REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

206 2) Im Gegensatz zu den Fortschritten in anderen sozialpolitischen Bereichen (Arbeitszeit, Sicherheit, Sozialversicherung usw.), spielte die Migration als Komponente der sozialen Reform keine Rolle. 3) Bis 1914 wurde Migration staatlicherseits hauptsächlich als Themenkomplex vorwiegend wirtschaftliche Natur betrachtet. Versuche des Kriegsministeriums, des Innenministeriums und der Polizeibehörden, die Frage Migration vom Handelsministerium hin zum Innenministerium zu verlagern, gingen mit einer verschobenen Wahrnehmung dieses Themenkomplexes Hand in Hand. 4) Die Bekämpfung des Schlepperwesens in den zwei Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges stand im Spannungsverhältnis zwischen den Zielsetzungen des Handels- und Kriegsministeriums. Während das Handelsministerium eine Nationalisierung der Wanderungsbewegungen anstrebte, um somit den Umsatz der österreichischen Transportunternehmen und Häfen zu steigern, stellten das Kriegsministerium und mit ihm das Innenministerium die Bekämpfung der illegalen Auswanderung von Rekruten in den Vordergrund. 5) Die 1913/1914 abgeschlossene Vereinbarung zwischen dem Handelsministerium und dem Pool der atlantischen Reedereien entsprach den Interessen sowohl des österreichischen Staates wie der Mehrheit der Schiffahrtsgesellschaften. 6) Große Verlierer hierbei waren einerseits die Parteien, die sich am vehementesten für eine soziale Gestaltung der Wanderungspolitik bei gleichseitiger Aufrechterhaltung der Freizügigkeit einsetzten - also die Liberalen und Sozialdemokraten - und andererseits die Migranten selber, die weiterhin lediglich als Verdienstquelle und Sicherheitsrisiko verstanden wurden. Am Ende der Monarchie gab es in Österreich somit keine Migrationspolitik im herkömmlichen Sinn. Wie andernorts bereits beschrieben wurde, bedeutete die Migration hin zu den urbanen Ballungszentren bzw. ländlichen Industriesiedlungen und agrarischen Großbetrieben fast ausschließlich Binnenwanderung. Die grenzüberschreitende Gestaltungsaufgabe der Zentralregierung lag bei der Aus- und Durchwanderung. In allen drei

207 Bereichen konnten jedoch keine Ergebnisse erzielt werden. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde der proletarische Internationalismus zu Grabe getragen. Nach dem Weltkrieg und der Zerschlagung des Kaiserreichs übernahmen die Sozialdemokraten die Initiative für die Migrationspolitik. Aus der sozialpolitischen Konkursmasse ergaben sich für den neugegründeten Staat Deutschösterreichs mehrere Alternativen. Die Ursachen für die wanderungspolitischen Entscheidungen in der Ersten Republik sind zu einem großen Teil in den Eckdaten der in diesem Bereich nicht existierenden Politik in der Monarchie zu suchen.

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Bereichen konnten jedoch keine Ergebnisse erzielt werden. Mit dem Ausbruch des Ersten<br />

Weltkriegs wurde der proletarische Internationalismus zu Grabe getragen. Nach dem<br />

Weltkrieg und der Zerschlagung des Kaiserreichs übernahmen die Sozialdemokraten die<br />

Initiative für die Migrationspolitik. Aus der sozialpolitischen Konkursmasse ergaben sich für<br />

den neugegründeten Staat Deutschösterreichs mehrere Alternativen. Die Ursachen für die<br />

wanderungspolitischen Entscheidungen in der Ersten Republik sind zu einem großen Teil in<br />

den Eckdaten der in diesem Bereich nicht existierenden Politik in der Monarchie zu suchen.

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