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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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"Allerdings darf nicht außer acht gelassen werden, dass diese (Wandergewerbescheine, E.S.)<br />

auf Grund von Lizenzen und daher behördl. Aut. Gewerbeausübungen für Zigeuner eine der<br />

wenigen Möglichkeiten redlichen Broterwerbes bedeuten." (MföA,1914,2463,9130)<br />

An dem Entzug der Möglichkeiten eines redlichen Broterwerbs scheint es jedoch dem<br />

Innenministerium und den Landesregierungen Oberösterreichs und Salzburgs gelegen<br />

gewesen zu sein. Im Vergleich zu den Sicherheitsbedenken der österreichischen Gemeinden<br />

scheinen die übergeordneten Grundrechte der Gewerbe- und Bewegungsfreiheit und das<br />

freisinnige Prinzip der Gleichbehandlung aller Staatsangehörigen zweitrangig gewesen zu<br />

sein. Knapp zwei Wochen nach dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand (28.06.1914)<br />

teilte das Handelsministerium dem Ministerium des Inneren mit, dass es nun doch bereit sei,<br />

"soferne es dem k.k./. als wünschenswert erscheinen sollte, zur Bekämpfung des<br />

Zigeunerunwesens dadurch beizutragen, dass es an die untenstehenden Gewerbebehörden<br />

eine Weisung des Inhaltes erlässt, bei Ausstellung und Verlängerung von Lizenzen für die im<br />

Umherziehen betriebenen gewerblichen Verrichtungen an Zigeuner mit der größten<br />

Rigorosität vorzugehen (...)" sei. Die "Erteilung eines Hauerierpasses an Zigeuner (war nun)<br />

beinahe aus dem Bereich der Möglichkeit" gerückt worden. (MföA,1914,2463,9130) Roma<br />

wurde es somit indirekt verboten, die Berufe, die sie traditionell am besten beherrschten,<br />

auszuüben. Sie konnten nun ohne weiteres jederzeit aufgegriffen und wegen Erwerbslosigkeit<br />

aus jeder beliebigen fremden Gemeinde in ihre Heimatgemeinde in den Nordosten<br />

Cisleithaniens, nach Ungarn oder ins Ausland abgeschoben werden. Der a priori Ausschluß<br />

einer Volksgruppe aus der gewerblichen Arbeit stellt einen Präzedenzfall dar, der<br />

(womöglich) Anfang der Ersten Republik Schule machte. Zum ersten Mal seit 1867 standen<br />

bei einer arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Entscheidung ethnische Gesichtspunkte im<br />

Vordergrund. Die Migrationsfrage wurde somit reethnisiert.<br />

(sei es) gelungen, eine ganze Reihe von Zigeunerfamilien zur seßhaften Lebensweise zu bringen und dort anzusiedeln.<br />

Dieselben gehen einem regelmäßigen Erwerbe als Taglöhner und Feldarbeiter nach und werden vielfach auch bei<br />

öffentlichen Bau- und Regulierungsarabeiten beschäftigt, wobei die Gemeindevorsteher auf den regelmäßigen Schulbesuch<br />

der Kinder hinwirken. Das Dpt. 7 glaubt daher, daß es nicht zweckmäßig wäre, besondere Weisungen an die<br />

Gewerbebehörde in Bezug auf die Ausstellung von Gewerbescheinen an Zigeuner zu erlassen (...). Da auch das Dpt. 6 gegen<br />

eine solche Maßnahme in Bezug auf die Ausstellung von Hausierpässen sich ausgesprochen hat, würden nur die vom Dpt. 9<br />

beabsichtigten Weisungen bezgl. Die Ausstellung und Verlängerung von Lizenzen für die im Umherziehen betriebenen<br />

gewerblichen Verrichtungen erübrigen. (MföA,1914,2463,9130).

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