Einladung/Tagesordnung - Integration in Bonn
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Handbuch Inklusive Bildung <strong>Bonn</strong> – III. Sprachbildung<br />
III.1.6.2. Sprachentwicklung und Gehirnentwicklung<br />
Die Sprachentwicklung als e<strong>in</strong> Teil der Gesamtentwicklung des Menschen ist verbunden mit<br />
vielen anderen frühk<strong>in</strong>dlichen Entwicklungen. Die Gehirnforschung ermöglicht e<strong>in</strong> besseres<br />
und vertieftes Verständnis der Grundlagen dieser Prozesse auf der Ebene der<br />
Gehirnentwicklung.<br />
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu "Lernen und Spracherwerb"<br />
„Für das Sprechen ist e<strong>in</strong>e ganze Anzahl von Gehirnarealen zuständig, die parallel arbeiten,<br />
um e<strong>in</strong> so kompliziertes Verhalten zu bewerkstelligen. Sprache wird bei den allermeisten<br />
Menschen vor allem <strong>in</strong> der l<strong>in</strong>ken Gehirnhälfte verarbeitet. E<strong>in</strong>e Region im Bereich der l<strong>in</strong>ken<br />
Schläfe prüft die Kategorie der e<strong>in</strong>treffenden Worte. Sie baut geme<strong>in</strong>sam mit dem<br />
sogenannten Broca-Areal, das auch <strong>in</strong> Höhe der l<strong>in</strong>ken Schläfe liegt und für die Grammatik<br />
zuständig ist, die Satzstruktur auf. H<strong>in</strong>ter dem l<strong>in</strong>ken Ohr bef<strong>in</strong>det sich das sogenannte<br />
Wernicke-Areal, das die Bedeutung der Wörter, also ihren semantischen Gehalt misst. H<strong>in</strong>zu<br />
kommen noch die Gehirnbereiche, die etwa die Mundmotorik und die Lautbildung steuern.<br />
Es wird deutlich, wie komplex das Zusammenspiel von unterschiedlichen Gehirnteilen ist, um<br />
e<strong>in</strong>e Verhaltensweise wie das Sprechen zu unterstützen. Das Neugeborene kann zwar noch<br />
nicht sprechen. Es ist aber von Geburt an <strong>in</strong> der Lage Kontakt aufzunehmen und mit se<strong>in</strong>en<br />
Bezugspersonen zu kommunizieren. Auch wenn die symbolgestützte sprachliche Form der<br />
Interaktion noch nicht zur Verfügung steht, s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs alle Wahrnehmungssender auf<br />
Empfang e<strong>in</strong>gestellt. Die Gehirnareale müssen ihre entsprechenden Funktionen erst<br />
erwerben. Ebenso müssen sich die verschiedenen Nervenzellen oder Nervenzellareale<br />
mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den und verästeln. Diese Strukturen verstärken sich <strong>in</strong> der Entwicklung<br />
des K<strong>in</strong>des vor allem, wenn Nervenzellen oder Nervenzellareale gleichzeitig aktiviert werden.<br />
Positive Reize und emotionale Zuwendung unterstützen diese Prozesse. Erfahrungen und<br />
Lernen halten das menschliche Gehirn bis zum Lebensende plastisch. Allerd<strong>in</strong>gs verändert<br />
sich die Lerngeschw<strong>in</strong>digkeit altersentsprechend. K<strong>in</strong>der verfügen über e<strong>in</strong>e rasante<br />
Lerngeschw<strong>in</strong>digkeit.<br />
Alle Lernprozesse folgen diesem Muster, egal ob Wissen erworben wird, oder e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d<br />
sprechen lernt. Es gibt für e<strong>in</strong>e Reihe von Entwicklungsprozessen solche sensiblen Phasen.<br />
Wenn es um den Spracherwerb bzw. das Sprechen geht, dann erfolgen die beschriebenen<br />
Prozesse <strong>in</strong> den "Spracharealen", also dem Broca-Areal und dem Wernicke-Areal. Hier<br />
beg<strong>in</strong>nen dann die Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den Neuronen zu wuchern. In diesem Zeitfenster<br />
s<strong>in</strong>d die entstehenden Verb<strong>in</strong>dungen und die synaptischen Kontakte darauf angewiesen, von<br />
der Umgebung, also durch Umweltreize aktiviert zu werden. Unterbleibt das, verkümmern die<br />
sprießenden Nervenzellverschaltungen wieder. Deshalb ist es gerade dann wichtig, e<strong>in</strong><br />
"sprechendes" Umfeld zu haben, was ja <strong>in</strong> aller Regel durch die Eltern oder die Familie<br />
gegeben ist. Die im Wachstum bef<strong>in</strong>dlichen Areale, die für das Sprechen zuständig s<strong>in</strong>d,<br />
müssen immer wieder genutzt und benutzt werden.“ 13<br />
Neben teilweise genetisch bed<strong>in</strong>gten Abläufen, ist die Lerngeschw<strong>in</strong>digkeit auf Anregungen<br />
von außen angewiesen. Die für uns wichtigste Erkenntnis aus der hirnorganischen<br />
Forschung: Die Umwelt trägt wesentlich dazu bei, ob sich neuronale Verschaltungen<br />
entwickeln, stabilisieren oder auch wieder verkümmern.<br />
Die vielfältigen Entwicklungsprozesse betreffen nicht nur die Erstsprache, sondern auch die<br />
Zweitsprache.<br />
13 Küls, H. (2012): Gehirnforschung, Lernen und Spracherwerb. In: Textor, Mart<strong>in</strong> R. (Hrsg): Onl<strong>in</strong>e-Handbuch<br />
K<strong>in</strong>dergartenpädagogik. Abruf: 05.09.2012<br />
© Bundesstadt <strong>Bonn</strong> 2012 13