REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

24 Ende der Phase des Gastarbeiterabbaus (1984) auf 689,603 im Jahre 1993 und 723,483 1995 an(Biffl 1997). Der Schwenk im Asylbereich ist durch die Schließung der des Arbeitsmarktes für Gastarbeiter (1973) und die Wiedervereinigung Mitteleuropas (1989) relativ einfach zu erklären. Die liberale Flüchtlingspolitik Österreichs wurde auf seine Rolle als Transitland abgestimmt. Als diese Aufgabe nicht mehr funktional war, wurden die Gesetze der neuen Realität angepasst (Sensenig 1990, Sunjic 1995). Die widersprüchliche Entwicklung im Gastarbeiterbereich hingegen ist schwer nachvollziehbar. Das Scheitern des ÖGB und der SPÖ ist - trotz gegenteiliger Beteuerungen - offenkundig 13 . Weshalb der Ausländeranteil bei den Beschäftigten wie bei der Gesamtbevölkerung trotz rigider Ausländergesetze weiterhin steigt 14 , ist in der Tat nicht leicht eruierbar. Das Konzept der erzwungenen Komplementarität bei Gächter stellt den einzigen Versuch dar, die Ursachen dieses Phänomens in der Genese des sozialdemokratisch geprägten Fremdenrechts zu orten und darauf bauend seine Auswirkungen auf das Verhalten der Arbeitgeber zu analysieren. Dieser endogene Ansatz liegt dem Abschnitt über die Zweite Republik zugrunde 15 . 8. Mitteleuropa in der EU (1995 bis 2005) Die österreichische Zugehörigkeit zur Europäischen Union änderte zunächst einmal wenig an der Ausländerpolitik des Landes. Da beim Beitritt 1995 nur 7% der ausländischen Beschäftigten aus Unionsländern stammten (1996 waren es 7,8%), hat sich die sozialpolitische Gleichstellung dieser Personengruppe auf die Beschäftigungslage kaum 13 Diese Entwicklung ist von historischer Dimension. Seit der Gründung der Ersten Republik waren die Sozialdemokraten in der Ausländerfrage die bestimmende Kraft. Die gegenwärtige Politikunfähigkeit ist lediglich vergleichbar mit der Situation im Ständestaat, zu einer Zeit also wo es keine Gewerkschaften im westlichen Sinn gab. 14 Auch nach dem Beitritt zur EU ist der Ausländeranteil sowohl bei den Beschäftigten wie bei der Gesamtbevölkerung weiter gestiegen; bei den Arbeitnehmer (im Jahr 1996) um lediglich 100 Personen, bei der Gesamtbevölkerung von 723,483 auf 728,190 (Biffl 1997). 15 Gächter geht davon aus, daß die Spaltung des Arbeitsmarktes in den 70er und 80er Jahre dazu geführt hat, daß ausländischen Arbeitnehmer den unteren Lohnsegmenten zahlreicher Branchen dominieren. Das heißt, daß sie von inländischen Arbeitsuchende nicht mehr verdrängt werden können. Die vom Staat und der Sozialpartnern gesteuerten planmäßige Unterbezahlung von Nicht-Unionsbürger in Österreich erzielte in den 90er Jahren genau das Gegenteil als beabsichtigt wurde. Äußerst flexible und teilweise fachlich besser qualifizierte (skilled) Drittausländer aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei beginnen inflexiblen und minderausgebildeten Inländer in den unteren Beschäftigungskategorien zu verdrängen. 1996 waren 8,7% der Wohnbevölkerung und 9,9% Arbeitnehmerschaft Ausländer. Dies sind Rekordzahlen für beide Bereiche. Lediglich 7,9% aller Gastarbeiter stammen aus der Union und den EFTA- Staaten (errechnet von Biffl 1997). Seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (1993)ist der Gastarbeiteranteil um 9% gestiegen.

ausgewirkt. Von größerer Tragweite war die Besserstellung der Bürger der Türkei 16 im 25 Rahmen des EU-Assoziationsabkommens (Ortner 1988). Da diese Personengruppe auch nur eine kleinere Minderheit von lediglich 17,8% aller Gastarbeiter darstellt, ist diese Änderung nicht von durchschlagender Bedeutung. Knapp 50% aller ausländischen Beschäftigten stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. In keinem anderen EU-Staat ist der Anteil der Gastarbeiter aus dem ehemaligen realsozialistischen Raum so hoch. 42% aller Gastarbeiter besitzen die Staatsbürgerschaft des neugegründeten Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro). Eine Region dessen Chancen der EU beizutreten derzeit gleich null sind. Ein Prozent aller Gastarbeiter in Österreich sind slowenische Staatsbürger. In zwei wesentlichen Bereichen wird die europäische Harmonisierung mittelfristig die Migrationspolitik Österreichs maßgeblich verändern: die EU-Osterweiterung und die Harmonisierung der Behandlung von Drittausländern. Beide sind langfristigen Entwicklungszusammenhängen unterworfen. Im erstgenannten Bereich wird Österreich als Präsident der EU (Juli bis Dezember 1998) von Anfang an eine gestaltende Rolle 17 spielen können. Im letztgenannten Bereich wird die derzeit in Österreich vorherrschende Politikunfähigkeit vermutlich dazu führen, dass die Bestimmungen der EU dem Land mittelfristig aufgedrängt werden. Beschäftigungspolitisch spielt die Osterweiterung in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle. Seit der Süderweiterung Anfang der 80er Jahre ist der Harmonisierungsmechanismus erstmals wieder mit Beitrittskandidaten konfrontiert, die in wesentlichen wirtschaftlichen Bereichen rückständiger sind als die Kernländer der Union. Deswegen hat sich die Gestaltung der zukünftigen Freizügigkeit am Arbeitsmarkt für slowenische, ungarische, tschechische und polnische Arbeitnehmer quasi zur Bekenntnisfrage entwickelt. Werden diese neuen Unionsbürger nach dem Beitritt vorwiegend als arbeitsmarktpolitisches Phänomen betrachtet oder sollen sie - wie im Falle des Beitritts von Österreich - sofort mit allen Unionsbürgerrechten ausgestattet werden. Bei der Abwägung beider Varianten wird 16 Nach vier Jahren rechtmäßiger Beschäftigung freien Zugang zu jeder unselbständigen Beschäftigung (Befreiungsschein); nach fünfjährigem legalen Aufenthalt freien Zugang für Familienangehörige (Merkblatt, AMS-Wien, 1/98) 17 Eindeutig politische Positionen liegen derzeit von den österreichischen Arbeitnehmervertreter ÖGB/AK und den Volksgruppenverbände vor. Während die Bundesarbeiterkammer und Gewerkschaftsbund sich für unbefristete Übergangszeiten für Arbeitnehmer aus den neuen mitteleuropäischen Mitgliedsstaaten ausgesprochen haben (AK 1997) fordern Volksgruppenzentrum, Zentralverband der Kärntner Slowenen und Rat der Kärntner Slowenen eine sofortige Verwirklichung der Freizügigkeit für die neuen Unionsbürger. In der OECD-Dokumente DEELSA/ELSA/WP2(97)8 und 9 wurden beiden Variante detailliert dargestellt und begründet.

