Schüler-Austausch Projekt 2008 - Hamburg - Sarajevo
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zwei Millionen Menschen umgebracht. Ist dieses<br />
Verbrechen aufgearbeitet worden, sind die Verantwortlichen<br />
zur Rechenschaft gezogen worden,<br />
schaut man der Wahrheit ins Gesicht?<br />
F. Duve: Es gibt zarte Anfänge, aber nicht viele. Zum<br />
30. Jahrestag der Machtübernahme der Roten Khmer<br />
hat man gerade der Millionen Opfer des Pol-<br />
Pot-Regimes gedacht, aber es waren nur etwa 200<br />
Menschen, die bei einer buddhistischen Zeremonie<br />
in einem der sogenannten „Killing fields“ vor einem<br />
mit Menschenschädeln gefüllten Turm Räucherstäbchen<br />
angezündet haben. Aber noch wurde keiner der<br />
einstigen Khmer-Führer vor Gericht gestellt.<br />
W.W.: Wie sehen Sie den jüngsten Völkermord,<br />
den von 1994 in Ruanda? Wird er durch die Dorfgerichte<br />
richtig aufgearbeitet, oder ist dies angesichts<br />
der Massen von Tätern gar nicht vollständig<br />
möglich?<br />
F. Duve: Angesichts der Fehler, die wir Europäer in<br />
diesen Regionen gemacht haben, möchte ich diese<br />
Prozesse nicht von außen beurteilen. Aber in der<br />
Sache war dieser Völkermord eines der schlimmsten<br />
Menschheitsverbrechen nach Auschwitz.<br />
Der ganze Mensch ist<br />
gefragt<br />
W.W.: Was empfehlen Sie einem jungen Menschen<br />
von heute, damit er keinen politischen Lügen auf<br />
den Leim geht, der Wahrheit ins Gesicht sieht und<br />
sich der eigenen Verantwortung stellt?<br />
F. Duve: Hier bin ich sehr zurückhaltend. Aber es geht<br />
grundsätzlich immer um Solidarität für das Leben<br />
anderer und um Wahrheit für das eigene Leben. Ich<br />
würde den jungen Menschen raten, daß sie sich zwar<br />
dem beruflichen Lebenskampf stellen müssen, aber<br />
daß es immer Regeln der Fairneß geben muß, und ich<br />
würde sie darauf hinweisen, wie gefährlich die Abkehr<br />
von demokratischen Grundprinzipien ist. Aber da ich<br />
viel mit Jugendlichen rede, interessieren mich meist<br />
die Fragen und Überlegungen der Jugendlichen mehr<br />
als meine eigenen. Das ist mir in meiner Jugend auch<br />
so ergangen.<br />
Besonders wichtig ist es aber für junge Menschen,<br />
sich mit Erfahrungen zu konfrontieren und nicht nur<br />
theoretische und abstrakte Lerninhalte aufzUSAmmeln<br />
bzw. nur vor dem Computer zu sitzen. Denn der<br />
Computer vermittelt keinerlei Erfahrung. Wenn man<br />
richtig und fest im Leben stehen will, dann sollte das<br />
Leben sowohl aus den Erfahrungen verschiedener<br />
Lebensumstände und der positiven Auseinandersetzung<br />
mit anderen Kulturen als auch aus dem Aufnehmen<br />
verschiedenster Lerninhalte bestehen.<br />
Leider wird in vielen Berufen immer weniger der ganze<br />
Mensch gefragt, weil immer mehr Arbeitsfelder<br />
von Maschinen übernommen werden, und diese<br />
Industrialisierung des Individuums für berufliche Tätigkeit<br />
kann auch das soziale Verständnis beschädigen.<br />
Und das kann zu unreflektierten Sehnsüchten<br />
vieler Jugendlicher führen, was man jetzt z.B. bei der<br />
Papstwahl gesehen hat. Ich halte es schon für sehr<br />
bedenklich, welchen Zulauf der letzte und der jetzige<br />
Papst durch Jugendliche bekamen, wenn man nur<br />
bedenkt, daß beide mit dazu beigetragen haben, daß<br />
in Afrika Hunderttausende von hiv-verseuchten Kindern<br />
