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Einladung/Tagesordnung - Integration in Bonn

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Handbuch Inklusive Bildung <strong>Bonn</strong> – III. Sprachbildung<br />

III.1.6.3. Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit<br />

K<strong>in</strong>der, die von Geburt an zweisprachig erzogen werden, durchlaufen typischerweise drei<br />

Entwicklungsstufen, <strong>in</strong> denen die beiden Sprachen allmählich als zwei eigenständige<br />

Systeme begriffen werden. Zunächst kommt es zu e<strong>in</strong>er Vermischung der beiden Sprachen.<br />

Dann folgt das Unterscheiden zwischen beiden Sprachen. In der dritten Phase schließlich<br />

haben die K<strong>in</strong>der gelernt, vollkommen zwischen beiden Sprachen zu unterscheiden und<br />

behandeln die Sprachsysteme getrennt vone<strong>in</strong>ander. Auch diese Phasen s<strong>in</strong>d als<br />

Entwicklungstendenzen zu verstehen, und nicht klar vone<strong>in</strong>ander getrennt.<br />

Die Entwicklungen, die e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d bei e<strong>in</strong>er zweisprachigen Erziehung durchlebt, irritieren<br />

manchmal Bezugspersonen und wecken Ängste, das K<strong>in</strong>d sei überfordert und könne ke<strong>in</strong>e<br />

der beiden Sprachen richtig erwerben.<br />

Die Spracherwerbsforscher<strong>in</strong> Rosemary Tracy weist darauf h<strong>in</strong>, „dass K<strong>in</strong>der uns mit ihren<br />

Äußerungen eigentlich ziemlich genau sagen, woran sie gerade arbeiten. Es bedurfte aber<br />

e<strong>in</strong>es theoretischen Rahmens, um dies zu sehen und um die Indizien, die K<strong>in</strong>der uns<br />

anbieten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren Erwerbszusammenhang zu <strong>in</strong>terpretieren. Nur so können wir<br />

sie da abholen, wo sie schon angekommen s<strong>in</strong>d, und den aktuellen Sprachstand als<br />

„Sprungbrett“ für die Förderung benutzen.“ 14<br />

Spracherwerbsverläufe zeigen Zeitabschnitte mit relativer Stabilität und "turbulentere"<br />

Phasen oder Entwicklungskrisen, <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong>der ihr Repertoire erweitern. Wenn die<br />

Bed<strong>in</strong>gungen und sonstige kognitive Voraussetzungen stimmen, vollzieht sich der<br />

Spracherwerb beim K<strong>in</strong>d ohne bewusste Steuerung.<br />

Für den Erwerb e<strong>in</strong>er jeden Sprache müssen bestimmte Entwicklungsvoraussetzungen<br />

gegeben se<strong>in</strong>, sowohl im Hören, Sehen, <strong>in</strong> der Fe<strong>in</strong>motorik (Zunge, Lippen,<br />

Mundmuskulatur), als auch <strong>in</strong> der kognitiven und sozial-emotionalen Entwicklung. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ist die Sprachentwicklung abhängig vom emotionalen und geistigen Klima, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d lebt:<br />

� Welche Art der Zuwendung, Kontaktaufnahme und Anregung erfährt e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

der Erst- und Zweitsprache?<br />

� Wie reagiert die Umwelt auf se<strong>in</strong>e Kontaktversuche?<br />

� Wird dem K<strong>in</strong>d die Möglichkeit gegeben, se<strong>in</strong>e Sprachen spielerisch und<br />

k<strong>in</strong>dgerecht für sich zu entdecken?<br />

K<strong>in</strong>der lernen Sprache und Sprechen nach eigenen Regeln und anders als Erwachsene. Sie<br />

eignen sich nach und nach die Sprache an, die sie <strong>in</strong> ihrer nächsten Umgebung hören, ihre<br />

Mutter- oder Erstsprache. Und sie tun dies aus ihren täglichen Erfahrungen heraus, aus<br />

dem, was sie hören, sehen, fühlen und tun.<br />

Gert Schäfer, wissenschaftlicher Begleiter des offenen Bildungsplanes NRW, sagt: „Das<br />

Sprechen lernen beg<strong>in</strong>nt mit der Bildung der Wahrnehmung“ und betont:<br />

„Die Bildung des Sprechens und des sprachlichen Denkens zielt nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die<br />

Frage, wie K<strong>in</strong>der ihre sprachlichen Kompetenzen erwerben. Unter dem Blickw<strong>in</strong>kel von Bildung<br />

ist es wichtig, zu wissen, wie Sprechen das k<strong>in</strong>dliche Denken und damit die Art und Weise der<br />

k<strong>in</strong>dlichen Welterfahrung verändert. Dazu gehört auch das Wissen darüber, wie K<strong>in</strong>der vor der<br />

Sprache denken und welche Vorformen sprachlichen Denkens bereits vor dem eigentlichen<br />

Sprechen lernen <strong>in</strong> Gebrauch s<strong>in</strong>d.“ 15<br />

14 Tracy, R. (2008): Wie K<strong>in</strong>der Sprachen lernen. Und wie wir sie dabei unterstützen. Tüb<strong>in</strong>gen. S. 101<br />

15 Schäfer, G. (Hrsg.) (2004): Bildung beg<strong>in</strong>nt mit der Geburt. We<strong>in</strong>heim. S. 137<br />

© Bundesstadt <strong>Bonn</strong> 2012 14

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