14.02.2013 Aufrufe

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

195<br />

Um an der Auswanderung seiner Bürger verdienen zu können, schloß der ungarische Staat<br />

1904 mit der englischen Cunard Line ein Sonderabkommen ab, wonach die Tätigkeit der bis<br />

dorthin großteils illegal operierenden Cunard-Agenten von der Regierung lizensiert wurde.<br />

Durch eine zusätzliche Verschärfung der Kontrolle der Arbeit der konkurrierenden, weiterhin<br />

verbotenen Agenturen sollten die heimischen Migranten gezwungen werden, mit der Cunard<br />

Line über Fiume nach Übersee zu fahren. Dieses Abkommen fiel zeitlich mit dem<br />

Handelskrieg zwischen Cunard und dem von den Norddeutschen kontrollierten Pool<br />

zusammen und war somit zum gegenseitigen Nutzen beider Vertragspartner. Die Interessen<br />

der eigenen Staatsbürger, denen es ab nun nicht mehr erlaubt sein sollte, mit der Konkurrenz<br />

zu fahren, vertraten nur noch die Schlepperbanden, die weiterhin die Optionen<br />

Norddeutschland oder - via Innsbruck und Buchs - Le Havre, Antwerpen und Rotterdam im<br />

Angebot führten.<br />

Der durch die Monopolisierung der Auswanderung via Fiume begünstigten Cunard Line<br />

wurde versprochen, dass jährlich mindestens 30.000 Ungarn mit ihrer Gesellschaft nach<br />

Amerika segeln würden. Um diese Quote zu erreichen, sah sich der ungarischen Staat<br />

genötigt - neben der Verschärfung der Schlepperbekämpfung - selber in das Agentenwesen<br />

einzuschalten. Nach einem Bericht des amerikanischen Einwanderungsinspektors Marcus<br />

Braun im Jahre 1904 führte die Abmachung zwischen Ungarn und Cunard dazu, dass sich die<br />

königliche Polizei direkt als Schlepper betätigte. Dies wurde sogar vom Premierminister Graf<br />

Stephan Tisza gegenüber Braun zugegeben. Da nicht nur die ungarischen, sondern genauso<br />

die amerikanischen Migrationsgesetze die bewußte Aufforderung zur Auswanderung<br />

verboten, erklärte sich Tisza bereit, den Einstieg des Staates ins Migrationsgeschäft zu<br />

überdenken. Dieses Einlenken ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Braun auch die<br />

"American Action" des ungarischen Königs als assimilierungsfeindlich kritisierte.<br />

"Braun suchte dabei nicht nur Informationen, sondern bemühte sich auch darum, den<br />

ungarischen Politiker über inneramerikanische Probleme aufzuklären, die mit der ungarischen<br />

Einwanderung verbunden waren. Er wies vor allem auf die Tätigkeit nationalistischer<br />

Organisationen hin, die bemüht seien, die Einwanderer von der Assimilation und der<br />

Einbürgerung abzuhalten. Tizsa gab in dem Gespräch die Zusicherung, dass die der Cunard<br />

Line gegebene Garantie von 30.000 Auswanderern zurückgenommen werde, falls die<br />

302 vgl. Glettler 1980, 112.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!