REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

136 dieser Aufforderung widersetzte, wurde mit der "Aburteilung wegen unbefugter Auswanderung" bedroht. Erst dann konnte die Heimatbehörde die strafweise Aufhebung der Staatsbürgerschaft beantragen. 193 Eine wesentliche Erleichterung brachte das Staatsgrundgesetz von 1867. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Auswanderung nicht mehr formell kontrolliert. Nach dem Grundgesetz war die "Freiheit der Auswanderung (...) von Staatswegen nur durch die Wehrpflicht beschränkt". Das Wehrgesetz bestimmte, unter welchen Bedingungen Männer im wehrpflichtigen Alter eine Entlassung aus der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit eine legale Auswanderung aus Österreich bewirken konnten. 194 Nach dem Wehrgesetz und den dazugehörigen Erlässen mussten militärtaugliche Männer ihre Wehrpflicht zwischen dem 17. und 36. Lebensjahr erfüllen, bevor sie längerfristig ins Ausland reisen durften. Betroffene österreichische Staatsangehörige konnten "die Erfüllung der Wehrpflicht durch eines der nachstehenden Dokumente" belegen: "1.) durch den Nachweis der Militärtaxpflicht; 2.) durch die Bescheinigung des Austrittes aus dem gemeinsamen Heere, der Kriegsmarine, der k.k. Landwehr, wenn die Bescheinigung nicht die Erklärung enthält, dass der Inhaber noch stellenpflichtig ist; 3.) durch den Abschied: 4.) durch das Landsturmbefreiungszertifikat oder den Landsturmpass; 5.) durch die behördliche Bescheinigung der Entlassung aus der Wehrpflicht (§ 62 des Wehrgesetzes); 6.) durch die behördliche Bestätigung, dass der Inhaber von jeder Dienstpflicht enthoben ist (Dienstpflichtenthebungsschein)". Verdächtige ungarische Staatsbürger mussten "sich - auf Grund der von der königlichen ungarischen Regierung gestellten Anforderung - ausnahmslos mittels eines von der zuständigen Heimatbehörde ausgestellten Passes ausweisen". Verdächtige bosnisch- herzegowinische Landesangehörigen "ist dieselbe Ausweisleistung wie für die ungarischen 192 vgl. Faßmann 1996. 193 betr.: Ausbürgerung von Conte Vojnovic, Aeusserung des Dep.21a, ÖStA/AVA, MdI/Präs, Kt: 1550/P.Nr.1069/1903 (AIS:I/39/1069/1903).

137 Staatsangehörigen" oder aber "die von der Landesregierung für Bosnien und die Herzegovina ausgestellten 'Auswanderungszertifikate' (zu fordern)." Bei sonstigen eventuellen Verdächtigen genügt "der Nachweis der ausländischen Staatsbürgerschaft, bei Personen, die das 17. Lebensjahr noch nicht erreicht oder das 36. vollendet haben, der Altersnachweis". 195 Es gab kein umfassendes Abkommen mit den benachbarten Staaten, wonach Österreich- Ungarn sich beispielsweise verpflichtet hätte russische, rumänische, serbische, montenegrinische, italienische, schweizerische oder reichsdeutsche Stellungsflüchtlinge abzufangen und bei den jeweiligen Heimatbehörden nach einem vorbestimmten Modus (etwa wie die modernen Schubabkommen) abzuliefern. 196 Um die unbefugte Auswanderung von österreichischen und die illegale Durchwanderung von ungarischen bzw. bosnisch-herzegowinischen Wehrpflichtigen zu verhindern, wurden seitens des Wiener Innenministeriums in Zusammenarbeit mit dem Budapester Innenministerium eine Reihe von Maßnahmen getroffen. Hierbei galten zwei "Leitende Gesichtspunkte", die gleichwertig nebeneinander standen, nämlich die "Verhütung von Wehrpflichtverletzungen" und die "Nichtbeeinträchtigung des allgemeinen Verkehrs". Im Gegensatz zur Ersten und Zweiten Republik wollte das k.k. Innenministerium am Anfang des Jahrhunderts "jede(n) überflüssige(n) Eingreife(n)" seitens der Grenzbehörden vorbeugen. Der allgemeine Verkehr, aber vor allem der tägliche Grenzverkehr der Bewohner grenznaher Gemeinden bzw. der internationale Transport sollte "derart gehandhabt werden, dass dadurch nicht eine Beunruhigung und Störung des Reiseverkehrs oder der Eindruck polizeilicher Behelligungen wachgerufen werden kann." Unbedingt zu vermeiden galt "ein Anstauen an der Grenze und hiemit eine unbewältigbare Arbeitslast der Grenzpolizeiorgane". Männliche Reisende, die entweder eindeutig unter 17 oder über 36, wehrdienstuntauglich, ausländische Staatsbürger, in dienstlicher Mission oder Menschen "deren Rückkehr durch ihren Dienstverband gesichert erscheint; wie beispielsweise Handlungsreisende" waren, wurden überhaupt nicht kontrolliert. Amtsbekannte wehrpflichtige Grenzbewohner, die beruflich regelmäßig ins Ausland mussten, erhielten zeitlich begrenzt, in der Regel 14tägige Passierschiene. Wehrpflichtige Reisende, die unbefugterweise ins Ausland wollten, sollten bereits in der Heimatgemeinde abgefangen 194 betr.: Ausbürgerung von Conte Vojnovic, Aeusserung des Dep.21a, ÖStA/AVA, MdI/Präs, Kt: 1550/P.Nr.1069/1903 (AIS:I/39/1069/1903). 195 betr. K.K. Ministerium 19.1.14, „Verhütung von Wehrpflichtverletztungen, in: k.k. Staatshalterei Innsbruck, Grenzüberschreitung, Landesarchiv Vorarlberg, Bezirksamt und Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Rep. 14/24, 1914-1918, Karton: 568 (AIS:XXI/32/1914).

