REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

120 Zuhilfenahme von Agenten und anderen Mittelspersonen die Arbeiter aufzunehmen. Die Auslagen bestehen hierbei in den Reisekosten, den an die Arbeiter ertheilten Vorschüssen und den entrichteten Agentengebühren." 164 Nach dem Ersten Weltkrieg dauerten die Versuche der Gewerkschaft, die staatsfremden Ziegelarbeiter endlich vom Arbeitsmarkt zu verdrängen. Diese Bemühungen dauerten von 1921 bis zum Inkrafttreten des Inlandsarbeiterschutzgesetzes. Nach die Verabschiedung des IASG 1926 gelang es den Vertretungen der inländischen Arbeiter dann aber doch, weil Ziegeleien überschaubarer als Großbaustellen und weitläufige landwirtschaftliche Betriebe sind und die nicht genehmigte Weiterbeschäftigung dadurch leichter eruierbar war. d. Zucker Was die Zuwanderung in der Zuckerindustrie anbelangt, stellt Mataya fest, dass die überwiegende Mehrzahl aller Zuckerarbeiter aus der Slowakei stammte. Kleinere, jedoch im Verhältnis kaum bedeutende Kontingente werden in Mähren und Bayern angeworben. Angeworben wird vor allem durch "Landwirtschaften großen Umfangs". Die slowakischen Zuckerarbeiter zählten einige tausend und arbeiteten mit wenigen Ausnahmen bei den großen böhmischen Domänen. Dies ist deshalb notwendig geworden, weil die böhmischen Landarbeiter in einem immer höheren Ausmaß in die cisleithanischen Alpenländern, nach Niederösterreich und ins Ausland abwanderten. Nach dem Ersten Weltkrieg könnte Deutschösterreich lediglich 6% seines eigenen Zuckerbedarfs selber decken. Bis Ende der Ersten Republik wurde die heimische Anbaufläche um das Zehnfache vergrößert. Die Zuckerproduktion ist genauso saisonabhängig wie die Bau- und Ziegelindustrie. Bei der Zuckerproduktion entfielen zu dieser Zeit rund 80% der Arbeitstage auf den Sommer. 165 Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass ein Teil der slowakischen Zuckerarbeiter, die ab der Expansionsphase in der Zuckerindustrie im Jahr 1923/1924 nach Österreich zuzuwandern begannen, in Böhmen früher unter ähnlichen Bedingungen gearbeitet hatten. In diesem Fall handelte es sich jedoch tatsächlich um eine Neuzuzug von ausländischen Arbeitskräften, da die Zuckerindustrie massiv ausgebaut wurde 164 Mataya 1898, 293 165 Pelz 1994, 30.

121 nach dem Krieg. Es ist aber zu fragen, ob sich in so kurzer Zeit so viele deutschösterreichischen Zuckerarbeiter hätten anwerben lassen, um damit die Ausländerbeschäftigung nicht erst aufkommen zu lassen? e. sonstige Branchen Viel Industriezweige waren nicht notwendigerweise regelmäßigen saisonalen Schwankungen in der Produktion ausgesetzt und beschäftigten dennoch viele Ausländer. Wirtschaftsbereiche in den es 1898 zu ähnlichen netzwerkartigen Zuwanderungserscheinungen kam - wie bei den "großen Drei", Bau, Zucker, Ziegel - waren: - tschechisch-, südslawisch- und italienischsprachige Zuwanderer in der Glas- und Torferzeugungsindustrien der Steiermark und Salzburgs; - böhmische und welschtiroler Zuwanderer im Kupferbergbau und Marmorabbau in Salzburg; - Böhmen und Welschtiroler bei der Berg- und Hüttenindustrie der Steiermark; - italienischsprachige Textilarbeiter bei der Verlagsindustrien Vorarlbergs. In diesen Industrien stellten in der Regel Capi, Factoren (Textil) oder sogenannte Paßführer (Bergbau) Partien zusammen und wanderten in ethnisch geschlossenen Gruppen von der Heimatregion zum Arbeitsort. In einigen Fällen wurden sogar Mitarbeiter, die nicht aus der betroffenen Region stammten, dorthin geschickt, um Parteien zusammenzustellen; so groß war die Nachfrage nach Arbeitskräfte. Schließlich kam es in nicht seltenen Fällen vor, dass reisende Verkaufsagenten einer Firma beauftragt wurden, Industriearbeiter aus anderen Industrieregionen abzuwerben. Dies wurde dem Handelsministerium aus der Glasindustrie berichtet. Von all diesen Einzelbereichen während der Monarchie sind - nach Mataja - Beschwerden der Gewerkschaften an das Sozialministerium nur aus der Glasindustrie in größerem Umfang bekannt. Die Wanderungsnetzwerke in diesen Industrien waren eher auf bestimmte Großbetriebe oder spezialisierte Regionen beschränkt, anstatt wie im Falle des Baugewerbes, der Zuckerindustrie und Ziegeleien flächendeckend in einer Industrie in ganz Österreich verteilt. Angesichts der unzulänglichen Aktenlage ist deshalb kaum feststellbar, ob es sich bei der Zuwanderung in den Jahren nach 1919 tatsächlich um die Wiederbelebung alter Wanderungsrouten oder, wie dies die Gewerkschaft behauptet hat, um Neuzuwanderung

