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REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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142<br />

Das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wird vielerseits als "österreichisches Jahrzehnt der<br />

Überseewanderung" bezeichnet. In diesen Jahren ist es Österreich-Ungarn gelungen, den<br />

wenig ruhmreichen Platz Nummer eins in der Amerikawanderung einzunehmen und somit<br />

das an chronischer Übervölkerung leidende Italien erstmals auf Platz zwei zu verdrängen.<br />

Diese Entwicklung kam, bedenkt man die niedrigen Lebensverhältnisse und geringen<br />

Aufstiegschancen in den nordöstlichen und südöstlichen Gebieten der Monarchie, nicht<br />

unerwartet. Hier unterschieden sich die verarmten Regionen Italiens und Österreich-Ungarns<br />

kaum voneinander. Bei der politischen Gestaltung der Auswanderung lagen die beiden<br />

benachbarten Staaten jedoch weit voneinander entfernt. Italien galt zu Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts als das auswanderungspolitische Musterland schlechthin. Sowohl die dem<br />

Außenministerium angeschlossenen Zentralbehörden wie auch die regionalen und lokalen<br />

Auswanderungskomitees galten zu dieser Zeit als vorbildlich. Die Bewunderung für die<br />

Effizienz Italiens in dieser Frage reichte in Wien, von den staatskritischen Sozialdemokraten<br />

angefangen über die systemkonforme Wissenschaft bis hin zur "Oesterreichisch-Ungarischen<br />

Colonialgesellschaft". 207 Österreich - noch vielmehr als Ungarn - stellte zur gleichen Zeit das<br />

europäische Schlußlicht im Bereich der Auswanderungspolitik dar. Wurde das im Jahre 1909<br />

in Kraft getretene ungarische "Gesetz über die Auswanderung" als von "engherzige(n)<br />

Emigrationsverbote(n), die deutlich den Stempel der feudalagrarischen Macht tragen"<br />

gekennzeichnet und "durch den Missbrauch, den es in der berüchtigten Praxis der<br />

magyarischen Polizei" gibt, als kaum funktionstüchtig verurteilt, 208 so hatte es das ungarische<br />

Parlament immerhin zuwege gebracht, ein Auswanderungsgesetz zu verabschieden und in die<br />

Praxis umzusetzen. Österreich stand im "Jahrzehnt der österreichischen Überseewanderung"<br />

als einziges Auswanderungsland Europas ohne Auswanderungsgesetz da. 209<br />

An Versuchen, dieses gestalterische Vakuum zu füllen, hat es nach der Jahrhundertwende<br />

nicht gemangelt. Neben der oben erwähnten Grundsatzdebatte über den Ausbau oder<br />

Einschränkung der Freizügigkeit wurden drei Regierungsentwürfe für ein österreichisches<br />

Auswanderungsgesetz, und zwar in den Jahren 1904, 1908 und 1912/1913 entwickelt. Die<br />

drei Initiativen konnten aber bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht zur Abstimmung<br />

gebracht werden. Obwohl alle drei Entwürfe die Transitwanderung nur am Rand betreffen, ist<br />

207 vgl. Srbik 1911, Fischer 1909, Zentralauswanderungsamt, österr.ung. Colonialgesellschaft, ÖStA/AVA, MdI/Präs, Kt:<br />

662/P.Nr.14241/1913 (AIS:I/16/14241/1913).<br />

208<br />

Fischer 1909, 87.<br />

209<br />

vgl. Srbik 1911.

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