REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

230 Habsburger Nachfolgerstaat Österreich mehrere fremde Volksgruppen 339 , unter anderem einen Teil der ungarischen Zigeunerplage. Die ursprünglich zur Diskriminierung beziehungsweise Verdrängung verabschiedeten Zigeunererlässe Cisleithaniens und Transleithaniens kamen den Roma nun zugute. Nach den Bestimmungen des deutschösterreichischen Staatsbürgerrechtsgesetz (5.12.18) und der Option bekamen nämlich alle Einwohner Österreichs, die das Heimatrecht im Inland besaßen, den Status von Angehörigen Deutschösterreichs automatisch zuerkannt (Mussak 1995). Durch die Zwangsansiedlung der Roma 1916 hatten die Behörden beider Reichshälfte die Zugehörigkeit der Mitglieder dieser Volksgruppe zu einer inländischen Heimatgemeinde zuerkennen müssen. Somit traten die burgenländischen Roma geschlossen - gemeinsam mit den kroatischen, deutschen, magyarischen Volksgruppen - in den österreichischen Volksverband über. Das Innenministerium sah sich hierdurch erneut mit dem Problem der Zigeunerplage konfrontiert. Da nur die staatsfremden Roma ausgewiesen werden konnten, wurden Möglichkeiten erwogen, das Zwangsarbeitsystem des Ersten Weltkriegs bei romani Inländern wieder einzuführen. Anläßlich einer Anfrage des deutschnationalen Abgeordneten Hans Schürff im Nationalrat am 3.Mai 1922 setzten sich die Wiener Behörden mit dem Landesverwaltungsamt für das Burgenland/Sicherheitsamt diesbezüglich in Verbindung. Nach Schürff sollten die "Zigeuner für den wirtschaftlichen Aufbau unseres Staates in Verwendung kommen". Seine Forderung nach Einführung eines Arbeitszwanges für Roma bezog sich wahrscheinlich auf die Erfahrungen mit Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg, weist aber auch Parallelen zum Arbeitsdienst im Ständestaat und der Ostmark auf. "In vielen Gemeinden des Burgenlandes artet die Zigeunerfrage zur Zigeunerplage aus. Die Zigeuner, vernachlässigt durch das System im alten Ungarn, geben heute ein Element ab, das keine aufbauende Arbeit verrichtet, das Bauern, Handwerker und die übrigen schaffenden Stände in ihrem Wirtschaftskampfe störend beeinflußt und das nicht selten sogar durch irgendwelche Delikte mit dem Strafgesetz in Konflikt gerät. Allgemein betrachtet führen sie ein Drohnendasein; sie stellen unausgenutzte, aber gesunde Arbeitskräfte vor, die irgendwie 339 Zwei der drei traditionell gemischtethnischen Reichsratsländer - Tirol und Steiermark - hatten ihre südlichen nichtdeutschen Gebiete 1918 an Italien beziehungsweise Jugoslawien abtreten müssen. Bei der Volksabstimmung in Kärnten am 10. Oktober 1920 stimmen die Slowenen in Südkärnten zu einem großen Teil für den Verbleib bei Österreich. Somit

