REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

224 Zigeunerbekämpfung gab. Bei beiden Herangehensweisens geht es um eine generelle Verfolgung der Roma, die sich auf eine a priori Annahme stützt, dass die Roma als Volksgruppe an sich zur Kriminalität neigen. Streitpunkt scheint nicht das Ziel, sondern die Methode zu sein. Interessanterweise verrät die sonst für ihre Romafeindlichkeit bekannte Statthalterei in Wien (John/Lichtblau 1990, 289) eine ausgesprochen humane Einstellung in diesen Akten, die auf eine gewisse Treue zum liberalen Gleichbehandlungsgrundsatz der Gründerzeit schließen lässt. Bereits 1907 lehnt die Wiener Statthalterei nämlich eine Erteilung von "generellen Weisungen an alle Landesstellen", wonach Roma de facto von der Ausstellung von Wandergewerbescheinen ausgeschlossen werden sollten, ab. "Eine besonders strikte Anwendung dieser Bestimmungen (Hausierpatents und Normal-Erlass von 23.12.1881, E.S.) einer bestimmten Bevölkerungsklasse gegenüber ausdrücklich aufzutragen, erscheine übrigens leicht als eine gehässige Massnahme, und wäre geeignet, die gleichmässige Handhabung der betreffenden Normen zu beirren, daher ein solcher Auftrag, und zwar auch gegenüber den Zigeunern nach Tunlichkeit besser vermieden wird. Ebenso wenig erscheint es erforderlich, wegen dieses vereinzelten Falles, der sich zudem bereits vor längerer Zeit (1906) zutrug, der Bh. Bruck a.d. Mur eine Ausstellung zu machen." (MföA,1908,2463,32382) Durch die Forderung, dass Roma allgemein von der Ausübung von Wandergewerben ausgeschlossen werden sollten, wollte man sie daran hindern, sich außerhalb ihrer Heimatgemeinde kriminell betätigen zu können. Dieser Vorschlag stammte 1907 von Alfred von Lenz, nachdem im Jahr zuvor einige Roma Frauen beim Stehlen festgenommen wurden jedoch nicht entsprechend seine Vorstellungen bestraft werden konnten. Lenz verlangte, dass die ganze Zigeunerbande abgeschoben und ihnen die Gewerbescheine entzogen werden sollten. 333 Obwohl dieser Forderung 1907/1908 von den Behörden nicht entsprochen werden könnte, blieb dieser Ansatz bei der Zigeunerbekämpfung bis zum Ersten Weltkrieg aktuell. Der oberösterreichische Landtag wendete sich mit einem ähnlichen Anliegen 1911 an das Ministerium für Inneres (MföA,1911,2463,5752). In der oben zitierten Stellungnahme aus dem Land Salzburg (Landesregierung), wurde bemängelt, dass obwohl viele durchziehende 332 Hierzu gehörten Arbeitsbuch, Heimatschein, Gewerbebewilligung oder Gewerbekonzession. 333 Vgl. (MföA,1908,2463,32382). „Zu dieser Eingabe, sah sich Lenz veranlasst, weil sich der Fall ereignete, dass in der Lilienfelder Gegend anlässlich eines Diebstahles durch Zigeunerinnen, gegen die Truppe, welcher diese angehörten, nicht in entsprechender Weise vorgegangen werden konnte, weil deren Mitglieder teilweise mit ordnungsmässigen Hausierscheinen von mährischen und böhmischen Bezirkshauptmannschaften versehen gewesen seien.‟ Mitglieder dieser Zigeunerbande,

225 Roma ohne Ausweis angetroffen wurden, es fast immer vorkam, dass Mitglieder ihrer Banden giltige Gewerbescheine vorweisen konnten. Diese amtlichen Dokumente galt es nun im allgemeinen den Zigeunern zu entwenden. "Ein positiver durchgreifender Erfolg in der Bekämpfung der Zigeunerplage wird nur dann zu gewärtigen sein, wenn den zu diesem Zwecke ergangenen oberbehördlichen Weisungen mit gleicher Energie voll und ganz entsprochen werden." (MföA,1913,2463,17718) 334 Schließlich eruierte das Innenministerium beim Handelsministerium Anfang 1914, inwiefern die Vorwürfe der politischen Landesbehörden stimmten, wonach Roma "allerlei Lizenzen und Gewerbescheine aus(ge)fertigt würden, deren Besitz die Deckung für bestimmungsloses Herumziehen bilde und die entsprechende Behandlung der Zigeuner erschwert." (MföA,1914,2463,9130). Das Handelsministerium blieb bei seiner Verteidigung der wirtschaftlichen Gleichbehandlung von allen Gewerbetreibenden in Österreich und machte darauf aufmerksam, dass ausländische Roma ohnehin nicht hausieren dürften. "Ausländer sind nach §3 des Hausierpatentes vom Hausierhandel ausgeschlossen. In Oesterreich (Böhmen, Mähren, Bukowina) sind nach einer allerdings nicht authentischen Quelle (Mayer's Konversationslexikon) bloß 16.000 Zigeuner ansässig (in Ungarn 170.000). Es kommt also für die Erteilung von Hausierbewilligungen von vornherein eine übrigens auch notorisch nur sehr wenig bedeutende Zahl von Zigeuner in Frage." (MföA,1914,2463,9130) Das Ministerium räumte offen ein, dass es in einem rigorosen Vorgehen bei der Ausstellung und Verlängerung von Lizenzen für Regenschirmausbessern, Kesselflicker, Pferdehändler und akrobatische und Tanzproduktionen "ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens erblickt werden" dürfte. Die Beamten des Handelsministerium betonten aber gegenüber ihren Kollegen beim Ministerium des Inneren, dass würde man dies tatsächlich tun, so würde man die romani Österreicher direkt in die Illegalität treiben. 335 stellte die BH Bruck a.d. Mur fest, waren tatsächlich mit Wandergewerbescheinen für Regenschirmausbessern, Pferdehandel wie auch teilweise mit Arbeitsbücher versehen. 334 Die Salzburger Landesregierung empfahlen folgendes, um die Zigeunerplage zu beseitigen: „Von den in diesem Belange den Behörden zu Gebote stehenden Maßnahmen empfehlen sich bekanntlich besonders die Einschränkung der Ausstellung von Gewerbescheinen zur Ausübung der Wanderungsgewerbe, besonders des Gewerbes der Fieranten, die Verweigerung von Musiklizenzen, das Verbot der Mitnahme schulpflichtiger Kinder, das Verbot und Bestrafung des Umherziehens in Banden überhaupt, strenge Handhabung des Flurschutzgesetzes. Fälle von Seßhaftmachung von Zigeunern in hiesigen Gemeinden sind nicht angezeigt worden.‟ (MföA,1913,2463,17718) 335 Darüber hinaus hieß es amtsintern im Handelsministerium, daß solche Zwangsmaßnahmen das eigentliche Ziel der Zigeunerpolitik, die Seßhaftmachung auf freiwilliger Basis gar nicht dienlich seien. „(In) zahlreichen Bezirken des Landes