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Zuhilfenahme von Agenten und anderen Mittelspersonen die Arbeiter aufzunehmen. Die<br />

Auslagen bestehen hierbei in den Reisekosten, den an die Arbeiter ertheilten Vorschüssen und<br />

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Nach dem Ersten Weltkrieg dauerten die Versuche der Gewerkschaft, die staatsfremden<br />

Ziegelarbeiter endlich vom Arbeitsmarkt zu verdrängen. Diese Bemühungen dauerten von<br />

1921 bis zum Inkrafttreten des Inlandsarbeiterschutzgesetzes. Nach die Verabschiedung des<br />

IASG 1926 gelang es den Vertretungen der inländischen Arbeiter dann aber doch, weil<br />

Ziegeleien überschaubarer als Großbaustellen und weitläufige landwirtschaftliche Betriebe<br />

sind und die nicht genehmigte Weiterbeschäftigung dadurch leichter eruierbar war.<br />

d. Zucker<br />

Was die Zuwanderung in der Zuckerindustrie anbelangt, stellt Mataya fest, dass die<br />

überwiegende Mehrzahl aller Zuckerarbeiter aus der Slowakei stammte. Kleinere, jedoch im<br />

Verhältnis kaum bedeutende Kontingente werden in Mähren und Bayern angeworben.<br />

Angeworben wird vor allem durch "Landwirtschaften großen Umfangs". Die slowakischen<br />

Zuckerarbeiter zählten einige tausend und arbeiteten mit wenigen Ausnahmen bei den großen<br />

böhmischen Domänen. Dies ist deshalb notwendig geworden, weil die böhmischen<br />

Landarbeiter in einem immer höheren Ausmaß in die cisleithanischen Alpenländern, nach<br />

Niederösterreich und ins Ausland abwanderten.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg könnte Deutschösterreich lediglich 6% seines eigenen<br />

Zuckerbedarfs selber decken. Bis Ende der Ersten Republik wurde die heimische<br />

Anbaufläche um das Zehnfache vergrößert. Die Zuckerproduktion ist genauso saisonabhängig<br />

wie die Bau- und Ziegelindustrie. Bei der Zuckerproduktion entfielen zu dieser Zeit rund 80%<br />

der Arbeitstage auf den Sommer. 165 Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass ein Teil der<br />

slowakischen Zuckerarbeiter, die ab der Expansionsphase in der Zuckerindustrie im Jahr<br />

1923/1924 nach Österreich zuzuwandern begannen, in Böhmen früher unter ähnlichen<br />

Bedingungen gearbeitet hatten. In diesem Fall handelte es sich jedoch tatsächlich um eine<br />

Neuzuzug von ausländischen Arbeitskräften, da die Zuckerindustrie massiv ausgebaut wurde<br />

164 Mataya 1898, 293<br />

165 Pelz 1994, 30.

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