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Sonnabend, 1. Oktober 2011<br />
Legendenbildung<br />
SOZIALWISSENSCHAFTEN Suzanne Schüttemeyer wollte eigentlich<br />
Politikerin werden. Nun erforscht sie als Wissenschaftlerin deren Arbeit.<br />
VON CHRISTIAN VOIGT<br />
s klinge ein bisschen<br />
nach Legendenbildung,<br />
sagt Suzanne Schüttemeyer.<br />
Aber es sei schon frühzeitig<br />
ihr Wunsch gewesen,<br />
Politikerin zu werden. „Seit<br />
dem zwölften Lebensjahr war<br />
ich wild entschlossen. Das politische<br />
Geschäft hat mich von<br />
Anfang an begeistert.“ Am<br />
liebsten wollte sie Bürgermeisterin<br />
einer großen Stadt<br />
werden - in Hamburg zum<br />
Beispiel, der Heimat der Professorin<br />
für Politikwissenschaft<br />
an der Uni Halle.<br />
„Das hat so noch<br />
niemand<br />
gemacht.“<br />
Suzanne Schüttemeyer<br />
Professorin am Institut für<br />
Politikwissenschaft<br />
Heute sitzt die 57-Jährige<br />
aber weder im Hamburger<br />
Rathaus noch im Roten Rathaus<br />
in Berlin oder anderswo.<br />
Stattdessen beobachtet sie<br />
Deutschlands Politiker aus<br />
der Sicht der Wissenschaft.<br />
Für das aktuelle Projekt<br />
„Citizens and Representatives“<br />
(„Bürger und ihre Vertreter“)<br />
wurden insgesamt 60<br />
Bürgervertreter ausgewählt.<br />
Die Arbeitsgruppe der Hamburgerin<br />
- rund 20 Doktoranden<br />
und Masterstudenten -<br />
begleitet die Abgeordneten in<br />
ihren Wahlkreisen. Sie wollen<br />
herausfinden, wie der di-<br />
rekte Kontakt der Politiker<br />
vor Ort aussieht. Welche Termine<br />
nehmen sie wahr und<br />
wie reagieren sie auf Wünsche<br />
ihrer Bürger?<br />
„Das hat so noch niemand<br />
gemacht“, sagt Schüttemeyer.<br />
Es sei aber wichtig zu wissen,<br />
was die Bundestagsabgeordneten<br />
außerhalb von Berlin<br />
tun, um so dem Phänomen<br />
der Politikverdrossenheit auf<br />
den Grund zu gehen. Ergänzend<br />
werden Umfragen<br />
durchgeführt. „Uns interessiert<br />
natürlich, was die Bür-<br />
Weniger zerstreut<br />
Politikprofessorin Suzanne Schüttemeyer und Danny Schindler, wissenschaftlicher Mitarbeiter, bearbeiten<br />
Fragebögen für das Projekt „Citizens and Representatives“. FOTO: ARCHIV/THOMAS MEINICKE<br />
ger von ihren Repräsentanten<br />
und deren Arbeit halten.“<br />
In der Regel lehrt Suzanne<br />
Schüttemeyer aber an der Uni<br />
Halle das Regierungssystem<br />
der Bundesrepublik. Die Lehre<br />
ist seit 30 Jahren der Kern<br />
ihrer Arbeit. „Ich kann das<br />
Regierungssystem nicht neu<br />
erfinden, trotzdem macht es<br />
mir nach dieser langen Zeit<br />
noch immer großen Spaß, es<br />
zu vermitteln“, sagt die Politikwissenschaftlerin.<br />
Und dann bricht sie eine<br />
Lanze für die <strong>hier</strong> und da als<br />
„brotlose Kunst“ bezeichnete<br />
Politikwissenschaft. „Man<br />
wird mit diesem Studium ein<br />
sehr guter Generalist“, sagt<br />
Schüttemeyer. „Das heißt<br />
aber nicht, dass sie von nichts<br />
eine Ahnung haben.“ Die Ausbildung<br />
befähige dazu, Zusammenhänge<br />
besser zu erkennen,<br />
sie zu beleuchten<br />
und zu analysieren. Die Studenten<br />
erwerben mithin<br />
