländerpolitik dar.

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aber andererseits nicht auszuschließen, dass dies auch eine Möglichkeit bot, eine<br />

bevorstehende Ausweisung abzuwenden.<br />

Bei Frauen kam eine zusätzliche Verschlechterung ihrer Lage hinzu, die allgemein als<br />

Härtefall erkannt wurde. Da Frauen nach der Heirat nach dem geltenden Heimat- und<br />

Staatsbürgerschaftsrecht die Zuständigkeit ihres Mannes annahmen, bedeutete die Festnahme<br />

eines reichsitalienischen Zuwanderers für seine cisleithanische Frau die Abschiebung ins<br />

Ausland. Dies traf für alle Frauen zu ,unabhängig ihrer Mutter- oder Umgangssprache.<br />

Deutschösterreichische Frauen wurden durch eine Ausnahmebestimmung von dieser<br />

Ausweisungsverordnungen befreit.<br />

"Der dortige Bericht wird mit dem Beifügen zur Kenntnis genommen, dass von der<br />

Abschiebung der Frauen und Kinder internierter Reichsitaliener in das Ausland aus<br />

humanitären Gründen ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn dieselben der<br />

einheimischen deutschen Bevölkerung angehören, nur durch Heirat die italienische<br />

Staatsbürgerschaft erworben haben und in jeder Beziehung unbedenklich sind." (BH-<br />

Feldkirch,1914-18,569,2254/713)<br />

Die Handhabung der Assimilierungsfrage im zweiten Kriegsjahr war ein Vorbote der<br />

ethnischen 361 Ausgrenzung von Staatsfremden unmittelbar nach dem Krieg. Zum ersten Mal<br />

wurde der Nationalitätenstreit innerhalb der cisleithanischen Bevölkerung systematisch und<br />

im großen Umfang auf die ausländische Bevölkerung übertragen. Das unausgesprochene<br />

Fundament dieser Politik war, dass Österreicher Deutsche wären. Feindliche Ausländer<br />

konnten sich nur dann vor Inhaftierung oder Ausweisung retten, wenn sie nachweisen<br />

konnten, dass sie nicht mehr Italiener, Russen oder Serben, sondern Deutsche geworden<br />

waren. Österreichische Frauen, die mit feindlichen Ausländern verheiratet waren, wurden<br />

durch eine solche Ehe automatisch zu feindlichen Ausländerinnen. Für den Fall, dass sie<br />

weder irredentistisch, panslawistisch noch russophil eingestellt waren, konnten sie jedoch mit<br />

ihren Kindern in Österreich bleiben, vorausgesetzt dass sie Deutsche waren. Diese<br />

Bestimmung befindet sich mit den Ausschlußbestimmungen der Option (1920-1925) im<br />

Einklang und stellt eines von vielen Beispielen von Kontinuität in der österreichischen<br />

Ausländerpolitik dar.

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