REICHSFREMDE, STAATSFREMDE UND DRITTAUSL?NDER

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14.02.2013 Aufrufe

106 Stammbelegschaft einen zweiten wesentlichen Vorteil gegenüber der internen, in der Region des Bauvorhabens heimatberechtigten beziehungsweise ansässigen Belegschaft auf. Sie hatte nämlich Zugriff auf ein scheinbar unbegrenztes Reservoir von gleichsprachigen Hilfsarbeitskräften. Am Ende des 19. Jahrhunderts fanden sich die externen Stammbelegschaften in unterschiedliche Entwicklungsphasen des Übergangs zu internen Stammbelegschaften. Mataya wies am Beispiel der Reichshauptstadt Wien nach, dass sich die ethnische Segregierung der Bauarbeiterpartien in vier Kategorien unterscheiden ließ. Gruppe I: ÜBERGANG VON EXTERNER ZU INTERNER STAMMBELEGSCHAFT. Der Übergang von externer zur internen Stammbelegschaft war um 1900 fast abgeschlossen. Auch in den Fällen wo die Partieführer noch saisonal zuwanderten und die Winter in der Heimatgemeinde verbrachten, war die überwiegende Mehrheit ihrer Hilfsarbeiter in Wien ansässig beziehungsweise sogar heimatberechtigt. Gruppe II: INTERNALISIERUNG DER EXTERNEN STAMMBELEGSCHAFT. Der Übergang von externer zur internen Stammbelegschaft hat bereits begonnen, befindet sich jedoch um 1900 in einer frühen Entwicklungsphase. Partieführer und Hilfsarbeiter kehren noch im Herbst in die Heimatgemeinden zurück. Im Frühjahr wandern die Hilfsarbeiter sehr früh teils als Parteien, teils selbständig nach Wien. Die ethnisch segregierte Partien werden ansatzweise direkt vor Ort gebildet. Gruppe III: INTAKTE EXTERNE STAMMBELEGSCHAFT. Die Hilfsarbeiter kehren gemeinsam mit ihren Partieführern im Herbst in die Heimatgemeinden. Die Parteiführer bleiben im Winter in Kontakt mit der Baufirma. Im Frühjahr werden in der Heimatregion neue Partien gebildet, die geschlossen nach Wien anreisen. Gruppe IV: EXTERNE RANDBELEGSCHAFT. 152 Über die Frage des Personalitäts- und Territorialistätsprinzips und seine Übertragung von der nationalen auf die soziale Frage wird andernorts eingegangen.

107 Ein Partieführer bildet ohne Aufforderung einer Baufirma eigenständig eine Partie und versucht in Wien oder anderswo auf eigene Faust für sich und seine Leute Beschäftigung zu finden. Diese "Desparado"-Erscheinung wirkt nur dann lohndrückend, wenn die Baufirmen wegen kurzfristiger Vorteile interne und externe Stammbelegschaften kurzer Hand mit solchen Arbeiterpartien zu ersetzen versuchen. Diese vier Formen der externen Parteianwerbung waren nach Mataya in den 1890er Jahren in Wien wie folgend ethnisch aufgegliedert: Gruppe I: "aus den südöstlichen Bezirken Böhmens stammenden Ziegelmaurer". Gruppe II: "Arbeiter deutscher Zunge aus den westungarischen Comitaten". Gruppe III: "aus den Bezirken Trient, Rovereto, Tione, Cles, Borgo, Primiero in Tirol", "aus den italienischen Landschaften Venetien, Lombardei, Piemont, Emilia und Romagna", "aus Krain und aus dem Küstenland". Gruppe IV: "Aus Galizien stammende Arbeiter", "Ein großer Theil der italienischen Arbeiterpartien". Beruflich deckten die vier Gruppen auch unterschiedliche Bereiche des Wiener Bauarbeitermarktes ab. Auch der Anteil der Frauen und Jugendliche schwankte sehr stark. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Hilfsarbeitern und Partieführern ist bei den Gruppen I und II schwach, bei den Gruppen III und IV dafür besonders stark ausgeprägt. Nach Mataya sah die Aufschlüsselung 1898 wie folgend aus. Gruppe I: Die Partieführer aus Böhmen trafen "sehr häufig in Begleitung von Handlangern und Frauenpersonenen" ein. Durch die Niederlassung HunderttausenderTschechen in Wien können die Hilfsarbeiter aus dem lokalen Arbeitsmarkt fast vollständig angeworben werden. Die ethnische Segregierung ist in Auflösung begriffen, da "Unternehmer, Baugesellschaften und Baumeister, welche bei den Ziegelmauerungen böhmische Maurer beschäftigen, ihren Bedarf an solchen Arbeitskräften durch den alljährlich erfolgenden und in den letzten Jahren erhöhten Zuspruch derselben ohneweiters decken" könnten.

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Ein Partieführer bildet ohne Aufforderung einer Baufirma eigenständig eine Partie und<br />

versucht in Wien oder anderswo auf eigene Faust für sich und seine Leute Beschäftigung zu<br />

finden. Diese "Desparado"-Erscheinung wirkt nur dann lohndrückend, wenn die Baufirmen<br />

wegen kurzfristiger Vorteile interne und externe Stammbelegschaften kurzer Hand mit<br />

solchen Arbeiterpartien zu ersetzen versuchen.<br />

Diese vier Formen der externen Parteianwerbung waren nach Mataya in den 1890er Jahren in<br />

Wien wie folgend ethnisch aufgegliedert:<br />

Gruppe I: "aus den südöstlichen Bezirken Böhmens stammenden Ziegelmaurer".<br />

Gruppe II: "Arbeiter deutscher Zunge aus den westungarischen Comitaten".<br />

Gruppe III: "aus den Bezirken Trient, Rovereto, Tione, Cles, Borgo, Primiero in Tirol", "aus<br />

den italienischen Landschaften Venetien, Lombardei, Piemont, Emilia und Romagna", "aus<br />

Krain und aus dem Küstenland".<br />

Gruppe IV: "Aus Galizien stammende Arbeiter", "Ein großer Theil der italienischen<br />

Arbeiterpartien".<br />

Beruflich deckten die vier Gruppen auch unterschiedliche Bereiche des Wiener<br />

Bauarbeitermarktes ab. Auch der Anteil der Frauen und Jugendliche schwankte sehr stark.<br />

Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Hilfsarbeitern und Partieführern ist bei den<br />

Gruppen I und II schwach, bei den Gruppen III und IV dafür besonders stark ausgeprägt.<br />

Nach Mataya sah die Aufschlüsselung 1898 wie folgend aus.<br />

Gruppe I: Die Partieführer aus Böhmen trafen "sehr häufig in Begleitung von Handlangern<br />

und Frauenpersonenen" ein. Durch die Niederlassung HunderttausenderTschechen in Wien<br />

können die Hilfsarbeiter aus dem lokalen Arbeitsmarkt fast vollständig angeworben werden.<br />

Die ethnische Segregierung ist in Auflösung begriffen, da "Unternehmer, Baugesellschaften<br />

und Baumeister, welche bei den Ziegelmauerungen böhmische Maurer beschäftigen, ihren<br />

Bedarf an solchen Arbeitskräften durch den alljährlich erfolgenden und in den letzten Jahren<br />

erhöhten Zuspruch derselben ohneweiters decken" könnten.

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