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Roma ohne Ausweis angetroffen wurden, es fast immer vorkam, dass Mitglieder ihrer<br />

Banden giltige Gewerbescheine vorweisen konnten. Diese amtlichen Dokumente galt es nun<br />

im allgemeinen den Zigeunern zu entwenden. "Ein positiver durchgreifender Erfolg in der<br />

Bekämpfung der Zigeunerplage wird nur dann zu gewärtigen sein, wenn den zu diesem<br />

Zwecke ergangenen oberbehördlichen Weisungen mit gleicher Energie voll und ganz<br />

entsprochen werden." (MföA,1913,2463,17718) 334 Schließlich eruierte das Innenministerium<br />

beim Handelsministerium Anfang 1914, inwiefern die Vorwürfe der politischen<br />

Landesbehörden stimmten, wonach Roma "allerlei Lizenzen und Gewerbescheine<br />

aus(ge)fertigt würden, deren Besitz die Deckung für bestimmungsloses Herumziehen bilde<br />

und die entsprechende Behandlung der Zigeuner erschwert." (MföA,1914,2463,9130). Das<br />

Handelsministerium blieb bei seiner Verteidigung der wirtschaftlichen Gleichbehandlung von<br />

allen Gewerbetreibenden in Österreich und machte darauf aufmerksam, dass ausländische<br />

Roma ohnehin nicht hausieren dürften.<br />

"Ausländer sind nach §3 des Hausierpatentes vom Hausierhandel ausgeschlossen. In<br />

Oesterreich (Böhmen, Mähren, Bukowina) sind nach einer allerdings nicht authentischen<br />

Quelle (Mayer's Konversationslexikon) bloß 16.000 Zigeuner ansässig (in Ungarn 170.000).<br />

Es kommt also für die Erteilung von Hausierbewilligungen von vornherein eine übrigens<br />

auch notorisch nur sehr wenig bedeutende Zahl von Zigeuner in Frage."<br />

(MföA,1914,2463,9130)<br />

Das Ministerium räumte offen ein, dass es in einem rigorosen Vorgehen bei der Ausstellung<br />

und Verlängerung von Lizenzen für Regenschirmausbessern, Kesselflicker, Pferdehändler<br />

und akrobatische und Tanzproduktionen "ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des<br />

Zigeunerunwesens erblickt werden" dürfte. Die Beamten des Handelsministerium betonten<br />

aber gegenüber ihren Kollegen beim Ministerium des Inneren, dass würde man dies<br />

tatsächlich tun, so würde man die romani Österreicher direkt in die Illegalität treiben. 335<br />

stellte die BH Bruck a.d. Mur fest, waren tatsächlich mit Wandergewerbescheinen für Regenschirmausbessern, Pferdehandel<br />

wie auch teilweise mit Arbeitsbücher versehen.<br />

334 Die Salzburger Landesregierung empfahlen folgendes, um die Zigeunerplage zu beseitigen: „Von den in diesem Belange<br />

den Behörden zu Gebote stehenden Maßnahmen empfehlen sich bekanntlich besonders die Einschränkung der Ausstellung<br />

von Gewerbescheinen zur Ausübung der Wanderungsgewerbe, besonders des Gewerbes der Fieranten, die Verweigerung<br />

von Musiklizenzen, das Verbot der Mitnahme schulpflichtiger Kinder, das Verbot und Bestrafung des Umherziehens in<br />

Banden überhaupt, strenge Handhabung des Flurschutzgesetzes. Fälle von Seßhaftmachung von Zigeunern in hiesigen<br />

Gemeinden sind nicht angezeigt worden.‟ (MföA,1913,2463,17718)<br />

335 Darüber hinaus hieß es amtsintern im Handelsministerium, daß solche Zwangsmaßnahmen das eigentliche Ziel der<br />

Zigeunerpolitik, die Seßhaftmachung auf freiwilliger Basis gar nicht dienlich seien. „(In) zahlreichen Bezirken des Landes

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