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Staatsangehörigen" oder aber "die von der Landesregierung für Bosnien und die Herzegovina<br />

ausgestellten 'Auswanderungszertifikate' (zu fordern)." Bei sonstigen eventuellen<br />

Verdächtigen genügt "der Nachweis der ausländischen Staatsbürgerschaft, bei Personen, die<br />

das 17. Lebensjahr noch nicht erreicht oder das 36. vollendet haben, der Altersnachweis". 195<br />

Es gab kein umfassendes Abkommen mit den benachbarten Staaten, wonach Österreich-<br />

Ungarn sich beispielsweise verpflichtet hätte russische, rumänische, serbische,<br />

montenegrinische, italienische, schweizerische oder reichsdeutsche Stellungsflüchtlinge<br />

abzufangen und bei den jeweiligen Heimatbehörden nach einem vorbestimmten Modus (etwa<br />

wie die modernen Schubabkommen) abzuliefern. 196<br />

Um die unbefugte Auswanderung von österreichischen und die illegale Durchwanderung von<br />

ungarischen bzw. bosnisch-herzegowinischen Wehrpflichtigen zu verhindern, wurden seitens<br />

des Wiener Innenministeriums in Zusammenarbeit mit dem Budapester Innenministerium<br />

eine Reihe von Maßnahmen getroffen. Hierbei galten zwei "Leitende Gesichtspunkte", die<br />

gleichwertig nebeneinander standen, nämlich die "Verhütung von Wehrpflichtverletzungen"<br />

und die "Nichtbeeinträchtigung des allgemeinen Verkehrs". Im Gegensatz zur Ersten und<br />

Zweiten Republik wollte das k.k. Innenministerium am Anfang des Jahrhunderts "jede(n)<br />

überflüssige(n) Eingreife(n)" seitens der Grenzbehörden vorbeugen. Der allgemeine Verkehr,<br />

aber vor allem der tägliche Grenzverkehr der Bewohner grenznaher Gemeinden bzw. der<br />

internationale Transport sollte "derart gehandhabt werden, dass dadurch nicht eine<br />

Beunruhigung und Störung des Reiseverkehrs oder der Eindruck polizeilicher Behelligungen<br />

wachgerufen werden kann." Unbedingt zu vermeiden galt "ein Anstauen an der Grenze und<br />

hiemit eine unbewältigbare Arbeitslast der Grenzpolizeiorgane". Männliche Reisende, die<br />

entweder eindeutig unter 17 oder über 36, wehrdienstuntauglich, ausländische Staatsbürger,<br />

in dienstlicher Mission oder Menschen "deren Rückkehr durch ihren Dienstverband gesichert<br />

erscheint; wie beispielsweise Handlungsreisende" waren, wurden überhaupt nicht kontrolliert.<br />

Amtsbekannte wehrpflichtige Grenzbewohner, die beruflich regelmäßig ins Ausland mussten,<br />

erhielten zeitlich begrenzt, in der Regel 14tägige Passierschiene. Wehrpflichtige Reisende,<br />

die unbefugterweise ins Ausland wollten, sollten bereits in der Heimatgemeinde abgefangen<br />

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betr.: Ausbürgerung von Conte Vojnovic, Aeusserung des Dep.21a, ÖStA/AVA, MdI/Präs, Kt: 1550/P.Nr.1069/1903<br />

(AIS:I/39/1069/1903).<br />

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betr. K.K. Ministerium 19.1.14, „Verhütung von Wehrpflichtverletztungen, in: k.k. Staatshalterei Innsbruck,<br />

Grenzüberschreitung, Landesarchiv Vorarlberg, Bezirksamt und Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Rep. 14/24, 1914-1918,<br />

Karton: 568 (AIS:XXI/32/1914).

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