REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

4. Kontinuität und Diktatur (1934-1938) 20 Im Ständestaat änderte sich an der Ausrichtung der österreichischen Ausländerpolitik wenig. Von besonderem Interesse bei der Erforschung dieser vier Jahre klerikal-faschistischer Diktatur ist die Tatsache, dass sie die einzige Periode darstellt, in dem Christlichsoziale - ohne direkte Beeinflussung demokratischer Gewerkschaften und der Sozialdemokratie - Ausländerpolitik allein gestalten konnten. Auffallend ist, dass das Inlandarbeiterschutzgesetz unverändert in Kraft blieb. Auch der von dem Sozialdemokratischen Nationalratsabgeordneten und Landarbeitergewerkschafter Pius Schneeberger durchgesetzte Paritätische Beirat für Wanderarbeiter in der Landwirtschaft berät über die jährliche Kontingentverteilung bis kurz vor dem Anschluss. Trotz zahlreicher Versuche der niederösterreichischen und burgenländischen Großgrundbesitzer, die Ausländerbeschäftigungspolitik zu liberalisieren, blieb das Wanderungsamt des BKA und die öffentliche Zentralstelle zur Vermittlung landwirtschaftlicher Wander-(Saison-)Arbeiter (Öfzet) beim bereits 1923 eingeschlagenen Kurs. 5. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus (1938-1945) Während der siebenjährigen Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich wurden die Ausländerbestimmungen der Okkupanten nur langsam übernommen. Das Inlandarbeiterschutzgesetz blieb bis April 1941 im Kraft. Erst danach wurde es von einem reichsdeutschen Gesetz verdrängt, das allerdings auch demokratischen Ursprungs war, nämlich die oben erwähnte Verordnung über ausländische Arbeitnehmer der bürgerlichen Schleicher Regierung vom 23. Jänner 1933. Dieses Gesetz tritt wiederum erst 1976 außer Kraft. Beide Gesetze fanden also sowohl in demokratischen wie faschistischen Systemen ihre Anwendung. Die Frage der Kontinuität in der Ausländerpolitik zwischen Diktatur und Demokratie wurde im deutschsprachigen Raum vor allem in den 1980er Jahre kontrovers diskutiert. Ergebnis dieses vor allem zwischen Historiker der DDR und BRD geführten Meinungsstreit ist, dass die Natur des politischen Systems weniger wichtig ist als die Frage Krieg oder Frieden. Das System der Menschenvernichtung durch Arbeit wurde bei den begannen die reichsdeutschen Landesarbeitsämter und österreichische IBKs „unmittelbar Zusammenzuwirken‟. (MfSVer,1926,494,15375)

21 Ausländern erst mit dem Eroberungsfeldzug gegen Polen 1939 schrittweise eingeleitet. Nach Meinung des führenden westdeutschen Experten auf diesem Gebiet, Ulrich Herbert (1985) war es das Resultat eines Lernprozesses, der sich bis zum Zwangsarbeitereinsatz im Ersten Weltkrieg zurückverfolgen lässt. Das wesentliche an der faschistischen Ausländerpolitik im Krieg ist, dass der Staat die Interessensabwägung seitens der Ausländer selber ausschalten musste. Sowohl im reichsdeutschen wie im österreichischen faschistischen Staat bedienten sich die Behörden der Ausländergesetze, die in der bürgerlichen Demokratie geschaffen wurden, um die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber gleichermaßen zu disziplinieren. Im Ständestaat sorgte eine durchschnittlich 24%ige Arbeitslosenrate; im Dritten Reich eine ideologisch motivierte Fremdenfeindlichkeit für eine äußerst restriktiven Zuwanderungspolitik. In beiden Systemen hätte eine Liberalisierung der jeweiligen Beschäftigungsbestimmungen zu einer massiven Arbeitnehmerrekrutierung seitens der Landwirtschaft geführt. Die teilweise Entrechtung der Fremdarbeiter im österreichischen und reichsdeutschen faschistischen System hinderte die vorwiegend polnischen, tschechoslowakischen und italienischen Wanderarbeiter nicht daran, in beiden Ländern Beschäftigung zu suchen. Sie stammten nämlich jeweils aus Regionen ihres Landes, in dem sie schlechter verdienten als im Ausland. Aus diesem Grund war die Androhung einer polizeirechtlichen Ausweisung, um eine Anpassung der Fremdarbeiter an die neuen Spielregeln des faschistischen Systems zu erzwingen in der Regel als Druckmittel ausreichend. Bei den ausländischen Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und KZ-Insassen des Zweiten Weltkriegs fiel diese wirksame Disziplinierungsmaßnahme weg (Dohse 1981, 122- 5). 6. Eigenstaatlichkeit im Kalten Krieg Österreich ist es während der zehn Jahre, in dem es von den Alliierten besetzt wurde gelungen, die rund Halbe Million volksdeutscher Aussiedler, Flüchtlinge und Vertriebenen, die im Lande bleiben mussten, fast vollständig zu integrieren. Die meisten fremdsprachigen Zwangs- und Gastarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Überlebenden wurden durch internationale Hilfsorganisationen ins Ausland vermittelt oder wanderten illegal - vorwiegend nach Palästina - aus (Carlin 1989; Stanek 1985). Während der Übergangszeit von der bürgerlichen zur Volksdemokratie in den Anrainerstaaten (etwa 1947 bis 1950) verhielten