wichtige Kompetenzen: „Sie<br />
eignen sich Struktur- und<br />
Entscheidungswissen an, das<br />
vielerorts gebraucht wird.“<br />
Die Uni Halle baut einen Campus für Geistes- und Sozialwissenschaftler.<br />
Ein Campus der kurzen Wege,<br />
das soll künftig das Geistes-<br />
und Sozialwissenschaftliche<br />
Zentrum (GSZ) sein, das<br />
derzeit in Halle gebaut wird.<br />
Über das Projekt wurde jahrelang<br />
gestritten, vor allem<br />
über den Standort, aber auch<br />
über den Abriss historischer<br />
Uni-Gebäude. Nun aber steht<br />
fest: Der neue Campus wird<br />
zwischen Ludwig-Wucherer-<br />
Straße, Emil-Abderhalden-<br />
Straße, Luisenstraße und<br />
Adam-Kuckhoff-Straße ge-<br />
baut. Ab 2014 sollen auf dem<br />
ehemaligen Gelände der landwirtschaftlichen<br />
Fakultät 17<br />
Institute der Uni Halle, die<br />
heute noch über die ganze<br />
Stadt verteilt sind, eine neue<br />
Heimat finden.<br />
Das Geistes- und Sozialwissenschaftliche<br />
Zentrum soll<br />
neben Seminar- und Büroräumen<br />
auch eine moderne Bibliothek<br />
beherbergen, eine<br />
Cafeteria und viel Grünfläche<br />
zum flanieren, lernen und diskutieren.<br />
JKL<br />
Stu d ie re n a n d e r Un i Ha lle<br />
17<br />
Das Modell des geplanten Campus FOTO: ANDREAS STEDTLER<br />
LEXIKON<br />
Vorlesung: Neben Seminaren<br />
und Übungen<br />
die häufigste<br />
Form der Lehrveranstaltung.Findet<br />
meist<br />
in Hörsälen<br />
(Foto)<br />
statt.<br />
Macht im<br />
günstigsten<br />
Fall ihrem Namen nicht alle<br />
Ehre, indem die Dozenten<br />
nur vorlesen. Ist heute<br />
in manchen Fächern immer<br />
wieder Schauplatz<br />
von Verteilungskämpfen<br />
um die knappen Plätze im<br />
Hörsaal. FOTO: ARCHIV<br />
INFO<br />
Uni zum<br />
selber machen<br />
Kontakte zu Arbeitgebern<br />
und neue Seminare: Auf diese<br />
Angebote muss man nicht<br />
warten. Man kann sie sich<br />
auch selber schaffen. Wir stellen<br />
aus den verschiedenen<br />
Studenten-Initiativen in Halle<br />
zwei exemplarisch vor:<br />
Studentische Förderinitiative<br />
der Naturwissenschaften<br />
(SFI):<br />
2005 gab es auch in Halle große<br />
Demonstrationen gegen<br />
Kürzungen an den Unis. Eine<br />
Handvoll Studenten wollte<br />
mehr tun. Sie gründeten SFI,<br />
um Kontakte zu Firmen zu<br />
knüpfen, als Arbeitgeber und<br />
als Sponsoren für Lehrprojekte<br />
an der Uni. Seit 2007 veranstaltet<br />
der Verein die Jobmesse<br />
„Science meets Companies“.<br />
Die Standgebühren fließen<br />
in Projekte, etwa eine<br />
Lehrveranstaltung zum Thema<br />
Bioethik.<br />
Infos im Netz unter:<br />
www.sfi-halle.de<br />
CultureConAction (CCA):<br />
Die Idee zu dem Verein hatten<br />
zwei Studentinnen im Fach<br />
Interkulturelle Europa- und<br />
Amerikastudien, die mehr<br />
über europäische Politik und<br />
Wirtschaft wissen wollten.<br />
Deshalb organisierten sie<br />
eine eigene Ringvorlesung<br />
zum Thema. 2009 wurde daraus<br />
ein Verein, der heute<br />
auch Weiterbildungen organisiert<br />
und die CCA-Messe<br />
veranstaltet, speziell für Geistes-,<br />
Kultur- und Sozialwissenschaftler.<br />
Infos im Netz unter:<br />
www.cultureconaction.de