231 in den Prozeß unseres Wirtschaftslebens eingegliedert werden müssen. (...) Für die erwachsenen Zigeuner, die schaffensfähig sind, kann vielleicht eine Arbeit beim Straßen-, Wege-, oder Eisenbahnbau im Burgenland in Frage kommen. Ist bei den Zigeunern nicht die Einsicht vorhanden, dass Arbeit die Grundlage des Lebens überhaupt darstellt, dann müßte eben die Einteilung zu einer Zwangsarbeit ins Auge gefaßt werden." (MföA,1922,2463,38792) Die Antwort des Sicherheitsamts in Sauerbrunn auf die Anfrage des Innenministeriums im Juni des gleichen Jahres - das auch an das Ministerium für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten in Durchschlag ging - sieht in groben Zügen die Wiedereinführung des Zwangsregimes der österreichischen Kriegsdiktatur bei der romani Minderheit in Burgenland vor. Obwohl aus der Aktenlage nicht klar hervorgeht, inwiefern diese offenkundig rassistisch motivierte Aufhebung der Staatsbürgerrechte für romani Burgenländer tatsächlich umgesetzt wurde, lässt sich aus den amtlichen Vorschlägen erkennen, dass diese Beamten eine Gesinnung aufwiesen, die ein nahtloses Einfügen in das Zwangsarbeiterregime des Dritten Reichs begünstigen musste. 340 "Als Maßregeln zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens werden seitens des Landesverwaltungamtes folgende Vorschläge gemacht: 1.) Festhalten der im Burgenlande zuständigen Zigeuner in ihrer Heimatgemeinde, Ausweisung (Abschiebung oder Abschaffung) aller fremden Zigeunerfamilien. Zur Durchführung dieser Maßregel wäre eine strenge Ueberwachung der zuständigen Zigeunerfamilien seitens der Gendarmerie erforderlich. Insbesondere wäre seitens der Gerichtsbehörden in Straffällen die Stellung unter Polizeiaufsicht zu verfügen. 2.) Einführung des Arbeitszwangs durch Zuweisung einer angemessenen Arbeit. Dazu wäre die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten erforderlich, wie Durchführung von Straßen- und Bahnbauten, Kanalisierungsarbeiten, u.s.w. 3. Verweigerung von Berechtigungen zu Erwerben im Unherziehen. 4.) Die Bevölkerung musste ferner durch Aufrufe dahin belehrt werden, die Arbeitsscheu der Zigeuner nicht durch Unterstützung des Bettelwesens zu fördern. (...) mußten nur das Kanaltal und Mießtal an Italien bzw. Jugoslawien (nach Vertrag von St. Germain) abgetreten werden. 1921 kam Burgenland dann zu Österreich. So gesehen war Österreich lediglich im Jahr 1919 wirklich deutsch.

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in den Prozeß unseres Wirtschaftslebens eingegliedert werden müssen. (...) Für die<br />

erwachsenen Zigeuner, die schaffensfähig sind, kann vielleicht eine Arbeit beim Straßen-,<br />

Wege-, oder Eisenbahnbau im Burgenland in Frage kommen. Ist bei den Zigeunern nicht die<br />

Einsicht vorhanden, dass Arbeit die Grundlage des Lebens überhaupt darstellt, dann müßte<br />

eben die Einteilung zu einer Zwangsarbeit ins Auge gefaßt werden."<br />

(MföA,1922,2463,38792)<br />

Die Antwort des Sicherheitsamts in Sauerbrunn auf die Anfrage des Innenministeriums im<br />

Juni des gleichen Jahres - das auch an das Ministerium für Handel und Gewerbe, Industrie<br />

und Bauten in Durchschlag ging - sieht in groben Zügen die Wiedereinführung des<br />

Zwangsregimes der österreichischen Kriegsdiktatur bei der romani Minderheit in Burgenland<br />

vor. Obwohl aus der Aktenlage nicht klar hervorgeht, inwiefern diese offenkundig rassistisch<br />

motivierte Aufhebung der Staatsbürgerrechte für romani Burgenländer tatsächlich umgesetzt<br />

wurde, lässt sich aus den amtlichen Vorschlägen erkennen, dass diese Beamten eine<br />

Gesinnung aufwiesen, die ein nahtloses Einfügen in das Zwangsarbeiterregime des Dritten<br />

Reichs begünstigen musste. 340<br />

"Als Maßregeln zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens werden seitens des<br />

Landesverwaltungamtes folgende Vorschläge gemacht:<br />

1.) Festhalten der im Burgenlande zuständigen Zigeuner in ihrer Heimatgemeinde,<br />

Ausweisung (Abschiebung oder Abschaffung) aller fremden Zigeunerfamilien. Zur<br />

Durchführung dieser Maßregel wäre eine strenge Ueberwachung der zuständigen<br />

Zigeunerfamilien seitens der Gendarmerie erforderlich. Insbesondere wäre seitens der<br />

Gerichtsbehörden in Straffällen die Stellung unter Polizeiaufsicht zu verfügen.<br />

2.) Einführung des Arbeitszwangs durch Zuweisung einer angemessenen Arbeit. Dazu wäre<br />

die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten erforderlich, wie Durchführung von Straßen- und<br />

Bahnbauten, Kanalisierungsarbeiten, u.s.w.<br />

3. Verweigerung von Berechtigungen zu Erwerben im Unherziehen.<br />

4.) Die Bevölkerung musste ferner durch Aufrufe dahin belehrt werden, die Arbeitsscheu der<br />

Zigeuner nicht durch Unterstützung des Bettelwesens zu fördern. (...)<br />

mußten nur das Kanaltal und Mießtal an Italien bzw. Jugoslawien (nach Vertrag von St. Germain) abgetreten werden. 1921<br />

kam Burgenland dann zu Österreich. So gesehen war Österreich lediglich im Jahr 1919 wirklich deutsch.

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