4. Kontinuität und Diktatur (1934-1938)<br />

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Im Ständestaat änderte sich an der Ausrichtung der österreichischen Ausländerpolitik wenig.<br />

Von besonderem Interesse bei der Erforschung dieser vier Jahre klerikal-faschistischer<br />

Diktatur ist die Tatsache, dass sie die einzige Periode darstellt, in dem Christlichsoziale -<br />

ohne direkte Beeinflussung demokratischer Gewerkschaften und der Sozialdemokratie -<br />

Ausländerpolitik allein gestalten konnten. Auffallend ist, dass das Inlandarbeiterschutzgesetz<br />

unverändert in Kraft blieb. Auch der von dem Sozialdemokratischen<br />

Nationalratsabgeordneten und Landarbeitergewerkschafter Pius Schneeberger durchgesetzte<br />

Paritätische Beirat für Wanderarbeiter in der Landwirtschaft berät über die jährliche<br />

Kontingentverteilung bis kurz vor dem Anschluss. Trotz zahlreicher Versuche der<br />

niederösterreichischen und burgenländischen Großgrundbesitzer, die<br />

Ausländerbeschäftigungspolitik zu liberalisieren, blieb das Wanderungsamt des BKA und die<br />

öffentliche Zentralstelle zur Vermittlung landwirtschaftlicher Wander-(Saison-)Arbeiter<br />

(Öfzet) beim bereits 1923 eingeschlagenen Kurs.<br />

5. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus (1938-1945)<br />

Während der siebenjährigen Zugehörigkeit Österreichs zum Deutschen Reich wurden die<br />

Ausländerbestimmungen der Okkupanten nur langsam übernommen. Das<br />

Inlandarbeiterschutzgesetz blieb bis April 1941 im Kraft. Erst danach wurde es von einem<br />

reichsdeutschen Gesetz verdrängt, das allerdings auch demokratischen Ursprungs war,<br />

nämlich die oben erwähnte Verordnung über ausländische Arbeitnehmer der bürgerlichen<br />

Schleicher Regierung vom 23. Jänner 1933. Dieses Gesetz tritt wiederum erst 1976 außer<br />

Kraft. Beide Gesetze fanden also sowohl in demokratischen wie faschistischen Systemen ihre<br />

Anwendung. Die Frage der Kontinuität in der Ausländerpolitik zwischen Diktatur und<br />

Demokratie wurde im deutschsprachigen Raum vor allem in den 1980er Jahre kontrovers<br />

diskutiert. Ergebnis dieses vor allem zwischen Historiker der DDR und BRD geführten<br />

Meinungsstreit ist, dass die Natur des politischen Systems weniger wichtig ist als die Frage<br />

Krieg oder Frieden. Das System der Menschenvernichtung durch Arbeit wurde bei den<br />

begannen die reichsdeutschen Landesarbeitsämter und österreichische IBKs „unmittelbar Zusammenzuwirken‟.<br />

(MfSVer,1926,494,15375)

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