geboren wurden, und wenn man sieht, wie der<br />
neue Papst das Unglück der Frauen in seinem eleganten<br />
römischen Hofstaat fortlächelt. Diese Päpste-<br />
Euphorie spiegelt aber die bedenkliche Lage junger<br />
Menschen von heute.<br />
© Flensburger Heft Verlag<br />
Flensburger Heft 88 Frühjahr 2005<br />
Unterstützungs Brief<br />
Dr. Hans Koschnick, * 2. April 1929 in Bremen<br />
Vom 23. Juli 1994 bis zum 2. April 1996 war Koschnick<br />
von der Europäischen Union als EU-Administrator für<br />
Mostar in Bosnien-Herzegowina mit der Koordination des<br />
Wiederaufbaus, der Verwaltung und Infrastruktur der<br />
kriegszerstörten Stadt beauftragt<br />
Ex-Bürgermeister von Bremen und ehemaliger Abgeordneter<br />
im Deutschen Bundestag.<br />
Bremen, 07.05.<strong>2008</strong><br />
Sehr geehrte Frau Bordes,<br />
mit großem Respekt verfolge ich die schon vor Jahren von Ihnen mit <strong>Schüler</strong>innen und <strong>Schüler</strong>n der Gesamtschule<br />
Stellingen – aber auch mit Zutritt von Besuchern weiterer Schulen aus ihrem Umfeld – aufgenommenen<br />
Hilfsaktionen für Schulen in Bosnien-Herzegowina.<br />
Wer, wie ich, die zum Teil dramatischen Folgen für das Schul- und Unterrichtswesen in diesen von bürgerkriegsähnlichen<br />
Konflikten belasteten Teil von Südosteuropa konkret und real miterleben musste, weiß um<br />
die dortigen widerstreitenden Interessen, bei der Finanzierung, bei der Gestaltung eines erträglichen Schulalltages<br />
und um nachhaltige Einwirkungen auf die nationalistischen Befindlichkeiten bei den Problemen, die wir<br />
geordnete Verhältnisse zu bezeichnen pflegen. Er weiß aber auch vom Bildungshunger der dortigen jungen<br />
Generation. Etwas, was viel zu selten von den regionalen Verantwortlichen aufgegriffen und in Teilen behoben<br />
wird. Hier haben die Unterstützung und die Hilfen aus Ihren <strong>Projekt</strong>en nicht nur Anstoß gegeben, sondern<br />
auch vor Ort Mut gemacht. Dafür möchte ich persönlich Ihnen und alle beteiligten Unterstützer herzlichen<br />
Dank sagen, wissend, dass damit eine eigentlich notwendige öffentliche Anerkennung leider nicht (oder besser<br />
gesagt: noch nicht) verbunden ist.<br />
Für Ihre diesjährige Aktion, gemeinsam mit <strong>Schüler</strong>n eines Gymnasiums in Sarajewo an die schwierige Aufgabe<br />
heranzugehen, gerade dort für die Sanierung der Unterrichtsstätte eine aktive Hilfe zu organisieren,<br />
nein, nicht zu organisieren, sondern mit anzupacken, bei dem es sowohl um die Ermöglichung eines geordneten<br />
Schulunterrichts, als auch gleichzeitig um Integration geht, wünsche ich Ihnen viel – auch materielle<br />
- Unterstützung. Dieses <strong>Projekt</strong> ist notwendig und ideell deshalb so vorbildlich, weil versucht wird, die nationalen<br />
Identitätsgegensätze glaubwürdig und zugleich nachhaltig über den gemeinsamen Schulbesuch von<br />
<strong>Schüler</strong>n verschiedener bosnischer Nationalitäten zu überwinden. Etwas, was eigentlich Zielvorgabe für alle<br />
sein sollte, aber dort leider viel zu selten ernsthaft in Angriff genommen wird. Ich bin von dem hier sichtbar<br />
werdendem Engagement stark beeindruckt und wiederhole gerne, was ich zu Anfang schrieb: Respekt!<br />
Mit guten Wünschen für dieses vorbildliche <strong>Projekt</strong><br />
bleibe ich Ihr<br />
Hans Koschnick<br />
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