14.02.2013 Aufrufe

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

153<br />

Während Bauer die österreichischen Frauen auffordert, mehr und gesündere Kinder zu<br />

gebären, um dadurch mittelfristig den kulturell fremden Zuwanderer vom<br />

deutschöstereichischen Arbeitsmarkt zu verdrängen, will Varga arbeitsmarktpolitische<br />

Maßnahmen einführen, um die Standortbedingungen am Ausgangspunkt der Auswanderung<br />

zu verbessern. Es stehen hierbei ein biologistisches deutschnationales Sozialismuskonzept<br />

einem ökonomistischen kosmopolitischen Sozialismusentwurf gegenüber.<br />

Da es niemals zur Anwendung der drei österreichischen grenzüberschreitenden<br />

Wanderungsgesetzentwürfe (1904, 1908, 1912/1913) kam, konnten diese zwei sich<br />

widersprechenden Positionen innerhalb der österreichisch-ungarischen Sozialdemokratie nie<br />

die tatsächlichen politischen Entscheidungen in Österreich beeinflussen. In den drei hier<br />

behandelten Beiträgen von Julius Fischer in "Der Kampf" zur Auswanderung wird aber<br />

deutlich, dass die biologistischen Ansätze von Otto Bauer in der Migrationsdebatte dieser<br />

Jahre keine reale Rolle spielten. Fischers Artikel verdeutlichen vielmehr, dass die<br />

revisionistischen Ansätze, die bereits in der Frage der Arbeitsbeiräte und der<br />

Arbeiterausschüsse wirksam wurden 227 , auch in der Wanderungspolitik tragfähig gewesen<br />

wären, wäre es jemals zu einer ernsthaften Diskussion der Wanderungspolitik im Reichsrat<br />

gekommen. Durch die Hinwendung zum Staat als Träger einschneidender sozialer Reformen<br />

im Migrationsbereich befand sich Fischer somit in der ideologischen Nähe des ungarischen<br />

Sozialdemokraten Eugen Varga.<br />

In den Jahren unmittelbar vor dem Beginn des "österreichischen Jahrzehnts der<br />

Auswanderung" (1900-1910) hatte sich innerhalb der Sozialdemokratie hinsichtlich der Rolle<br />

der Sozialpolitik eine Wandlung vollzogen. Die frühe Arbeiterbewegung sah in den sozialen<br />

Reformen eine Voraussetzung für die Sicherung der Reproduktion ihrer Arbeitskräfte. Mit<br />

der Durchsetzung von Sicherheits-, Gesundheits-, Wohlfahrts- und<br />

Mitbestimmungsregelungen erhofften sie sich eine Verbesserung ihrer gesellschaftlichen<br />

Stellung. Dadurch sollte ihre Schlagkraft im Kampf mit den Unternehmern und dem dieser<br />

Klasse dienenden "Klassenstaat" erhöht werden. Ziel war eine revolutionäre Umwälzung der<br />

Klassenverhältnisse und die Übernahme der staatlichen Macht durch die Arbeiterklasse. Am<br />

Ende des 19. Jahrhunderts erkannte die inzwischen revisionistisch eingestellte Führung der<br />

Sozialdemokratie in der Sozialpolitik eine Möglichkeit, ihren Führungsanspruch durch die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!