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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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173<br />

"Eine besonders wirksame Art ihrer Werbung war das Versenden fingierter Dankesbriefe<br />

durch die Agentur an die daheim gebliebenen Verwandten der Auswanderer. Die Briefe<br />

waren von Angestellten der Expeditionsfirma in Hamburg geschrieben und von den<br />

Auswanderern selbst nur unterzeichnet worden. In den Texten kam der Dank der<br />

Auswanderer an die Agentur für die Organisation der Reise nach Hamburg und die<br />

Unterbringung bis zur Einschiffung zum Ausdruck". 253<br />

Friedrich Mißler war selber für die Rekrutierung von Migranten aus Kroatien und Ungarn<br />

zuständig. Im Auftrag der Norddeutschen Lloyd baute er ab 1885 ein Netzwerk von mehreren<br />

Tausend Agenten und Subagenten auf, die offiziell nicht nach seinen Anweisungen, sondern<br />

autonom agierten. In der Regel gelang es den Behörden nur zweit- und drittrangige Werber<br />

und Schlepper zu verhaften. Dieses Netzwerk von "Winkelagenten" schützte die Bremer und<br />

Hamburger Agenten nicht nur vor unmittelbarer gesetzlicher Verfolgung, sondern verlieh<br />

ihnen auch die notwendigen Ortskenntnisse und Vertrauen in die Auswanderungsregionen,<br />

die sie brauchten, um der Polizei und dem Innenministerium jahrzehntelang zu entkommen.<br />

In vielen Fällen hatten sich die illegalen reichsdeutschen Agenturen bis Anfang der 10er Jahre<br />

so gut assimiliert und etabliert, dass sie sich kaum noch verstecken mussten. Die Wiener<br />

"Neue Zeitung" berichtete in ihrer Sonntagsausgabe vom 28. September 1913 beispielsweise,<br />

dass<br />

"Mißler dieses unsaubere Geschäft in Österreich (betreibe), da der Norddeutsche Lloyd selbst<br />

diese bedenkliche Sache nicht mit seiner Konzession decken (könne). Die Firma Mißler<br />

verfügt in unsere Monarchie über ein großzügiges Netz von Winkelagenten und geht mit ihrer<br />

Agitation äußerst unverfroren vor. So hat sie in Kroatien einer ganzen Reihe von Pfarrkirchen<br />

Uhren gespendet, die in großen Lettern auf das Auswanderungsgeschäft Mißlers aufmerksam<br />

machen (...). Die Firma Mißler hat in den letzten zwei Jahrzehnten so viele militärpflichtige<br />

Personen über die Grenze geschafft, dass ihre Zahl ein österreichisches Armeekorps von<br />

Rekruten repräsentieren würde". 254<br />

Die Hauptagenten der Werbungsagenturen mussten vor allem vor Ort bekannt sein und genug<br />

Einfluß haben, um das Schleppergeschäft für längere Zeit unbehelligt von den<br />

253 Just 1988, 51-52.<br />

254 Die Neue Zeitung, Nr. 266 vom 28.9.1913, S.1, zitiert nach Just 1988, S.53.

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