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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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191<br />

sämtliche größere Ballungszentren der USA eigene Reisebüros, in denen ähnlich den heutigen<br />

Fluggesellschaften, die großen Dampferlinien Kartenvermittlungen an die<br />

auswanderungswilligen Freunde und Verwandten in Europa anboten. Die Hapag allein<br />

verfügte in diesem Jahr bereits über 3.200 solcher Verkaufsstellen, die Red Star Line und<br />

Anchor Line über 1.800 bzw. 1.500. Zehn Jahre später - im Jahre 1901 - schätzte die United<br />

States Industrial Commission, dass der Anteil der europäischen Einwanderer, die entweder<br />

mit Prepaids oder mittels Geldüberweisung aus Amerika ausreisten, bei rund 65% lag. Die<br />

Dienstleistungen des "prepaid passage system" nahmen sowohl Migranten aus den "alten"<br />

Auswanderungszentren in Skandinavien und Großbritannien wie auch jene aus den "neuen"<br />

Auswanderungsländern Süd-, Ost- sowie Mitteleuropas gleichermaßen in Anspruch. 297<br />

Die Schlepperbanden der norddeutschen Reedereien waren in der Verbreitung der Prepaids in<br />

Mittel- und Ostmittel-Europa spezialisiert. Friedrich Mißler führte seinen großen Erfolg im<br />

Verdrängungswettbewerb um den magyarischen, slowakischen und kroatischen Markt auf die<br />

besondere Beliebtheit dieses Zahlungs- und Organisationssystems zurück. Mißler erhielt von<br />

seinem Auftraggeber, der Norddeutschen Lloyd in Bremen, wöchentlich eine Liste der für<br />

seine Betreuungsgebiete vorgekauften Karten samt Interimsscheine zugesandt. Die Karten<br />

wurden dann, mit Wissen des örtlichen Gemeindevorstandes mit einem behördlichen<br />

Vermerk an die begünstigte Partei ausgehändigt. Dies berechtigte ihn zur Ausreise über die<br />

österreichisch-deutsche Grenze und zur Weiterfahrt nach Bremen. Wo diese Methode nicht<br />

möglich war, schaltete Mißler seinen Subagenten ein. 298<br />

Mißlers Konkurrenz arbeitete selbstredend genauso mit in Amerika vorbezahlten Karten. Da<br />

ihre russischen, ungarischen und österreichischen Kunden in der Regel mit - für die Häfen<br />

Liverpool, Rotterdam, Antwerpen und Le Havre bestimmten - Prepaids die deutsche Grenze<br />

nicht passieren konnten, mussten sie notgedrungen durch Westösterreich und die Schweiz.<br />

Eine besondere Dienstleistung des Schweizer Schlepperzentrums in Buchs war die<br />

Aufbewahrung der Reisemittel und Schiffskarten außerhalb der Grenzen von Österreich für<br />

diejenigen, die illegal auswandern mussten. Das Netzwerk der Subagenten informierte den<br />

begünstigten Stellungsflüchtling über den Vorverkauf einer Karte in Amerika und<br />

organisierte seine heimliche Abreise und seinen Übertritt über die Grenze. Sobald er in Buchs<br />

296 Jones 1992, 89.<br />

297 Jones 1992, 160.

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