Schwerpunkt - BMELV-Forschung
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Sechsbeinige<br />
Chemiker helfen<br />
im Pflanzenschutz<br />
Jürgen Gross (Dossenheim)<br />
Insekten haben im Laufe der Evolution eine Reihe von auffälligen Verteidigungsformen<br />
gegen Fressfeinde entwickelt. Das Repertoire reicht von<br />
mechanischen Schutzmechanismen wie Dornen oder Panzerungen bis<br />
hin zu einem ganzen Waffenarsenal der chemischen Kriegsführung. Einige<br />
Insekten produzieren offenbar auch hochwirksame antimikrobielle Substanzen,<br />
um sich gegen Krankheitserreger zu schützen. Im Institut für Pflanzenschutz<br />
im Obstbau der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft<br />
(BBA) ist man diesen Wirkstoffen auf der Spur. Lassen sie sich<br />
womöglich auch gegen Erreger von Pflanzenkrankheiten einsetzen? Das<br />
könnte neue Perspektiven für den Pflanzenschutz der Zukunft eröffnen.<br />
Wandelnde<br />
chemische Fabriken<br />
Die meisten der etwa eine Million bisher<br />
beschriebenen Insektenarten sind<br />
Pflanzenfresser. Als Pflanzen- und Vorratsschädlinge<br />
vernichten Insekten weltweit<br />
etwa 10 % der jährlichen Pflanzenproduktion.Viele<br />
dieser Arten treten in beträchtlicher<br />
Anzahl an ihren Wirtspflanzen auf, so<br />
dass diese Anhäufungen auch ein besonders<br />
reiches Nahrungsangebot für Gegenspieler<br />
wie Vögel oder räuberische Insekten<br />
bieten. So erscheint es nicht verwunderlich,<br />
dass sich die potenziellen Opfer<br />
durch die unterschiedlichsten Verteidigungsmechanismen<br />
schützen.<br />
Viele Insekten haben sich dabei zu<br />
wandelnden chemischen Fabriken entwickelt.<br />
In speziellen Drüsen wird eine große<br />
Vielfalt an giftigen oder übel riechenden<br />
chemischen Verbindungen wie Alkoholen,<br />
Alkaloiden, Herzglykosiden oder gar Blausäure<br />
produziert. Diese Substanzen werden<br />
häufig zur Verteidigung gegen angreifende<br />
Räuber eingesetzt. Dazu werden sie<br />
entweder auf der eigenen Körperoberfläche<br />
verteilt (z. B. Wanzen, manche Käfer),<br />
direkt auf die Angreifer gespritzt (Ameisen)<br />
oder in deren Körper injiziert (Bienen,<br />
Wespen). Der Bombardierkäfer erzeugt<br />
durch chemische Reaktionen in speziellen<br />
Kammern des Körpers sogar kochend heiße<br />
Sekrete und verspritzt diese bei Bedrohung<br />
unter deutlich hörbarem Knallen.<br />
Die mit Verteidigungsstoffen gefüllten<br />
Drüsenreservoire einiger Blattkäferlarven<br />
werden luftballonartig auf kleinen Erhebungen<br />
des Körpers ausgestülpt. Hungrige<br />
Marienkäfer oder Ameisen, die mit den<br />
aggressiven Sekreten in Kontakt kommen,<br />
lassen sich dadurch meist abschrecken.Allerdings<br />
sind die Sekrete häufig wirkungslos<br />
gegen räuberische Wanzen, die aufgrund<br />
ihres langen Stechrüssels den direkten<br />
Kontakt weitgehend vermeiden können<br />
(Abb. 1). Manche Drüsensekrete von<br />
Insekten dienen auch dazu, Nahrungskonkurrenten<br />
– sowohl der eigenen als auch<br />
anderer Arten – fernzuhalten.<br />
Sekrete töten Pilze<br />
und Bakterien<br />
Eine weitere, bisher unbekannte Wirkung<br />
dieser Drüsensekrete konnten wir in<br />
Laboruntersuchungen am BBA-Institut für<br />
Pflanzenschutz im Obstbau in Dossenheim<br />
(Bergstraße) nachweisen. Auf Agarplatten,<br />
die mit einem Bakterium, zum<br />
Beispiel dem insektenpathogenen Bacillus<br />
thuringiensis beimpft waren, wurden die<br />
Phytomedizin<br />
Abb. 1: Die Blumenwanze Anthocoris nemorum<br />
attackiert eine Blattkäferlarve<br />
(Chrysomela lapponica) mittels ihres langen<br />
Stechrüssels.<br />
Drüsensekrete verschiedener Schädlinge<br />
bzw. einzelne synthetisch hergestellte Sekretkomponenten<br />
aufgetragen. Nach dem<br />
Bebrüten zeigte sich auf den Platten ein<br />
gleichmäßiger Bakterienrasen, nur rund<br />
um die Auftragungsstellen war das<br />
Wachstum der Bakterien mehr oder<br />
weniger stark gehemmt (Hemmhof,<br />
Abb. 2). Mit Hilfe dieser so<br />
genannten Agardiffusionstests<br />
und weiterer Nachweismethoden<br />
konnte<br />
die antimikrobielle<br />
Wirkung etlicher insektenbürtigerchemischer<br />
Verbindungen<br />
gegen verschiedene<br />
Stämme von Bakterien<br />
und Pilzen nachgewiesen<br />
werden<br />
(Abb. 3).<br />
Solche antimikrobiell<br />
aktiven Sekrete<br />
wurden von uns bisher bei<br />
den Larven einiger Schadinsekten<br />
aus den Gruppen der<br />
Blattkäfer (z. B. Meerrettich- und<br />
Pappelblattkäfer) und der Blattwes-<br />
Abb. 2: Agardiffusionstest: In der klaren<br />
Zone verhindert der Wirkstoff (hier das<br />
Antibiotikum Gentamycin) das Wachstum<br />
von Bakterien.<br />
1/2005 FORSCHUNGSREPORT 29