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Ende der Phase des Gastarbeiterabbaus (1984) auf 689,603 im Jahre 1993 und 723,483 1995<br />

an(Biffl 1997).<br />

Der Schwenk im Asylbereich ist durch die Schließung der des Arbeitsmarktes für<br />

Gastarbeiter (1973) und die Wiedervereinigung Mitteleuropas (1989) relativ einfach zu<br />

erklären. Die liberale Flüchtlingspolitik Österreichs wurde auf seine Rolle als Transitland<br />

abgestimmt. Als diese Aufgabe nicht mehr funktional war, wurden die Gesetze der neuen<br />

Realität angepasst (Sensenig 1990, Sunjic 1995). Die widersprüchliche Entwicklung im<br />

Gastarbeiterbereich hingegen ist schwer nachvollziehbar. Das Scheitern des ÖGB und der<br />

SPÖ ist - trotz gegenteiliger Beteuerungen - offenkundig 13 . Weshalb der Ausländeranteil bei<br />

den Beschäftigten wie bei der Gesamtbevölkerung trotz rigider Ausländergesetze weiterhin<br />

steigt 14 , ist in der Tat nicht leicht eruierbar. Das Konzept der erzwungenen Komplementarität<br />

bei Gächter stellt den einzigen Versuch dar, die Ursachen dieses Phänomens in der Genese<br />

des sozialdemokratisch geprägten Fremdenrechts zu orten und darauf bauend seine<br />

Auswirkungen auf das Verhalten der Arbeitgeber zu analysieren. Dieser endogene Ansatz<br />

liegt dem Abschnitt über die Zweite Republik zugrunde 15 .<br />

8. Mitteleuropa in der EU (1995 bis 2005)<br />

Die österreichische Zugehörigkeit zur Europäischen Union änderte zunächst einmal wenig an<br />

der Ausländerpolitik des Landes. Da beim Beitritt 1995 nur 7% der ausländischen<br />

Beschäftigten aus Unionsländern stammten (1996 waren es 7,8%), hat sich die<br />

sozialpolitische Gleichstellung dieser Personengruppe auf die Beschäftigungslage kaum<br />

13 Diese Entwicklung ist von historischer Dimension. Seit der Gründung der Ersten Republik waren die Sozialdemokraten in<br />

der Ausländerfrage die bestimmende Kraft. Die gegenwärtige Politikunfähigkeit ist lediglich vergleichbar mit der Situation<br />

im Ständestaat, zu einer Zeit also wo es keine Gewerkschaften im westlichen Sinn gab.<br />

14 Auch nach dem Beitritt zur EU ist der Ausländeranteil sowohl bei den Beschäftigten wie bei der Gesamtbevölkerung<br />

weiter gestiegen; bei den Arbeitnehmer (im Jahr 1996) um lediglich 100 Personen, bei der Gesamtbevölkerung von 723,483<br />

auf 728,190 (Biffl 1997).<br />

15 Gächter geht davon aus, daß die Spaltung des Arbeitsmarktes in den 70er und 80er Jahre dazu geführt hat, daß<br />

ausländischen Arbeitnehmer den unteren Lohnsegmenten zahlreicher Branchen dominieren. Das heißt, daß sie von<br />

inländischen Arbeitsuchende nicht mehr verdrängt werden können. Die vom Staat und der Sozialpartnern gesteuerten<br />

planmäßige Unterbezahlung von Nicht-Unionsbürger in Österreich erzielte in den 90er Jahren genau das Gegenteil als<br />

beabsichtigt wurde. Äußerst flexible und teilweise fachlich besser qualifizierte (skilled) Drittausländer aus dem ehemaligen<br />

Jugoslawien und der Türkei beginnen inflexiblen und minderausgebildeten Inländer in den unteren<br />

Beschäftigungskategorien zu verdrängen. 1996 waren 8,7% der Wohnbevölkerung und 9,9% Arbeitnehmerschaft Ausländer.<br />

Dies sind Rekordzahlen für beide Bereiche. Lediglich 7,9% aller Gastarbeiter stammen aus der Union und den EFTA-<br />

Staaten (errechnet von Biffl 1997). Seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (1993)ist der Gastarbeiteranteil um 9%<br />

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